Von den Tieren unserer Berge | Club Alpino Svizzero CAS
Sostieni il CAS Dona ora

Von den Tieren unserer Berge

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

Von Albert LMM. IL Vom Adler, Schneehuhn, Urhahn und andern beschwingten Lebewesen der Alpenwelt erzählten wir im Februarheft. Die nachfolgenden Seiten sind den alpinen Säugetieren gewidmet.

Allgemeiner Zuneigung erfreut sich bei klein und gross das Eichhörnchen. Als Knaben pirschten wir am steilen Hang einzelstehende Nussbäume nahe dem Walde ab. Mit der Lebensweise der zierlichen Äffchen gut vertraut, erbeuteten wir manchen roten und schwarzen Schwanz, welche mit bunten Eichelhäherschwingen die Wand unserer Bude schmückten und als wertvolle Tauschobjekte den Besitz anderer Knabenkostbarkeiten vermittelten. Im Winter ist das Eichhörnchen nicht so schlafbedürftig, wie oft angenommen wird. Im Neuschnee findet man allüberall im lichten Tannenwald seine charakteristische Spur. Bei gefrornem Schnee wandert es oft weit. Beim Skifahren oberhalb der Baumgrenze, auf einer Höhe von 2500 m, erblickte ich einst von weitem ein kleines Tierchen. Der treue Zeiss liess ein Eichhörnchen erkennen. Weit und breit nirgends ein Baum. Zur unbeweglichen Säule erstarrt, war es für den Beobachter unterhaltsam, das Tierchen näher und näher kommen zu sehen. Bis auf anderthalb Meter näherte es sich, den Menschen wegen seiner Bewegungslosigkeit nicht erkennend. Dieses Verkennen des unbeweglichen Menschen ist den meisten wildlebenden Tieren eigen und wird zu Unrecht als mangelnde Sehschärfe gedeutet. Dieses Eichhörnchen sah mich von weitem und hielt mich wohl für den höchststehenden Baumstrunk. Erst auf die nächste Distanz fielen ihm dann einige Besonderheiten auf, die mit einem Baum nicht gut vereinbar sind. Ein Autodefekt führte mich in eine Dorfschmiede.Vor einem grossen Fenster war ein grosser Käfig, in welchem zwei Eichhörnchen munter turnten. Während der Schmied meinen Gepäckträger zusammenschweisste, erzählte er mir von der ersten Jugend seiner Pfleglinge. Sie wurden noch blind aus dem Eichhornnest genommen und daheim in der warmen Küche in einer Kiste mit alten Kleidern einer säugenden Katze ins Nest gelegt. Die Pflegemutter nährte die blinden Säuglinge wie die eigenen, leckte sie und freute sich an ihrem Gedeihen. Als sie heranwuchsen, begannen sie, in der Küche herumzuturnen, nachher zum Fenster hinaus auf die Laube und zum Entsetzen der Mutter auf einen Zwetschgenbaum, dessen Äste in die Laube hineinragten. Besorgt kletterte sie ihnen nach, fasste sie am Nacken und trug sie eines nach dem andern wieder ins « sichere Nest ».

Viele Feinde hat der Hase. Als roter Hase kommt er ziemlich weit in die Berge hinauf. Nur seine grosse Nachkommenschaft schützt ihn vor Ausrottung. Seine Spur im Schnee ist jedem Skifahrer bekannt. Merkwürdigerweise findet man diese Spur auf Gräten nicht als Eindrücke, sondern als in die Luft vorspringende Höcker. Dieses Phänomen erklärt sich leicht dadurch, dass der von den Hasenpfoten zusammengepresste Schnee festfriert, den Winden trotzt, während der lockere Pulverschnee der Umgebung ab-geweht wird.

Für die Alpenregion charakteristisch ist der Schneehase. Seine einzige Waffe ist die Schnelligkeit und ein Balg, welcher sich in der Farbe der Umgebung anpasst. Im Sommer ist er grau, im Winter weiss, mit Ausnahme der schwarzen Ohrspitzen. Die Natur liebt an den weiss verfärbten weissen Winter-tieren ein schwarzes Fleckchen. Der Schneehase hat, wie soeben erwähnt, schwarze Ohrspitzen, das Schneehuhn schwarze Schwanzfedern, das weisse Winterhermelin ein schwarzes Schwänzchen. Dieses vollkommen verfärbte Schneehasenmännchen wurde vor dem Hunde meine Jagdbeute als weit herum noch nirgends Schnee lag. Die weissen Haare wachsen also nicht erst, wenn der Schnee gefallen ist, sondern wann durchschnittlich Schnee zu liegen pflegt.

