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Die Beziehungen des Föhns zur afrikanischen Wüste

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zur

afrikanischen Wüste

Von E. Desor.

ist im ersten Bande des Alpenclubbuches, beiAnlass der frühern grössern Ausdehnung der Gletscher in den Alpen und der mannigfachen Theorien, welche zur Erklärung dieser grossartigen Erscheinung aufgestellt worden sind, auf die Theorie von Herrn Prof. Escher v. d. Linth hinge-gewiesen worden, welche das Verschwinden jener grossen Gletscher in Verbindung bringt mit den Schwankungen des Bodens im afrikanischen Continent und besonders mit der Trockenlegung der Sahara.

Als Vermittler dieser Umgestaltung im Klima des Alpenlandes ruft Herr Escher den Föhn an, unter dessen Hauch jene gewaltigen Gletscher verschwanden, welch« sich eine Zeitlang südlich bis an den Saum der Lombardiseh-venetianischen Ebene und auf der Nordseite sogar bis auf die Höhe des Jura erstreckt hatten. Von der Voraussetzung ausgehend, dass der Föhn identisch sei mit dem trockenen Sirocco, dessen Ursprung allgemein in die afrikanische Wüste

verlegt wird, hatte sich in den wissenschaftlichen Kreisen von Zürich die Frage aufgeworfen, was denn eigentlich geschehen werde, wenn der Föhn eines Tages ausbleiben sollte. * Eine solche Frage unter Leuten wie Escher, Denzler, Mousson, Wolf, Heer einmal angeregt, konnte nicht ohne Lösung bleiben. Es musste sich als nächstes Resultat ein weit geringeres Schmelzen und als Folge dessen ein verhält-nissmässiges Anwachsen der Schneemassen auf den Alpen ergeben, da bekanntlich der Föhn alljährlich in sehr kurzer Zeit bedeutende Massen von Schnee aufzehrt, wesshalb er von den Aelplern als Schneefresser bezeichnet wird. Daher auch das Sprüchwort:

„ Der lieb'Gott und die liebi Sunn chönnet 's mit, wenn der Föhn nit hilft. "

Mit dem Verschwinden der Wüste würde dieser mächtige Einfiuss, den der afrikanische Continent auf unsere Berge übt, wenn nicht aufgehoben, doch wesentlich verändert werden. Und wenn gar die Sahara sich in ein Binnenmeer umwandelte, so würde an die Stelle des trocknen Föhns ein feuchter Wind treten. Dieser müsste als Tropenwind ebenfalls warm sein, würde aber zugleich eine bedeutende Menge von Feuchtigkeit mit sich führen, die sich beim Anprallen an die kalten Zinnen der Alpen niederschlagen und auf diese Weise die Schneemasse wirklich vermehren würde.

Somit würde die Besitznahme der Sahara durch das Meer in doppelter Weise zum Anwachsen der Schneemassen in den Alpen beitragen, indirect durch das Ausbleiben des Föhns, und direct durch das Auftreten eines feuchten Windes an seiner Statt.,

Noch kennen wir nicht hinlänglich die Beziehungen der Niederschläge zu den herrschenden Winden, um voraussagen zu können, wie viel die Firnmassen der Alpen unter solchen Umständen zunehmen würden.

