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Ruwenzori, die Mondberge

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Jean Sesiano, Genf

Unsere Karawane im Aufstieg oberhalb der dritten Hütte auf ca. 4300 m Feiertage, Feiertage...

Diese, von einem freundlichen Sekretär mit breitem Lächeln und blitzenden Zähnen verkündete afrikanische Logik verblüfft mich. Wir alle drei - die Himalayabergsteiger Michel Vaucher und Hugo Weber und ich - haben uns, von Genf kommend, beeilt, um über Nairobi ( Kenia ) in die Hauptstadt von Ruanda, Kigali, zu gelangen und so schnell wie möglich unser Ziel, die Mondberge, den Ruwenzori, an der Grenze zwischen Zaire und Uganda, zu erreichen. Und jetzt begegnen wir in Afrika derselben wie in den Industriestaaten: Man macht die ( Brücke ), und damit wird das ganze Leben im Land lahmgelegt, manchmal für unbestimmte Zeit.

Trotz allem geht es weiter Dann eben nicht, warten werden wir deswegen nicht. Nach einer Nacht in der Hauptstadt von Ruanda geht es nach Goma in Zaire. Hugo hat dort Freunde, die uns herzlich aufnehmen. Nachdem wir alles vorbereitet, das Gepäck in Ordnung gebracht, Lebensmittel eingekauft, im kühlen Kivu-See - der keine unangenehmen Begegnungen mit Tieren bereithält — gebadet haben, sitzen wir in einer Maschine einer inländischen Luftverkehrslinie, die Goma mit Beni, 300 km nördlicher, aber immer noch in Zaire, verbindet.

Der Nachmittagsflug gibt uns Gelegenheit, das Ausmass der während der Trockenzeit über dem Äquator aufsteigenden warmen Luftmassen zu bewundern. Wir fliegen zwischen gigantisch aufgetürmten Kumuli; der Pilot, der unser Ziel kennt, macht sich übrigens das Vergnügen, gelegentlich von der Route abzuweichen, um in 5000 m Höhe an den Gipfeln vorbeizufliegen, die zu erreichen wir uns vorgenommen haben. Trotz der Wolken erkennen wir herrliche Seen von glazialem Ursprung und ganz verschiedener Tönung, Eisabbrüche von überhängenden Gletschern und einige Felstürme. Genug, um uns das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen.

Ein kleiner Transporter erwartet uns auf dem Flughafen von Beni und bringt uns mit unsern 100 kg Gepäck nach Mutwanga, dem Ausgangspunkt für die Besteigung, auf 1100 m und in der Luftlinie 20 km westlich des Gipfels. Dank der sehr willkommenen, aber teuren Hilfe eines ehemaligen Teilpächters, eines Kaffeepflanzers, gelingt es uns, etwa zehn Träger zusammenzubringen und auch einen Führer zu finden; er ist vorgeschrieben, wenn man zu diesen Gipfeln aufbrechen will, die im Nationalpark von Virunga liegen. Die grosse Anzahl an Trägern gegenüber den wenigen Expeditionsmitgliedern erklärt sich aus der Tatsache, dass wir - abgesehen von der Besteigung - einen 16-mm-Film drehen wollen.

Dafür haben wir zwei Kameras, Stative, 1500 m Film, dazu verschiedenes Zubehör und das übliche photographische Material bei uns.

Am Ruwenzori - von Hütte zu Hütte Das Ruwenzori-Massiv, das auf mehr als 5100 m ansteigt, ist für seine Niederschläge berühmt: Es regnet fast an jedem Tag des Jahres. Vom Ende des Vormittags an hüllen Wolken die Gipfel ein, dann lösen Schnee und Hagel, Gewitter und Nebel sich ab. So ist es in der Trockenzeit ( Dezember bis Februar, Juni bis August ); in der Regenzeit ( kurz nach den Äquinoktien, wenn die Sonne in diesem Gebiet im Zenit steht ) wird die Lage - soweit das möglich ist - noch schlimmer. Dieses feuchte Klima begünstigt das Aufbrechen einer üppigen, oft baumartigen Vegetation, die einem leichten Vordringen in das Massiv hinderlich ist. Aus diesem Grund konnte erst Sir Henry Morton Stanley im Jahr 1888 die Existenz schneebedeckter Gipfel im Ruwenzori, 35 km nördlich des Äquators, eindeutig feststellen. Bis dahin hatten - seit Ptolemäus - allein Gerüchte von hohen weissen Gipfeln, den Mond-bergen, aus denen die Quellen des Nils gespeist werden, berichtet. Dieses Massiv bildet also, zusammen mit dem Mt. Kenya und dem Kilimandscharo, deren Klima erheblich freundlicher und deren Flora weniger wild ist, das Trio der afrikanischen Fünftausender. Die Bezwingung der Gipfel des Ruwenzori gelang 1906 der Expedition des Prinzen Luigi Amedeo di Savoia, Duca degli Abruzzi.

