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Verkappte Rätoromanen

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Von Manfred Szadrowsky ( Chur ).

Deutsche Namen, in denen rätoromanische versteckt sind: das ist im Bergland Graubünden so häufig, dass man Bergsteiger darauf aufmerksam machen darf. Auch frankoprovenzalisches Wortgut kann im Deutschen verborgen sein.

Was Namen verheissen, das halten die Orte nicht immer. Wasserläufe, Gelände, Pflanzenwuchs, Bodennutzung können sich geändert haben, dazu aber auch der Name, oder der Name allein hat sich gewandelt, sogar verwandelt in ein anderes Wort mit anderm Sinn.

Daran zu denken, das kann dem Wanderer unter Umständen Nutzen bringen, ihn etwa vor Fehlschlüssen und Enttäuschungen bewahren. Ein Stück Namen- und Heimatkunde ist es sicher, wenn man neben den geschichtlichen Hauptwegen der Namenentwicklung auch Seitenwege beachtet, wo der Sprachgeist die Phantasie walten lässt.

In der folgenden Mannigfaltigkeit, die eine kleine Beispielauswahl aus den gemeindeweise geordneten Listen des Rätischen Namenbuches von R. v. Planta und A. Schorta darstellt, ist etwas Gemeinsames. Im Munde alemannischer Neusiedler, auch der allmählich zum Deutschen übergehenden Altansässigen, der Nachfahren durch alle Zeiten hindurch, auch heute noch verlieren rätoromanische Flurnamen den Wortsinn, erleiden auch etwa Umgestaltungen in Ton und Lautgestalt, werden umgedeutet, durch Phantasie wieder sinnvoll. Der mehr oder weniger umgestaltete Wortleib bekommt eine neue Seele.Verkümmerte und tote Klänge erhalten durch einen Anklang an Lebendiges frisches Leben.

Verborgene Felsen.

Überrock als Name einer Bergwiese über Steilhängen in Langwies darf nicht die Vorstellung eines « Überrockes » wecken, wie ihn etwa ein städtischer Sommergast ins Schanfigg mitbringt. Eher liesse sich an das mittelhochdeutsche Wort überrücke, überroc denken, welches das « Chorhemd » bezeichnet. Nach dem Schweizerischen Idiotikon gibt es zwei Formen dieses Kleidungsstückes, nämlich das geschlossene Überrock mit weiten Ärmeln, das bis an die Hüften reicht, ähnlich dem Überhemd des Älplers, und das Flügelüber-röck mit langen, über die Arme hangenden Flügeln anstatt Ärmeln, auf den Seiten von oben bis unten offen, so dass es in vier Teile zerfällt. Dass die Bezeichnung eines solchen « geteilten » Kleidungsstückes zum Namen eines Grundstückes werden konnte, ist keineswegs unwahrscheinlich. Hat man doch das Wort Brusttuoch, den alten Ausdruck für « Brustlatz » und dann auch für « Weste », nicht selten zur Benennung streifenförmiger Wiesen, Äcker, Wälder passend gefunden, zum Beispiel in Avers, Thusis, Brusttuochzipfel in Masein, besonders auch als Lehnwort Brastluoch in rätoromanischen Gegenden, zum Beispiel in Sils, Silvaplana, Celerina, Pontresina, Samaden, Punt-Chamuesch, Scanfs, Zernez, Brastoc in Guarda, Brastua nair für einen Wald in Schieins.

