Die französische Invasion in den Ormontstälern und im Pays d'Enhaut in den Märztagen 1798 | Club Alpino Svizzero CAS
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Die französische Invasion in den Ormontstälern und im Pays d'Enhaut in den Märztagen 1798

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Dr. A. Bühler ( Sektion Biel ). Illustration nach Aufnahmen von Prof. E. Busset, Lausanne.

Von Wer heute die Ormontstäler besucht, hat die Auswahl zwischen der prächtigen Kunststraße, einer der schönsten der Schweiz, die bei Aigle über die Brücke der Grande Eau und auf deren rechten Seite durch Weingelände, später durch Wald, in vielen Kehren am Chamossaire entlang nach dem herrlich gelegenen, aus stattlichen Pensionshäusern und gebräunten Holzhütten bestehenden Le Sépey oder Ormont-dessous führt. Seit kurzer Zeit hat das moderne Verkehrsmittel, die elektrische Schmalspurbahn, auch Eingang gefunden in diesem früher so friedlichen Hirtental, und in einer schwachen Stunde ist es dem modernen Touristen möglich, per Bahn auf der linken Seite der Grande Eau in den Talboden des hochalpin gelegenen Diablerets oder Ormont-dessus zu gelangen. Noch fehlt der elektrischen Bahn, die auf kühn geschwungener Brücke das Wasser bei Le Plan überspannt, die Fortsetzung über die Einsattelung von Les Mosses hinunter ins Pays d' Enhaut nach Château d' Oex. Wer früher über den Pillon nach Gsteig hinunter gezogen ist oder umgekehrt, wird diesen alpinen Spaziergang in guter Erinnerung behalten haben; um so mehr, da er auf der Poststraße die beiden Ormontstäler zu genießen vollkommene Muße gefunden hat. Die beiden mit einer Unzahl von Hütten und Wohnhäusern übersäten Ormontstäler sind noch von einem kräftigen, genügsamen und einfachen, im Sommer noch teilweise nomadisierenden Hirtenvolk bewohnt, das eigentümliche alte Sitten und Gebräuche, alte Sagen und märchenhafte Überlieferungen, die kleidsame Tracht der Frauen nicht zu vergessen, bis zum heutigen Tage bewahrt hat. Vom alpinen Standpunkt aus betrachtet, wird die ganze Gegend von den in ihrer Gliederung so vielfach gestalteten Diablerets beherrscht, sowie von deren Trabanten, dem Oldenhorn, während der prächtige Chamossaire mit seinem kühnen Gipfelabsturz am Eingang des Tales treue Wacht hält.

Es mag nicht als Vermessenheit gedeutet werden, wenn wir es wagen, in unserm Jahrbuch ein Gebiet zu betreten, das im allgemeinen nicht viel gepflegt worden ist. Die folgenden Zeilen sollen in keiner Weise als kriegsgeschichtliche Studie aufgefaßt werden, sondern als schlichte Schilderung von Vorgängen, die für unser Vaterland vor mehr als hundert Jahren von größter Bedeutung gewesen sind.

Über die Ereignisse während den verhängnisvollen Märztagen des Jahres 1798 in altbernischen Landen ist im Laufe der Jahre genugsam geschrieben worden. Weniger bekannt aber sind die Vorfälle, welche sich in der damals weltabgelegenen Gegend des waadtländischen Oberlandes, im Pays d' Enhaut, in den altbernisch gesinnten Ormontstälern und am Pillon abgespielt haben.

Zwischen dem von Südwesten nach Nordosten ziehenden Rhonetal und dem obera Saanetal mitten inne streicht vom Fuße der wohlbekannten Diablerets fast in gleicher Richtung, etwa l'/a Stunden lang und y » Stunde breit, eine sonnige Talebene von durchschnittlich 1000 m ü. M., die Ormonts, nach Süden mit Bex, in östlicher Richtung durch den Col d' Arpille, 1750 m, oder den Col de la Croix, 1734 m, und westlich davon mit Aigle durch die tiefe Schlucht der Grande Eau verbunden. Dazwischen erhebt sich die Dent de Chamossaire, 2118 m. Nach Norden gehen ebenfalls zwei parallele Pässe: der östliche von Vers l' Eglise, oben im Tal, über den Pillon, 1550 m, nach Saanen, der westliche von Sépey über Les Mosses, 1545 ni, nach Château d' Oex. Mit Ausnahme der Ortschaften Vers l' Eglise und Sépey liegen die Dörfer dieser Berggegend Gryon, Chesières, Leysin etc. hoch an den Berghalden und Terrassen herum. In den tief eingefressenen Schluchten der nach der Rhone abstürzenden Bergwasser des Avençon, der Gryonne und der Grande Eau ist, wenigstens im untern Teil des Tales, kein Platz für menschliche Wohnungen.

Diese ganze Gegend des seit den Burgunderkriegen ( 1475 ), und nicht etwa erst seit der Eroberung der Waadt ( 1536 ), bernischen Gubernements Aelen ( deutscher Name für Aigle ) zertiel in die vier Mandements Aigle, Ollon, Bex und Ormonts.

Der Sitz des bernischen Landvogtes oder Gubemators von Aelen war in dem hinter dem Städtchen auf kleiner Anhöhe thronenden stattlichen Schlosse. Dieser feudale und malerische Bau ist noch heute ein stimmungsvolles Bild in der historischen Landschaft. Er besteht aus einein mächtigen, viereckigen, hochragenden Donjon, von welchem aus beidseitig etwas niedriger, an den ausspringenden Winkeln durch runde Türme flankiert, die Ringmauern abgehen, um in einem mit Guß-erkern, Mâchicoulis, versehenen starken Torbau sich wieder zu vereinigen und so einen geräumigen Schloßhof zu umschließen. Mauern und Türme sind von mehr als gewöhnlicher Höhe.

