Über die Entstehung der Beaten- und Balmfluhhöhlen
Umgebung.
Dr. Paul Beck ( Sektion Blümlisalp ).
Von Textillustration nach Planzeichnung des Verfassers und photographischen Aufnahmen von H. Hartmann.
Im Sommer 1911 wurden in der Balmfluhhöhle am Thunersee durch die Nachgrabungen des Herrn Direktor H. Hartmann mehrere Funde von Überresten menschlicher Tätigkeit, die verschiedenen Zeiten angehören, gemacht. Die geologische Untersuchung der Höhle und ihrer Umgebung durch den Verfasser bringt eine Ergänzung und in einigen Punkten auch eine Korrektur der von Dr. Arnold Heim in Zürich verfaßten Expertise über die benachbarten Beatenhöhlen. Als Literatur, die sich speziell mit den Beatenhöhlen oder ihrer nähern Umgebung befaßt, sind folgende Publikationen zu erwähnen:
1850. Rütimeyer, L., Über das schweizerische Nummulitenterrain mit besonderer Berücksichtigung des Gebirges zwischen dem Thunersee und der Emme; Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft, Band XI.
1886. Kaufmann, F. J., Emmen- und Schlierengegenden; Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, 24. Lieferung, II. Teil.
1907. Beck, Paul, Der diluviale Bergsturz von St. Beatenberg. Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft Bern.
1908. Buxtorf, A., Zur Tektonik der zentralschweizerischen Zentralalpen. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Band 60.
1909. Heim, A., Über die Beatushöhlen am Thunersee.Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Jahrgang 54.
1911. Beck, Paul, Über den Bau der Berner Kalkalpen und die Entstehung der subalpinen Nagelfluh. Eclogse geologicae; Helvetiae XI. Mai 1911.
1911. Beck, Paul, Geologie der Gebirge nördlich von Interlaken. Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, neue Folge, 29. Lieferung.
1. Die Tektonik des rechten Thunerseeufers.
Wer von Bern aus durch das Aaretal ins Berner Oberland wandert, kann leicht beobachten, wie die Molassehügel des Mittellandes immer höher und nagelfluhreicher werden. Die Molasse verschwindet westlich von Gürbe und Aare bei Wattenwil unter dem Flysch der Gurnigelzone, östlich der Aare bei Ralligen am Thunersee unter der schmalen Fortsetzung des erstgenannten Flyschstreifens längs des Sigriswilgrates. Diese sogenannte subalpine Zone, die sich noch über den Vierwaldstättersee hinaus verfolgen läßt, enthält außer den normalen Flyschschiefern und -Sandsteinen mitgerissene Schollen von Gesteinen, unter denen uns der Taveyannazsandstein, ein lauchgrttnes, hartes, selten pflanzenführendes Gebilde aus der jüngsten Eocän- oder noch wahrscheinlicher der ältesten Oligocänzeit am meisten interessiert. Er tritt in Form von Klippen am Hörnli, auf der Zettenalp, bei Bodmi, an der Dallenfluh, der Tanzbodenfluh und im Dorfe Merligen auf. Die Art seiner Lagerung läßt darauf schließen, daß er die ganze Sigriswilgrat-Beatenberggruppe unterteuft und sich auf der andern Seite des Thunersees am Grunde des Kientales bis zur Sefinenfurgge und durchs Kandertal hinauf bis ans Gellihorn und das Hohtürli zieht. Die Gebirgsgruppen des Schilthorns und des Dünden-Ärmighorns samt ihren vorgelagerten Erhebungen Standfluh und Gerihorn bestehen aus Eocän-, Kreide- und Juragesteinen, also aus Schichten, die sämtlich älter sind als der Taveyannazsandstein, der ihren Untergrund bildet. Deshalb können die genannten Gebii'gsgruppen ihre Wurzeln nicht an Ort und Stelle haben, sondern sie müssen, wie weitreichende Forschungen ergaben, von Süden her auf die jüngern Gesteine hinaufgeschoben worden sein. Ähnlich gebaute Gebirge ziehen sich im Westen noch über das Wildhorn hinaus und wurden von Lugeon Wildhorndecke genannt. Vom Kandertal nach Osten hin lösen sich einige Glieder Elsighorn - Gerihorn - Standfluh - Waldegg - Beatenberg - usw. von der eigentlichen Wildhorndecke ab und bilden ungefaltete, stark zerklüftete Eocän-Kreideschollen. Buxtorf und ich nannten diesen Teil, der nach Osten hin immer selbständiger wird, Niederhorndecke. Der Unterschied zwischen beiden Teildecken besteht außer der verschiedenen Faltung besonders darin, daß die Wildhorndecke vorwiegend aus Juragesteinen aufgebaut ist, während die Niederhorndecke aus dem dazugehörenden, abgestoßenen Kreide-Eocänmantel besteht.
