Die Fehde im Rhätischen Hochgebirg zwischen Donat Vatz und Rud. von Montfort 1322 | Club Alpino Svizzero CAS
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Die Fehde im Rhätischen Hochgebirg zwischen Donat Vatz und Rud. von Montfort 1322

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zwischen

Donat Freiherr von Vatz

und

Rudolf Graf von Montfort,

Bischof von Chur und Constanz. 1322/23. Von Prof. Pl. Plattner.

Im Kriege zwischen Friedrich dem Schönen von Oesterreich und Ludwig dem Baier um die deutsche Krone standen die Waldstätten mit den meisten reichsfreien Orten und Herrschaften Oberdeutschlands auf Ludwigs Seite.

Ihr Sieg am Morgarten war für den Ausgang des Wahlstreits nicht ohne Vorbedeutung und Folgen.

Sehr bedeutsam wirkte derselbe besonders auf die Geschicke Churrhätiens ein. Zwischen den Schlachten am Morgarten und bei Laupen wüthete im Südosten unseres Vaterlandes ein Gebirgskrieg, dessen Eigenthümlichkeit und Bedeutung in der Geschichte der Eidgenossenschaft noch kaum hinlängliche Würdigung gefunden hat. Wie später zur Unterstützung der Berner bei Laupen, so entfalteten auch schon in diesem Kriege die Waldstätten die siegreichen Banner vom Morgarten in den Hochthälern Rhätiens und vielleicht zum ersten Mal wiederhallte in seinen Gebirgsschluchten der Ruf des Uristiers und der Schall der Landhörner von Unterwaiden und Schwyz.

Die rhätische Fehde rief fast alle Dynasten des Landes auf den Kampfplatz. An der Spitze der österreichischen Partei stand Graf Rudolph von Montfort-Feldkirch, Bischof von Chur und Constanz. Der Vorkämpfer für Ludwig den Baier war der Freiherr Donat von Vatz. Die Politik der Grafen von Montfort, welche gegen die Könige Rudolph und Albrecht in langwieriger Fehde gelegen, die ihrem damaligen Haupt, dem kriegerischen Abt Wilhelm von St. Gallen, den Untergang brachte, nahm nunmehr im Kampfe zwischen den Kaisern Friedrich und Ludwig eine andere Wendung. Anfänglich schlössen sich beide Mont-forter Linien an Friedrich an, von dem sie für ihre Dienste mit Gold und Gunst reichlich bedacht wurden. Bald aber erhielt bei dem Haupte der Montfort-Tettnanger Linie, Graf Wilhelm II., der alte Montfortische Groll gegen das Haus Habsburg wieder die Oberhand. Wilhelm fiel von Friedrich ab und schlug sich auf die Seite Ludwigs, in dessen Diensten er es bis zum Statthalter von Mailand brachte. In dieser Eigenschaft erwarb er sich beträchtliche Reichthümer, so dass er das bereits gesunkene Ansehen seines Hauses wieder aufzurichten vermochte.

Nicht so glücklich war sein geistlicher Vetter Rudolph, das Haupt der Linie Montfort-Feldkirch. Rudolph blieb bis zum Tode Kaiser Friedrichs das Haupt der österreichischen Partei in Rhätien; erst nach Friedrichs Hinschied trat er zu Ludwig über. Für den ehrgeizigen Grafen Rudolph war nur auf der Seite Friedrichs und des Pabstes Ruhm und Einfluss zu gewinnen. Von Jugend auf hatte er das Streitross getummelt, der Krummstab

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sollte seinem Schwerte dienen. Schon als jungen Priester wählte ihn Pabst Johann XXII. zum Domprobst von Chur. Um zu höhern kirchlichen Würden emporzusteigen, bedurfte er der fernem Gunst und Gnade des Pabstes, welcher den Kaiser Ludwig als des Pabstthums und der Kirche Feind betrachtete. Blieb er Oesterreichs Sache getreu, so konnten die Infuln von Chur und Constanz ihm kaum entgehen. Hierin täuschte er sich nicht. Schon im Jahre 1310 begleitete Rudolph als Probst von Chur seinen altersschwachen Bischof Siegfried nach Zürich an das Hof-lager Kaiser Heinrichs VII. Bereits in demselben Jahre nennt er sich Pfleger von Chur; als solcher führte er die weltliche Verwaltung des Bisthums und gebot über dessen Streitkräfte. Im Jahre 1319 wurde er durch päbstliche Verwendung und Fürsorge Bischof zu Constanz, behielt jedoch die Domprobstei und die Pflegerschaft des Bisthums Chur nichtsdestoweniger bei, da der mit den Geschäften weniger vertraute, alte Bischof Siegfried, um Rudolph und des Pabstes Plänen nicht im Wege zu sein, sich in ein Kloster zurückzog. Er starb bereits im Jahre 1321; von seinem Tod an war Rudolph wirklicher Bischof von Chur, und Rhätien wurde nun das Versuchsfeld und der Tummelplatz seiner heissspornigen Politik. In seinen Händen lag jetzt eine nicht zu verachtende Macht, die ihm die Mittel und Streitkräfte der Hochstifte Chur und Constanz, der Abtei St. Gallen und der Grafschaft Montfort-Feldkirch gewährten.