Der Schneehase ist kürzer als der rote Hase. Seine Hinterläufe sind länger, stärker behaart, die Zehen spreizen sehr weit, der ganze Fuss ist ein Schneereifen, um das Einsinken in den weichen Schnee zu verhüten. Wenn der Sturm über die Berge fegt, lässt sich der Schneehase ruhig einschneien und kommt erst wieder hervor, wenn der Frost die Schneeoberfläche hat erstarren lassen. Abends zieht er den Schlittwegen nach, Heuhalme äsend, welche von den Heuschlitten abgestreift wurden. Wenn abends im Bergdorf vereinzelte Schüsse vom Berg her gehört werden, dann weiss der Eingeweihte, dass der Hirt nach Besorgung des Viehes sich auf die Lauer gelegt hatte, den Schneehasen zu erwarten, den der nagende Hunger zum verlockend duftenden Heustadel trieb. Seine vierbeinigen Verfolger, Fuchs und Jagdhund, sucht er zu täuschen durch zahlreiche Widergänge. Zum Schluss setzt er mit grossem Sprung ins Lager. Das Wildbret des Schneehasen ist zähe und dem Fleisch des Feldhasen lange nicht ebenbürtig.

Wer Has sagt, muss auch gleich Fuchs sagen. In der Tat ist der Fuchs der Hauptfeind des Hasen. Im Diemtigtal waren die Hasen fast ganz unbekannt; erst als ein ortsansässiger Jäger anfing, Fuchsbälge zu sammeln, begann der Hase sich zu vermehren. Der Gebirgsfuchs zeichnet sich im Winter durch einen sehr langhaarigen, schönen Pelz aus. Er trägt den « Kragen ». Zweifellos veranlasst die grosse Kälte den Balg zum Wachsen längerer, schützender Haare. Meldet doch auch der Leiter einer Südpolarexpedition, dass gelehrte Expeditionsmitglieder mit sehr spärlichem Haarwuchs einen dichten Haarpelz aus der Polregion mit nach Haus brachten.

Der Fuchs ist sehr scheu, zeigt aber im Hühnerhof der Bauersfrau fletschend die Zähne und beisst, angeschossen, den Jäger unsanft in die Spazier-hölzer. Sein Gebiss weist prächtige, kegelförmige Zähne auf. Die Fuchsspur ist ganz verschieden, je nach der Gangart des Tieres. Meist sieht man im Schnee die Spur des ruhig ziehenden oder trabenden Fuchses, ein Tritt hinter dem andern, wie die Perlen einer Schnur. Der Jäger bezeichnet den Gang des Fuchses als schnürend. Die Spur des flüchtigen Fuchses ist ganz verschieden. Ab und zu wedelt der lange Schwanz seitlich den Schnee weg. Der Fuchs ist ein elegantes Tier und ein schlimmer Räuber. Zur Sommerszeit spürt seine feine Nase, wohin der Hase seine Schritte gelenkt hat. Ein Sprung, ein ängstliches Klagen des im Genick gefassten Hasen — dann ist der Tisch gedeckt. Während die meisten Bergtiere unter den winterlichen Verhältnissen leiden, zieht er oft Nutzen daraus. Im Krustenschnee tritt der feine Rehfuss die Kruste beständig durch, die Kruste reibt die Läufe des Wildes wund und macht sie unfähig zu rascher Flucht. Ohne einzusinken, trippelt der Fuchs über den Krustenschnee, jagt das erschreckte Wild müde. Mit einem Sprung an den Hals des Opfers endigt die Tragödie. Auch gefallenes Wild und Aas wird begierig angenommen und ausgegraben. Geduldig wartet der Fuchs hinter dem Stein, bis das Murmeltier aus seinem Gang zur Weide gegangen ist; dann schneidet er ihm den Rückzug ab und erbeutet es leicht. Wenn er Junge zu füttern hat, ist er ein fleissiger Mauser. Während des Schiessens einer Feldbatterie in Kloten wechselte 100 Meter vor den Kanonen beständig eine Füchsin vom Wald ins Moos und kehrte mit der gefangenen Maus im Fang wieder zum Wald zurück, unbekümmert um das Donnern der Geschütze. Im Scherenfernrohr des Abteilungsstabes erkannte man das kleinste Detail dieser Mäusejagd. Oft ist der Fuchs noch genügsamer. Im Glütschtäli liess ich nach scharfem Galopp mein Pferd verschnaufen und in langsamem Schritt ziehen. Auf leichten Zügelzug hielt es an. In der Waldwiese, dicht neben dem überwachsenen Weg, machte ein Fuchs Sprünge wie eine junge Katze nach dem Fadenknäuel. Seine beiden Vorderpfoten fingen Heuschrecken und führten sie in den Fang. Fleissig gräbt er nach Wespennestern im Boden. Vor Hunden nutzt der Fuchs jede Terrainwelle aus, um zu verschwinden. An einem trüben Herbsttag haben wir auf der Alp kein Wild hochmachen können und beginnen den Abstieg. Die kleinen Hunde durchstöbern überall die Umgebung. Plötzlich tönt giftiges Bellen an unser Ohr — Standlaut. Rasch eilen wir drauf los und finden die Hunde einen mit grossen Steinen vermauerten Fuchsbau verbellend. Ein paar Meter weiter ist eine offene Röhre. Gleich ist der Plan gemacht. Ein Jäger räumt die Steine weg, um die Hunde einfahren zu lassen; der andere achtet in Deckung auf die offene Röhre. Eifrig fahren die Hunde zu Bau. Pfeilgeschwind fliegt der Fuchs aus dem Bau. Im rasch hingeworfenen Schrotschuss bricht er zusammen, bald wütend zerzaust von den verfolgenden Hunden. Merkwürdigerweise weicht auch ein starker Fuchs einem energisch angreifenden kleinen Dachshund, während der Dachs nur selten sich vom Hunde aus dem Bau sprengen lässt.