Mit dem Namen Überrock konnte aber auch etwas ganz anderes gemeint sein, nämlich « über Felsen », wie mit dem Flurnamen Obersaxa in Nuf enen und dem Landschaftsnamen Sursaissa, deutsch Obersaxen, urkundlich Uber-sax: dazu stimmt Überrock nicht übel; denn in mehreren Bündner Namen kommt Rogga im Sinne von « Fels » vor. Die Alemannen der deutschen Schweiz haben nämlich aus dem Frankoprovenzalischen das romanische Wort rocca « Fels » übernommen, das in französisch roche und italienisch rocca fortlebt, dem Rätoromanischen aber fremd ist. Walser haben es nach Graubünden gebracht und als Ortsbezeichnung gebraucht. Man muss sich nur an die Klosterser Alp Roggen, den Roggenboden, das Roggentälli erinnern: die Alp liegt über einem Felsriegel. Als Begriffswort haben die Walser Rogga nicht lebendig erhalten, den Namen deshalb nicht mehr verstanden und später umgedeutet. Manchenorts spielt in dergleichen Namen nachträglich die Getreidebezeichnung Roggen hinein ( die natürlich in vielen Namen tatsächlich steckt ), oder man hilft sich mit der kleinen lautlichen Ausweichung zu Ruggen « Rücken ». Sicher mit der Klosterser Alp Roggen gehört die Haldensteiner Wiese Roggarüti zusammen: sie ist ein Stück der Walsersiedlung Batänia und liegt über einem Felsband. Zu Medels im Rheinwald ist ein Bergrücken Windrogga. Ascharina im St. Antöniertal hat eine Weide Roggboda, Luzein eine Magerwiese Roggenboden. Wahrscheinlich gehören auch Ruggengaden, Ruggentobel von Fuma in diese felsige Gruppe. Die Monsteiner Wiese Rugga neben dem Ruggatöbeli ( so steht im Namenbuch ) heisst im Munde des Besitzers tatsächlich Rogga und ist durch Felsen gekennzeichnet; mit « Rücken » haben dagegen die Monsteiner Namen Rügg, Rüggsitawald, Rüggji zu tun.

An romanisch pedra, peidra, « Stein, Fels », romanische Flurnamen wie Pedra, Peidra, mit Mehrzahlform Pedras, bei Waisern Pedris ( zum Beispiel in Castiel, Fideris ), wird man auch dann etwa denken müssen, wenn Flurnamen jetzt auf den Personennamen Peider, Peter bezogen werden, zum Beispiel bei der Felsplatte Peters Piatta in Tamins.

Noch etwas von Felsen. Rätoromanisch cruna, « Krone, Gestell, Regal », Mehrzahl crunas, erscheint in Namen für Felsgesimse, Felsterrassen, Vorsprünge und Ähnliches, zum Beispiel Crunas in Seth, Laax, Flond, Carunas in Salux, Tinzen, Carunis in Felsberg, Under Grünna in Avers. Das rätoromanische Wort lebt auch in Walsermundarten: Grauna, Garauna, verkleinert Garauni, Gräuni, heisst ein einfaches Gestell für Gerätschaften oder Esswaren, etwa in der Ecke einer Maiensässhütte, Grünli, Grünji auch ein kleines Gestell an der Wand der Bauernstube, ein Wandsims in Stube oder Stall. Ein Grünli, Grünji könnte da und dort im Flurnamen Gründli, Gründji verborgen sein, natürlich nicht in allen Fällen, am ehesten dann, wenn an Ort und Stelle Felsen sind. Klosters zum Beispiel hat Weiden in den Gründji und Gründji Bödeli und Felsköpfe Gründji Chöpj. Auch « grüne » Burgnamen fussen auf dem romanischen cruna. Burg Grüneck ( daraus machten Romanen Carniec ) östlich von Strada auf Ilanzer Boden war einst nach der Felsnase, cruna, benannt, worauf sie steht, ähnlich wohl Grünenfels, Grünfels bei Waltensburg.

Zweifelhafte Spitzen.

Einer der Sayserköpfe, die dem Berggebiet oberhalb Trimmis das Gepräge geben, hat auf der Karte den Namen Cyprianspitze. Der Cyprian ist kurz abzutun: neben einer Zipperweid und Zippermägeri steht da natürlich ein Zipper-, Zippraspitz, der eben als Besitz der Familie Zipper bezeichnet ist. Der Familienname, der auch im ZipperhUs von Valzeina steckt, stellt die surselvische Form des Vornamens Sigisbert dar. Aber spitzig ist der Zippraspitz wahrlich nicht, sondern tatsächlich ein Sayser-«Kopf », eine Kuppe. Dergleichen haben die Walser von Valzeina oder Says sicher nicht « Spitz » genannt. Vermutlich war es ein rätoromanischer spüg: das heisst « Anhöhe, Berggrat, First ». Dieses Wort kommt häufig als Name vor, zum Beispiel in Bonaduz Spüg da l' Arsa für einen Felskopf, Spüg da Val surda für einen Berggrat, in Flims Spüg für einen Wald, in Brigels für eine Alpweide. Auch die Umdeutung von Spüg in Spitz ist nicht nur beim Zippraspitz vorgekommen. Ein zweites Beispiel ist wohl gerade noch in Says die Alpweide Spitz, weitere vielleicht Spitzsch Boda und Spitzi in Castels ( St. Antonien ), Spitzirain in Jenaz, Spitzmalein in Schiers, Spitza als Name einer Alpweide in Safien. Der « Augenschein », das Gelände müsste von Fall zu Fall Auskunft geben, ob es sich um « Spitzen » oder « spitzige Flächen » handelt oder um Vergleichung mit einem Gerät, das Spitz heisst, oder ob mit Spitz ein schmales, kleines Gut gemeint ist ( wie etwa mit dem häufigen Namen Zipfel ) oder ob das rätoromanische Wort spitg mit seinen Bedeutungen « Anhöhe, Berggrat, First » den Geländeverhältnissen am besten gerecht wird, wie es beim Zippraspitz und den drei Sayserköpfen gesamthaft augenscheinlich der Fall ist.