Hierdurch wurde Rudolph das hervorragendste Partei-haupt in diesen Gegenden und die kräftigste Stütze der päbstlich-österreichischen " Sache; ihm schlössen sich sämmtliche Freunde Habsburgs in diesen Landen an; ihm zur Seite stand endlich auch die geistliche Macht, die er als Bischof in des Pabstes Namen auch über seine Feinde,

die Anhänger Kaiser Ludwigs, übte, und diese war in « iner Zeit, in welcher man mit dem Banne so verschwenderisch umgiengj nicht gering anzuschlagen.

Nicht umsonst sollte diese Macht in Rudolphs Hände gelegt sein. Durch einen Hauptschlag wollte er die Anhänger Ludwigs in diesen Gegenden vernichten und durch diesen Reiterdienst sich der vom Pabst ihm gewordenen Auszeichnung würdig erwreisen. Allein nicht nur dies! Ein sehr bedeutender, reeller Gewinnst war ihm und seinem Hause erreichbar. Wer mit ruhigem Blick die Machtverhältnisse Habsburgs und Ludwigs von Baiern verglich, konnte über die grössere Wahrscheinlichkeit eines Erfolges auf Seite Oesterreichs keinen Augenblick im Zweifel sein. Erhielt aber Friedrich von Oesterreich in Deutschland die Oberhand, so war für Rudolph die Gelegenheit zu neuen Erwerbungen in Rhätien zu Händen seines Hauses äusserst günstig. Das Haupt seiner Feinde in Rhätien, der Freiherr Donat von Vatz, hatte keine männlichen Erben. Er besass an Eigen und Lehen beinahe den dritten Theil Graubündens. Durch seine Besitzungen waren die Hochstiftslande in der Mitte durchschnitten.

In Donats Händen lagen die nördlichen Zugänge zu sämmtlichen bündnerischen Alpenpässen. Diess war für das Hochstift von grossem Nachtheil. Eine Niederlage Donats konnte auch in Bezug auf diese Verhältnisse eine günstigere Wendung herbeiführen.

Gelangte überdies Friedrich der Schöne zu dem unbestrittenen Besitz der deutschen Krone, so schien die nächste Anwartschaft auf die mit dem Tode Donats heim-fallenden Hochstifts- und Reichslehen dem Hause Montfort gesichert, sofern Rudolph die Sache Oesterreichs in Rhätien mit Nachdruck verfocht.

Allein auch Donat von Vatz durchschaute die Sachlage. Er hatte zwei Töchter, Ursula und Kunigunde. Seine Schwiegersöhne waren der Graf Rudolph von Werdenberg und Graf Friedrich von Toggenburg. Den eigenen Kindern seine einstige Verlassenschaft zu sichern und was er vom Hochstift und vom Reiche zu Lehen trug, seinen Schwiegersöhnen zuzuwenden, war der Zweck, den Donat mit aller Ausdauer und Energie verfolgte.

Im Jahre 1322 rief Bischof Rudolph seine Freunde und Dienstleute unter die Waffen. Die Gotteshausleute aus dem Vintschgau, Münsterthal, Puschlav, Bergell, Engadin und Oberhalbstein bildeten den Kern der Schaaren, mit welchen er sich im Engadin, an den Grenzen der Landschaft Davos, lagerte.

Die nördlichen Besitzungen des Bisthums, sowie die Grafschaftsleute von Montfort, wurden durch den Freiherren von Rhäzüns und die Schwiegersöhne Donats in Schach gehalten. Letzterer bot seine Mannen auf und sah sich um Freunde und Bundesgenossen um. Dieser mächtigste und gefürchtetste Gegner Rudolphs, der Schwager des Königsmörders Walther von Eschenbach, wegen der Errichtung der Grafschaft Laax und aus vielen andern Ursachen der erbitterte Feind Oesterreichs, der natürliche Nebenbuhler des Hauses Montfort und ohnehin mit den Bischöfen wegen Lehen und verschiedenen Ansprüchen, besonders wegen der Vogtei über Chur, in altem Hader, dürstete nach Blut und Rache und harrte mit wilder Lust dem Ausbruche des Kampfes entgegen. Die Waldstätten gewann er zu Bundesgenossen; mit der Hilfe ihrer siegreichen Volkskraft begeisterte er seine Schützlinge, die freien deutschen Walser in den Hochthälern Graubündens, zu muthvollem Widerstand. Wer in diesen Landen ein Gegner Oesterreichs war, trat unter seine Fahnen.