Einer der elegantesten Räuber ist das Wiesel oder Hermelin. Wir finden es beim Pflücken von Alpenrosen zwischen Felstrümmern. Rasch verschwindet es in einer Spalte. Gleich ist es wieder da. Wie der Störenfried noch immer dasteht, faucht es ihn an: Sch, sch, verschwindet, kommt fauchend wieder ans Tageslicht, bis der Blumenpflücker sich verzieht. Auf der Murmeltierjagd sehen wir es mit schlankem Körper ins kleinste Loch verschwinden. Mit der erbeuteten Maus im Fang eilt es von dannen, ein Bild vollendeter Geschmeidigkeit und Anmut.

Es ist August. Früh zog der Jäger ins Revier, den aufs Blatt springenden Rehbock zu erlegen. Neben dem Holzweg steht der Jäger im Unterholz, bewegungslos im Schweigen des Waldes. Da kreuzt ein katzengrosses, graues Tier den Weg, am weiss und schwarz gestreiften Kopf deutlich als Dachs erkennbar. Dieser hat seinen nächtlichen Raubzug beendet und schlüpft vor Tag in den Bau. Dort fühlt er sich sicher; den verfolgenden Hund wehrt er mit scharfem Gebiss ab und schickt ihn mit zerrissenen Ohren und tiefen Wunden wieder hinaus.

Während der Niederjagd durchstöberten die Hunde eine kleine Wald-parzelle, welche mit Dornen und Gestrüpp reichlich durchsetzt war. Heftiger Standlaut — so nennt man das Bellen am gleichen Ort — verwundert die Jäger. Hier ist kein Fuchsbau, es wird eine aufgebaumte Katze sein. Vorsichtig nähern wir uns dem verbellten Ort. An den dicken Ast geschmiegt, sitzt auf dem Baum ein 40 cm langes Tier mit hellem Unterbauch, dem Kundigen sofort als Marder erkennbar. Manches Vogelnest hat er geplündert, manchen Satz Hasen vernichtet, sich allen Verfolgungen entzogen. Jetzt wird er mühelos die Beute des Jägers, um später kosend den Hals einer schönen Eva zu umschlingen.

