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Frühlingserwachen am Berg

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

VON WILLI REUSSER, LANGNAU I. E.

Miti Bild(11 ) Ungestüm zwängt die junge Emme das Schmelzwasser rauschend und tosend durch die Schlucht. Unnachgiebig kämpft der Frühling mit dem zähen Bergwinter. Lautlos, verbissen drängt einer den Berghang hinauf, der andere schleudert Schnee, Geröll und Felsbrocken zu Tal.

Hoch über dem Grat kreisen zwei Adler, die gewaltigen Schwingen segelnd im Aufwind gebreitet. Was sonnt dort am Wegrand? Zytröseli ( Huflattich ) als Künder neuen Werdens! Am Felsenweg hält des Winters tückische Nachhut Wache: zu Eis gewordener Schnee. Der Scherpfenberg sonnt seine Hütten und Weiden. Dort, auf fahlem Grund, ein weisszarter Hauch! Krokusse, Kelch an Kelch. Hat sie der laue Wind oder der Pulsschlag der Erde geweckt? Willkommen die Rast, die uns, befreit vom drückenden Tragriemen, das zarte Wunder zu bestaunen lässt. Glucksend purzelt Schmelzwasser aus schüchternem Grün, murmelt dem Bach, dem Fluss, dem Strom, dem unendlichen Meere zu und weckt auf seinem weltweiten Weg raunend im Lauscher die Sehnsucht nach den ewigen Bergen.

Im Steini droht das Hüttendach unter schwerer Schneelast zu bersten. Am Waldrand flüchten Rehe, die unser Kommen erschreckt hat. Tief verschneit zieht sich der Weg steil den Bergwald hinauf. Wildspuren kreuzen unsern Gang. Trittsiegel von Gemsen, Losung von Birk- und Auerhahn künden von Leben im harten Bergwinter. Schlürfend ziehen unsere Ski durch den körnigen Sulz. Ein Hase hat mit gespreizten Pfoten seine Fährte gelegt. Dicht daneben die Schnur des Fuchses, der hungrig den hoppelnden Langohr gewittert. Unter einer uralten Föhre regt sich Leben. Den Waldameisen dauert der Winter zu lange. In halber Starre bessern sie ihren Bau aus, der von einer Maus in quälendem Hunger nach Larven durchwühlt wird. Kampf ums Dasein.

Klaftertief liegt der Schnee im Aellgäu, die braunen Hütten sonnseitig kaum ein Stücklein freigebend. Eine Drossel prüft zögernd ihr Frühlingslied. Eine Tannmeise meldet mit ihrem « Zi-Zi-Zit » den Frühling trotz dachebenem Schnee. Wirbelnd fallen einige Flocken. Hoch über turmhohen Wänden dräuen gewaltige Wächten. Und wir Menschlein ziehen unsere Spur weiter durch den körnigen Sulz, der trauten Hütte zu. Bald wird knisterndes Holz wohlige Wärme bereiten. Beim heimeligen Lampenschein lässt sich gemütlich plaudern, bis Schlafmännchen die Müdigkeit aus den Gliedern zieht.

Ein trüber Morgen dämmert. Verhüllt sind Berge und dräuende Wächten. Drossel und Meise sitzen aufgepludert irgendwo im Geäst. Ein Auerhahn schnalzt sein uraltes Spiel von Frühling und drängender Sehnsucht.

Die Lücke im Brennholz muss aufgefüllt werden. Scharfzahnig gräbt sich die Säge ins knorrige Holz. Dem Schnitt entströmt harziger Duft und mahnt an Malmittel und Farbe. Der Schlag der spaltenden Axt wird vom Schnee und vom zähen Nebel gedämpft. Der Lärm kann die Gemsen nicht verscheuchen; tief unten sind sie gerudelt, im Schütze des Bergwaldes.

Ein Sonnenstrahl bricht ins Grau. Dampfend löst sich der Nebel von Bergwald und Klüften. Im blauen Wolkenloch segeln die Wölklein des Föhns, der Westwind wälzt riesige Stockwolken, die Bise stemmt bleigrau zerzaustes Geflatter dagegen. Kampf der Giganten in wüstem Gebrodel. Doch die Sonne schlichtet den wogenden Streit. Die Hänge gleissen. Die plötzliche Helle zwingt zur schützenden Brille. Schnell auf die Bretter zum gleitenden Lauf!

Warme Strahlen lösen den bindenden Frost. Haltlos gleitet der Schnee von den Felsen, weisse Fahnen nachziehend. Ein Stück der Wächte bricht und fährt donnernd über die Wände. Auf ihrem Sturz reisst sie mit vom steinigen Hang und wälzt sich erdschmutzig der Tiefe zu. Der Berg ist erwacht und lässt die weisse Last von seinen Schultern gleiten.

Herrliches Schauen von sicherem Stand. Goldene Sonne, ziehende Wolken, gleissender Schnee und krachende Lauen. Dampfender Bergwald, funkelnde Eisriesen, schlagende Drossel, zitsende Meise und all das liebe Getier.

Unsere Blockhütte Hohgant hat solch beglückendes Erleben ermöglicht.

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