Und jetzt der Aufbruch von Mutwanga: Die Hitze ist erstickend, die Luftfeuchtigkeit hoch. Der Wald wird schnell dichter, sein für uns wohltuender Schatten wird uns jedoch beim Photographieren Probleme bereiten.

Einige Stunden später und 1200 m höher kommen wir zur ersten Hütte. Ihre Renovierung ist gerade abgeschlossen, und der Holzbau mit zwei Schlafräumen und einem Essraum wirkt recht freundlich. Unsere Träger mischen sich unter jene, die an der Restaurierung anderer Hütten beteiligt sind - alles wird auf menschlichen Rücken hinaufgetragen -, und richten sich unter einem grossen Zelt ein, wo sie essen und die Nacht verbringen werden. Es wären eigentlich auch Leute für den Transport der Verpflegung der Träger nötig gewesen; doch der Grundstock ihrer Nahrung transportiert sich selbst: Es ist ein Ziegenbock, der sicher nicht ahnt, dass die Kräuter, die er während des Aufstiegs frisst, sein letztes Vergnügen sein werden.

Die Ruhe des Waldes wird nur unterbrochen durch die Schreie einer Schar Affen, die sich auf der andern Seite des Tals vergnügen.

Am nächsten Tag ändert sich nach und nach die Vegetation. Der Bambuswald ist bald überwunden, die Heidekrautgewächse nehmen jedoch gewaltige Ausmasse an; sie haben mächtige Stämme, aus denen man nicht nur Pfeifen, sondern regelrechte Ofen schnitzen könnte! Mit der Zeit kommen wir auf mit Moosen bedeckten Boden, eine schwammartige Masse von ungefähr einem Meter Dicke, die aber dort, wo Pfade sind, durch das Begehen zerdrückt ist. Von nun an geht man in einer Art Graben, auf schlammigem Grund, der dauernd von Heidekrautwurzeln versperrt ist. Das System des Vorankommens besteht darin, wenn möglich von einer Wurzel zur andern zu gelangen, ohne dazwischen in ein Loch hinunter zu müssen. Wenn die Wurzeln nass sind, was in diesen Gebieten mit häufigem Regen oft vorkommt, wird die Lage recht problematisch, und wie es weitergeht lässt sich unmöglich voraussehen.

Mitten am Tag erreichen wir die zweite Hütte, auf 3333 m. Wir belegen den bereits fertiggestellten Raum der Träger, das Hauptgebäude ist noch nicht so weit, und alle Arbeiter wohnen dort. Nach den intensiven Regengüssen des Abends - sie hatten zwei italienische Paare, für die das Abenteuer zum Alptraum wurde, in Schwierigkeiten gebracht — erwartet uns eine herrliche Morgendämmerung. Am Ruwenzori ist ein Aufbruch am frühen Morgen unbedingt empfohlen! Der Ge-sundheits-Parcours des Vorabends geht weiter. Doch auf ungefähr 3900 m tauchen allmählich Senecien und Lobelien aus dem Nebel auf; zusammen mit andern überdauernden Büschen begleiten sie uns bis auf etwa 4400 m.

Bald taucht die gespenstische Silhouette der dritten Hütte auf. Sie ist sehr bescheiden.

