Traversierung des Zinalrothorns | Club Alpino Svizzero CAS
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Traversierung des Zinalrothorns

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Von Xaver Kali

( Les Plans s. Bex ) Am 22. August 1944 klopften die Holzschuhe wieder lustig über die grosse Granitplatte vor der Mountethütte, und ihr Träger schaute bewundernd auf das neue Haus, das während seiner zweijährigen Abwesenheit entstanden war. Einerseits war er stolz auf das neue Heim seines Klubs, und andernteils überkam ihn leise Wehmut, wenn er gegen die an die Felswand gelehnten Bretter und Balken der alten Hütte schaute. Wie manchem Touristen haben sie Obdach und wie manchem Gebirgssoldaten nach harter Arbeit im Fels und Eis wohlige Geborgenheit verschafft. Mir war, als wenn man mir selber etwas genommen und zu diesen Balken gelegt hätte. Und wie ich am Nachmittag Balken um Balken zersägte, schaute ich sie mir alle genau an, mir ins Gedächtnis rufend, wo sie gestanden hatten. Das erhoffte Plauderstündchen mit Vater Vianin fiel aus, der treue Wächter wurde unverzüglich abberufen an das Sterbebett seiner Frau.

Wenn nicht ein wolkenloser Himmel auf uns herunter geschaut und der grandiose Zirkus der Hochgipfel uns an Höheres gemahnt hätte, so wären wir vielleicht missmutig gewesen. Nun wird aber das Teleskop auf den Rothorngrat eingestellt, eifrig diskutiert und beschlossen, schon morgen um ihn zu ringen. Eine Repräsentantin des « sexe faible » schaut indessen mit Bewunderung auf die beiden Vertreter des starken Geschlechts und fragte dann schüchtern, ob dieser Grat viel Schwierigkeiten biete. Zuvorkommend, denn « Sie » war beinahe hübsch, erklären wir ihr, dass dieser Grat einer der schönsten in den Walliser Alpen sei und von den leichten bis zu den schwierigen Passagen alles in sich fasse. Nach verschiedenen « Dafür » und « Dawider » war ich schlussendlich dafür, diese « Sie » einfach in unsere Zweierseilschaft aufzunehmen. Dies allerdings mit bewusster Verantwortung, nicht dass mir da Dr. Danegger einen Vorwurf machen könnte 1 Der Wecker wird auf 3 Uhr gerichtet, statt aber zu « schellen », bleibt er eben lautlos liegen wie wir, unsern Aufbruch um eine volle Stunde verzögernd.

5 Uhr. Ohne Geräusch ist zu viel gesagt, aber schlängeln tun wir uns doch hinauf zur Moräne, und über dieselbe erreichen wir unter den Felsen des Moming den Mountetgletscher. Die Steigeisen krallen sich in den harten Firn, bis unter den Eishang links der Pointe Mountet. Oben steigen schon 13 Mitglieder der Sektion Neuenburg unter der Führung von Bonnard, der mir so das Stufenschlagen abnimmt. Am Bergschrund will nun unsere Begleiterin ganz einfach in der Tiefe verschwinden, aber das straffe Seil vereitelt den Versuch. Noch einige Meter in hartem Eis, und dann gelangen wir in brüchige Felsen. Die Steigeisen verschwinden im Sack, und mit steifen Fingern schleichen wir hinauf über dieses lose Gestein.

Die Sonne erreicht uns auf dem Rothorngrat, den wir um 7.30 Uhr betreten. Schokoladeknappernd schauen wir hinunter nach Trift, hinaus gegen den Gornergrat und in die Gletscherwülste des Monte Rosa. Über uns turnen die Neuenburger, und über den Schneegrat nach dem Eseltschuggen spaziert eine Zweierpartie.