Es ist diess eine Aufgabe, welche die schweizerische meteorologische Commission ohne Zweifel sich stellen und wohl auch mit der Zeit lösen wird. Einstweilen lässt sich annehmen, dass die Zunahme keine unbedeutende sein dürfte, indem zu den rein meteorologischen Einflüssen sich auch noch andere Anlässe zur Vermehrung der Gletscher zugesellen würden. Wir haben anderwärts auf den Einfluss der Thalbildung in den Alpen hingewiesen. Es lässt sich nehmlich eine directe Beziehung zwischen der Ausdehnung der grossen Alpen-Gletscher und ihren obern Thalbehältern oder Bassins nachweisen. Der grosse Aletschgletscher, der Unter-Aar, der Rhone-Gletscher, die Mer de glace oder glacier du Bois steigen nur desshalb so tief herab, weil sie die Ausläufer von gewaltigen Behäl-tern in den höhern Regionen sind. Neben denselben trifft man aber in den Alpen nicht selten grosse, circusartige Erweiterungen und breite Joche, die sich alljährlich noch ihres Schnees zu entledigen vermögen, besonders auf dem Südabhange der Kette, so z.B. der Circus des Monteleone, derjenige von Dever, ein ähnlicher, obgleich nicht so grosser am Mont Cenis südlich vom Pass, und unter den Jochen, der Bernina, der Gotthard, der Simplon, alle an der Grenze der Schneeschmelze gelegen. Mit Noth gelingt es der Sommerwärme, dieselben alljährlich auf einige Monate von Schnee zu befreien. Sollte aber durch irgend eine Ursache die Schmelzkraft des Sommers sich vermindern, so würde der Winterschnee in den Kesseln ausharren, die Niederschläge des folgenden Jahres würden sich zum alten Schnee gesellen und auf diese Weise ein Firnfeld erzeugen, aus dem sich bald ein Gletscher als Ausläufer entwickeln würde, dessen Länge im Verhältniss wäre zu der Ausdehnung und Mächtigkeit des Firnfeldes. Eine solche Erscheinung könnte möglicher

Weise eintreten, ohne ein namhaftes Sinken der mittleren Jahrestemperatur. Es bedürfte dazu lediglich einer Ermässigung einerseits in der Wärme des Sommers und andererseits in der Kälte des Winters, wie man sie leicht voraussetzen könnte, wenn die feuchten Winde sich auf Kosten der trocknen vermehren würden.

Ein ähnliches Resultat würde sich aber, aller Wahrscheinlichkeit nach, im gesteigerten Maase ergeben, wenn der Föhn von unsern Alpen verschwände und durch einen feuchten Meereswind ersetzt würde. Es würden sich nicht nur neue Gletscher bilden an Orten, wo gegenwärtig keine vorhanden sind, die jetzigen würden auch wesentlich an Grosse zunehmen, und es bedarf keiner grossen Phantasie, um sich vorzustellen, wie z.B. unter solchen Umständen die Gletscher der Seitenthäler des Wallis bis in das Hauptthal gelangen könnten, um sich daselbst zu einem einzigen grossen Eis- oder Firnfelde zu vereinigen. Hat man ja doch nachgewiesen, dass in Scandinavien bei einem Sinken von nur 1° in der Sommertemperatur, die Hochplateaus sich nicht mehr alljährlich ihres Schnees entledigen würden, was zu bedeutenden Veränderungen in der ganzen Physiognomie des Landes Anlass geben musste.

So einladend und verführerisch auch die Theorie sein mochte, wodurch die Eiszeit der Alpen mit der Wüste Sahara in Verbindung gebracht wird, so war dieselbe doch nichts weniger als thatsächlich begründet. Vor allem musste nachgewiesen werden, dass beide Erscheinungen in der Zeit stimmen und auf dieselbe geologische Periode zurückführbar sind. Die Zeit der Gletscherausdehnung lässt sich nach geologischem Maasstab bestimmen. Wir haben in einem frühern Artikel gezeigt, dass sie nach der Alpenhebung ( vielleicht durch dieselbe bedingt ) eingetreten ist, dass sie mithin sehr jung ist.

Wenn aber ein Causalzusammenhang zwischen dem einstigen Sahara-Meer und der Eiszeit be- steht, so muss jenes Meer noch nach der letzten Alpen » hebung existirt haben und mithin in die quaternäre Zeit fallen, da bekanntlich die tertiäre Periode mit der Alpenhebung abschliesst. Aus demselben Grunde fiele die Trockenlegung desselben in eine noch jüngere Zeit.