Die Formen des Untergrundes waren für die Ausbreitung der Decken von großer Wichtigkeit. So brach die Niederhorndecke in die Depression des heutigen Thunersees ein, was die von den Höhen des Morgenberghorns, des Niederhorns und des Sigriswilgrates sich zum Seeniveau senkenden Kreide- und Eocänschichten beweisen. Dabei wurden die Gesteinskomplexe, die nicht unter Druck und daher nicht plastisch waren, stark zerrüttet und von zahllosen Spalten durchzogen. Diese Defekte veranlaßten die Verwitterung besonders hier mit der Zerstörungsarbeit einzusetzen. Es wurden die Klüftungsformen stark herauspräpariert, trotzdem die Spalten nur ganz geringe Verschiebungsbeträge aufweisen. Außer diesen Querspalten treten in der Niederhorndecke auch viele, zum Teil sehr bedeutende Längsspalten auf, so im Justus-tal und vor allem da, wo die Beatenberg-Hohgantscholle von der südlichern Partie der Decke losgerissen ist und durch eine Flyschzone von letzterer getrennt wird. Diese gewaltige tektonische Störungslinie wird Sundlauenen - Hohgantverwerfung genannt.
II. Die nähere Umgebung der Beaten- und Balmfluhhöhlen.
Diese Höhlen befinden sich in dem Teil der Niederhorndecke, der sich von Osten gegen den Thunersee senkt. Im folgenden soll ihre nähere Umgebung noch genauer charakterisiert werden.
Südlich von Merligen spaltet die „ Nasenverwerfung ", die sich von der weit in den See vorspringenden Nase bis gegen Birchi hinaufzieht, das Westende des Beatenberges in westöstlicher Richtung, so daß die nördliche Lippe ( „ auf Schmocken " ) das Westende der andern ( „ die Nase " ) um 300 m überragt und am See der Hauterivienkieselkalk mit dem viel jüngern Hohgantsandstein in Berührung tritt.
Weiter östlich weitet sich der Halbzirkus des Balmholzes, umschlossen von den Schrattenkalk- und Hohgantsandsteinwänden der Wohlhusen- und Balmflühe.Viele Spalten von allerdings geringem Ausmaß treten sowohl an der großen Wand, als auch in den Steinbrüchen unterhalb der Straße am See zutage. Sie ermöglichten das Eindringen des Wassers in den sonst undurchlässigen Hohgantsandstein und die leicht löslichen Schrattenkalkschichten bis hinunter auf die weichen Drusbergschichten, die den Boden der heutigen Nische bedeckten. Diese leiteten das Wasser allerdings gegen den See ab, wurden dabei aber nach und nach so aufgeweicht, daß die über ihnen liegenden und mit 9—15° gegen den See neigenden Schichten den Halt verloren und als Felsschlipf in den See glitten. So entstand die jetzige Balmholznische.
In gleicher Weise zerhackt ragen die Felswände zwischen der Lerau und der Sundlauenen aus den blauen Fluten des Thunersees auf und bieten der Verwitterung-Anlaß zur Bildung von Kaminen und Schluchten. In diese jähen Böschungen dringen Balmfluh- und Beatenhöhlen ein, um uns einen Blick ins Innere des Berges zu gestatten. Arnold Heim beschrieb eine geringe Komplikation im Aufbau dieses Gebietes als „ Beatenbruch " ( pag. 56 ) und maß ihr die Bedeutung einer Längsspalte bei. Da ich dieser Auffassung nicht beipflichten kann, seien einige Details über dieses Vorkommnis erwähnt. Die von Heim trefflich charakterisierte klaffende Spalte, welche von der Straße auf einer Brücke zwischen zwei Tunneln überschritten wird, verschwindet am alten Oberländerweg für eine kurze Strecke unter Bergschutt und zieht sich dann wieder abwärts zur Stelle hin, wo am Oberländerweg und an der nahen Straße der Schrattenkalk des Beatenberges sich mit dem Flysch der folgenden Depression berührt. Hier dringen sogar Flyschschiefer in die Spalte ein und beweisen damit, daß der Bruch nur eine geringe Scholle schief zur Streichrichtung vom Hauptgebirge trennt. Außerdem schätze ich die Sprunghöhe bloß auf zirka 5 m.
III. Stratigraphie der Niederhorndecke.
Die Niederhorndecke umfaßt, wie schon oben bemerkt wurde, nur Eocän- und Kreideschichten. Es sind dies, von oben nach unten erwähnt:
10. Hohgantsandstein ( Auversien ).
Mit Boussac und Oppenheim fasse ich den Hohgantsandstein, der sich über Baimund Gsteiglenfluh ausbreitet, nicht als Lutétien wie Heim, sondern als Auversien, also die nächst jüngere Stufe, auf. Er bildet ein Gestein von wechselnder Beschaffenheit.
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Ein massiger, selten grob-bankiger oder schiefriger Sandstein, fossilleer oder auch reich an Pecten, Dentalien und Foraminiferen wiegt vor. Sein Korn, meist fein, kann einen Durchmesser von 3 — 4 Millimeter erreichen. Hie und da geht er durch Anreicherung des kalkigen Binde-mittels in schönen bläulichen Nummulitenkalk, bräunlichen Orbitoidenkalk oder auch seltener in den prächtigen Litho-thamnienkalk ( Ralligmarmor ) über. Mächtigkeit zirka 150 m. Sein Verhalten dem eindringenden Wasser gegenüber richtet sich nach seiner Zusammensetzung. Der verschiedenen Härte wegen neigt er als undurchlässiger Sandstein zur Bildung von wunderlichen oft ruinenartigen Verwitterungsformen; als Kalk dagegen ermöglicht er die Bildung von Höhlen und Schratten.