Unechte Grafen.

Graubünden ist nicht nur steinreich, sondern auch sandreich. Davon künden unter anderm gewisse « Grafen ». Im Grafen heisst eine Wiese zu Saas im Prättigau. Grafen findet man auf der Siegfriedkarte als Hofnamen in Safien, auswärts von Neukirch, auf der rechten Seite des Safierrheins. Im Namenbuch ist eine andere Schreibung gewählt: Gräva, also auch Gräva-heimwald und Grävawald, ferner Grävli als Name eines Maiensässes. St. Martin im Valsertal hat eine Alp Gräva und ein Grävatobel, Peist im Schanfigg auch einen Ort namens Gräva, Seewis im Prättigau einen Felsvorsprung Grävachopf. Die Lage des Safier Hofes « Grafen » rechtfertigt die Schreibung Grava: er liegt unten am Talwasser, auf teilweise angeschwemmtem Boden. Das Schweizerische Idiotikon verzeichnet ein weibliches Wort Gräve für Davos mit der Bedeutung « Sandbank », für das Prättigau mit der Bedeutung « Bergabhang, wo Rutschungen von Erde und Steinen stattfinden » ( ungefähr im Sinne von Rüfi ). Das ist natürlich das rätoromanische Wort grava, das R. Vieli im Vocabulari scursaniu romantsch-tudestg folgendermassen umschreibt: « angeschwemmtes Flussgeschiebe, mit Sand und Geschiebe bedeckter Erdboden, Sandbank ». Allenthalben findet man denn auch Grava, Greva und die Mehrzahl Gravas, Grevas als Namen, zum Beispiel in Ilanz für ein altes Bachbett und ein Ufer, in Schnaus und Seewis für überschwemmte Gebiete, in Schleuis für eine Wiese am Dorfbach, in Rhäzuns für das Bett des Rheins, in Andeer für eine Au am Rhein, in Reams für eine Rufe ( Grava gronda ), ebenso in Savognin, in Sur für ein Geröllgebiet, in Tiefenkastei für Lawinenzüge, in Salux Gravas Toissa für Weiden mit Geröll, in Stalla Gravas alvas für eine Alpweide mit Geröll, in Riein Grava für eine Alpweide und Grava Pleuna für ein Berggebiet. Kein Wunder also, dass man auch in den jetzt deutschen Gegenden Graubündens solche Namen trifft, zum Beispiel in Untervaz Gravis, mit deutscher Verkleinerung Grävisli, und dass für Ohr und Phantasie aus Gräva etwa Grafen werden konnten. Vermischung mit « grau » lag bei Gräva auch etwa nahe; dieses Wort lautet ja manchenorts grauw, gräw, grab, wie denn auch bei Fortunat Sprecher von Bernegg um 1700 zu lesen ist: « Von der Färb des Rheinflusses, welcher weiss, und der Färb des Flusses Glenner, welcher graw ist, soll der ober Pund seine Färb weiss und graw genommen haben. » Vielleicht spielt das Farbwort in das Schuttwort hinein in der Wiese Graba, dem Gräbabächli und dem Grababüel von Avers. Ein leibhaftiger Graf bleibt Trans vorbehalten mit der Wiese Plaun dil Grof. Auch seine Feudalität ist aber nicht unbestreitbar, da es ja auch schlicht bürgerliche Familien mit dem Namen « Graf » gibt. Doch wäre ein Familienname auf andere Art in den Flurnamen gefügt, etwa « Plaun da Grof » oder « Plaun Grof », wie zum Beispiel Plaun da Felix ( in Tomils ), Plaun Marc ( in Fürstenau ), Plaun Barnard ( in Scharans ). Hinter dem Plaun dil Grof von Trans steht sehr wahrscheinlich ein wirklicher Graf, den die Geschichtsforscher genauer bestimmen mögen.