Nun war von jeher die Idee, dass die Wüste Sahara neuern Ursprungs sei, gleichsam instinktartig verbreitete Schon Ptolemaeus spricht von derselben als von einer jüngeren Erscheinung, indem er voraussetzt, dass das Meer dort jedenfalls länger verweilt habe, als in den angrenzenden Gebieten.

Gestützt auf die orographische Beschaffenheit dieses weiten Beckens, das nicht allein sehr wenig über das Meer sich erhebt, in manchen seiner Theile, namentlich am nördlichen Saum der Wüste sogar tiefer sein soll ( etliche 20 Meter am Chott Mel-Rhir ), haben spätere Reisende diese Voraussetzung vielfach wiederholt. Auch ist die Kette der grossen Salzseen, die sich gegen Osten hinzieht, und die man gern als das Residuum des alten Meeres anzuseheir geneigt ist, dieser Annahme mehr oder weniger günstig, um so mehr als zwischen denselben, in der Nähe des Meerbusens von Cabes, keine wesentliche Bodenerhöhung vorkommt, und es in der That nur einer geringen Senkung bedürfte, um ein weites Feld der Wüste wieder in ein Binnen-Meer zu verwandeln. Ausserdem war in neuerer Zeit vielfach von Meermuscheln die Rede gewesen, die man an verschiedenen Stellen aufgelesen hatte, und als deren häufigste die essbare Herzmuschel, das Cardium edule angeführt wird.

Die näheren Beziehungen dieser Muschelart waren aber nicht genau erforscht. Am nächsten lag die Vermuthung,

dass sie aus irgend einem der zahlreichen, am Saume der Wüste sich hinziehenden Salzseen oder Chott herrühren möchte, zumal die Lokalität, von der man sie anführte, wirklich am Chott Mel Rhir liegt. Gegen eine solche Annahme sprach aber der Umstand, dass man nur leere Schalen kannte, und überhaupt gar keine Kunde von lebenden Muscheln in jenen Seen vorlag.

Unsere Reise in die Sahara sollte uns die erwünschte Gelegenheit bieten, das Problem zu lösen. Die Frage war an sich schon beachtenswerth, von rein zoologischem Standpunkte aus. Sie musste aber ganz besonderes Interesse für reisende Geologen haben, im Hinblick auf das Problem, das uns so lebhaft beschäftigte, nehmlich die Beziehungen der Wüste zur Eiszeit.

Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre es ein leichtes gewesen, aus der einfachen Speciesbestimmung das Alter der Muschel abzuleiten und zu ermitteln, ob sie zur gegenwärtigen Fauna Afrikas gehört oder aus einer vorweltlichen Zeit stammt, wenn auch der Jetztzeit noch so nahe, wie denn unsere Conehyliologen mit grösster Bestimmtheit zu sagen wissen, ob eine Muschelart, die man ihnen vorzeigt, der Molasse oder selbst dem Löss angehört.

Anders verhält es sich in der Wüste. Dort herrscht Unbestimmtheit nach allen Richtungen. Nicht nur weiss man nichts von den Thieren, die in den Salzseen leben. Die Wüste selbst ist noch weniger zuverlässig, in so fern deren Boden grossenteils aus losem Sande gebildet ist, und dieser Sand in seiner jetzigen Gestaltung und Lagerung das Werk der Winde ist, das Material der Wüste mithin aus Formationen verschiedenen Alters zusammengeweht sein kann.

Glücklicher Weise besteht die afrikanische Wüste nicht lediglich aus Flugsand, wie man sich 's oft vorstellt. Die Durchschnitte der artesischen Bohrungen hatten schon mehrfache Anzeigen von Schichtung geliefert.