Die Südseite der Margherita ( 5109 m ) in einer flüchtigen Aufhellung aber ein Stapel von Brettern deutet darauf hin, dass sie bald erneuert werden soll. Eine Stunde später hat der Himmel aufgetan, und 300 m unter der Hütte wird der Lac Noir, eine herrliche Wasserfläche in einem einstigen Gletscherbecken, sichtbar. Da das Wetter stabil ist, beschliessen wir, nachdem unsere Träger sich einverstanden erklärt haben, unsern Weg fortzusetzen. Zunächst umrundet der Pfad einen mit einem Stahlseil ausgerüsteten Felssporn - eine sichere, aber etwas luftige Passage -, danach geht es über einen schlammigen und glitschigen Felsriegel abwärts. Denen, die uns noch weiter begleiten, wird eine Zusatzprämie ausgesetzt. Es liegt uns fern, uns als aufzuführen, aber hier ist ein solches Vorgehen üblich. Wir beschleunigen unsere Schritte, denn die Sonne sinkt, und unsere Träger haben noch den Rückweg vor sich. Wir haben das heikle Gebiet pro- blemlos durchquert, selbst wenn das manchmal an Akrobatik grenzte. Dann, nachdem wir den Lac Vert entlanggegangen sind und ein dicht mit Senecien bewachsenes Tal durchquert haben, erreichen wir den Lac Gris auf 4300 m. Die Moraine-Hütte liegt 150 m höher auf dem Pass, wirkt aber so verfallen, dass wir vorziehen, unsere Zelte am Ufer des Sees in der Nähe einer Wasserstelle aufzuschlagen. Die Träger entledigen sich flink ihrer Lasten und verlassen uns; wir haben verabredet, sie zwei Tage später wieder zu treffen. Über dem Massiv mit seinen jetzt fahlen Wänden und überhängenden Gletschern ( es erinnert uns, abgesehen von den Senecien, an die Alpen ) liegt wieder Stille. Der Himmel ist vollkommen klar, alles sieht so aus, als gäbe es beständiges Wetter.

Gipfel und Wolken Samstag, 8. Juli: Eine klare und kalte Morgendämmerung, überall liegt Reif. Das Lager wird lebendig, es geht darum, so schnell wie möglich aufzubrechen, denn die Tageshitze und die aufsteigende warme Luft werden nicht lange auf sich warten lassen. Noch streichen die Sonnenstrahlen fern über uns hin, denn wir sind auf der Westseite. Wir wandern entlang des Lac Blanc, dann über bucklig ausgeschliffene Felsen. Es handelt sich um sehr altes ( ungefähr zwei Milliarden Jahre ), kristallines metamorphes Gestein, ähnlich dem -sehr viel jüngeren -, das in den Walliser Alpen vorkommt. Wenig später stehen wir auf der Zunge vom westlichen Gletscher des Stanley. Die Bedingungen für den Aufstieg mit Steigeisen sind ausgezeichnet. Der zunächst steile Hang wird zum Stanley-Pass hin sanfter. Die Spalten scheinen gutartig, selbst als einmal ein Bein eine Brücke durchstossen hat. Mit zunehmender Höhe wird das Tempo nach und nach langsamer. Plötzlich, als wir auf der Grenze zwischen Zaire und Uganda sind, blendet uns die Sonne. Auf dem Osthang beginnt bereits der schweigende Zug ungeheurer watteartiger Wolkenballen, die Ausläufer des Gebirges einzuhüllen. Immer noch angeseilt, folgen wir in nördlicher Richtung dem Grat, der gleichmässig zum Gipfel der Alexandra ( 5091 m ) ansteigt. Ein Eisabbruch wird überwunden, mit riesigen {Schlagsahne-türmen ) bedeckte Felsen werden umgangen oder traversiert, noch einige Geröllpartien, dann stehen wir auf dem Gipfel, um uns herum treiben Nebelmassen. Während einer flüchtigen Aufhellung entdecken wir uns gegenüber den höchsten Gipfel des Massivs, die 5109 m hohe Margherita. Eine wie es scheint tiefe und unangenehme Bresche trennt uns von ihr. Tatsächlich handelt es sich um einen schneebedeckten Sattel, von dem, in entgegengesetzter Richtung, je ein Gletscher ausgeht. Über Geröll und abbrechendes Gestein kommen wir hundert Meter tiefer auf den Schnee. Der Aufstieg auf der Gegenseite ist schwieriger, eine feine, nicht haftende Schneeschicht bedeckt das Eis. Mit einer Seillänge gelingt es uns, von einem beunruhigenden überhängenden Sérac fortzukommen. Wir erreichen ein Band in schlechtem Fels, das sich mit dem Grat vereinigt, und einige Minuten später freuen wir uns an unserm Erfolg, auch wenn das Panorama nicht so ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Am Ruwenzori darf man nicht zu anspruchsvoll sein!