Ein interessanter Bewohner der Bergregion ist das Murmeltier, das Murmeli, die « Mungge » der Glarner, die marmotte der Savoyarden. Es ist zu unterirdischer Existenz ausgerüstet. Mit langen, kräftigen Zähnen, die beim alten Tier orangegelb werden, beisst es rasch das würzige Alpengras ab, frisst es, oft auf den Hinterbeinen sitzend, die Vorderpfoten als Hände be- nutzend. Es ist merkwürdig, dass allen bisherigen Beobachtern eine wichtige anatomische Eigentümlichkeit des Murmeltieres entgangen ist. Die Hinter-pfote hat fünf Zehen, die Vorderpfote nur vier. Der dichte Pelz ist oben schwarzgrau, oft auch gelblich, je nach dem Standort des Tieres. In der Regel sind die ältern Tiere eher gelblich, die jüngern mehr schwärzlich. Kleine, rundliche Ohren gucken kaum aus dem Pelz heraus. Ungestört kommen die Murmeltiere gewöhnlich in ganzen Kolonien vor. Auf der Bundalp im Kiental vermehrten sie sich so sehr, dass sie durch zahlreiche Baue und Abweiden von Gras Schaden verursachten und teilweise abgeschossen werden mussten. Nahende Gefahr, Fuchs, Adler, Mensch, veranlasst sie zu weithin hörbarem Pfeifen. Alte Einzeltiere pfeifen nicht — wozu auch, sind sie ja doch allein und könnten damit nur den eigenen Standort verraten. Bald nachdem alle Tiere in den gegrabenen Bauen verschwunden sind, wagen sich einige wieder hinaus, um neugierig zu untersuchen, ob die Luft wieder rein sei. In gut geschützten Bannbezirken haben die Murmeli alle Scheu vor den Menschen abgelegt, spielen fröhlich miteinander, oft mit den Schwänzen eigentümlich wippend wie die Bachstelze mit dem Federschwanz, nur weniger häufig. Andere, rund und fett gefressene, strecken sich in der Sonne behaglich auf warmen Steinplatten. In stark bejagten Gebieten jedoch bleiben sie nach einer Störung oft stundenlang im Bau. Dieser beginnt meist unter grossen Steinen, ist als Sommerwohnung hoch oben, als Winterwohnung tiefer unten und dann besser ausgebaut. Ein eigentlicher Kessel dient als Aufenthaltsraum der ganzen Familie. Er ist mit Heu wohl ausgepolstert, die Röhre wird im Herbst mit Erde und Heu vollständig verschlossen. Ohne jegliche Nahrungsaufnahme verbringt das Murmeltier den langen, langen Bergwinter in seinem Bau. Dies kann es dank einer wunderbaren Einrichtung der Natur. Die Sommertemperatur des Blutes von 37 Grad sinkt im Winter auf 9 1/2 Grad Celsius, die Glieder erstarren, das Herz schlägt langsam, ganz langsam wird Atem geschöpft. Erst die warmen Föhnstürme des Frühlings wecken es zu neuem Leben auf. Der dicke Fettwanst ist während des Fastenwinters zusammengeschmolzen. Mein Vater hatte viele Jahre ein zahmes Murmeltier. Im Herbst führte es in dem ihm als Wohnung überlassenen Holzschopf grosse Erdbewegungen aus und schlief wie seine Verwandten in den Bergen. Im Herbst 1926 überraschte ich ein grosses Murmeltier dabei, die verschlossene Türe einer Alphütte aufzunagen. Der Jäger vermeidet es, ein Murmeltier zu beschiessen, das dicht vor dem Bau liegt. Ist der Schuss nicht augenblicklich tötlich, so schlüpft das Tier mit letzter Kraft in den Bau und geht dem Jäger verloren. Seit Jahrhunderten schätzt man das Murmeltier wegen seines Fettes. In ausgelassenem Zustand ist es flüssig wie Öl. Es ist bei Bresten aller Art ein beliebtes Massagemittel. Einem Patienten mit verstauchtem Fussgelenk pries ein Einheimischer das Murmeltierfett an, fügte aber gleich warnend hinzu: Eine Woche einreiben darfst du, aber keinen Tag länger, das Fett ist so wirksam, dass es selbst den Knochen aufzuweichen vermag. Eine beneidenswerte Eigenschaft hat das Murmeltier. Seine stark benutzten Zähne, welche weit in den Unterkiefer hereinragen, wachsen beständig nach.

Früher in der Bergregion fast unbekannt, verbreitet sich das zierliche Reh immer mehr in den Bergwäldern. Wie schön ist es jetzt, wenn überraschte Rehe im blühenden Bergheu mit hohen eleganten Sätzen der schützenden Dickung zueilen! Allerdings wetteifern die Stangen — so nennt der Weidmann das Gehörn — an Grösse und Stärke nicht mit denjenigen des Tieflandes. Vielen Leuten ist das Abwerfen der Rehstangen im Spätherbst unbekannt. Anlässlich einer Bergbesteigung ersuchte ich meinen Begleiter, recht vorsichtig zu gehen, da wir im Rehrevier wären. Wie bestellt kommen in zierlichen Sprüngen Bock und Geiss daher. « Der Bock hat noch auf », hört staunend mein Begleiter. Unterdessen kommt das Trüppchen unserer Kolonne nach und hört vom Abwerfen der Rehstangen im November. Drei Schritte weiter finde ich zum grössten Erstaunen aller Teilnehmer eine Sechserstange frisch abgeworfen am Boden. Die Liebhaber des Reh-fleisches sind Legion. Ich sah einen Adler, der geschossen wurde, als seine Fänge sich in einen Rehrücken bohrten. Von den Missetaten des Fuchses habe ich bereits erzählt. Im schweizerischen Nationalpark wird der interessante Versuch im grossen gemacht, die Tierwelt ohne menschliche Eingriffe sich selbst zu überlassen. Adler und Füchse haben stark zugenommen, das Reh, die Hühner gehen jedoch trotz der Schonung durch den Menschen bisher beständig zurück. Auch kommt es vor, dass die glatte Rehklaue auf den Felsen ausgleitet und das Tier durch Absturz das Leben verliert.