Dieselben waren aber unserm Augenschein nicht zugänglich und auf der ganzen Strecke von Biskra nach Tugurt hatten wir keine Gelegenheit gehabt, einen wirklichen Durchschnitt zu sehen, noch weniger irgend eine Spur von Versteinerungen anzutreffen. Die erste Anzeige von etwas Aehnlichem fanden wir östlich von Tugurt auf dem Wege nach den Oasen des Suf, an einem Brunnen, den man vor nicht langer Zeit zu graben angefangen hatte. Bei näherer Betrachtung der Umsäumung desselben bemerkten wir in den Wänden des Kessels, dass die Sandkörner abwechselnd bald grösser, bald kleiner waren, und wenn auch keine Schichtfläche dieselben von dem gewöhnlichen Sand trennte, so ergab sich doch daraus eine gewisse Aufeinanderfolge, wie sie nur durch die Ablagerung im Wasser erzeugt wird. Vom Winde konnten solche Wirkungen nicht hervorgebracht sein. Zugleich zeigten sich vielfach kleine eckige Steinchen, welche die Form von Gypskrystallen hatten, obgleich sie hauptsächlich aus feinen Sandkörnern zusammengesetzt waren. Noch durften wir jedoch nicht auf eine wahre Schichtung schliessen, zumal es uns nicht gelingen wollte, auch nur die geringste Spur von irgend einer Versteinerung oder überhaupt einer Muschelschale zu entdecken. Die Wahrscheinlichkeit war aber vorhanden, und unsere Aufmerksamkeit war um so gespannter.

Die wahre Lösung des Räthsels sollten wir erst später, während der Rückreise, auf dem weiten Plateau zwischen den Oasen des Suf und dem Chott Mel-Rhir finden.

Am 6. December 1863 Morgens hatten wir in aller Frühe Gemar, die zweit grösste Oase des Suf verlassen, und zogen mit einer zahlreichen Karawane nach Norden gegen den Chott oder Salzsee. Nach einigen Stunden schon waren die Dünen weniger dicht, ziemlich grosse, flache Strecken dehnten sich zwischen ihnen aus, und um Mittag waren wir bereits wieder auf dem öden Plateau angelangt, wo die durch frühere Auswaschungen bedingten Abstürze vielfach mit wirklichen Dünen abwechselten.

Hin und wieder ist das Plateau so sehr zerfressen, dass nur schmale Gräte zwischen zwei Auswaschungen übrig bleiben, die dann das Ansehen von Hügeln mit flachem Gipfel annehmen. Einen solchen scharf ausgeprägten Grat hatten wir ausgewählt, um unser Mittagsmahl darauf zu halten. Als wir zu demselben gelangten, bemerkten wir ganz in der Nähe einige seltsam gestaltete Kegel von zwar nicht mehr als 10 Fuss Höhe, jedoch mit steilen und scharf ausgeprägten Abstürzen, ganz das Gegentheil von der abgerundeten Form der Dünen.

Wir fanden nun, dass die Kegel zwar aus feinem Sand bestanden, bemerkten aber zugleich eine deutliche, wenn auch unregelmässige, in verschiedenen Winkeln aufgelagerte Schichtung ( Uebergussschichtung ). Bei näherer Prüfung entdeckten wir auch darin eine Menge Bruchstücke von Muschelschalen, die zwar sehr abgerieben waren, indessen doch durch ihre Rippen sich als Stücke von Bivalven beurkundeten.

Hier konnte also kein Zweifel mehr walten. Wir hatten es mit einer wahren Wasserablagerung zu thun, die sich durch Schichtung sowohl als durch ihre organischen Reste zu erkennen gab. Es blieb nur noch die Species der Muschel zu identificiren, um zu wissen, ob es sich um eine Meer- oder Süsswasserablagerung handelte. Dieses Resultat, auf das wir natürlich sehr gespannt waren, liess nicht lange auf sich warten.

Am folgenden Tage lagerten wir zum Mittagessen am Brunnen Buchana.