Jetzt war die Gelegenheit geboten, die von Kaiser Albrecht errichtete Grafschaft Laax zu beseitigen, welche ein Versuch zur Wiederherstellung des alten Grafen-bannes von Churrhätien war und den Zweck hatte, alle Freien unter die Gerichtsbarkeit eines österreichischen EeichsYOgtes zu bringen. Hierin erblickten die Dynasten des Landes mit Recht das Bestreben, gleichwie in Uri auf der Grundlage der Vogtei, die völlige Landeshoheit auszubilden und ihre reichsunmittelbare Stellung zu untergraben. Dies erschien um so leichter als die Schirmvogtei über das Hochstift ohnehin in den Händen des Kaisers war.

Ist es doch Oesterreich im Vinstgau später gelungen, das Grafenamt und die Vasallenstellung zum Hochstift Chur bis zur vollen Hoheit über Land und Leute des Bisthums zu entwickeln.

Donat von Vatz war Herr der Gerichte Vatz, Orten stein, Domleschg, Schleuis, Laax, Hohentrins, Heinzenberg, Thusis, Tschappina, Savien, Schams, Rheinwald, Davos, so wie über Prätigau, Maienfeld, Beifort, Schanfigg und €hurwalden.

Die Herren von Rhäzüns mit der gleichnamigen Herrschaft und mit Obersaxen, Waltensburg und St. Jörgenberg, sowie die Herren von Belmont, mit den Herrschaften Flims, Gruob, Ilanz, Lugnez und Vals, standen beiderseits mit den Freiherren von Vatz in- verwandtschaft-lichem Verhältnisse und machten mit denselben gegenüber dem Hochstift und den Bischöfen fast immer gemeinsame Sache, so auch Johann von Belmont in der bevorstehenden Fehde. Der damalige Abt von Disentis, Wilhelm von Planaterra, war in Misshelligkeiten mit seinen Leuten in Ursern verwickelt. Die Urner hatten sich der österreichischen Vogtei über Ursern bemächtigt und Kaiser Ludwig hatte ihren Landsmann Konrad von Mose zum Ammann der Thalgemeinde erhoben und ihm zugleich die Vogtei irre Thal Leventina übertragen, so dass Uri bereits 1316 den Gotthardpass beherrschte.

Dies führte jedoch zu wiederholten Zwistigkeiten zwischen der Abtei, den Thalleute » von Ursern und den Urnern. Im Jahre 1319 schloss der Abt mit den Urnern ein Freundschaftsbündniss; letztere geriethen aber bald wieder mit seinen Leuten in Ursern und Disentis in Misshelligkeiten und Stösse wegen der Zölle und des Verkehrs über den Gotthard. Diesmal wurden die Urner von den Aebtischen geschlagen. Hierauf ward der Span auf den Vorschlag des Abts, der die Vermittlung der übrigen Waldstätten anrief, einem Schiedsgericht übergeben und für einige Zeit wenigstens beigelegt. Die Administration der Abtei wurde sodann dem Freiherrn Aymon von Thurn aus Oberwallis übertragen, welcher später Bischof von Sitten ward. Nach der Vatzische » Fehde wurde ihm dieselbe, angeblich wegen schlechter Wirthschaft, entzogen. Aymon war als Oberwalliser der Sache der Waldstätten zugethan, der Durchzug der Hilfstruppen und die ganze Fehde mag das Kloster stark in Anspruch genommen haben. Später brachen die Zwistigkeiten von neuem aus, die Abtei musste aber Uri gegenüber den Kürzern ziehn. Erst unter Abt Thüring von Attinghausen, einem Sohne Landammann Werners von Uri, wurde der Friede dauernd hergestellt; Ursern aber und der Gotthardpass blieben in den Händen Uris. Beim Ausbruch der Vatzischen Fehde galt es den Waldstätten, festen Fuss am Gotthard zu fassen und durch gute Dienste die Freundschaft der benachbarten rhätischen Dynasten zu erwerben.

So standen beim Ausbruch des Krieges die Dinge an den Quellen des Rheins und der Reuss. Nun zogen die Kämpfer vom Morgarten und Brünig, stolz auf die errungene Freiheit, die seit der Zeit der Hohenstaufen eröffnete Heerstrasse hinauf, auf welcher sie schon Friedrich II. nach Favenz zu Hilfe geeilt waren, um sich neue Freiheitsbriefe zu holen.