Im Jahre 1853 berichtete Tschudi in seinem klassischen Buch « Das Tierleben der Alpenwelt », dass in den helvetischen Gauen das sanfte Reh fast verschwunden sei. Da es immer scharf verfolgt werde, meint Tschudi, dass es aus unserem Wildstand bald ganz verschwinde. « Dagegen sind wir bei aller Anstrengung der gefährlichen Grossraubtiere nicht Herr geworden, und werden in den nächsten Jahrzehnten sie höchstens etwas mehr zu vermindern imstande sein, nicht aber sie auszurotten. » Wie ganz anders entwickelte sich die Fauna! Die Luchse, Bären, Wölfe sind verschwunden; dagegen das Reh bevölkert in erfreulicher Zahl wieder unsere Wälder, dank des Schutzes, welches der Herr der Schöpfung ihm im Unterlande in mehreren Kantonen angedeihen liess.

Viel besser ausgerüstet als das Reh zum Kampf mit dem harten Bergwinter ist das Alpentier par excellence, die Gemse. Sie behält ihre Waffen, die Hörner oder Krickel, das ganze Jahr. Ihre Klauen spreizen sich im Schnee und tragen besser als der Rehhuf. Der Seitenrand und das hintere Ende tragen einen kräftigen Vorsprung, der jede Rauhigkeit des Felsens zum Stehen ausnützen kann. Fast nie stürzt eine Gemse zu Tode. Gefährlich werden ihr nur Schnee- und Steinlawinen. Das edle Krickelwild wäre, wie der Steinbock, bis vor kurzem in der Schweiz ausgestorben, dem Blei des Wilderers erlegen, wenn nicht einsichtige Männer, vorab Jäger, die Schaffung von Bannbezirken angeregt hätten. Ein Teil des Erlöses aus den Jagdpatenten wird dazu verwendet, Wildhüter zu besolden, welche jahraus jahrein das Wild schützen. So birgt allein der Bannbezirk Kiental an die 1200 Gemsen. Auf Oberlattreien sahen wir im Mai 75 Gemsen nahe beieinander, das gedüngte Läger um die Hütten abätzend. Die Gemsen sind wohl auf immer vor dem Aussterben geschützt.

Das Kleid der Gemse ist im Sommer und Herbst « älb » wie der Halblein, aus dem der Landmann sein währschaftes Kleid anfertigen lässt. Dieses Gelbbraun ist eine sehr gute Schutzfarbe auf den sonnverbrannten Rasen der Steilhänge. Grattiere, welche sich während des Sommers vorwiegend auf dunkelgrauem Schiefer aufhalten, tragen ein Dunkelgrau, ähnlich dem Untergrund, auf dem sie leben. Das Kleid der Gemse passt sich der Umgebung an — gleich wie die Bachforelle in Bächen mit hellem, steinigem Untergrund eine helle, getupfte Schutzfarbe trägt, die bei längerem Verweilen in Bächen mit moorigem Untergrund fast schwarz wird. Das Winterkleid der Gemse ist unseres Erachtens ebenfalls ein Schutzkleid. Die Gemse lebt im strengen Winter vorwiegend im lawinensicheren Bergwald. Im Schwarz der Bergtannen, deren herabhängende Äste den Schnee rasch abschütteln, gibt es keine bessere Schutzfarbe als eben das Schwarz, welches die Gemse trägt.