Beiläufig muss auch Fürstenau des fürstlichen Glanzes beraubt werden. Es ist eine feudale, fürstbischöfliche Veredelung eines romanischen Namens: urkundlich erscheint 1243 Firsnaus, 1288 dann Fürstenowe. Romanisch heisst der Ort noch heute Farschnó.

Vielleicht ist das eine und andere Mes ( s)mermad ( zum Beispiel in Klosters, Conters ) erst nachträglich, dem Mesmer, dem Kirchendiener, zugesprochen worden, indem man einem nicht mehr verstandenen Mes(s)met einen nützlichen Sinn gab. Dieser Flurname und auch Messmeta kommen mehrfach im Schanfigg vor: Messmet heissen Güter in Lüen, Castiel, ein Wildheuplatz in Tschiertschen, Messmeta eine Wiese in Molinis. Untervaz hat eine Alpweide und Bergwiese Mesmeta. Den Schlüssel zur Erklärung kann man in Lüen finden. Dort kommt im Jahre 1084 in einer Kirchenstiftung die Ortsangabe in Munte medio vor. Miez Munt « Mittelberg » hatten wohl die Rätoromanen den Ort genannt ( der Schreiber latinisierte ihn ). Daraus konnte später bei deutschen Siedlern Messmet werden. In Lüen selber ist der romanische Miez Munt nicht nachweisbar. Aber schon in Malix drüben ist eine Bergwiese Miezmunt in den äussern Maiensässen in der Gegend von Brambrüesch. Weiter weg kommt zum Beispiel in Fellers Miez Munt vor, dafür urkundlich im 16. Jahrhundert mietzmunt, aber auch Miessmund: eine zuverlässigere Brücke vom Miezmunt zum Messmet kann man sich gar nicht wünschen. In Castiel heisst es freilich in der Messmet, auch in Molinis und Untervaz weiblich Messmeta, in Igis 1719 urkundlich Messmeten. Es könnte sich um Angleichung an andere Wiesen- und Weidenamen auf -a handeln, in Castiel etwa an romanische wie Spina, Rospina, Pensa und deutsche wie Gruoba, Röza und andere. Es lebt aber im Uriterengadin auch ein weibliches Wort munta, « Wiesenbezirk » ( Schuls hat den Flurnamen Munta dimez ): Messmeta kann also Meza munta gewesen sein. Im Gebiet von Malix besteht ausser der Bergwiese Miezmunt eine Alpweide Mittelbärg, ein Mittelbärg auch in Churwalden ( zwischen dem Dorf und dem Oberbärg ), in Arosa und an vielen Orten. Da und dort mag ein älterer Miezmunt in einen Mittelberg verdeutscht, da und dort in ein « Mes(s)mer»-Gut umgedeutet worden sein.

Trügerischer Boden.

Nicht einmal beim Namen Bada, Boda hat man sichern Boden unter den Füssen. Gibt es doch im Engadin und Münstertal ein rätoromanisches Wort bouda für « Bergrutsch, Rufe » ( im Surselvischen lautet es bova ) in zahlreichen Namen. Zum Beispiel in Fuldera ist ein Rutschgebiet Bödas, in Remüs sind Wiese und Weide Bödas, in Schuls eine Weide Tanter Bödas, das heisst « zwischen den Rufen », in Sent eine Rufe Boda blaua, ein Wald Boda dal Lavinér, eine Wiese Boda Soêr, in Tarasp Rufe und Tälchen Boda blaua und eine Wiese Bodas. Der eine und andere Bada und Boda in deutschem Gelände mag also aus dem Rätoromanischen stammen. Verdacht drängt sich besonders dann auf, wenn in Walsergegenden neben echt walserischem Boda mit kurzem Selbstlaut o auch Bada mit langem o vorkommt: in Valzeina neben Schindelboda, Sturnaboda mit kurzem o der Name Totböda mit langem ö ( auch die Beifügung tot kann auf die Wirkung eines Bergrutsches weisen ); in Furna ein Alpteil Güllaböda mit langem ö neben Rütiboda, Rossboda, Ronggboda; in Tschiertschen Bada neben Bodastein, Vordera Boda; in Parpan Göda neben Schmalzboda, Pälsch Boda. In Malix freilich können Boda, Riedböda mit ö churerisch sein im Gegensatz zu walserisch Schäfboda, Bα-wäldsch Boda mit Kürze. Auch in Mastrils werden Boda, Jakobsboda, Heid-boda walserische Lautung haben, Bietaböda dagegen rheintalische.Voraus-gesetzt ist übrigens, dass im Prättigau und in Tschiertschen neben der oberländischen Form bova ( Klosters hat den Flurnamen Bova, Luzein Bofa, Fideris Böfis ) auch die engadinische Form boda, bouda gelebt hat.