Das lachende Alpenthal und den Bergpass, an dessen Besitz Wohlstand und Selbständigkeit geknüpft schienen, galt es durch neuen Waffendienst sich dauernd zu sichern. Frohen Muthes überstiegen sie die Oberalp. Nun lag vor ihren Blicken das offene Gebiet der Abtei Disentis. Bis nach Truns, welches ein Jahrhundert später das Rütli rhätischer Freiheit werden sollte, reichte der Gerichtsbann des Abts. Von Truns weg kamen die Krieger der Waldstätten in die Herrschaft Waltensburg, welche dem Herrn von Rhäzüns gehörte; ihnen schlössen sich die Herrschaftsleute an; hierauf nahm sie Ilanz auf, die erste Stadt am Rhein. Hier wehte das Banner Belmonts, dessen Leute aus Vals und Lugnez, von Flims und der Grub sich um dasselbe schaarten.

Aus der Herrschaft Belmont gelangten sie auf der rechten Seite des Rheins über Versam, wo die Männer von Savien sich beigesellten, und auf der linken Seite über die Vatzische Herrschaft Hohentrins, in das Gebiet von Rhäzüns, an die Vereinigung des Vorder- und Hinterrheins. Da standen sich die beiden Vesten Reichenau und Rhäzüns gegenüber. Hier mündet der Kunkelspass, welcher in das Gebiet der Abtei Pfäfers führte, deren Vogtei dem Grafen von Werdenberg-Sargans zustand, dem Eidam Donats von Vatz. Oestlich von Reichenau lag Churer Gebiet.

Aus dem Gebiet von Rhäzüns zog die Schaar durch das Domleschg an die Mündung der Albula in den Hinterrhein. Da wo das schäumende Gebirgswasser aus den Schluchten des Schyn- oder Müraspasses hervorstürzt, zwi- sehen den Burgen Fürstenau, Baldenstein, Ehrenfels und Eialt, war der Sammelpunkt sämmtlicher Fähnlein vom Vorder- und Hinterrhein.

Die Männer von Rheinwald und Schams, Thusis, Heinzenberg und Tschappina schlössen sich hier dem Heerhaufen an.

Am oberen oder östlichen Ende des Schyn war der Stammsitz Donats, die mächtige Veste Vatz mit mehrern kleineren Burgen, die den Gebirgspass umgaben. Vatz bildete nicht nur den Mittelpunkt des ganzen freiherrlichen Gebiets, es war auch das geographische Centrum von ganz Churrhätien. Die Albulalinie beherrscht die Verbindung mit dem Vorder- und Hinterrhein über den Schyn, mit Chur und dem nördlichen Landestheile über die Lenzerheide, mit dem Engadin und den übrigen ennetbergischen Thälern über den Julier, Albula, Scaletta und Flüela, mit dem Schanfigg über den Strela, mit dem Prätigau über den Wolfgang. Diese Linie durchschnitt- das Gebiet des Hochstifts in der Mitte. Der Knotenpunkt ist Tiefenkasten, schon zur Zeit der Römer befestigt, die beiden Flügel bilden Vatz und Davos. Oberhalb Tiefenkasten liegt der Hof Vazerol, wo 1471 die drei Bünde zur Gründung des rhätischen Freistaats zusammentraten.

Die strategische Bedeutung dieses Querdurchschnitts von Graubünden wurde in neuerer Zeit auch durch die Eidgenossenschaft gewürdigt durch Unterstützung des Netzes der bündnerischen Verbindungsstrasse^ deren Mittelpunkt hier liegt und die ihrer Vollendung rasch entgegengehen.

Folgen wir den militärischen Operationen Donats. Drei Punkte waren den Hochstiftischen gegenüber zu besetzen; Tiefenkasten mit Festung und Gericht Beifort gegen die bischöfliche Thalschaft Oberhalbstein, welche über Julier und Septimer mit den ennetbergischen Thälern in Verbindung stand;

dann die Mündung des Albulapasses bei Filisur und der Veste Greifenstein und endlich die Landschaft Davos, der Zugang zum Sealetta und dem Flüela und zugleich die Verbindung mit dem Prätigau und Sehanfigg. Auf diesen Punkten lagerten sich die Vatzischen Streitkräfte.

Die Hochstiftischen lagen auf der Südseite des Gebirgs, im Engadin, von Val Sulsanna über Scanfs und Zutz bis Ponte. Zwischen den beiden Lagern erhoben sich die gewaltigen Pyramiden des Piz Aela, Rugnux, Err, Kesch und Grialetsch mit ihren prachtvollen Gletschern.