Die Spitzen der harten Hörner sind sehr scharf. Mancher Dreiangel in meinen Jagdhosen stammt von Hörnern erlegter Gemsen. Oftmals gingen sie auch tiefer hinein, stechend und schmerzend wie Schusterahlen. Beim Tragen erlegter Tiere heisst es immer vorsichtig sein, auf dass kein Krickel ins Gesicht oder gar ins Auge des Jägers fahre. Die Hörner sind auch sehr stark. Die schwerste erlegte Gemse kann unbedenklich an den Hörnern aufgehängt werden. Der Bock trägt kräftigere, oben weiter auseinanderstehende Krickel, die Geiss dünnere, oben enger beieinanderstehende. Doch ist es oft schwer, nur nach den Hörnern das Geschlecht zu bestimmen. Lange zielte ich unschlüssig auf ein grosses Tier, das ich als Bock ansprach, ohne abzudrücken, weil die Hörner lang und sehr dünn waren. Eine alte Geiss, deren Krickel eine gute Ausladung aufwiesen, sprachen wir auf Schussdistanz als Bock an. Solche sicher seltene Irrtümer kommen selbst bei Leuten vor, die beständig im Gemsgebiet wohnen und sie als Hüter Jahr für Jahr beobachten. Im wilden Gemsgebiet verletzt oft ein fallender Stein das Gemshorn. In den höchsten Felsschroffen überraschend auf ein Gemsrudel stossend, schoss ich das grösste Einzeltier, ohne es genau ansprechen zu können. Es fiel weit den steilen Hang herunter. Auf grossem Umweg gelangte ich zu dem Tier, einer grossen Galtgeiss. Ein Horn war frisch abgebrochen durch den Sturz nach dem Schuss, das andere früher ebenfalls durch Sturz oder Steinschlag, der Hornstummel war verheilt.

Ein grosser Bock mit nur einem Horn war lange Jahre allen Künsten der Jäger entronnen. Endlich einmal war er im Trieb, stieg mit einer Gems und Kitz einen Grat hinauf, auf dessen anderer Seite Jäger bereit waren, ihn mit Blei zu empfangen. Kein Schuss wollte rollen. Zürnend vermuteten die Treiber, die wartenden Jäger hätten nicht aufgepasst. Mit Unrecht. Auf der Gratschneide blieb die Geiss auf der Treiberseite, und das Kitz folgte gegen alle Regeln dem jenseits heruntersteigenden Einhornbock. Wegen des begleitenden Kitzes mussten die Jäger annehmen, dass es sich um eine führende Geiss handle, schossen nicht, und abermals war der Einhornbock gerettet.

Im Sommer wächst den Gemsen Nahrung in Hülle und Fülle. Am liebsten nähren sie sich von Gräslein, die nahe dem Schnee spriessen. Den Schnee selbst schätzen sie auch sehr. Wenn die Sonne brennt, liegen sie auf dem kühlen Schnee.Vom Gipfel des Ärmighorns sahen wir im Stieregwindli unter uns 70 Gemsen auf dem Schnee liegen. In der Ruhe sehen sie faul aus, ihre Bewegungen sind langsam. Das ändert sich, sobald das Tier sich flüchtet. Wie elektrisiert fahren die Beine auf, mit grossen Sätzen geht es den Berg hinauf. Meist führt eine alte Geiss. Böcke gehen regelmässig hinterdrein. Weite Klüfte werden übersprungen. Wagt ein Jungtier den Sprung nicht, dann kommt ein altes Tier nochmals zurück und droht mit scharfen Hörnern von hinten, bis der weite Sprung gewagt wird. Die Gemse erreicht bei uns ein Gewicht von 50, 60 ja 80 Pfund. Gewichte von 100 und 125 Pfund werden in alten Chroniken gemeldet. Die Gemse bedarf zu ihrem Wohlbefinden wie das Vieh des Salzes. Weither pilgert sie zu Stellen, da der Boden salzig ist. Sulzi nennt der Älpler den Ort. « Sulzistand » lesen wir auf manchem Siegfriedblatt der Bergregion. Frühmorgens lag ich 60 Meter von einer solchen Sulzi. Beim Tagesgrauen näherte sich eine Geiss mit Kitz der Sulzi. Plötzlich riss sie aus, ungalant fortgejagt von einem Gewaltigeren, einem Bock. Lange nahm dieser von der salzigen Erde auf, alle Augenblicke den Kopf aufwerfend, um zu prüfen, ob die Luft rein sei. Geduldig musste die Geiss in respektvoller Entfernung warten bis der Pascha sich gesättigt hatte. Es war empfindlich kalt, das Gitzi kugelte sich zusammen wie eine ruhende Katze; nur das ab und zu bewegte Schwänzchen zeugte von Leben in dem kleinen Körper. Endlich sprang der Bock mit ein paar Sätzen ab, die Geiss nahm sofort seinen Platz ein, treu gefolgt von dem Jungen. Einmal konnte ich drei eifrig leckende Gemsen bis auf 20 Meter anschleichen, lebhaft bedauernd, keinen Photographenapparat zur Verfügung zu haben.