Das Gestein, das über den Beatenhöhlen in Frage kommt, ist in seiner Gesamtheit wasserundurchlässig und schützt daher die darunter liegenden Kalke vor Auflösung und Abtragung. Dieser ursprünglich vollständige Schutz wurde dann durch die reiche Spaltenbildung beim Transport der Decken und beim Absinken in die pliocäne Thunerseedepression stark beeinträchtigt.
9. Oberer Schrattenkalk ( Bedoulien ).
Das Auversienmeer, welches den Hohgantsandstein ablagerte, überschwemmte in langsamem Vordringen von Süden her das damalige Festland. Deshalb konnten Verwitterung und Abtragung in den nördlicheren Gegenden länger arbeiten als in den südlicheren, die früher durch das Meer und seine Sedimente gegen Zerstörung geschützt wurden. Daraus erklärt sich die Verschiedenheit der Eocänkreidegrenze bei den Beaten- und Balmfluhhöhlen und an der Waldegg. Am letztern Urte umlagern ältere eocäne Niederschläge mit großen Nummuliten ( Lutétien ) die Gerölle, welche der aus mittlerer Kreide ( Gault und Seewerkalk ) bestehende Untergrund lieferte. Über den Höhlen dagegen lagern die Auversienschichten glatt auf dem obern Schrattenkalk, so daß eine scharfe Fuge besteht. Die Verschiedenheit des Übergangs von der Kreide zumTertiär scheint mit Meeresströmungen, die an einigen Orten lose Blöcke des Untergrundes zusammenspülten, an andern Stellen dagegen entfernten, zusammenzuhangen. Dabei bildete sich im ersten Fall eine Art Grundkonglo-merat, wie das von der Waldegg erwähnte.
Im obern Schrattenkalk wechselt ein hellanwitterndes, nerineenreiches Gestein, das grobbankig, hellgrau und dicht ist, mit einem graubräunlichen Gestein, das siena-braune sandige Schlieren und Flasern mit Orbitulina lenticularis durchziehen.
8. Untere Orbitulinenschicht.
Zwischen beide gleichartig ausgebildeten Schrattenkalke schmiegt sich über den Höhlen die zirka 10 m mächtige untere Orbitulinen- schicht, aus bräunlichen, stark oolithischen, oft ruppigen Mergelschiefern mit Orbitulina lenticularis bestehend.
7. Der untere Schrattenkalk ( Barrêmien ).
Dieses Gestein ermöglicht durch seine dickbankige oder stockförmige Lagerung die Entstehung hoher überhängender Felsen und damit der Balmen ( Balmfluh !). Bei den Höhlen erreicht er eine ungefähre Mächtigkeit von 100 m. Der Gesteinscharakter wechselt, indem in den oberen Partien die Stockform und die groben Bänke, in den tiefern Lagen mehr die dünnem Bänke aus weicherem oolithischem Gestein vorwiegen. Die blauweiße Farbe der Wände rührt von einem Überzug von Flechten und der Verwitterungsrinde her. In den tiefern Schichten fallen dem Beobachter auch rostige oder gar carminrote Färbungen auf, die durch Eisengehalt verursacht werden.
Eine ganz eigenartige Ablagerung bildet das Gestein, in dem sich die Balmfluhhöhle befindet. Es scheint aus Kalkbrocken, die durch einen Kalkniederschlag wieder verbunden sind, zu bestehen. Es verwittert viel stärker und rascher als das homogene Gestein. Möglicherweise wurden sedimentäre Anlagen zu dieser Bildung durch den Gebirgsdruck noch verstärkt, so daß dieses breccienartige Produkt zustande kam.
Nach unten treten immer reichlicher mergelige Bänke auf, die als Wasserhorizonte Bedeutung haben. Das ganze Gestein eignet sich vorzüglich zur mechanischen und hydrochemischen Durchklüftung, die beide denn auch wesentliche Spuren in Form von Spalten und Höhlengängen zurückgelassen haben.
Die Gesamtheit der Schrattenkalke zeichnet sich in der Umgebung der Höhlen durch ihren Fossilreichtum aus. Die Blöcke im Chruudbach bei der Lerau lieferten dem Berner Museum 57 Species. Außerdem erwähnt Mayer-Eymar in seinem Verzeichnisse der Kreide- und Tertiärversteinerungen der Umgebung von Thun noch 14 weitere Arten.
6. Die Drusbergschichten ( Barrêmien ).
Nach unten wird der echte Schrattenkalk durch die Drusbergschichten abgelöst. Größere Teile dieser Gesteine wurden gleichzeitig mit dem Schrattenkalk neben diesen abgelagert, so daß die beiden Gesteinstypen lateral ineinander übergehen und besonders die Grenzschichten wechsellagern. Am Niederhorn verschwinden die Mergelkalke ganz, indessen die Schrattenkalke auf 210 m anschwellen, während sie an den benachbarten Gipfeln Rothorn und Gemmenalphorn bei einer Reduktion des Schrattenkalkes auf 100 und 40 m eine Mächtigkeit von 100 m erreichen. Ein derartiger seitlicher Übergang von gut mergeligen echten Drusbergschichten zu kaum kenntlichen, harten Kalkbänken findet von der Balmholznische her gegen die Sund-lauenenverwerfung hin statt. Am Beatenbach lassen sich noch 25 m vorwiegend mergelige Gesteine feststellen, während an der Sundlauenenverwerfung alle Anhaltspunkte für das Vorhandensein der Drusbergschichten fehlen.