Wie alle Brunnen der Wüste liegt dieser in einer Niederung oder früheren Auswaschung, umgeben von den gleichen schroffen Abhängen, wie wir sie schon mehrfach erwähnt haben. Nur.war hier der Gipfel von der härteren Gypsschicht überdeckt, die, eben weil sie härter und weniger zerstörbar war, wie eine Brüstung über die Abhänge hinaus ragte. Wir untersuchten an mehreren Stellen die unter der Gypsdecke gelegene Masse, und fanden sie wiederum aus feinem Sande mit Uebergussschichtung zusammengesetzt. Es war diess eine directe Aufforderung zu näherer Prüfung, welche sofort eingeleitet wurde und auch nicht ohne Erfolg blieb. Unser Anführer, H. Hauptmann Zickel, Director der artesischen Brunnen in der Wüste, dessen Interesse nicht minder erregt war als das unsrige, fand auch sehr bald dieselben kleinen Schalentrümmer, und nach einer Weile auch eine beinahe vollständige Schale, die sich mit ziemlicher Sicherheit als eine Herzmuschel ( Cardium edule ) herausstellte. Zugleich fanden sich auch ein Stück von einem Tri- tonshorn(Buccinum gibberulumLam.)und einzelne Fragmente von Seeeicheln ( Baianus miser L. ) Somit war die Frage entschieden. Der Sand, der die Schalen einschloss, war unzweifelhaft ein Meergebild.

Am dritten Tage gelangten wir in die Nähe des grossen Chott Mel-Rhir, den wir zum Theil zu durchwaten hatten. Das grosse Becken, zu dem man allmälig hinabsteigt, ist im weiten Umkreis von hohen Terrassen umgeben, an deren Gehängen vielfach mergelichte Lager mit dem reinen Sand abwechseln. Letzterer bot uns abermals Muscheln in Menge, und zwar immer die gleiche Herzmuschel, diessmal mit beiden Schalen unversehrt. Somit hatten wir dieses muschelführende Sandlager an drei verschiedenen Stellen des Plateaus, und in einer Entfernung von mehr als zwölf Stunden nachgewie- .Desor.

sen. Bringt man nun in Rechnung, dass früher schon dieselben Muscheln in den gleichnamigen Abstürzen des Chotts bei M'rair an seinem westlichen Ufer beobachtet worden waren, so liegt der Schluss nahe, dass sie nicht, wie man glaubte, der jetzigen Fauna des Chott's, der ohnediess öde zu sein scheint, sondern einem tieferen und umfassenderen geologischen Horizont angehören, und mithin auf einen früheren Seeboden hindeuten, den man wahrscheinlich in verschiedenen Richtungen wird weiter verfolgen können, jetzt, da die Andeutung dazu gegeben ist.

Hier aber stellt sich eine für den Naturforscher nicht unwesentliche Frage ein: die erwähnte Herzmuschel kommt bekanntlich noch jetzt lebend im Mittelmeer vor; sie ist aber an gewisse Stationen gebunden, und wird hauptsächlich an den Flussmündungen angetroffen, wo der Salzgehalt des Wassers ein viel geringerer ist als im offenen Meer. Es ist mit einem Worte eine Brackwassermuschel. Somit liegt der Schluss nahe, dass das Wasser, in dem die Muschel früher gelebt hat, dieselbe Eigenthümlichkeit besass, d.h. ein unvollkommen salziges Becken gewesen sein muss, im Gegensatz zu den jetzigen Chotts, die sich bekanntlich durch ihr Uebermaas an Salzgehalt auszeichnen.

Ist diese Annahme gerechtfertigt, so musste das Sahara-Meer, zur Zeit als die genannte Herzmuschel darin lebte, den Bedingungen entsprechen, welche den jetzigen brakischen Wassern eigenthümlich sind. Diese sind aber in der Regel nur Binnenseen, und es ist eine bekannte Thatsache, dass die Thiere derselben im Vergleich zu denen in offener See mehr oder weniger verkümmert sind. Auch ist die Zahl der Species eine geringere. Nimmt man nun an, dass die Wüste zu irgend einer gegebenen Zeit vom Meer eingenommen war, so muss sie in ihrem Wesen so ziemlich der Ostsee entsprochen haben.