Der Krieg begann ganz nach Art der damaligen Zeit. Einzelne Streifpartieen von beiden Seiten überstiegen wiederholt die Gebirgspässe und raubten sich gegenseitig die auf den Alpen weidenden Heerden, brannten Häuser, Ställe und Sennhütten nieder und bekämpften sich, wenn sie zufällig aufeinanderstiessen. Den Gotteshausleuten im Engadin kam die alte Letze bei Scanfs mit ihren tiefen Gräben wohl zu Statten.

Die Angriffe der Vatzischen wurden durch Ausfälle der Hochstiftischen gegen Davos und Bergün kräftig erwiedert. Eine seltsame Kriegführung über drei Pässe von durchschnittlich 7000 Fuss Höhe! Brennende Häuser, Ställe und Sennhütten, deren Flammen die Eisfelder des Hochgebirgs schauerlich rothen, hier Jammer und Todes-stöhnen verwundeter Krieger, dort Jauchzen und Siegesjubel, vermischt mit dem Gebrüll erbeuteter Heerden, dazu der Donner der Lawinen, das Tosen der Gebirgsstürme und Gletscherbäche und das heissere Geschrei hungriger Lämmergeier und Steinadler, die sich aus schwindelnder Höhe an den Wasserfall im Arvenwald herabstürzen, um ihre Krallen zu gierigem Schmaus in die noch athmende Brust des gefallenen Kriegers zu schlagen!

Wer aus dem Prätigau über den Wolfgang her durch Lärchen- und Arvenwald nach Davos herabsteigt, hat ein Landschaftsbild vor sich, das Anmuth und Grossartigkeit zu einer der schönsten Perlen der Alpenwelt gestalten. Vor den freudig überraschten Blicken des Wanderers, schlägt der stille tiefblaue See sein träumerisches, von Tannen und Arven umdunkeltes Auge auf; darüber hinweg breiten sich saftig grüne Matten aus, vom krystallhellen Landwasser durchströmt; im Hintergrunde öffnet sich, von dunkelbewaldeten Gebirgsvorsprüngen umrahmt und von einem Gletscherbach durchrauscht, das reizende Seitenthal Dischmaa, über welches der prachtvolle Eismantel des Scaletta hervorglänzt.

Dies sonst so friedliche Alpenthal sollte der Schauplatz; eines blutigen Treffens werden.

Es war den Hochstiftischen zu Ohren gekommen, dass der gefürchtete Freiherr von Vatz mit seinem Kriegsvolk von Davos aufgebrochen sei, um längs dem Landwasser durch die « Züge » hinunter nach Beifort zu rücken. Da machten sich die Engadiner auf und zogen in Eile über das Gebirgsjoch, um Davos und was sie weiter erreichen möchten, mit Kaub, Mord und Brand heimzusuchen. Di& Davoser aber wurden durch ihre Wachen rechtzeitig von der drohenden Gefahr in Kenntniss gesetzt und meldeten dieselbe unverzüglich dem Freiherrn. Das Landvolk selbst aber blieb nicht müssig; eiligst schaarten sich die freien Walser unter Anführung ihres wackeren Hauptmanns Lukas Guler von ihren zerstreuten Gehöften zusammen, um sich dem vom Scaletta heranbrausenden Sturm mannhaft entgegen zu werfen. In der Mitte des Thälchens stiessen die feindlichen Haufen auf einander; es entbrannte rasch ein erbitterter Kampf. Die Davoser fochten im Angesicht von Weib und Kind, von Haus und Hof. Nach hart- Donat v. YaU.

nackigem Streit gewann die nachhaltige alemannische Volkskraft die Oberhand. Die Walserleute erschlugen ohne namhaften Verlust der Ihrigen eine beträchtliche Anzahl Feinde und warfen den flüchtigen Rest über das Hochgebirge zurück Die Wiese, auf welcher das Treffen stattgefunden, wurde seit diesem Tage die Kriegsmatte genannt. Der Ritter Guler von Wineck, ein Enkel des Siegers von Dischmaar erzählt in seiner Chronik, man habe noch zu seiner Zeit bei Anlass einer Waldrodung verrostete Kriegswaffen und Beckelhauben aus der Erde gegraben.

Als dem Freiherrn von Vatz die Botschaft des Ueber-falls in Dischmaa überbracht wurde, erschrak er anfänglich darüber; denn er hegte Besorgniss, die Davoser würden übel zu leiden haben; er zog ihnen unverzüglich zu Hilfe. Auf dem Wege jedoch begegnete ihm der eilende Bote, der die Siegesnachricht brachte; da entrunzelte sich die Stirn des Freiherrn und Sorge und Unmuth wandelten sich in Freude und Frohlocken.

Aehnliche Ueberfälle wurden auch über die anderen Gebirgspässe versucht, jedoch mit geringem Erfolg.