Fassen wir noch ihren petrographischen Habitus, auf dem ihre Bedeutung als Wasserhorizont und als Gleitfläche für Bergstürze beruht, zusammen: Blaugraue Mergelkalke, die in Bänken von O.5—3 dm Dicke mit etwas dunklern Mergelschiefern wechseln, bilden das Hauptgestein. Die tiefsten Lagen sind im Justustal vollkommen mergelig-kalkig, aber doch in Bänke gegliedert. Weiter oben schieben sich oolithische, schrattenkalkartige Bänke von O.5—2 m Mächtigkeit ein. Ihre Zahl nimmt zu, bis sie den ganzen Fels bilden und nur noch in der Bankung an die Drusbergschicht erinnern.
5. Die Altmannschichten ( Unterstes Barrêmien ).
Die diesbezüglichen Angaben Heims ( pag. 53 ) sollen kurz ergänzt werden: Am Chruudbach tritt unterhalb der Straßenbrücke das typische Altmanngestein nesterartig im etwas spätigen Kieselkalk der nächstuntern Stufe auf. Es besteht aus einem dunkeln, zähen, glaukonitischen Kalk, dessen Reichtum an Pyritknauern und -hexaedern auffällt. Der Glaukonitgehalt ist sehr variabel. Die untern Partien tragen mehr spätigen Charakter. Des Eisengehaltes wegen wittert das Gestein gelblich bis karmoisin an. Die Glaukonitpunkte heben sich von diesem Untergrunde gut ab. Belemnitenquerschnitte werden ziemlich häufig beobachtet.
Ähnliches Gestein kommt an der Straße unter der Balmfluh zum Vorschein, läßt sich aber nicht genau gegen die liegenden Kieselkalke abgrenzen. Die Bedeutung ist für Gebirgsbau und -formen untergeordnet.
4. Der Hauterivienkieselkalk.
Den Unterbau dieser Schichten bildet der Hauterivienkieselkalk, ausgezeichnet durch das häufige Vorkommen des Taxaster complanatus. Dieser Seeigel wird beson- ders in den höhern Lagen häufig getroffen. Der Kieselkalk formt die mauerartigen Wände, mit denen der Beatenberg am See abschließt. Er wird sowohl im Balmholz, als auch westlich der Sundlauenen gebrochen und als „ Bruchstein " zum Mauern und Herstellen von Verbauungsdämmen besonders an der Aare zwischen Thun und Bern verwendet. Seine Mächtigkeit, die bei den Höhlen nicht ganz aufgeschlossen ist, beträgt 150—200 m. Die schmutzig gelbgraue Verwitterungsfarbe birgt einen dunkelgrauen, oft etwas bräunlichen oder bläulichen Kieselkalk mit splitterigem Bruch. Die 1—3 dm dicken Bänke wechseln mit centimeterdicken Schieferlagen in großer Regelmäßigkeit. Oben werden die Kieselkalke kompakter, feinschuppig und zuletzt spätig.
Dieses Gestein läßt besonders in den Steinbrüchen den hohen Einfluss der zahllosen Spalten auf die Verwitterungsformen und die Sprengwirkung der Schüsse erkennen. Das Gestein eignet sich vorzüglich dazu, zum Teil durch Brüche, zum Teil durch Streckung und Quetschung die Spannungen, die bei der Gebirgsbildung entstanden, zu lösen und so die höher liegenden kompakten Schrattenkalke vor allzu starker Zerrüttung und Zertrümmerung zu bewahren.
Für das Wasser ist diese Stufe in ihrer Gesamtheit undurchlässig. Größere Höhlen fehlen ihr vollständig, wohl wegen den zahlreichen Zwischenlagen von Mergel -schiefern.
3. Die Criocerasschichten.
Der Vollständigkeit halber führe ich hier auch die Criocerasschichten, welche dem untern Hauterivien entsprechen, an. Sie finden sich am Thunersee nirgends aufgeschlossen. Es sind 30—40 m ziemlich weiche, hell- bis dunkelgraue Mergelschiefer, die durch Pyritgehalt eine gelbgraue Verwitterungsfarbe erhalten. Ihr Leit-fossil ist Crioceras Duvali.
2. Der Valangienkalk.
Dem Hauterivienkieselkalk ähnlich, doch stellenweise mehr oolithisch, unterteuft der 50—100 m mächtige Valangienkalk die Criocerasstufe. Er ist gut gebankt und in seinem Einfluß auf die Oberflächengestaltung dem obern Kieselkalk entsprechend. Fossilien findet man in dieser Stufe, die ebenfalls am Thunersee nicht aufgeschlossen ist, nur selten.
1. Die Valangienmergel.
Als dem untersten stratigraphischen Gliede der Niederhorndecke kommt den Valangienmergeln eine große Bedeutung zu. Am Thunersee verdeckt, verbreiten sie sich besonders im Grunde des Justustales, wo sie im Rufigraben und an der Sichel dem Studium am besten zugänglich sind. Ihre Mächtigkeit kann nicht genau ermittelt werden; sie übersteigt jedoch 100 m um bedeutendes. Dunkelgraue, weiche Mergelschiefer bilden das unterste Glied dieser Gesteinsgruppe. Nur selten treten Einlagerungen von 5—10 cm dicken Mergelkalkbänken auf. Nach oben wird das Gestein hellgrau. Der Mergel bleibt weich und fein geschichtet. Er wechselt bald regelmäßig mit Kalkbändchen von 1 — 3 dm Dicke. Nach und nach treten die Mergelschiefer-einlagerungen zurück, und ein feiner bituminös riechender, bläulicher Kalk leitet zum Valangienkalk über. Zahlreiche Fossilien wurden an den genannten Lokalitäten ausgebeutet.