Die politische Stimmung der Waadt im Laufe der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts ist im allgemeinen als bekannt anzunehmen. Während der waadtländische Landadel sich im Laufe der Zeit mit der Regierung der Gnädigen Herren in Bern, welche nach und nach manches Geschlecht aus der Waadt zu sich in die regiments-fähige Bürgerschaft aufgenommen hatte, im ganzen ziemlich gut vertrug, war es mit den Städten des Waadtlandes anders. In diesen war mit der Zeit eine zahlreiche, wohlhabende und namentlich gebildete und in dieser Beziehung ihren Regenten oft überlegene Mittelklasse entstanden, die aber gleichwohl trotz aller dieser Eigenschaften von der Teilnahme an den Staatsgeschäften vollständig ferngehalten wurde. Es darf daher nicht wundern, wenn das welterschütternde Ereignis der französischen Revolution nun in dieser Gesellschaft die wärmste Sympathie fand. Der Jahrestag der Erstürmung der Ilastille, sowie die Gefangennahme des seinem Volke entflohenen Königs Ludwic XVI. in Varennes wurde in den Städten des Waadtlandes jubelnd gefeiert und dabei die Trikolorekokarde als Freiheitssymbol für die ganze Menschheit aufgesteckt. Bei all diesem Freiheitstaumel war aber das konservative Landvolk, und besonders die Bevölkerung der abgelegenen Gebirgstäler, nicht beteiligt. Ungestört von der Literatur der Aufklärungs- und Revolutionsperiode hatte es fortgefahren, mit verhältnismäßig geringen und zum voraus bekannten und so den Preis eines Grundstückes bestimmenden Abgaben, unter mildem Klima, das fruchtbare schöne Land zu bebauen. Ganz besonders war dies der Fall bei der Bevölkerung der abgelegenen Berggegenden, wie die im Jura um St. Croix herum, und namentlich der mit dem Saanenland in stetem innigem Verkehr befindlichen Ormontstäler, sowie des Pays d' Enhaut, welche, von den neuen Ideen unberührt, gegen die mit französischen Bajonetten einbrechende Freiheit schon mehr skeptisch veranlagt war, ja sich dagegen zu wehren gedachte. Als nun bei der Annäherung der französischen Armee unter General Menard Anfang 1798 in den Städten der westlichen Waadt, in Nyon, Aubonne und Morges revolutionäre Stimmung sich kundgab, glaubte man in Bern durch Anordnung einer öffentlichen feierlichen Huldigung der Truppen und Behörden am 10. Januar der Bewegung in der Waadt Einhalt zu tun. Allein schon waren Nyon, Aubonne und Rolle bei dieser Eidesleistung störrisch und renitent, während dagegen in andern Gegenden, besonders bei der Landbevölkerung, dieser Akt ganz in Ordnung, stellenweise sogar mit großer Begeisterung vor sich ging.

So meldete am 12. Januar R. Veillon, Grenadierhauptmann im 1. Bataillon des Regiments Aelen, die Eidesleistung der bernischen Halbbataillone von Ormonts habe zur Zufriedenheit des beauftragten Herrn v. Goumoëns stattgefunden. So wie die Mannschaft zur Musterung sonst nur mit 60 Rotten erschienen sei, sei sie diesmal 96 Rotten stark, ohne die Kanoniere, Jäger und Dragoner, auf dem Platze gewesen. Noch viel feierlicher ging es in Château d'l leg zu. Bevor der Regierungskommissär, Oberst Manuel, die Zeremonie vornahm, fragte er, ob jemand da sei, der gegen die Regierung etwas zu klagen habe. Da ergriff im Namen der Landschaftsabge-ordneten Pfarrer Bride], der spätere Dekan, das Wort: „ Sie schätzten sich glücklich, unter ihrer bisherigen Obrigkeit zu verbleiben, und wenn sie auch etwas zu klagen hätten, so würden sie es im gegenwärtigen Zeitpunkt, wo das Vaterland in Gefahr sei, erst nicht tun. Gut und Blut wollten sie für dasselbe opfern etc. " Pfarrer Bridel bot dann auch sein Silbergeschirr und die Hälfte seiner Besoldung für die Kriegskosten dar. Daß aber auf diesen scheinbar gelungenen Huldigungs-akt im ganzen nicht viel zu geben war, trat schon wenige Wochen später offen zutage. Denn als Oberst v. Goumoëns und Major Herrenschwand am 19. Januar das Regiment Aelen besammeln wollten, mußten sie die Mannschaft wegen des störrischen Verhaltens eines großen Teils gleich wieder entlassen. Nur die Ortsbewohner des Amtssitzes blieben unter den Waffen. Als dann in den letzten Tagen des Januar berichtet wurde, die Franzosen seien in die Waadt eingerückt und waadtländische Freiwillige begleitet von französischen Truppen, seien an den Grenzen des Amtes Aelen erschienen, fand es der Gubernator Tscharner am 27. Januar für geraten, mit seiner Familie abzuziehen. Er übergab die laufenden Geschäfte dem Kastellan Deloës und verreiste, begleitet vom deutschen Pfarrer und mehreren Deutschbernerii, um Mitternacht, auf damals fast ungangbaren Pfaden, vorderhand nach Leysin und von da am zweiten Tag über den Paß Les Mosses nach Château d' Oex. Hier über- nahm er sofort den Oberbefehl über die dortigen Streitkräfte. Bald nach seinem Abzüge rückten die Franzosen, ein Bataillon der 2. Halbbrigade und Waadtländer, in Aigle ein. Allerorts wurde die alte schwarzrote bernische Kokarde mit der grünen vertauscht und wurden Freiheitsbäume errichtet. Besonders zeigte sich die patriotische Begeisterung in Ollon und Bex. Im deutschen und welschen Saanenland, im Pays d' Enhant, sowie im obern Simmenthal blieben für Bern nun folgende Truppen zur Verfügung. Vor allem die Mannschaft des ganzen Regimentsbezirks Simmenthal mit Ausnahme eines Auszügerbataillons, kommandiert von v. Wattenwyl von Bursinel, welches das Land hinab über Bern hinaus marschiert war. ( Wir bemerken dazu, daß dasselbe in der Nacht vom 4. auf den 5. März in Laupen mit den Franzosen scharf ins Handgemenge kam, und es bekamen letztere dessen Bajonette und Kolben gehörig zu spüren. Dieses Auszügerbataillon mochte dabei an Verwundeten und Toten wohl 50 Mann verloren haben. ) Das andere Auszügerbataillon Fischer, sowie die Füsilierkompagnie dieses Regiments mit der Scharfschützenkompagnie Bücher waren in der Heimat geblieben, um die Grenzen gegen Freiburg und den gegen Bern revolutionierten Teil der Waadt zu schützen. Ihnen half auch die Mannschaft aus dem Bezirke Chateau d' Oex, bei welcher eine welsche Scharfschützenkompagnie v. Graffenried sich befand, und später die Mannschaft aus den beiden Ormonts vom frühern Regiment Aelen. Das am 29. Januar in Chateau d' Oex einrückende Bataillon Fischer führte vier Zweipfünder und 40 Kanoniere zu deren Bedienung mit. Die welsche Schützenkompagnie v. Graffenried marschierte nun bis Rossinière hinab an die freiburgische Grenze. Die Kompagnien Karlen und Imobersteg vom Bataillon Fischer dagegen blieben in Chateau d' Oex. Alle Pässe gegen Freiburg und Waadt, wenn schon noch verschneit, waren schon vorher von Kastellan v. Tavel in Saanen mit starken Wachtposten aus den Füsilierkompagnien besetzt worden. So stand das ganze dortige Kontingent schon Anfang Februar unter den Waffen, und blieb es so fast fünf Wochen lang, ohne daß von Bern Sold anlangte. Wie die Leute in den Ormonts — vom französischen General Chastel als „ barbares et voleurs " tituliert — sahen, daß nahe hinter ihrer Stellung, jenseits Les Mosses und des Pillonpasses, also im welschen und deutschen Saanenland, nicht unbeträchtliche bernische Streitkräfte standen, faßten auch sie den Mut, dem Einmarsch der Franzosen den nötigen Widerstand entgegenzusetzen und den von Bex und Aigle durch die unwegsamen verschneiten Schluchten herauf sich nähernden Franzosen und Waadtländern energisch entgegenzutreten. Auf eigenen Antrieb und, wir betonen es ganz ausdrücklich, nicht auf Veranlassung des in jenen Tagen in allen Nöten sich befindenden Bern, versammelte sich am 1. Februar die Mannschaft dieses Hochtales und begehrte über den Pillon her Hülfe von Bern. Selbstverständlich ließen sich Tscharner und Fischer, welche die Entwicklung der Situation in Château d' Oex und Saanen abwarteten, nicht zweimal bitten, sondern waren mit der verlangten Hülfe sofort zur Hand.