« Sie » wechselt nun die Nagelschuhe mit den Finken, mein Kamerad geht weiter in den Tricounis, während ich mit meinen beinahe noch echten Vibram den Vorzug habe. In wunderbarer Granitkletterei wechseln Türme mit Graten, ohne uns vorerst ernste Schwierigkeiten zu bieten. Nach dem ersten Drittel wird die Sache aber heikler, und schon lässt sich ein Turm nicht mehr direkt überwinden. Auf der Mountetseite umschleiche ich ihn über griffarme Platten, ziehe mich « hinten hoch » und gelange auf einen soliden Platz zur Schultersicherung, um meine Gefährten nachkommen zu lassen. Immer höher zieht sich die « Aérienne-Suite », und die « Tricounis » haben zeitweilig ein wenig Mühe nachzukommen. Nun gelangen wir durch einen Plattenriss zu einer Barriere, die mir aus frühern Besteigungen nur zu gut bekannt ist. Stemmarbeit der Anne bringen dich über einen Überhang auf schmalen Felssims, von wo aus, auf den Zehenspitzen stehend, deine Länge genau ausreicht, um einen winzigen Griff zu erreichen, während das ausgestreckte linke Bein auf einer Nußschalenhöhlung Stand zu fassen versucht. Dann geht es über leichtere Felsen, aber äusserst exponiert, wieder zur Grathöhe.

Fünf Stunden sind verstrichen, seitdem wir den Grat betreten haben. Beinahe zwei Stunden liegen wir hier an der Sonne. Wir haben ja Zeit, viel Zeit, und das Wetter ist sicher. Keine Wolke am Matterhorn. Das Trifthorn mit seiner Schneekuppe wird immer kleiner, und am Obergabelhorn befindet sich Remy Teytaz im Abstieg. Die Dent Blanche hat eine kleine Friedensfahne gehisst, und nur über dem Mont-Blanc-Gebiet türmen sich Gewitterwolken.

. Nun erreichen wir die erste Gwächte, die aber schon so weit zusammengeschrumpft ist, dass sie diesen Namen beinahe nicht mehr verdient. Ein scharfer Grat bringt uns zur Lücke vor dem letzten Gendarm, den wir auf der Mountetseite umgehen. Die eisgefüllten Risse verzögern noch ein wenig die Ankunft in der Lücke der Gabel, wo ich jedem eine « Koramintablette » überreiche.

Die Bienerplatten sind beinahe schneefrei und lassen uns das Stück unter der Kanzel ohne Schwierigkeiten überwinden.

Sonne, viel Sonne umgibt uns auf dem Gipfel. Es ist 16 Uhr.

Soll ich euch etwas von unsern Empfindungen und der Aussicht erzählen? Nein — weil ich nicht dazu befähigt bin. Überlassen wir das unsern Poeten!

Wir, wir waren zufrieden. Ganz einfach zufrieden, da oben hocken zu dürfen. Und dieses Zufriedensein in der heutigen Zeit ist so gross, dass man es eben gar nicht beschreiben kann!

Noch ein Blick auf die Mischabel, auf den Schalligrat, hinaus nach den Dents du Midi, dem Muveran und den Diablerets; und wir beginnen, pickel-sichernd, den Abstieg über das scharfe Schneegrätchen gegen die Bosse. Auf dieser selbst finden wir ausserordentlich gute Verhältnisse. Aber der Mann mit den Tricounis will einfach nicht abwärtssteigen. Trotz einer Sicherung, die Elefanten im Fluge aufgehalten hätte, geht es nur langsam. Nun wird aber « Sie » energisch, und dank ihrer Einsprache erhöht sich das Tempo wesentlich. Auf dem « Bourrique » gibt es noch einige zögernde Schritte, denn weit geht der Blick hinab zum Hohlichtgletscher. Die Umgehung der Sphinx in den Plattenrissen geht gut. Der « Rasoir » gibt wieder Anlass zu verschiedenen Kunstturnerübungen, die aber schlussendlich mit einer « Wertung von 70—80 Punkten » bestanden werden. Das Tempo wird ein wenig frischer, und über den Frühstücksturm erreichen wir den Blanc Morning. Mit den Steigeisen stapfen wir die Treppe hinunter. Leider hat der im rötlichen Schimmer emporragende Schalli eine solche Anziehungskraft, dass mich die sich in den Hosen verfangenden Steigeisen auf dem scharfen Grate einen vollkommenen Salto schlagen lassen, der glücklicherweise ohne Folgen bleibt.

Nach dem Passieren des Bergschrundes wird es Nacht und immer intensivere Nacht, je näher wir der Moräne kommen. Über diese selbst möchte ich keine Worte verlieren. Die Touristen von Mountet kennen sie, und die, die sie noch nicht kennen, können sie kennen lernenEs ist 23 Uhr. Gut munden Suppe und Tee — Tee — immer nur Tee!

Und wir sinken in die molligen « Schlaraffia » der neuen Cabane Mountet.

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