Dieser in seiner Gesamtheit weiche Gesteinskomplex, der die harten Schichten der Unterkreide von den noch härteren des obern Jura trennte, war die Ursache, daß sich die gesamte Kreideserie von der jurassischen Unterlage lösen und selbständig nach Norden hingleiten und hier den Alpenrand bilden konnte. Der unter dem großen Druck der über ihm liegenden Sedimente plastische Valangienmergel erleichterte die Bewegung in hohem Grade und vermied große Spannungen, die sonst hätten entstehen müssen. Der Jurakern der Wildhorndecke blieb auf der Linie Brienz-Bönigen, Rengglipaß-Renggalp zurück, und der weitergleitende Teil der Decke schob sich auf die schon oben erwähnten Taveyannazsandstein- und Flyschmassen hinauf. Durch das Zusammentreffen der vorwiegend weichen Flyschschichten mit den Valangienmergeln wurde die Gleitfläche noch bedeutend verbessert, und es ist das Vorprellen der obern helvetischen Deckungsgesteine um so besser zu verstehen.
Stratigraphische Verhältnisse an der Waldegg.
Diese sind an der Waldegg, die durch die Flyschzone von Sundlauenen vom Beatenberg getrennt ist, insofern verschieden, als das Übergreifen des Eocänmeeres hier früher eintrat als am Beatenberg. Daher blieben durch den oben erwähnten Schutz des Meeres und seiner Absätze auch die Gault- und Seewerkalkschichten von der alteocänen Abtragung verschont. An der Seestraße östlich Sundlauenen und in einem alten Steinbruch beim Küblibad lassen sich diese Verhältnisse bequem untersuchen. Die Eocänablagerungen über der mittlern und obern Kreide gehören dem Lutétien an und zeichnen sich durch ziemlich bedeutenden Fossilgehalt aus; Gault und Seewerkalk dagegen sind arm an Makrofossilien.
IV. Glaciale Bildungen. 1. Bergsturznischen aus der Glacialzeit.
Während der Gletscherzeit traten durch Bergstürze große Veränderungen in der Gebirgsform ein. Sie waren jedoch durch die oben erwähnte tektonische Beschaffenheit des Gebirges recht gut vorbereitet. Mit andern Geologen bin ich der Ansicht, daß es sich bei ihrer Entstehung nicht nur um ein Unterschneiden der Gehänge durch die seitliche Arbeit der diluvialen Eismassen, sondern vielmehr um den Einfluß des außergewöhnlich feuchten und frostreichen Klimas handelt. Schmelzwasser durchtränkten die Felsmassen des Beatenberges. Die zahlreichen tektonischen Spalten und Klüfte leiteten diese Sickerwasser durch Hohgantsandstein und Schrattenkalk hinab auf den undurchlässigen Horizont der Drusbergschichten, welcher durch den Wasserreichtum aufgeweicht wurde.
Vom Balmholzbergsturz. Während der Vorstöße des Aaregletschers durch das Thunerseebecken waren auch die Gehänge des Beatenberges zwischen der „ Lerau " und dem „ bösen Rat " von allen vorgelagerten Schutthalden und wohl auch von tektonisch gelockerten Schollen befreit worden. Nach dem Rückzug des Gletschers fehlte der übersteilen Böschung der Gegendruck, und die Schrattenkalke und Hoh-gantsandsteine, die damals noch die heutige Balmholznische ausfüllten, rissen sich den Spalten entlang los und glitten auf den schlüpfrigen Drusbergschichten hinab auf den Seegrund. Jedoch bemerkt man im See nichts von einem Schuttkegel, so daß man zu der Annahme gezwungen ist, der wieder vorrückende Gletscher, welcher sein Dasein durch die Moränen östlich des Buddelbaches in der Balmholznische dokumentierte, habe den Schutt des Felsschlipfes ausgeräumt. Eine Berechnung der Nische ergibt für diesen Bergsturz oder genauer gesagt Felsschlipf — die Abwärtsbewegung war ja eine gleitende — eine ungefähre Masse von 175 Millionen m3.
Noch interessanter gestalten sich die Verhältnisse beim Felsschlipf von St. Beatenberg. Hier neigen sich die Schichten vom Niederhorn gegen die Sundlauenenver-werfung. Während der letzten Interglacialzeit war der Sundlauenengraben schon tief in den mehrfach erwähnten Flysch, der an die genannte Verwerfung lehnt, eingetieft, dann aber in einer Meereshöhe von 900—990 m wieder mit Aaremoränen aufgefüllt worden. Da glitten die Eocän-Schrattenkalkmassen zwischen der Bire und dem Westende der heutigen Spirenwaldfluh auf den durchweichten Drusbergschichten ab und stürzten hinunter in den Sundgraben auf die Moräne. Ein Teil des Bergsturzmaterials blieb im Graben eingeklemmt liegen; der größere Teil aber wurde darüber hinausgeschleudert und durch die Erosion weggeschafft. Es ist wohl möglich, daß sich dieser Bergschlipf zu der Zeit ereignete, als der Aaregletscher im Begriff war, wieder vorzustoßen, und bereits die oben erwähnten 30 m Moräne abgelagert hatte. Damit lassen sich die folgenden Beobachtungen erklären:
1. Zwischen dem Bergsturzmaterial und der darunterliegenden Moräne fand ich keine Spur von Humus oder Pflanzenresten, was darauf schließen läßt, daß die Moränen vegetationslos, also frisch waren, als sie vom Sturzmaterial bedeckt wurden.