Schon in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar marschierten sie mit einer Musketierkompagnie über Les Mosses nach Sépey und von da stießen ihre Vorposten so weit gegen das Tal hinab vor, daß es in Aigle und Bex zu einem allgemeinen Alarm kam, da es hieß, die Ormonter und Berner seien im Anmarsch. Tscharner fand diese Vorposten schließlich doch zu weit ausgesetzt und zog sie am Abend des 4. Februar etwas zurück, ließ aber 50 Mann unter Lieutenant Faure rechts oben in Leysin stehen. In der Nacht rückten die Franzosen sofort nach und erschienen mit 80 Mann vor Leysin. Vor diesen Truppen zog sich auch der Posten von Leysin nach Sépey hinunter zurück, wohin ihm die Franzosen allmählich nachrückten. Vor Sépey parlamentierte der französische Offizier, er sei gekommen, um die Gegend zu beschützen. Als er aber sah, daß die dortige Mannschaft ihn mit gespanntem Hahn empfing, und man ihm erklärte, er habe hier nichts zu tun und zu beschützen, zog er wieder nach dem zwei Stunden entfernten Aigle hinab. Fischer, der offenbar von unten herauf einen zweiten Besuch erwartete, zog die rückwärts stehenden Posten zu sich nach, so daß er über l'/ä Kompagnien Berner-milizen verfügte, an welche sich dann auch die 600 Mann zählenden Ormonter anschlössen. Da es aber für diese an Offizieren fehlte, wurde ein Ormonter Wachtmeister Chablais zum Kommandanten ernannt. Unter diesem Chablais standen nun aus Ormont-dessous 5 Dragoner, 80 Scharfschützen, die Infanteriekompagnien Tille mit 98, Tavernier mit 96, Aviolat mit 96 Mann, und dann auch eine Kompagnie jüngerer und älterer Leute aus Ormont-dessus, sowie die Kompagnie Moillon und Culand, jede von 200 Mann.

Unterdessen war Leysin wieder von den Neugesinnten besetzt worden, und es regierte dort im Namen des Kevolutionskomitees von Aigle ein gewisser Barraud derart, daß Kommandant Fischer in Sépey eine mit über 100 Unterschriften versehene Petition erhielt, lautend: .,Les habitants de Leysin prient au nom de Dieu de les venir préserver contre la tyrannie de toutes les espèces de comités. Ils sont environ 150 hommes prêts à marcher sous le drapeau de Leurs Excellences partout ou l'on voudra. "