Das Haupttreffen, « da man mit ganzer Macht aneinander gesetzt und dem Krieg ein Loch gemacht hat », geschah zu Filisur, am Ausgang des Albulapasses, hart unter dem Schlosse Greifenstein. Vom Bergjoch herab und durch die Schlucht des Bergünersteins heraus stürmten die hoch-stiftischen Schaaren in wilder Kampflust gegen die kernhaften Mannen des kriegserfahrenen Freiherrn und seine sieggewohnten Freunde aus den Waldstätten. Die Belagerung der Burg Greifenstein kostete Rudolf von Montfort viele der tapfersten Krieger; noch stärker lichtete der Kampf auf offenem Feld seine Reihen. Nach langem, blutigen Streit wandten sich die Hochstiftischen zur Flucht. Es zeugt von der geistigen Ueberlegenheit Donat's, das s €20Plattner.

-er die Hauptangriffe seiner Gegner diesseits der Berge in fester Stellung erwartete; so waren letztere genöthigt Pass-liöhen von 7000 und mehr Fuss zu übersteigen und, erst in die Flucht geschlagen, den nachjagenden Feind auf den Fersen, einen traurigen, verderbenvollen Rückzug über Kluft und Fels, stets bergan und neben Gletschern vorbei, anzutreten, was mehr Opfer forderte, als das Treffen selbst. Guler erzählt, dass viele der Gegend Unkundige auf der Flucht im Schnee und auf dem Firn und den Gletschern des Hochgebirges jämmerlich zu Grunde gingen. « Denn die Höhen in dem Alpengebirg seien mehrentheils mit ewigem, immerwährendem Schnee bedeckt, welcher durch Länge der Zeit verhärtet, grausame Klüfte werfe, viel-hundert Klafter tief, ja an etlichen Orten schier unergründlich. Diese Klüfte würden bisweilen durch neue Schneelein bedeckt, dass man ihrer nicht wahrnehme, sondern vermeine, es sei Alles ein satter Schnee. Komme man aber darauf, so vermöge er unter den Fussen nicht zu halten, und jählings falle man hinunter in unwiederbringliches Verderben, was vielen Bischöflichen allhier .auch begegnet sei. »

Auf diesem beschwerlichen und gefahrvollen Rückzuge erlitten die Hochstiftischen beträchtliche Verluste; über 200 Mann geriethen in die Gefangenschaft des Freiherrn Ton Vatz. Ein entscheidender Sieg war errungen. Um dem Bischof Rudolf die Fortsetzung des Widerstandes gründlich zu verleiden, wurden die Gefangenen, nachdem sie anfänglich einer gnädigen und freundlichen Behandlung sich erfreut hatten, von Donat bald mit ausgesuchter Härte und Grausamkeit gequält. Man hat die Wahrhaftigkeit der sachbezüglichen Berichte in Zweifel gezogen, jedoch, wie uns bedünken will, ohne Grund. Die ganze Fehde trägt den Character äusserster Kraftanstrengung und Erbitterung.

Manche Grausamkeiten mochten nach damaliger Sitte während derselben vorgekommen sein und die Rachegefühle aufgestachelt haben. Dass man gegen Ende des Mittelalters mit den Kriegsgefangenen nicht immer glimpflich umging, erzählt die Geschichte aller Länder. " Wollen uns die Berichte der Chronisten über die Grausamkeiten einer roheren Zeit nicht glaubwürdig erscheinen, so erinnere man sich an Jefferson Davis in unseren so humanen und empfindsamen Tagen; oder man denke an Ezzelino da Romano und lese die Schilderungen Dantes in der Divina Commedia und die der spätem italienischen Geschichtschreiber. In Graubünden wurden noch drei Jahrhunderte später, zur Zeit der Parteikämpfe, Grausamkeiten verübt, die hinter denjenigen des Freiherrn von Vatz nicht weit zurückblieben. Letztere sind zudem von einem Zeitgenossen selbst, von dem Mönche Johann von Winterthur, aufgezeichnet worden, einem Manne, dem wir zugleich den besten und zuverlässigsten Bericht über den Krieg Herzog Leopolds gegen die Waldstätten und die Schlacht am Morgarten verdanken; auch haben die Chronisten des 15. und 16. Jahrhunderts an der Glaubwürdigkeit der berührten Thatsachen nicht gezweifelt, und ebensowenig ist bisher ein Beweis gegen dieselben erbracht worden. Wir sind daher genöthigt, sie für wahr zu halten, so sehr sich auch unser Gefühl dagegen auflehnen mag.