2. Im Kohlerngraben zwischen Goldiwil und Heiligenschwendi bei Thun liegen zahllose, riesige Blöcke von Hohgantsandstein und Nummulitenkalk, die in ihrer Gesamtheit das Material eines diluvialen Bergsturzes repräsentieren müssen. Sowohl die Höhenlage von 900 m, als auch das Material selbst sprechen dafür, daß man in ihnen wahrscheinlich einen Teil des Bergsturzmaterials von St. Beatenberg vor sich hat. Der Transport vom Sundgraben in den Kohlerngraben bei Thun konnte aber nur geschehen, wenn der Felsschlipf auf dem Aaregletscher in 990 m Höhe niederging. Dabei wurde wohl der größere Teil des Materials weit auf die Gletscherfläche hinaus geworfen, so daß es erst nach und nach in den Mittel- und Grundmoränen zur Ablagerung kam.
Der Hohlraum der Nische von St. Beatenberg mißt zirka 50 Millionen m3. Durch den später höher anschwellenden Gletscher wurde auch das festsitzende Sturzmaterial überdeckt. Die hangenden Moränen erreichen im Graben eine Mächtigkeit von 100 m und füllen dadurch einen großen Teil der Nische wieder aus. Auf ihnen stehen die Häuser des Dörfleins Spirenwald. Das zwischen beiden Moränen eingeschlossene Bergsturzgestein wurde besonders während der wasserreichen Eiszeit durch Versinterung mehr oder weniger vollständig verkittet, so daß sich ein ganz eigenartiges Gestein, die Sundbreccie, ausbildete.
Ein Besuch des Sundgrabens ist sehr empfehlenswert, da er sich eben infolge der geschilderten Vorgänge dem Beschauer in großartiger Wildheit zeigt. Ein Fußweg führt von der Straßenbrücke bei der Sundlauenen gegen das Schulhaus Ruchenbühl hinauf und dann links in das Tobel hinein. Von besonderer Kühnheit sind die beiden Schluchten, welche zwei Bäche durch die 70 m hohen Sundbreccienfelsen gefressen haben und die stolze Stockfluh, P. 1058, einschließen.
2. Gletscherablagerungen.
Der Aaregletscher der Eiszeit lagerte, seinen verschiedenen Niveaus entsprechend, auch am rechten Thunerseeufer übereinander verschiedene Moränen ab. Die höchstgelegenen Spuren trifft man bei 1400 m. Demnach muß der ganze Beatenberg unterhalb der Spirenwaldfluh mit Eis bedeckt gewesen sein. Der letzte Gletschervorstoß räumte sämtliche Spuren früherer Vereisungen, die unterhalb seines höchsten Standes waren, weg, lagerte dafür aber Jungmoränen ab, die wir in den schon oben erwähnten Sund- und Biregräben antreffen und auch die Terrasse von St. Beatenberg auffüllen. Über dem östlichen Teil von Schmocken erkennt man in der Höhe von 1260 m zwei parallele schöne Wallmoränen.
Da die Böschung der Gehänge gegen den See hin zunimmt, so vermindern sich die glacialen Ablagerungen in dieser Richtung. Bei Ruchenbühl liegen einzelne Erratica; die Moränen der Balmholznische am Buddelbach wurden oben genannt.
Von besonderem Interesse sind die erratischen, meist kristallinen Blöcke, die vereinzelt in den Klüften und Spalten der Gsteiglen- und Balmflühe eingeklemmt blieben. Angesichts dieser Tatsache verwundert man sich nicht mehr allzusehr, wenn auch im Innern der Beatenhöhlen unter den Bachgeröllen Granitstücke bis zu 40 cm Durchmesser und zahlreiche Kieselkalkgeschiebe auftreten. Da diese etwa 500 m vom Eingang aufgefunden wurden, so ist ein Eindringen von unten und außen ausgeschlossen. Die feuchte Periode des Diluviums, verbunden mit den Schmelzwassern des auflagernden Eises, durchtränkten die Schrattenkalkgesteine des Berges viel stärker, als dies heute der Fall ist. Daher wurde das Innere des Gebirges mit seinen wasserdurchlässigen Kalken außerordentlich stark ausgelaugt. Wahrscheinlich verbergen die Moränen von St. Beatenberg die Stellen, wo früher Gletscherbäche im verkarsteten Grund verschwanden, ähnlich wie wir es heute noch oft im Vorlande eines unserer jetzigen Gletscher beobachten. Sie ermöglichten das Eindringen von Geröllen in das Innere des Berges. Durch zahlreiche Aufschlüsse ist dagegen bewiesen, daß die Eingänge zu den zahlreichen Höhlen zeitweilig durch den Gletscher und seinen Schutt zugeschüttet waren.