Solchem Gesuch mußte entsprochen werden, und so erhielt Chablais von Château d' Oex aus den Befehl, den Leuten von Leysin mit 100 Mann zu Hülfe zu kommen und unter den Bewohnern scharfe Patronen zu verteilen. Bevor diese Mannschaft aber anlangte, hatten die Leute von Leysin am 25. Februar aus eigener Initiative den republikanischen Kommandanten Barraud fortgejagt und ihre Posten bis Souveiges und au Pont gegen das Rhonetal vorgeschoben. Gleichwohl rückten der bernische Hauptmann Kupfer und Chablais mit 100 Mann Infanterie und 40 Scharfschützen wieder nach Leysin vor und stellten einen Posten bei en Crétaz, zwischen Sépey und Leysin, auf. Auf dieses Vorrücken hin entstand unten im Rhonetale wieder allgemeiner Alarm. Die patriotischen Milizen von Bex, Ollon und Aigle traten unter die Waffen. Viviser Freiwillige eilten herbei, und im Unterwallis mobilisierte der französische Resident Mangourit 400 Mann, um nach Aigle Hülfe zu bringen. Auf dieses hin wurde von Sépey aus auch bernischerseits der Posten in Leysin mit einer Kompagnie Infanterie und einer Scharfschützenabteilung verstärkt, und rückwärts nach Château d' Oex und Saanen um Hülfe gebeten. Tscharner hielt aber eine solche Absendung noch für überflüssig, und dies um so mehr, da sich auf seinem rechten Flügel das Greyerzerland der neuen Ordnung der Dinge angeschlossen hatte und von Freiburg abgefallen war. Im Interesse der ganzen bernischen Stellung gegen das Rhonetal zu durfte er in diesem Augenblick seine rechte Flanke durch Abgabe von Truppen nicht zu sehr entblößen.

Schon am 1. März hatte Tscharner nach Bern gemeldet, er habe, mit Inbegriff der Freiwilligen von Leysin, 1429 Mann unter den Waffen. Mit dieser Mannschaft müsse er aber 27 mehr oder weniger stark besetzte Wachtposten versehen, so daß der Dienstkehr für jeden einzelnen Mann je auf den dritten Tag'falle.Von sechs Zweipfünderkanonen, die ihm zu Gebote stehen, habe er zwei nach Sépey geschickt. Er habe in Château d' Oex und Rougemont nur noch 2O7O0O Patronen, da er 3000 nach den Ormonts geschickt habe. Er verlangte zwei größere Feldstücke und überdies, um dem Begehren der kampflustigen Frauen in Ormonts zu entsprechen, eine Sendung von Picken. Übrigens leide er in dieser abgeschlossenen Gegend auch Mangel an Proviant und Geld.

( )berst Fischer und Hauptmann v. Graft'enried rückten nun behutsam mit einiger Mannschaft nach Sépey vor, wo sie sich mit einer Abteilung, die von Les Mosses herkam, vereinigen sollten. Denn der allgemeine Ausbruch der Feindseligkeiten stand bevor, und wirklich erging am 3. März der Landsturm durch die ganze dortige Gegend. Unheilverkündend loderten die Signalfeuer von den Bergen, und die Glocken stürmten von allen Kirchtürmen.

Schon zwischen Sépey und Aigle, im Bois de la Cliennan, stießen die bernischen und französischen Vorposten aufeinander. Trotzdem daß tagsüber die Hiobspost aus dem Unterland angelangt war, Solothurn und Freiburg seieu „ über ", die Berner bei St. Niklaus geschlagen und gegen Aarberg auf dem Rückzug und die Stadt Bern direkt bedroht, so beschloß am Abend der Kriegsrat der bernischen Offiziere in den Ormonts, den Widerstand gegenüber dem vom Tal herauf erwarteten Angritt'gleich-wohl unverzagt fortzusetzen.

Ein solcher Angriff gegen das widerspenstige Völklein der Ormonts setzte sich wirklich von Aigle und Bex aus mit allen verfügbaren dortigen Truppen unter Anleitung des ortskundigen bernischen Berghauptmanns Wild und unter dem Oberbefehl des französischen Generals Chastel in Bewegung. ( Wild war seit 1784 Salineningenieur in Bex und wohl der einzige Berner, der in jenen verhängnisvollen Tagen gegen seine eigene Vaterstadt ins Feld gezogen ist. ) Vorher war aber Fischer nach Ormont-dessus geeilt, um den Widerstand in der Talebene von Diablerets und am Pillon zu organisieren. Kupfer kommandierte in Leysin, Chablais in Sépey, und Gratt'enried mit seinen Scharfschützen von Château d' Oex hielt La Forclaz, ein Sépey südlich von der Grande Eau auf Vl&Q m hoher Bergterrasse gegenüberliegen-des einsames Dörflein, besetzt.

In der Ebene des Rhonetales wurden von den Franzosen und Waadtländern am Abend des 4. März alle Lagerfeuer angezündet, um die wackern Verteidiger über die Zahl der anmarschierenden Feinde zu täuschen, und der allgemeine Aufstieg in die tief verschneite hohe Berggegend begann.

Nun dürfen wir aber nicht vergessen, daß damals keine einzige Fahrstraße durch die Ormontstäler existierte; nur Saumwege und höchstens Karrwege, auch über den Pillon und Les Mosses, vermittelten den sowieso spärlichen Verkehr. Diese mühsamen Saumpfade und Fußwege krochen durch die felsigen Bergwälder und steilen Alphänge hinauf. Der Saumpfad, der Grande Eau folgend, nach Sépey ansteigend, ging nicht, wie heute, die prächtige Kunststraße der Felswand des rechten Ufers entlang unterhalb Leysin durch, sondern stieg auf dem östlichen linken Ufer aus der Talebene in starker kurzer Steigung bis auf 1100 m hinauf. Da die Rhoneebene eine Meereshöhe von 430 m aufweist, ist die starke Steigung leicht zu verstehen. Hier bei Plambuit senkte er sich wieder zur Grande Eau auf 900 m hinab, um diese auf dem Pont de la Tine zu überschreiten und jenseits wieder steil gegen Sépey hinaufzusteigen. Etwas weiter von Plambuit ging rechts ein anderer Pfad ab und führte auf die Höhe von La Forclaz, 1260 m, und von da, Sépey jenseits links unten lassend, weiter gegen die Talebene von Ormont-dessus oder Vers l' Eglise, das damals nur ein armseliges Alpendürflein war, auf eine Höhe von 1100 m wieder hinunter. Unter normalen Verhältnissen rechnete man von Aigle bis nach Sépey zwei Stunden Marsch.