Im Winter ist die Nahrung oft sehr spärlich. Gegen alle Erwartung trifft man oft Gemsen auf hohen Gräten, wo der Wind den Schnee abweht und das dürre Gras freilegt. Im Notfall werden Bartflechten oder sogar Tannadeln geäst. In einem bekannten lawinengefährlichen Gemsgebiet ziehen die Dorfbuben alle Frühlinge zu einer grossen Laui, um Gemskrickel zu suchen von heruntergefegten Gemsen. Gefährlich werden auch Steine, welche höher oben weidende Gemsen loslösen. Von den Adlern als Gems-räuber haben wir bereits gesprochen. Leider ist die Gemse auch einigen Krankheiten unterworfen. Gerade jetzt dezimiert eine ansteckende Gems-krankheit die Bestände im Simmental und benachbarten Freiburgischen. Die Tiere werden fast oder ganz blind, magern ab, fallen zu Tod oder lassen sich mit Händen fangen. Leider überträgt die durchgeseuchte Geiss die Krankheit auf das frischgeworfene Junge. Im Mai 1927 fanden wir ob der Boltigklus ein ungefähr zwei Wochen altes Kitz, das eine Auge ganz blind, das andere fast ganz. Es war leicht, das Tierchen auf die Arme zu nehmen. Diese Beobachtung veranlasste uns, dem eidgenössischen Forstamt zu beantragen, alle sichtlich kranken Tiere einzufangen oder durch Wildhüter abschiessen zu lassen — der einzig mögliche Weg, um der Seuche einmal Herr zu werden.

Die Brunst der Gemse findet im November statt. Wie schwarze Bären ziehen zottige Böcke durchs Revier, sich gegenseitig stark bekämpfend. Im Jahre 1927 erlegte ich drei Gemsböcke, welche alle Spuren überstandener Brunstkämpfe auf sich trugen in der Form geschlitzter Ohren, Verletzungen, welche durch die nadelscharfen Krickel des Gegners entstehen. Die Jungen werden Ende April geworfen, meistens nur eines, ab und zu auch zwei. Sie folgen der Mutter auf dem Fuss und sind nach zwölf Stunden nicht mehr einzufangen. Bis zum Herbst tragen sie dunkleres Gewand als die alten Gemsen. Uralte Gemsen bekommen weisse Köpfe. So sahen wir im Spiggengrund einen alten Einsiedler mit grauem, fast weissem Kopf. Die Hörnchen der Kitzen sind im ersten Jahr gerade, im zweiten Jahr sind sie bereits gebogen und lassen deutlich erkennen, dass es sich um « Jahrtiere » handelt.

Das Gemswild verfügt über vortreffliche Sinne. Wohl der beste Sinn ist die Nase. Im gemsenreichen Revier des benachbarten Vorarlbergs stiegen wir im Legföhrenbestand, hinter einem Kamm gegen Sicht vollständig geschützt, bergan. Unsere Pirsch galt mehreren Gemsen, welche wir mit dem Zeiss « erspiegelt » hatten. In den Lüften war es « wild », bald blies der Wind von Westen, bald von Osten. Schon auf 500 Meter hatten uns die ungestört weidenden Tiere in der Nase, wurden unruhig und verzogen sich in höhere Regionen. Während der Jagd und zur Brunstzeit benutzt die Gemse ihre vortreffliche Nase auch dazu, Fährten am Boden zu lesen. Sie wittert die vor-beigewechselte Gemse und folgt der Fährte; sie findet noch nach Stunden die Spur des Jägers, setzt mit grossem Sprung darüber hinweg und flieht in raschem Tempo in das nächste Felsasyl. Wenn die Gemse den nahen Menschen nur wittert und noch nicht sieht, wird es ihr unheimlich zumute. Einst äste ein Rudel in breiter, tiefeingefressener Runse der Schattseite. In der benachbarten Runse stieg ich bergan. Auf der Höhe der Tiere angelangt, bekamen sie mich in die Nase, vermochten mich aber nicht zu sehen. Deutlich vernahm ich ihr zorniges Stampfen. Wie meine Stirne über dem Runsenrand erschien, waren sie orientiert und flohen mit elastischen Sprüngen in der entgegengesetzten Richtung. Ein anderes Mal lag ich in niederem Gebüsch gut gedeckt auf Anstand. 80 Meter vor mir erschien eine Gems mit Kitz. Sie witterte den nahen Menschen, vermochte aber nichts zu sehen. Lange stampfte sie mit dem Vorderfuss zornig die Erde. Wohin fliehen, wenn der Feind unsichtbar bleibt? Endlich zog sie langsam bergan.

Auch das Gehör ist vortrefflich. Weithin verrät die Stahlspitze des Berg-pickels den Jäger, wenn er sie auf Stein unvorsichtig aufsetzt. Deshalb trägt mein Jagdpickel einen Holzschutz über die Spitze, der gute Dienste leistet.