Als auffällige Tatsache bleibt noch zu erwähnen übrig, daß der Lomgletscher sozusagen keine Beiträge zu diesen tiefgelegenen Moränenresten gegeben hat. Wahrscheinlich wurde er durch den Aaregletscher gestaut, so daß er einzig die allerdings schön ausgeprägten Moränenterrassen des Habkerntales formen konnte.
V. Die Balmfluhhöhle.
Nachdem diese Ausführungen die geologischen Verhältnisse des Beatenberges, welche seine Bodenformen bedingen, klargelegt haben, besprechen wir die Balmfluhhöhle.
1. Lage.
Vom idyllischen Eingang zu den Beatenhöhlen wenden wir uns ostwärts. Ein neu ausgehauener Fußpfad führt durch die reiche xerotherme Flora, welche die Geröllhänge des Beatenberges bekleidet. Der Steig findet seinen Fortgang zwischen stolz emporwachsenden, tiefdunkeln und glänzenden Stechpalmbüschen, rohstämmigen Eiben und Laubbäumen einerseits und der efeuumrankten, überhängenden Balmfluh anderseits. Wir befinden uns zirka 50 m über dem alten Oberländerweg, der durchs Balmholz nach der Sundlauenen führt. Ein Felsband, wenig über dem Geröllhang gelegen, trägt uns zur Balmfluhhöhle. Es liegt größtenteils innerhalb des Überhanges der Balmfluh. Plötzlich vertieft sich die Balm und erweitert sich zur 2. Haupthöhle.
Ihr Eingang mißt 7 m in die Weite und 2.5—O.o m in die Höhe. Der Boden liegt samt seinem Schutt ziemlich horizontal; die Decke dagegen neigt sich so stark bergeinwärts, daß sie nach zirka 8 m den Boden berührt und die Höhle abschließt. Beim Betreten bemerkt man aber bald, daß sich ein Gang nach den Beatenhöhlen hinzieht.
Bei einer Breite von 2 m besitzt er eine gerade genügende Höhe, daß ein Mann 12 m weit hineinkriechen kann, ohne daß er irgend etwas Bemerkenswertes antreffen würde. Die Höhle ist 1.5 — 2.o m hoch mit Gletscher- und Höhlenschutt angefüllt, so daß sie eigentlich sowohl nach der Höhe, als auch nach der Breite bedeutendere Dimensionen besitzt. Durch ein 2 m hohes und 3 m breites Tor steht sie mit der Vorterrasse in Verbindung. Die Gleichartigkeit der Höhlenbildung wurde an dieser Stelle durch eine tektonische Spalte stark beeinflußt. Ein deutlicher Bruch durchsetzt hier die Balmfluh. Der südöstliche Flügel, der um einen ganz geringen Betrag sank, blieb im Gestein wenig beeinflußt und daher kompakt. Diesem guten Erhaltungszustand verdankt die Säule, die außerdem einen Vorsprung von 4 m bildet, ihr Vorhandensein. Der südwestliche Flügel dagegen zeigt an der Spalte Schleppungserscheinungen.
Sein Gestein wurde mehr oder wenig stark zertrümmert. Daher hebt sich die Höhlendecke von'der Vorterrasse zur Haupthöhle längs Spalte um 2 m. Diese Differenz ist nur indirekt tektonisch begründet, da sie nicht auf einer Verwerfung von 2 m beruht, sondern die Spalte nur das Gestein des einen Flügels in seinem Widerstand gegen die Angriffe der Verwitterung schwächte.
Die Vorterrasse verbreitert sich bis auf 5 m. Sie wird fast ganz von der Balmfluh überdacht. Soweit sie überdeckt ist, erreicht der Raum zwischen Boden und Decke die konstante Höhe von 2 m. Der Boden der Terrasse, der aus nacktem Fels besteht, liegt zirka 1 m niedriger als der schuttbedeckte der Haupthöhle.Von der Vorterrasse zieht sich ein Felsband außen um den Pfeiler herum. Die Terrasse selbst löst sich nach Osten hin in schmale Felsbänder auf, die nur schwer zu begehen sind und an der Balmfluh verschwinden.
4. Der Boden der Höhle.
Haupthöhle und Vorterrasse besitzen in einer groboolithischen Schrattenkalkbank einen gemeinsamen Felsboden. Seine stratigraphische Beschaffenheit zeigt die Nähe der Drusbergschichten an. Er neigt sich schwach gegen die Beatenhöhle hin.
Das Gletschermaterial, das oben als Schuttbedeckung des Bodens der Haupthöhle genannt wurde, beträgt ungefähr die Hälfte der 2 m hohen Aufschüttung. Gneise und Granite des Grimselgebietes, Schrattenkalke, Quarzsandsteine, Quarzite und Horn-steinknauern bilden die großen gerundeten und zum Teil gut gekritzten Komponenten. Sie sprechen zweifellos für Aaremoräne. Die dunkeln Hornsteinknauern scheinen aus der untern Kreide des Brienzergrates zu stammen, wo solche im Valangien und auch Hauterivien recht zahlreich auftreten. Zwischen den groben Geschieben lagert schwach-lehmiger Sand. Diese Zusammensetzung läßt uns vermuten, daß die ziemlich gewaschene Moräne einen Bach oder Stausee abdämmte. In der Moräne beobachten wir zahlreiche Wurzelfasern, welche für eine frühere Vegetation der Höhle sprechen.