Chastels Angrittskolonne war volle 2000 Mann stark. Sie bestand aus Franzosen, dem schon genannten Bataillon der 2. Halbbrigade, aus Unterwallisern, unter dem Befehl von Debons, Quartery und de Preux, sowie aus Waadtländern. Man schleppte auch einige im Schloß Chillon aufgefundene schwere Musketen uralter irdonnanz mit. Der wegen des vielen Schnees äußerst mühsame Marsch ging gleichen Abends über Ollon bis hinauf nach Panex, 1000 m, und weiter nach Plambuit. Hier wurde die Nacht zugebracht und die Mannschaft in den zerstreuten Heuschobern und Häusern untergebracht. Am Morgen des verhängnisvollen 5. März rückte der Brigadechef Clavel mit den Kompagnien Bergier und Blanchenay, teils aus Franzosen, teils aus Waadtländer Freiwilligen bestehend, voraus gegen La Forclaz hinauf, von wo dann die gegnerische Stellung im gegenüberliegenden Sépey einigermaßen umgangen war, obschon diese Stellung vom Gewehrfeuer der Franzosen damals nicht erreichbar war. Um auch Forclaz von der rechten Seite zu umgehen, stieg die Kompagnie Cossi gegen Dard am Chamossaire bis auf eine Höhe von 1450 in hinauf. Schon bei Les Granges, 1100 m, und l'/s km südlich von Forclaz, stieß die Kolonne Clavel, an deren Spitze Lacoste, Hauptmann im 2. Bataillon der zweiten leichten Halbbrigade, kommandierte, auf die Vorposten der Ormonter. Hier fielen denn auch unter den ersten Schüssen der Franzosen die ersten Opfer in der Verteidigung des heimatlichen Bergtales. Clavel und Cossi, dieser von oben herab schon fast im Rücken, langten ungefähr zu gleicher Zeit vor dem Dörfchen Forclaz an, welches nun sofort energisch von den Franzosen angegriffen wurde. Nach französischen Angaben hatten hier die Ormonter, 400 Mann stark, den Eingang des Dorfes mit Balken verbarrikadiert. Unter lebhaftem Kleingewehrfeuer wurde das Dorf trotz tapferer Verteidigung eingenommen. Beim Eindringen ins Dorf wurde aber stets noch aus den Häusern auf die Franzosen und Waadtländer geschossen, was zur Folge hatte, daß ein Haus in Flammen aufging, das Dorf geplündert und die Einwohnerschaft mißhandelt wurde.

Ciavéi schätzte seine Verluste an Toten und Verwundeten auf 20 Mann. Dabei war auch sein Tambourmajor, dem die Kinnlade weggeschossen wurde. Die Ormonter hatten ihn nämlich mit seinem gewaltigen Federbusch und gestickten Kleide für den General gehalten und deshalb besonders auf ihn gezielt und geschossen. Der waadtländische Lieutenant Bourgeois erhielt eine Schußwunde an der Hand. Auch die Ormonter müssen gelitten haben. So schreibt wenigstens Clavel: „ In einem Hause, in das ich durch Zufall trat, lagen G Verwundete. " Der greise Hauptmann Pictet, der angestammten Obrigkeit getreu, kommandierte die Ormonter Schützen, während seine beiden Söhne bei den Waadtländern gegen den Vater fochten. Die Scliarfschützcnkompagnie v. Graffenried mußte nun, um nicht von Cossis Kolonne abgeschnitten zu werden, sich von Ormont-dessous nach Vers l' Eglise zurückziehen. Hier ließ sie zwei Tote zurück, während die Verwundeten in Sicherheit gebracht wurden. Das französische Hauptkorps war unterdessen links hinab gegen das Dr. A. Bühler.

Dörfchen Exergillod vorgerückt, hatte den darin befindlichen bernischen Posten hinausgeworfen und war mit einer Abteilung gegen die Brücke von la Tine über die Grande Eau vorgerückt. Hier wurde der zu weit vorgedrungene französische Aide-Major des 2. Bataillons der 2. leichten Halbbrigade, Gentil, von den Ormontern gefangen. Die Franzosen erzwangen zuletzt den Übergang, und es fielen einige vereinzelte Abteilungen die Häusergruppe an, welche eine Viertelstunde vom Hauptdorf Sépey sich um die Kirche und das Pfarrhaus hinzieht. Von Exergillod ließen die Franzosen auch 200 Mann gegen die Brücke Aus Planches vorrücken, um auf nächstem Wege Sépey zu erreichen. Die Brücke war aber durch sogenannte spanische Reiter gesperrt, sowie durch eine Barrikade und durch einen Teil der Kompagnie Imobersteg, unterstützt von einer Schar Ormonter, verteidigt. Die zu unvorsichtig vorgedrungenen und so in die Enge getriebenen Franzosen verloren hier viele Leute, deren Leichen noch einige Tage nachher in den Wellen der Grande Eau zu sehen waren.

Während diesem Gefecht herrschte im Dorfe Sépey selbst Verwirrung, da es am richtigen Kommando fehlte. Die Saaner und Simmenthaler waren schwierig geworden, und auch den Ormontern, die um die heimatliche Scholle kämpften, entsank ob dem Vorrücken der Franzosen auf der jenseitigen Höhe von Forclaz der Mut. Chablais steckte daher die weiße Fahne auf und schloß eine Kapitulation ab, nach welcher die untern Ormonts sich der neuen Ordnung unterwarfen; dafür durften die Franzosen Sépey aber nicht besetzen.