Es war ein Binnenmeer, dessen Verbindung mit dem Mittelmeer durch die Meerenge von Kabes vermittelt wurde.

Fragt man nun nach der Ordnung, in welcher die Erscheinungen auf einander gefolgt sind, so ergiebt sich, dass die Sahara noch Meer war, als die Alpen bereits in ihrer jetzigen Gestalt existirten, deren Trockenlegung mithin in eine noch spätere Zeit fällt. Damit ist nicht nur die Erklärung oder die Theorie von Escher über den'Einfluss der Wüste gerechtfertigt, sondern es ergiebt sich auch der andere bedeutende Schluss: dass seit der Erhebung der Alpen, mithin in der allerjüngsten geologischen Periode, von der man annimmt, dass der Mensch ihr Zeuge gewesen, Veränderungen von der grössten Bedeutung sich zugetragen haben, in geographischer sowohl wie in klimatischer Hinsicht. Dieselben Südwinde, welche früher den Niederschlag von Schnee in den Alpen begünstigt hatten, wurden später zum trocknen Föhn oder „ Schneefresser " und veranlassten den Rücktritt der grossen Gletscher.,

Wie langsam aber dieser Process der Gletschervermin-derung vor sich gegangen, darüber besitzen wir freilich keine bestimmten Data; jedenfalls bedurfte es dazu eines lange andauernden Zeitraums. Es liegen Gründe zur Annahme vorhanden, dass die Grenzen der Gletscher während der Eiszeit bedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen. Viele Geologen wollen sogar zwei Gletscherperioden annehmen, die durch eine Zwischenzeit von gleichemKlima wie das jetzige getrennt waren und zu welcher die Gletscher ungefähr bis in ihre gegenwärtigen Sitze müssen zurückgegangen sein. Als Beleg dafür werden von H. Prof. Heer namentlich die Schieferkohlen von Utznach, Dürnten und Wetzikon im Kanton Zürich ( ein dem comprimirten Torf ähnliches Gebilde ) an-

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geführt, welche zwischen zwei Lagern von erratischen Blöcken vorkommen, und die gleichen Pflanzen und Käfer enthalten, welche heut zu Tage bei uns angetroffen werden.

Auch zu dieser Erscheinung muss sich nun die Sahara auf irgend eine Weise verhalten, und wenn die Eiszeit selbst so verschiedenartige Momente nachweist, so dürfen wir auch wohl ein ähnliches von der Wüste annehmen. Die Trockenlegung der Sahara wäre demnach, wie die Ausdehnung der* Gletscher, bedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen. Als Beweis hiefür wird man vielleicht einst die verschiedenen mit Sand abwechselnden Gyps- und Salzlager anführen, so wie den Umstand, dass beim Bohren eines artesischen Brunnens zu Om Thiour im Oued-Rir, sich Spuren von Süsswassei'-Museheln ( Planorbis ) in bedeutender Tiefe ( 98 M. ) vorgefunden haben.

Somit wäre denn die Sahara der grosse Regulator unserem Klima's, und zwar: ist sie mit Wasser bedeckt, so wird die Gletscherbildung übermässig: ist sie trockene Wüste, so ist unser Klima ein für seine geographische Lage und Höhe des Bodens ausnahmsweise bevorzugtes. Erst dann, wenn die Sahara wäre, was sie nie gewesen, eine Grassteppe, eine mit Savannen bedeckte Ebene, oder ein Culturland, würden unsere Alpen zu ihrem eigentlichen Klima gelangen, welches ein verhältnissmässig kälteres als das gegenwärtige und milderes als das frühere ( zur Eiszeit ) wäre.