Über den glacialen Ablagerungen unterscheiden wir verfestigten und losen Höhlenschutt, der sich aus scharfkantigen Stücken Schrattenkalks zusammensetzt. Die Höhlenbildung selber, wie auch das seitherige Abbröckeln der Decke, wurde durch die in der Stratigraphie erwähnten breccienähnlichen Schichten des untern Schrattenkalkes ganz bedeutend erleichtert. Wo kalkhaltiges Wasser durch den Höhlenschutt sickern konnte, entstanden durch Versinterung Breccien. Leicht läßt sich daher die auffällige Lage und die mauerartige Form der beiden Breccienvoi-kommnisse erklären. Das erste liegt unter der Traufe der Balmfluh und das andere da, wo Sickerwasser durch die Kluft der erwähnten Spalte herabrinnen konnte. So entstanden zwei Wälle, welche die Haupthöhle längs des Einganges und quer zum Felsentor abdämmen. Sie luden eventuelle Bewohner geradezu ein, sich ihrer zu bedienen und ihre natürlichen Formen durch Abgraben für ihre Zwecke passender zu gestalten. Der erste Wall ist 1 m hoch über der Moräne und ziemlieh locker, der andere besitzt eine Breite von 2—4 m und überhöht den Boden der Vorterrasse um 2 m.
Innerhalb dieser beiden „ Mauern " liegt der unverfestigte Schutt, der sich durch die in ihm enthaltenen Kulturreste auszeichnet. Er zeigt durch seine Beschaffenheit an, daß die Höhle seit der Gletscherzeit trocken lag; denn es fehlt ihm jede Spur von Verfestigung. Die eckigen, plattenförmigen oder spießigen Gesteinsbrocken liegen regellos durch- und übereinander.
5. Die Funde der Balmfluhhöhle zu besprechen, liegt nicht in meiner Aufgabe. Der Vollständigkeit halber will ich sie hier erwähnen. Herr Direktor Hartmann in Interlaken besitzt in seiner Sammlung allerlei Tierknochen und -zahne, Stroh, Hölzer und Kohlen, die dem Pflanzenreich entstammen, und Produkte menschlicher Kunst: Topfscherben, die zum Teil ein sehr hohes Alter besitzen, eine Messerklinge und kleinere Gegenstände jüngeren Datums. Außerdem bemerkt man in der Höhle Kotballen von Schafen und Ziegen.
Leider lassen sich diese Funde nicht bestimmten stratigraphischen Niveaus zuteilen, da alle im regellos aufgehäuften Höhlenschutt oder nur in der obersten Schicht der Moräne lagen, wo sie zufällig hingeraten sein können.
Es fehlen jegliche Spuren einer Benützung der Höhle vor dem definitiven Rückzug der Gletscher, und sämtliche Funde sind deshalb als postglacial zu bezeichnen.
VI. Über die Entstehung der Balmfluhhöhle.
Fassen wir zum Schlusse kurz die Ursachen der Entstehung der Balmfluhhöhle zusammen.
Sie entstand in den leicht löslichen Bänken der Grenzschichten zwischen Schrattenkalk- und Drusbergschichten durch die hydrochemische und später auch mechanische Tätigkeit der Schmelzwasser des Aaregletschers zu einer Zeit, als die rechte Seitenmoräne des Aaregletschers vor der jetzigen Balmfluhhöhle lag und dadurch die Bäche vom Beatenberg her zwang, zwischen Moräne und Bergwand zu fließen. Ein solcher Seitenbach unterschnitt die Balmfluh, spülte das Felsentor aus und floß möglicherweise durch den niedrigen Gang gegen die Beatenhöhle, dem allgemeinen Fallen der Schichtflächen folgend. Sicher ist die Entstehung der Höhle zur Eiszeit. Möglicherweise wurde in verschiedenen Perioden daran gearbeitet. Die seitherigen Veränderungen bestehen nur im Auffüllen des Bodens durch den Höhlenschutt und eventuell einem künstlichen Aushub des Schuttes innerhalb der beiden verfestigten Zonen. Zur Form der Höhle trug das Vorhandensein der mehrfach erwähnten Spalte und der sie begleitenden tektonisch gestörten Gesteinszone wesentlich bei. Wie oben dargetan, erklären sich die mauerartig verfestigten Partien des Höhlenschuttes aus der Versinterung durch das Tropfwasser der Traufe der Balmfluh und das Sickerwasser der Spalte.
Die vorliegende Skizze hat den Zweck, darauf hinzuweisen, welch komplizierter Mittel sich die Natur oft bedient, um ihre Formen zu schaffen. Dem Geologen bieten die Beaten- und Balmfluhhöhlen und ihre hier skizzierte Umgebung eine ganze Reihe von interessanten Beobachtungen. Ein Besuch dieser Gegend belohnt aber auch die Botaniker und Zoologen, da die tiefen, nach Südosten exponierten und nordwindgeschützten Gehänge des Beatenberges eine xerotherme Flora und eine entsprechende Fauna beherbergen. Endlich wird jeder Naturfreund mit großer Freude die herrliche Landschaft am blauen Thunersee, überragt von den Riesenhäuptern der Berner Hochalpen, durchstreifen und sich an ihrer Schönheit laben.