Dies wurde auch beidseitig gehalten, und so zogen die Franzosen auf das linke Ufer der Grande Eau hinüber wieder ab. Sie folgten von da zum größten Teil der über die Forclaz vorgedrungenen Vorhut, um über Aviolats und Vers l' Eglise nach Ormont-dessus zu gelangen. Hauptmann v. Graffenried hatte sich mit seiner welschen Scharfschützenkompagnie deshalb auf das rechte Ufer der Grande Eau zurückgezogen, um sich jenseits den Berg hinauf, oberhalb der Ruine Aigremont hindurch, den Paß über Les Mosses nach Château d' Oex und Lécherette freizuhalten, was ihm denn auch gelang. Wie Graffenried in Lécherette anlangte, traf er dort bereits die von Sépey heimkehrenden Simmenthaler, die in ihrer Entmutigung in der damals üblichen Weise Verdacht auf Verrat äußerten. Er blieb noch bis abends in Lécherette und suchte die Stellung so gut als möglich zu halten, da die Franzosen bereits von Comballaz nachrückten. Erst dann kehrte er ins Saanetal zurück, als er vernahm, Château d' Oex und Rossinière seien von den Truppen verlassen und alles habe sich in Unordnung nach Saanen zurückgezogen.

Ein anderer, für die Franzosen ebenfalls blutig verlaufender Angriff hatte auch am 4. März begonnen. Schon um 11 Uhr vormittags von Bex aufbrechend, führten sie diesen auf noch schwierigerem Pfade gegen Ormont-dessus aus. Diese zweite Kolonne bestand aus den waadtländischen Bataillonen Forneret und Desaillaux, aus einigen Kompagnien Franzosen und einer von dem schon erwähnten bernischen Salz-direktor und Berghauptmann Wild aus den Arbeitern des Salzwerks gebildeten Pio-nierkompagnie. Oberstlieutenant Forneret war früher Offizier im sardinischen Berner-regiment Stettier gewesen und kommandierte jetzt die ganze, nach Chastel 700 Mann starke Kolonne. In Gryon, 1107 m, mußte man wegen des durch den tiefen Schnee behinderten Weges schon eine Zeitlang rasten; dann ging 's weiter bergauf bis zu den 20(il)r A- Bühler.

unbewohnten Sennhütten von Taveyannaz, 1650 m, wo die Truppe todmüde anlangte und hier, entblößt von allem Notwendigen, die Nacht zubringen wollte. Ein waadt-ländischer Soldat erlag den Strapazen und wurde im Schnee begraben. Die Franzosen, die sich durch den Führer irregeführt glaubten, waren wegen der ausgestandenen Mühseligkeiten derart aufgebracht, daß, als sie in Taveyannaz angelangt waren und aus dem Holz der Sennhütten Feuer gemacht hatten, sie den Offizier, der sie dahingeführt hatte, ins Feuer werfen wollten, so daß er sich vor ihnen verstecken mußte. Man kann sich daraus einen Begriff machen, in welcher Unordnung sich diese französische Kolonne befand.

Schon vor Tagesanbruch ( 5. März ) ging es wieder weiter, erst 200 m hinab, nach der Gryonne hinunter, und dann wieder hinauf auf die Paßhöhe des Col d' Arpille, 1750 m. Die Franzosen, welche an solche rauhe und steile Berggegenden nicht gewöhnt waren, meinten: „ C' est un pays par lequel le bon Dieu n' a jamais passé. " Auch hier warteten ihrer die tapfern Ormonter. Sie hatten aber ihre Vorwachen nicht bis auf die Paßhöhe vorgeschoben, sondern nur bis zu den Mazots unterhalb des Col de la Croix. Wie die Vorwachen die Feinde erblickten, wurde nach rückwärts ins Tal hinab, etwa l'/a Stunden entfernt, Bescheid gemacht. In Plan de l' Isle, 1150 m, ließ Fischer Generalmarsch schlagen und eilte mit der hier zusammengeraubten Mannschaft, nämlich 150 Mann aus den Ormonts und den Scharfschützen von Saanen und Gsteig, die Waldschlucht hinauf dem Feind, vor welchem die schwache Vorwache talwärts bis Tréchadèze, 14Ì5O m, sich zurückgezogen hatte, entschlossen entgegen. Die Ormonter Vorwache hatte hier hinter einem Graben mit Verhau am Wahlsaum Stellung genommen und gewärtigte die Verstärkung vom Tal herauf. Es wurde schon geplänkelt.

Jetzt war Forneret mit seinen Franzosen und Waadtländern auf dem Kampf-platze auch angelangt und suchte die Spitze seiner Kolonne so weit vorzutreiben, um die bernische Stellung mit Aussicht angreifen zu können. Allein der enge Raum auf der Bergwiese zwischen der Schlucht redits hinab und der steilen Bergwand links hinauf, dazu der bis au die Hüfte reichende weiche »Schnee machten die Beweglichkeit seiner Mannschaft fast unmöglich. Vergebens schrie Oberst Forneret in einem fort: En avant, en avant, mes enfants. Seine dichtgedrängten Scharen blieben nach einigen vergeblichen Angriïïsversuchen mutlos stehen und dem hinter dem Verhau und Baumstämmen gedeckten und wohlgezielten Feuer der Ormonter Schützen schutzlos ausgesetzt. Einem Teil der Waadtländer gelang es zwar, hinter einigen dortigen Scheunen ( siehe das Vollbild zu Seite 208 ) Schutz zu linden und das Feuer der Ormonter von da aus gedeckt zu erwidern, allein ohne Erfolg.

Ein französischer Zivilingenieur, nachmaliger napoleonischer Baron d' Empire Xidpert, Hauptmann bei dem Wildschen Pionierkorps, der den Zug als Freiwilliger mitmachte und mit zwei seiner Gefährten sich verirrt hatte, wurde hier verwundet und von den Ormontern gefangengenommen, und konnte nur durch Verwendung eines Offiziers vom Xiedergemachtwerden gerettet werden. Er wurde ins Tal nach Isle gebracht, wo ihn der von Forclaz anrückende Chastel dann auffand und von ihm Nachrichten über das Mißlingen des Forneretschen Angriffs erhielt.