Diese Beziehungen zwischen der Sahara und den klimatischen Verhältnissen der Alpen oder mit andern Worten zwischen Föhn und Alpengletsehern sollten auch ihre Widersacher finden. Es meldet sich nehmlich H. Prof. Dove, der hervorragendste unter den Meteorologen der Zeit, und behauptet auf allgemeine Gesetze sich stützend „ es könne kein Wüstenwind an die Alpen anschlagen, indem die aus den tropischen Gegenden aufsteigenden und dem Nordpol zuströmende Winde nothwendig in ihrem Laufe gegen Osten abgelenkt würden, und zwar in Folge ihrer grössern Drehungsgeschwindigkeit.

Diese Ablenkung sei aber für die Luftströmungen, welche von der Sahara aufsteigen, so bedeutend, namentlich im Winter, wenn die Sonne am südlichen Wendekreis steht, dass der Saharawind erst viel weiter östlich, gegen die Steppen des Aralsees hin, die Erdoberfläche erreichen könnte. Dem zu Folge musste der warme Wind oder Föhn, welcher den Schnee auf den Alpen schmilzt, von ganz andern Regionen, d.h. von dem tropischen Theil des atlantischen Oceans herkommen: Dann dürfte der Föhn aber auch kein trockner, sondern müsste im Gegentheil ein feuchter Wind sein, wie denn auch der Sirocco, den man gewöhnlich für das Aequivalent des Föhns hält, wirklich durch seine Feuchtigkeit berühmt oder vielmehr berüchtigt ist, auf Sicilien sowohl als auf Malta.

Dem entgegen steht aber die Erfahrung, welche uns lehrt, dass der in den Alpen als Föhn bekannte Wind gerade durch seine Trockenheit sich kennzeichnet. Ja diese Eigenschaft ist so wohl bekannt, dass es keinem Aelpler aus dem Glarner-oder St. Gallerland in den Sinn käme, den Namen Föhn einem Winde beizulegen, der nicht trocken wäre. Dieser trockne Wind weht aber sowohl im Winter als im Sommer. Im Spätsommer, wenn der Föhn sich anmeldet, eilt der Wildheuer auf die Alp, um das Gras zu mähen, denn er weiss, dass er es dann am gleichen Tag einziehen kann. Im Winter wird bei föhnigem Wetter kein Heu in der Scheune angerührt, noch weniger zu Markt gefahren.

Auch ist mit Recht eingewendet worden, dass die Annahme einer östlichen Ablenkung des afrikanischen Wüsten-windes in Folge der Umdrehung der Erde keineswegs sämmt-

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liehe Luftströmungen der Sahara von den Alpen ausschliessen würde. Selbst bei einer Ablenkung von 30° nach Ost, würde das ganze Gebiet der Wüste vom Meer bis zum 17° östlicher Länge ( jenseits des Meridians von Tafilet ) noch in directer Beziehung zu den Alpen bleiben können, so dass die dort aufsteigenden warmen Winde an den St. Gotthard anprallen könnten. Bei einem geringeren Ablenkungswinkel, wie man ihn wohl anzunehmen berechtigt ist, in Betracht, dass der Unterschied der beiden Parallelen ( St. Gotthard und Mitte der Sahara ) nur 4y2 Stunden per Grad beträgt, müsste der Wüstenwind sich noch weit westlicher fühlbar machen.