War Donat den Gefangenen anfänglich freundlich begegnet und hatte er ihnen Speise und Trank reichen lassen, als ob sie ihm willkommene und liebwerthe Gäste wären, so schlug sein Verhalten ihnen gegenüber bald in das gerade Gegentheil um. Er befahl, sie in finstere Thürme und Verliesse zu werfen, und liess sie in denselben, ohne Darreichung einiger Nahrung, rathlos zu Grunde gehen. Wenn sie aus grösser Hungersnoth, in

der verpesteten Luft des eigenen Unraths, jammervoll aufschrieen und Gott und die Welt anriefen, so lachte er der Unglücklichen und sagte, dies seien seine Lustvögel, « die ihm in ihren Käfigen sängen und dadurch sein Gemüth fröhlicher stimmten. Campell hat uns auch von Donat den grausamen Zug aufbewahrt, dass er einmal drei seiner Leibeigenen stark habe zechen, dann den einen herumlaufen, den andern ruhig hin und her gehen, den dritten aber schlafen lassen. Tags darauf habe er Befehl gegeben, alle drei aufzuschneiden, um zu erfahren, welcher von ihnen am besten verdaut habe. " Während der Fehde mit Bischof Rudolf hat Donat an das Frauenkloster Churwalden, weil es bischöflich gesinnt war, oder nach Andern wegen eingerissener Zuchtlosigkeit, mit eigener Hand die Brandfackel angelegt und es von Grund aus zerstört. Er missbrauchte ferner seinen Sieg über « den Bischof durch schonungslose Verwüstung der Hochstiftslande und des Montfort'schen Gebiets. Das Gotteshaus und dessen Leute hatten unter der eisernen Faust des übermüthigen Siegers schwere Drangsale zu erdulden. Mord, Raub und Brand wütheten in den Thälern des Bisthums, so dass selbst Rudolphs zweiter Nachfolger noch im Jahr 1327 sich darüber beklagt, dass die Bisthums-angehörigen durch Raub an ihren Heerden, Einäscherung der Wohnungen, Verwüstung des Landes und Vertreibung der Colonen grosse und schwere Verluste erlitten.

Erst die Entfernung Rudolphs vom Bisthum im Jahr 1324 machte dem Krieg und den Verheerungen ein Ende. Jetzt erst war die Rache Donats gesättigt. Rudolphs Pläne waren vereitelt, seine Kraft wie sein Muth gebrochen. Die Verantwortung all des Elendes, das er heraufbeschworen, lastete schwer auf ihm. Er musste das Land verlassen; Friedrich dem Schönen blieb er unverbrüchlich treu, so lange derselbe lebte.

An allen Sonn- und Festtagen liess er die päbstliche Bannbulle gegen Ludwig den Baier in den Kirchen seiner Obedienz fleissig verkünden, aber er zog sich mehr und mehr von den Welthändeln zurück. Das Domkapitel wählte an seine Stelle den Freiherrn Hermann von Eschenbach, Abt zu Pfäfers, zum Bischof von €hur. Auch da hatte Donat von Vatz die Hand im Spiel. Der Mörder König Albrechts, Walther von Eschenbach, war Donats Schwager. Bischof Hermann stammte aus derselben Familie. Der abgesetzte Bischof Rudolph erhielt von Oestreich als Entschädigung 1000 Mark Silber und vom Pabste die Verwaltung der reichen Abtei St. Gallen. Das Bisthum Constanz behielt er bei. Im Jahre 1330, als Friedrich der Schöne starb und fast ganz Oberschwaben dem Kaiser Ludwig zufiel, unterwarf auch er sich demselben und empfing von ihm das Bisthum Constanz als Reichslehen. Pabst Johann der XXII, Ludwigs unversöhnlicher Widersacher, nahm den Schritt Rudolphs sehr ungnädig auf und verhängte über seinen ehemaligen Günst-ling den Bann. Rudolph behauptete trotzdem das Bisthum Constanz vermöge des Schutzes, den seine Verwandten und der Kaiser ihm angedeihen liessen. Er baute das verfallene Schloss Arbon wieder auf, in welchem der letzte Staufer seine Jugend verträumt und sein Lied von der Minne gesungen hatte; auch befestigte er das Städtchen und hielt « ich daselbst bis zu seinem Tode, im Jahr 1333, tiuf. Bezeichnend für die Anschauungen damaliger Zeit ist, dass die nämlichen Menschen, die den Grafen Rudolph, so lange m lebte und Macht besass, trotz Bann und Absetzung als ihren Bischof anerkannt hatten, sich nun aus Furcht vor Roms Ungnade nicht getrauten, ihn auf kirchliche Weise in geweihter Erde zu bestatten. Erst nach Verlauf mehrerer Jahre gelang es seinen Verwandten und Freunden, die Er- laubniss eines kirchlichen Begräbnisses vom römischen Stuhle auszuwirken und so wurde Rudolph erst um das Jahr 1349, nach Kaiser Ludwigs Tod, in der Kapelle des heiligen Gallus zu Arbon feierlich zur Erde bestattet.

