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Fred Stauffer

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Von Carl Egger.

Der Berner hat es gut: ständig leuchten ihm die schönsten Eisriesen schon in die Schulstube hinein, und wenig Stunden genügen ihm, um sich in ihrem engeren Bereich zu ergehen oder gar seine Kräfte an ihnen selbst zu messen. Kein Wunder, wenn die Berner Alpenkette auch dem Berner Maler Stauffer so viel zu sagen hat, dass er sie beständig bewundert und ihre Schönheit und Grösse zu erfassen sucht, ja, sie jahrelang vom Beatenberg aus in noch grösserer Nähe als in der Stadt vor Augen hat und sie dort in allen Phasen und Beleuchtungen studiert und in ihre tiefsten Geheimnisse eindringt.

So ist auch das Gemälde aus dem Jahre 1930, eines unter vielen andern ähnlichen vom Beatenberg, entstanden, das die heutige Nummer in einer trefflichen Reproduktion ziert. Es besteht aus drei Teilen: dem zarten Farbenspiel der beginnenden Dämmerung in den Lüften, jenem Morgenhimmel, der sich durchsichtig und weit und ahnungsvoll über die Welt spannt und dem Bild die unendliche Tiefe verleiht; dem massigen Gebirgswall im Winterkleid, wie er ernst und unnahbar den Horizont schneidet und in seiner Einheit die Wucht der Masse verkörpert, und endlich dem Nebelmeer, das das Dreigestirn der Berge wieder der Erde entrückt und alles Kleinliche verdeckt und ausschliesst. Nicht vergebens hat der Maler diese frühe Stunde gewählt, das haben wir in der Zeitschriftenkommission neulich wieder auf dem Pilatus erlebt. Es ist die Feierstunde, wo sich die Bergnatur wie bei keiner andern in ihrer ganzen Grösse und urweltlichen Stimmung zeigt. Sobald die Sonnenstrahlen sich über die Spitzen und Hänge ergossen haben, das Gelände modellieren und die Schärfe der Konturen mildern, werden uns die Berge wieder vertrauter und menschlicher, verschwindet aber auch der Hauch der erschütternden, todestraurigen Transzendentalität, der ihnen vordem angehaftet. Mit gutem Griffe hat der Künstler gerade diese Stimmung erfasst, sein Bild wirkt durch die Grösse und Einfachheit der Massen und durch die fein abgestimmten farbigen Kontraste, man denkt dabei nicht, das ist nun der Eiger und der Mönch und der Nebel über dem Bödeli, sondern das Bild wirkt zeit- und namenlos durch die Stärke seines Ausdrucks und durch die Allgemein-gültigkeit seiner Fassung: wir haben das alle schon erlebt und empfunden, da oder dort, jetzt in Wirklichkeit oder früher nach unserer Erinnerung. Das eben ist das Wesen wahrer Kunst, dass sie etwas Grosses ausspricht, was alle schon glauben empfunden zu haben.

Das Grosse und Erhabene auf einfache Formeln zu bringen und mit wenig Mitteln den Eindruck der Grösse wiederzugeben, ist wohl bei keiner Kunst so schwer wie bei der alpinen — wenn man überhaupt diese Bezeichnung gelten lassen will. Vieles steht dem entgegen. Da ist das Format: Wie wirken gewaltige Berge in der Photographie meist so unbedeutend, wie schwer hat es der Künstler, das Überwältigende der riesigen Dimensionen auf seine winzige Leinwand zu zwingen. Dann die Klarheit der Luft, die jedes geringste Detail scharf hervortreten lässt und den Künstler in Versuchung führt, ihm nachzugehen und dabei die grosse Form zu verlieren; das Wissen um die Berge, das besonders den bergsteigenden Kunstbeflissenen dazu drängt, die Wahrhaftigkeit auf Kosten der Eindrücklichkeit zu betonen. Daraus werden dann gemalte Photographien, die mit Kunst nichts mehr gemein haben. Denn Kunst muss herausheben, vereinfachen, betonen, steigern, intensivieren und vergeistigen — aber nicht kopieren. Es besteht auch die Gefahr der Eintönigkeit und Gleichförmigkeit, wie das bei einem unserer originellsten Zeichnung von Fred Stauffer.

Bergtannen.