Drei volle Stunden hatte in dieser verschneiten Bergwildnis das hitzige Schützen-gefecht unter beidseitigen namhaften Verlusten gedauert. Da fiel Oberst Forneret, von einer Kugel tödlich in die Brust getroffen. Auf den Fall ihres Anführers hin entsank den Franzosen und Waadtländern der Mut, und sie zogen, jetzt von Hauptmann Wild kommandiert, unter Zurücklassung einiger Leichen, wieder gegen den Col d' Arpille hinauf. Unter diesen Gefallenen befanden sich auch zwei Offiziere, ein Franzose und der Waadtländer Lieutenant Dubois von Ollon. Chastel gab seine Verluste nach bekannter französischer Manier nur auf 8 Tote an. Forneret wurde von zwei Soldaten auf die Höhe des Passes getragen, wo er vom Wundarzt Ricou den ersten Verband erhielt. Dieser erklärte aber sofort, der Oberst sei verloren. Forneret verschied am folgenden Morgen, den 6. März, um 8 Uhr im Pfarrhause von Gryon unter großen Schmerzen.

Nicht gerechnet die Verwundeten, waren auf Seiten der Ormonter 10 Mann gefallen. Dazu kam eine unbekannte Zahl gefallener bernischer Scharfschützen. Ein Freiwilliger von Gsteig namens Gander wurde verwundet.

Vom langen Kampfe ermüdet und mit Munition nicht mehr genug versehen, verfolgten, entgegen der Aufforderung der Mannschaft von Lauenen, die zu jedem Tun entflammt war, die Ormonter den Feind nicht mehr. Man nahm sich der Verwundeten an und zog sich nach Au Plan ins Tal hinunter, wo man nun vernahm, wie von Forclaz her General Chastel mit Übermacht dem Dorfe Vers l' Eglise sich nähere. Trotzdem die Situation für die Berner nicht verloren war, legten in dieser vermeintlich hoffnungslosen Lage die Ormonter jetzt ihre Waffen nieder und nahmen unter Tränen vom Obersten Fischer Abschied. Diesem blieb dann nichts übrig, als mit seinen deutschbernischen Truppen, wie v. Graffenried mit seiner Schär, sich gegen Lécherette über den Paß Les Mosses nach Château d' Oex zurückzuziehen.

Auftallenderweise blieb die französische Kolonne nicht in Ormont-dessus. Ohne Zweifel hielt sie sich einem übermächtigen bernischen Angriffe vom Pillonpasse her noch immer für ausgesetzt. Sie schlug sich deshalb ebenfalls rechts hinauf über den von der andern Kolonne vor ein paar Stunden verlassenen Kampfplatz, wo Forneret gefallen war, nach dem Col d' Arpille der andern Kolonne folgend. Fatalerweise hielt letztere diese für nachsetzende Ormonter und wollte sie zuerst mit Schüssen begrüßen, bis sie ihren Irrtum erkannte. Nachher zogen die zwei Kolonnen vereint wieder nach Bex hinunter. Die ganze französische Eroberungsexpedition war mißlungen. Gleichwohl gab Chastel in seinem Berichte an das Direktorium an, bei dieser Expedition mehrere hundert Gefangene gemacht zu haben, was aber den Tatsachen in keiner Weise entsprach.

Nach Bex hatten einige Flüchtlinge die Nachricht von dem ungünstigen Ausgang des Gefechts auf dem Col d' Arpille gebracht, und schon glaubte man drunten im Tale, die Ormonter und Berner seien im Anmarsch, so daß es wieder allgemeinen Alarm gab und alles zu den Waffen griff. Jung und alt schleppten durch den tiefen Schnee eine Kanone nach dem Dorfe Gryon hinauf.

Tscharner hatte sich unterdessen von Château d' Oex nach Saanen zurückgezogen. Hier erhielt er die niederschmetternde Nachricht von der Kapitulation Berns und daß die Franzosen in der bis jetzt noch nie besiegten Hauptstadt ein-marschiert seien. Von seinem Bedienten und einem Führer, Schwitzgebel, begleitet, gelang es ihm, auf ungebahntem Pfade das tief verschneite Ablentschen zu erreichen. Von hier gelangte er glücklich über Jaun und das Guggisberg nach Schwarzenburg und Bern. Ein tragisches Ende fand bei dieser Flucht der Bediente Tscharners. Dieser, der dem Obersten in den vorhergehenden Tagen als Ordonnanz gedient hatte, bekam von den Vorstehern von Saanen ein Schreiben an General Schauenburg mit, das ohne Zweifel die Unterwerfung des Pays d' Enhaut und Saanenlandes ankündigte. Da er diesen Befehl versiegelt bei sich trug, wurde er von dem trunkenen Landsturm für den Landvogt Tscharner selber gehalten und, als er sich von seinem Herrn getrennt hatte, bei Garstadt im Simmenthal von dem dortigen über Verrat schreienden Landsturm gefangengenommen und als Landesverräter jämmerlich ermordet.

v. Graffcnried rettete sich über die Saanenmöser nach der Lenk und von da über den fast ungangbaren Rawilpaß hinüber nach dem Wallis. Zwei Wochen später traf er dort den französischen Agenten Mangourit, der ihm nun persönlich mitteilte, die Franzosen vermißten seit ihrer Expedition in die Ormontstäler nicht weniger als 400 Mann.