Rudolphs Todfeind, der letzte Freiherr von Vatz, war schon 1330, drei Jahre vor Rudolph und gleichzeitig mit Kaiser Friedrich von Oestreich, den er so bitter gehasst, eines, wie Guler sagt, « jähen, unvernünftigen und erschrecklichen Todes » gestorben, ohne geistlichen Beistand, ja mit ausdrücklicher Ablehnung desselben, ohne ein Zeichen von Reue, im Trotz gegen die Kirche, wie er gelebt, auch hierin einem Ezzelino da Romano nicht unähnlich. Das Volk erblickte in seinem jähen Tode die strafende Hand der göttlichen Gerechtigkeit. Mit ihm erlosch sein Stamm, der keine männliche Sprossen mehr getrieben hatte. Nur zwei Töchter waren Donat erblüht, Kunigunde und Ursula, die erstere war mit dem Grafen von Toggenburg, die letztere mit dem Grafen Rudolph von Werdenberg-Sargans vermählt. Beide Schwiegersöhne standen auf Seite Donats und Kaiser Ludwigs und so kam das Vatzische Erbe mit den verfallenen Hochstifts- und Reichslehen, als Belohnung für die geleisteten Dienste, mit Bischof Hermanns und des Kaisers Bewilligung an die gräflichen Häuser Toggenburg und Werdenberg-Sargans. Die Stellung, welche Oesterreich unter den Königen Rudolph und Albrecht sich in Graubünden geschaffen, war von Donats eiserner Faust zertrümmert. An die Erhaltung der Grafschaft Laax war nicht mehr zu denken. Die Schirmvogtei des Hochstifts Chur blieb bei den deutschen Kaisern. Die Bundesgenossen Donats in den Waldstätten bemächtigten sich für immer des Gotthards und der österreichischen Vogtei über das Ursernthai. Der östliche Theil Graubündens, Davos, Prä tigau, Schanfigg, Churwalden, Beifort und die Herrschaft Maienfeld, fiel in der Erbstheilung an den Grafen von Toggenburg;

Vatz, Ortenstein, Heinzenberg und was im Domleschg und am Hinterrhein dazu gehörte, sammt Schännis, an Rudolph von Werdenberg-Sargans.

So hat die Hand Donats von Vatz die Geschicke Rhätiens auf ein Jahrhundert hinaus, bis zum Erlöschen des Hauses Toggenburg und der Entstehung der rhätischen Bünde, bestimmt. Sein Ziel war erreicht, sein Erbe den Töchtern gesichert, Ludwig der Baier und seine Partei in Rhätien siegreich, Oesterreich und Montfort geschlagen. Es schien, als ob die ganze Thatkraft des Geschlechts der Freiherren von Vatz, das seit der Hohenstaufen Zeit in Rhätien zu Macht und Ansehen gelangt war, in seinem letzten Träger noch einmal in vollem Glanz emporlodern sollte, bevor die Nacht über dasselbe hereinbrach, die alles geschichtlich Gewordene wieder in sich aufnimmt.

Auch Donat konnte, wie sein Feind Rudolph, einer kirchlichen Bestattung nicht theilhaft werden. Die Volkssage hat sich dieser Thatsache in ihrer Weise bemächtigt; sie erzählt, dass Donats Leichnam nicht ruhen, noch im Grabe habe verbleiben wollen, so oft man ihn auch beerdigt habe. So sei man endlich räthig worden, einen neuen Wagen zu machen. Auf diesen Wagen habe man den Sarg mit dem Leichnam gelegt, und ein Paar junge Rinder, die vorher nie ein Joch getragen, vorgespannt, um sie mit dem Leichenwagen hingehen zu lassen, wo sie angetrieben von selbst hinwollten. Da, wo sie zuerst stehen blieben, sollte man die Leiche des ruhelosen Freiherrn zur Erde bestatten. Nun seien die jungen Rinder stracks, ohne ein einziges Mal stehen zu bleiben, von der Burg Vatz weg bis nach Churwalden vor die Kirchthür des Klosters der Prämonstratenser - Mönche gefahren, und

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erst als sie mit den Hörnern an die Thür gestossen, seien sie stille gestanden. Daher habe man auch den letzten Freiherrn von Vatz mit Schwert, Helm und Schild im Kloster Churwalden beigesetzt. Dort habe er seine Ruhe gefunden. Er scheint also schliesslich, wohl auf die Verwendung seiner Töchter und Schwiegersöhne, sowie de » Bischofs Hermann, der ungeweihten Erde enthoben und einer kirchlichen Bestattung theilhaft geworden zu sein.

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IV.

Kleinere Mittheilungen.

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