Gebirgsmaler, Alfred Glaus, zu sehen ist. Bei Bergaussichten wie beim Staufferschen Bild ist immer nur ein kurzer Ausschnitt darstellbar. Der Blick weilt zwar in Wirklichkeit auch immer nur an einer Stelle, kann aber rasch hin und her gleiten, so dass man doch die ganze Kette gleichzeitig zu sehen vermeint. Einen einzigen kenne ich, der in einem Kolossalgemälde versucht hat, die ganze Alpenkette und noch den weiten Himmelsraum darüber zu geben: Eugen Niederer. Das Bild war an der Alpinen Ausstellung in Zürich zu sehen. Aber auch da noch wirkten die Berge zu kleinlich, trotz des grossen Bildformats. Es ist also in der Regel kaum mehr auf die Leinwand zu bringen als ein kleiner Ausschnitt aus der grandiosen Wirklichkeit. Aber bei Stauffer ist wenigstens die Illusion, dass sich der Gebirgszug links und rechts noch weiter fortsetze, aufs glücklichste gewahrt durch die drei strengen Parallelen: Wolkenstreifen, Bergwall und Nebelmeer.

Über die Komposition des Bildes ist noch weiter zu sagen, dass Stauffer die sich überschneidenden Pläne der Gebirgsmasse dazu benützt hat, um trotz der einheitlichen Farbengebung Tiefe in das Bild zu bringen. Die starken schrägen Linien im Bild — Hänge sind der Schrecken des alpinen Künstlerssind bei ihm sorgfältig ausgewogen und kompensiert durch Gegenbewegungen, so dass ein harmonischer Aufbau der Gebirgsansicht entsteht. Man glaube ja nicht, dass das so leicht und einfach sei und dass der Maler nur die Natur zu kopieren brauche, um eine Bildwirkung zu erzielen. Hier erst zeigt sich die wirklich künstlerische Überlegung und Arbeit an der Landschaft.

Im übrigen liegt der Vorzug dieses Bildes in seiner malerischen Behandlung. Stauffer geht auf Tonigkeit und Farbigkeit aus. Er liebt deshalb nicht die grelle Sonne und den leuchtenden Sommer, die in Gebirgslandschaften das Zeichnerische, die Linie, hervortreten lassen, sondern bevorzugt Zwischenstadien: Einschneien, Vernebelung, Dämmerung, Winter, überhaupt Stimmung. Im Sommer besteht ein grosser Gegensatz zwischen klarem Himmel und den Ausstrahlungen der Erdoberfläche, die wir Berge nennen. Diese Zweiteiligkeit sucht er zu verbinden durch Betonung des Atmosphä-rischen. Weiche, verhaltene, abendliche oder winterliche Kontraste, Regenwolken, Waldesdüster, Dämmerungserscheinungen und Ähnliches liegen ihm am besten, weil er dabei seine Farben sorgfältig zueinander abstimmen und grössere tonige Flächen aufeinander wirken lassen kann. Es gibt Bilder von ihm, die fast ausschliesslich aus kalten und warmen Grautönen bestehen, andere aus Grün und Schwarz in allen Abstufungen. Immer aber widmet er der farbigen Harmonie und der Komposition in seinen Gebirgslandschaften die grösste Aufmerksamkeit.

In neuerer Zeit, namentlich in Aquarellen aus dem letzten Sommer, ist er farbiger und heller geworden, zugleich aber auch strenger in der Form.

Stauffer ist kein alpiner Künstler mit dem Eispickel in der Hand wie Brügger. Seine bevorzugten Höhen liegen an der Baumgrenze oder tiefer, wo die braunen Matten, die Tannen und etwa ein rötliches Hüttendach farbige Kontraste zu den Bergen bilden. Meist gibt er weite Aussichten und grossräumige Landschaften, die ihm malerisches Erlebnis bilden, so gut als es die Eis- und Felswelt unter Umständen sein kann. Fügen wir noch bei, dass der jetzt 41jährige Künstler, vom Lehrerberuf früh umgesattelt, in Deutschland das Handwerk gelernt, aber sich stets selbst weitergebildet hat. Früher in Beatenberg und Bern ansässig, hat er sich jetzt in Ariesheim niedergelassen, da, wo die letzten Ausläufer des Jura sich gegen die grosse Rheinebene zu senken. Hier hat er für seine Zwecke völlig neue Motive gefunden, worunter neuerdings auch die Bewohner des zoologischen Gartens in Basel zu zählen sind. Aber immer einmal wieder zieht es ihn nach den Bergen zurück, denen er seine erste Liebe geschenkt hat.

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