Auf Grund einer uralt rätischen Sprachgewohnheit, die im Engadin, im Albulagebiet, im Oberhalbstein fortlebt, lautet das Wort bouda da und dort bogda. Bokta, Boktenhora, Boktentälli in Davos können also dieses Ursprungs sein, so gut wie jenseits des Scalettapasses und des Inns im Gebiet von Scanfs der Lawinenzugname Bogda ( Bouda ) d'Flin. Freilich denkt man jetzt bei Bokten in Davos eher an das Wort Bochta, Bokta « Bottich », zumal da das Boktentälli sich mit einem Kübel vergleichen lässt.

Auch Butz gehört zum Teil in die Sippschaft von bouda « Rufe ». Mit Hubschmied, der die Gruppe aus dem Keltischen herleitet, muss man von Butz « Pfütze, Tümpel » ( was ein altdeutsches Lehnwort aus dem Lateinischen und Romanischen ist ) ein andersartiges Wort Butz unterscheiden, das in Graubünden eine geschiebeführende Wassermasse und eine Rufe bezeichnet ( tessinisch büdza « Erdschlipf » gehört dazu ), aufs engste verwandt mit rätoromanisch bouda. « Es ist en Bütz apper g'gangen g'sin und hed d'Sträss verrüfenet g'han », erzählt Fient aus dem Prättigau, oder auch: « Es ist en Butz ussgebrochen. » Ganz augenscheinlich zwischen und neben mächtigen Rufen liegen Butzalp und Butzwald in Nufenen. Ebenfalls zum rätoromanischen « Rufen»-Wort gehören Weide und Maiensäss Butz, Butzwald in Valzeina, Weide und Wald Putz in Furna, der Weiler Putz bei Luzein. Dagegen Tümpel, Sümpfe, Seelein weisen auf das « Tümpel»-Wort, also zum Beispiel das Seelein Putz in Peist, der Teich Buzli in Safien, der Tümpel Butz in Avers, der Tümpel Kärabuz in Tschappina. Welch borstiger Name: Kärabuz! Was mag er bedeuten? Für den ersten Teil des Wortes könnte, eine rätoromanische Deutung vorbehalten ( etwa charöt « Sumpf, Ried » oder eine andere Ableitung aus lateinisch carex « Riedgras » ), die im Schweizerischen Idiotikon, Band 3, 421, dargestellte Wortfamilie von charen « schmieren, sudeln, weich und schmierig werden », G'char « Geschmier », charig « schmutzig, kotig » in Betracht kommen. Auf die richtige Fährte führt aber die Schreibung G'härabuz, die zur Wortfamilie von « Haar » weist. Tatsächlich hatte schon das Mittelhochdeutsche ein Eigenschaftswort gehär « behaart ». Für das ältere Schweizerdeutsch ist es im Schweizerischen Idiotikon, Band 2, 1510, bezeugt: die Beine eines Vogels « sind ganz rauch und ghaar von federen », und zu einem Wuhr braucht einer « ein gehari tannen ». Dort findet man ferner Geisshär als Namen des Wollgrases ( Eriophorum Scheuchzeri ). Solch « haariger » Pflanzenwuchs kann sehr wohl unserem Buz Die Alpen — 1942 — Les Alpes.9 die Beifügung g'här verschafft haben: G'härabuz. In Avers ist ein g'hara Stein. Eine Bestätigung von Seiten des Rätoromanischen nimmt man gerne dazu: Leg palüs für einen Teich auf Alpweiden von Feldis und Scheid; palüs ist lateinisch pilosus « haarig ». Leg palüs also « haariger See oder Teich », dasselbe wie G'härabuz.Schluss folgt. )

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