Graupel peitscht uns ins Gesicht, es wäre also töricht, dort oben zu verweilen. Wir kehren zum andern Gipfel und dann zum Südgrat zurück, gehen weiter bei flüchtigen Aufhellungen, die uns gleichwohl Gelegenheit zu spektakulären Aufnahmen geben. Inzwischen steht die Sonne hoch am Himmel und hat arglistig den Schnee aufgeweicht. Mehrmals sinken wir bis zur Taille auf einer Schneebrücke ein, die ihren Namen nicht mehr verdient, und ein Blick in die Tiefe der Spalten lässt deren morgendliches gutartiges Aussehen schnell vergessen. Bald sind wir wieder auf Fels. Der Himmel- ist jetzt klar; schade um den Blick vom Gipfel! Morgen werden wir eine anspruchsvollere Route - auf den Moebius, einen mehr als 4900 m hohen Gipfel auf der andern Seite des Gletschers - versuchen.

Der Mensch denkt, die Natur lenkt Mitten in der Nacht trommelt Regen auf unsere Zelte, dann legt er sich, wieder herrscht Stille im Gebiet des Sees. Die Temperatur ist gesunken, das schlafende Camp liegt in der bleichen Morgendämmerung unter Nebel und einer leichten Schneeschicht.

Als wir aufwachen, sind wir verblüfft über den Kontrast zu der Landschaft des Vorabends: Senecien und Lobelien sind zusammengeschrumpft, alles ist erstarrt, die Natur ist in eine Art Winterschlaf gefallen, der allerdings nicht lang dauern wird. Wir kochen uns etwas, bauen dann in Ruhe das Lager ab, unsere Pläne vom vergangenen Abend haben wir aufgegeben. Die Lasten für die Träger sind bereit gemacht und unter einem Felsen untergebracht, denn es schneit noch immer. Wir werden den Trägern entgegengehen, die Lasten selber mittragen, denn wir fürchten, dass es Ausfälle geben könnte: der nasse Schnee, der Schlamm, die Passage mit dem Kabel... Aber nein! Sie sind alle zum Treffpunkt gekommen, in Sandaletten oder Schuhen mit ( Durchzug ), eine Plastikbahn oder einen nassen Anorak über den Schultern. Sie haben wirklich eine doppelte Prämie verdient. Wir rüsten die glitschige Passage mit einem Seil aus und erreichen ohne Unfall die dritte Hütte. Der Schnee ist in Regen übergegangen, der Nebel immer noch genauso hartnäckig und unsere Kleidung wenig wasserdicht. Wir steigen direkt zur zweiten Hütte ab, die Träger ziehen sie wegen des Komforts und der geringeren Höhe vor. Das Wetter wird besser, und am Ende dieses bewegten Tages scheint die Sonne.

Am nächsten Tag geht der Abstieg weiter, ohne besondere Ereignisse, abgesehen von Immortellen ( Helicrysum Stuhlmannii ) auf ungefähr 4000 m der Begegnung mit einem Regenwurm Modell Ruwenzori, absolut unsern Regenwürmern gleich, aber 80 cm lang und mit 4 cm Durchmesser. Geeignet, um alle Kompost-Verehrer und alle Gärtner, die für sanfte Methoden der Bodenbelüftung schwärmen, vor Neid aus der Haut fahren zu lassen.

Wir tauchen wieder in die schwere Hitze der Ebene ein, in die Welt der Menschen und ihrer Geschäfte. Ehe wir die sanften Ufer des Kivu-Sees erreichen, müssen wir noch einige fragwürdige Hotels ( erdulden ), in denen die Verschwiegenheit der Nacht die fehlenden Toiletten ersetzen muss und die fehlende Beleuchtung in den Zimmern uns erspart, die Wirksamkeit der einheimischen Waschmittel zu prüfen. Schliesslich nehmen wir bei den Goril-las von Ruanda Abschied von Afrika: Gleicht der Scheitel dieses alten Männchens nicht mit seinen silbrigen Reflexen, die sich von der Schwärze des Fells abheben, jenen weissen Flecken, die den unfruchtbaren Höhen Schwarzafrikas aufgelegt sind und den Namen Ruwenzori tragen?

Aus dem Französischen übersetzt von Roswitha Beyer, Bern

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