Wrährend dieser Vorgänge war Hauptmann Kupfer in Leysin verschanzt und den ganzen 5. März unbehelligt geblieben. Am 6. März vernahm er die Kapitulation des vorigen Tages von Chablais in Sépey und die von Ormont-dessous. Unter solchen Umständen dankte er seine Truppen ab, unter denen das damals so verbreitete Wort Verrat auch schon gehört wurde. Er gelangte, begleitet von einigen Getreuen, über Lécherette und Les Mosses ebenfalls nach Château d' Oex. In Lécherette war er auf 800 Mann gestoßen, die ihm Briefe von Major Diesbach und Kastellan Steiger von Saanen vorwiesen. Nach diesen Briefen hätten die Berner bei Aarberg gesiegt, und seien neue Truppen im Anmarsch; man solle nur den Mut nicht verlieren. Auf diese Nachricht hin wollte nun wieder alles über den Berg zurück gegen Ormonts hinunter und noch einmal hinter die Franzosen her. Da kam der Gegenbescheid „ Bern sei über ", und nun erfolgte der allgemeine Rückzug.

In Bex bestattete man einige Tage später unter großer Feierlichkeit den am Col d' Arpille gefallenen Oberst Forneret. Sein Leichnam war eine Viertelstunde hinter Bex bei den Salinen aufgebahrt worden. Hier wurde er von der ganzen, aus 1000 Mann bestehenden Besatzung feierlichst abgeholt. Dem voranschreitenden Musikkorps folgte der Sarg, getragen von 12 Offizieren. An ihn schloß sich ein Zug weißgekleideter Mädchen mit Lorbeerkränzen in den Händen. Hierauf kam mit gesenktem Gewehr, auf zwei Gliedern, das ganze früher von Forneret befehligte Bataillon, und nach ihm der französische Resident im Wallis, Mangourit, angetan mit dreifarbiger Schärpe und Federbusch, dann die französischen Generale Chastel und de Nuce, in großer Uniform, und endlich ohne Waffen die übrigen Truppen. Nachdem der Sarg am Fuße des Freiheitsbaumes abgestellt war, bildete das Bataillon ein Viereck, und Mangourit hielt von einer dafür errichteten Rednerbühne aus eine patriotische, gegen die bernische Oligarchie gerichtete Ansprache. Dann wurde der Sarg auf dem Hauptplatz in Bex beigesetzt, und der dortige Wohlfahrts-ausschuß beschloß, dem gefallenen Helden Forneret ein Marmordenkmal mit folgenden Inschriften zu errichten: Auf der einen Seite: „ Wanderer, hier liegt Forneret; fliehe, wenn du dich zu den Tyrannen zählst, ruhe aber aus, wenn du ein Bruder bist. " Auf der andern: „ Hier auf diesem Grabstein empfing nach dem Siege des 5. und 6. März Mangourit die Schwüre ewiger Brüderschaft der für die Befreiung der Menschheit vereinigten Franzosen, Lemaner und Walliser. "

Ob nun wirklich ein solches Denkmal nachher in Bex oder in Aigle errichtet worden sei, ist höchst zweifelhaft. Solche schwülstige Siegesäußerungen sind damals gar leicht, und der damaligen Mode folgend, getan worden 1 ). In der am 4. Mai abgehaltenen Sitzung des waadtländischen Wohlfahrtsausschusses in Lausanne zeigten schließlich auch die Bewohner der Ormontstäler und des Pays d' Enhaut ihren Anschluß an die helvetische Konstitution an.

Damit schließen die kriegerischen Ereignisse in jenen Berggegenden.

Noch heute ist in der Bevölkerung- die Erinnerung an die Märztage 1798 durch Überlieferung wachgeblieben. Ebenso an die alte Zeit mit der Herrschaft de Leurs Excellences de Berne, wenn auch die treue Anhänglichkeit an die alte Hauptstadt, dem politischen Zuge der Zeiten folgend, wie leicht begreiflich, nicht mehr verspttr-bar ist. Das Urteil, das früher im allgemeinen beim ruhig denkenden Waadtländer Bauer in günstiger Weise zum Ausdruck kam, dürfte heute, da auch sprachliche Divergenzen mitspielen, das in der Westschweiz im allgemeinen geworden sein. Eins freute den müden Wandersmann, der in Vers l' Eglise durstig Einkehr hielt, dortAnmerkung des Verfassers. Wie mir Herr Pfarrer de la Harpe aus Aigle mitteilt, ist tatsächlich die mitgeteilte Inschrift, den gefallenen Oberst Forneret betreffend, nie ausgeführt worden und in der dortigen Umgebung nichts Derartiges bekannt. Dagegen findet sich, nach gefl. Angabe von Herrn Pfarrer de la Harpe, an einer alten Linde vor der Kirche in Gryon eine Erinnerungstafel mit folgender Inschrift: „ Ici repose Pierre Broyon dit du Boynnon, mort en défense de son pays le 5 Mars 1798 au Combat de la Croix. " Das ist alles, was in der dortigen Gegend noch an die Vorgänge von 1798 erinnert.

wenigstens noch konstatieren zu können, daß auf dem Tavernenschild noch heute der Bär tapfer und unentwegt aufwärts schreitet und mit der roten Zunge, ein historisches Sinnbild vergangener Zeit, geifert und bleckt. Bei Vers l' Eglise dürfte eines der wenigen alten Bären-Wirtshäuser sein, die im heutigen Kanton Waadt noch anzutreffen sind.

Wie wir in unserer Darstellung gesehen haben, sind die behandelten kriegerischen Vorgänge nicht von großer Bedeutung und weithin reichender Tragweite gewesen, wenn wir sie mit dem Maßstabe heute sich abspielender Ereignisse messen. Immerhin scheinen sie uns aber bedeutend genug, um im Jahrbuch des S.A.C. eine angemessene Auffrischung im Gedächtnis der jungen Sportswelt von heute zu finden. Dieser Gedanke gab uns auch den Mut, Pickel und Seil endgültig in der Ecke zu lassen und auf den einsamen bescheidenen Pfaden der Ormontstäler in retrospek-tiver Richtung vaterländische Einkehr zu halten.

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