Bis jetzt besitzt man freilich noch keine Tabelle psychrometrischer Beobachtungen über den Trockenheits-grad des Föhns. Dieselben sind aber, wenn wir gut unterrichtet sind, von der schweizerischen meteorologischen Commission eingeleitet worden, und es stehen demnächst positive Nachweise zu erwarten, welche ohne Zweifel die Erfahrungen bestätigen werden.* )

Einen andern Einwand gegen die Eschersche Theorie hat man aus der allgemeinen Verbreitung der alten Gletscherspuren ableiten wollen, die bekanntlich nicht nur auf die Alpen beschränkt sind, sondern sich in vielen andern Gebirgen, wie z.B. in den Pyrenäen, den Vogesen und im ganzen Norden von Europa und Amerika wiederfinden. Insofern man annimmt, dass sie alle aus derselben Zeit stammen, und dass die Eiszeit eine allgemeine, über die ganze Erde gleichzeitig verbreitete Erscheinung war, reicht die Theorie freilich nicht aus, da die Sahara unmöglich in irgend eine Beziehung zu den amerikanischen Erscheinungen, geschweige zu denjenigen der südlichen Halbkugel, wie z.B. den alten

* ) Die bis jetzt publicirten meteorologischen Beobachtungen bestätigen bereits die Trockenheit und Wärme des Winterföhns.

Gletscherspuren auf dem Feuerlande oder auf Neuseeland in Verbindung gebracht werden kann.

Diese Gleichzeitigkeit ist aber keineswegs eine erwiesene Thatsache; sie ist vielmehr nur ein Nachklang aus jener Zeit, wo man nur grosse, die ganze Erdkugel betreffende Umwälzungen, hervorgerufen entweder durch allgemeine cosmische Einwirkungen oder durch innere physiologische Ursachen ( Fieberfrost der Erde ), gelten lassen wollte. Sind die Beziehungen, die wir zwischen der Sahara und dem Alpenklima annehmen, gerechtfertigt, so liesse sich vielleicht gerade daraus ein Einwurf gegen die Allgemeinheit und Gleichzeitigkeit der Erscheinung ableiten. In der That, es setzt die Besitznahme der Sahara dur,ch das Meer eine locale Senkung voraus, so wie ihre nachherige Trockenlegung eine langsame Hebung. Zugleich liegt es aber in der Natur der Dinge, dass jeder Hebung andernorts eine Senkung entsprechen muss, und dass wenn irgendwo Wasser abfliesst, es anderwärts zufliessen muss. Insofern nun die letzte Hebung der Sahara in irgend einem andern Welttheil eine continentale Senkung voraussetzt, muss dieselbe in entsprechender Weise auf das bezügliche Klima einwirken, mithin die Feuchtigkeit der Luftströmungen steigern.

Es liesse sich vielleicht gar dieser Satz durch heutige Zustände begründen. So hat neuerlich v. Hochstetter nachgewiesen, dass auf der Südseite der Alpen von Neuseeland die Gletscher auf der langen Abdachung bis zu 2800 Fuss und auf der kurzen Abdachung sogar bis zu 500 Fuss über dem Meer herabsteigen, was er dem feuchten oceanischen Klima dieser Insel zuschreibt. Ein solch tiefes Niveau der Gletscher in einer .Breite von 431/2° ist aber ziemlich gleichbedeutend mit der früheren Ausdehnung unserer Alpengletscher zur sogenannten Eiszeit.

Somit wäre gegenwärtig die südliche Hemisphäre in der Eiszeit begriffen.

Soviel ist einstweilen gewiss: es giebt einen warmen und trocknen Südwind, welcher mächtig in die Oekonomie der Alpengletscher eingreift: diess ist der Föhn. Dieser kann von nirgend anders wo herkommen als von der afrikanischen Wttste. Wenn dieser Wind heute ausbliebe, so würden sofort unsere Alpen sich mit Schnee überladen und in Folge dessen die Gletscher wieder vorzurücken " beginnen. Wenn gar der Föhn durch einen feuchten Wind ersetzt würde, welcher den Schneefall noch erhöhte, so dürfte leicht eine allgemeine Vergletscherung der Alpen eintreten, eine Eiszeit, wie sie damals herrschte, als die Wüste noch Meer war.

Möge daher Sie Sahara noch lange Wüste bleiben, und durch ihren warmen und trockenen Hauch die Gletscher der Alpen in ihre Grenzen bannen!

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