Ein ausländischer Professor stellte die Behauptung auf, dass die Gemsen schlecht sähen. Als ich einen Wildhüter darüber um seine Meinung bat, antwortete er: « die gsehn besser wan d'Lüt ». Dies ist auch meine langjährige Erfahrung. Marschierende Menschen werden auf viele hundert Meter bemerkt und im Auge behalten. Ziehen sie näher, so flieht die Gemse. Zum Ausruhen während der warmen Tageszeit wählt die erfahrene Gemse mit Vor- liebe eine aussichtsreiche Egg, von der sie weithin alles überblicken kann. Schillers Gemsjäger sagt:

— Das Tier hat auch Vernunft; Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen, Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn ,'ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnt Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.

Der Mensch in seiner Selbstüberhebung spricht oft dem Tiere überlegende Vernunft ab. Zu Recht oder Unrecht? Der Leser urteile selbst! Sobald der Adler über dem Gemsrudel kreist, werden die Jungen in die Mitte genommen. Sie schlüpfen unter den Leib der Muttertiere, und der kitzhungrige Adler findet nichts als hornbewehrte Köpfe kampfbereiter, erwachsener Gemsen. Was können die Gemsen Vernünftigeres tun? Ist dies nicht die Taktik der alten Helvetier, welche die Wagen mit den Frauen in die Mitte nahmen und alle wehrfähigen Männer als Schutz ringsherum stellten? Weshalb warnt die Rudelgemse und das Murmeltier einer Familie durch Pfeifen die Umgebung, während der Einsiedlerbock und das Einsiedlermurmeltier stumm bleiben? Doch nur aus der vernünftigen Überlegung heraus, dass im ersten Fall das Pfeifen den Artgenossen nützt, im zweiten aber nichts nützt, sondern in schädlicher Weise den eigenen Standort verrät. Was heisst die Gemsen in der Nähe des eidgenössischen Bannbezirkes am ersten Jagdtag nach den ersten Schüssen in den Bannbezirk fliehen? Doch wohl die vernünftige Überlegung: Dorthin ist uns der Jäger noch nie gefolgt, dort waren wir stets sicher, deshalb fliehen wir auch jetzt wieder dorthin. Weshalb sind die Gemsen im Bannbezirk so vertraut und lassen den Menschen ganz nahe herankommen, bevor sie mit ein paar faulen Sprüngen weiterziehen? Weshalb fliehen sie im offenen, bejagten Gebiet schon auf viele hundert Meter vor ihm und galoppieren kilometerweit, bevor sie sich wieder beruhigen? Weil die vernünftige Überlegung ihnen sagt: Der Bannbezirkmensch ist harmlos, der Mensch im jagdlich offenen Gebiet kann gefährlich werden. Was lehrt die Gemsen, zu Beginn des Föhnes von den steilen Graten in die tiefen Schluchten hinunter zu fliehenDie Erinnerung daran, dass der tosende Föhn dort machtlos ist, und der begreifliche Wunsch, in windfreiem Einstand die Nacht ruhig zuzubringen. Was lehrt den einfältigen Hasen mit fünf jaulenden Hunden auf der Fährte, die Hunde abzustreifen, indem er knapp ausser Sicht der Hunde zur Flucht ein Strässchen benutzt, auf dem der Landmann mit zwei Kühen Jauche aufs Feld führtDoch wohl der Verstand. Die Kuhjauchegerüche verdecken die eigene Fährte, welche im Wald und auf freiem Feld dem Hunde sicher den Weg zum Hasen weisen. Weshalb sprang ein alter Hase wiederholt vor den Hunden mit mächtigem Satz in die Krone eines Weidenbaumes hinaufDie Beobachtung, dass die Hunde nur am Boden suchen, am Weidenbaum dann die Spur verloren und weiterzogen. Genau wie jener Hase, der den Abstand zwischen sich und dem Hunde immer kleiner werden sah, sich in die verhassten Fluten der Simme warf, hinüber schwamm, den Hund abstreifte und so den Balg rettete. Welchen Verstand besitzt der Fuchs, dessen Vorderpfote im Fuchseisen festgeklemmt istEr achtet der Schmerzen nicht, beisst mit scharfen Zähnen den eigenen Lauf durch und lässt dem Fallensteller nur knapp die Pfote drinn. Lieber durchs Leben humpeln als den Balg verlieren.

0b der Tiere wollen wir der Menschen nicht vergessen, jener zähen Leute, die dem mageren Boden mit vieler Mühe das Nötige abgewinnen, um ein einfaches Leben zu fristen. In ihrer Anspruchslosigkeit sind sie eine Quelle der Schweizerkraft, deren die nervenverzehrenden Städte bitter nötig haben. Traf ich auf der Rückkehr von der Gemsjagd ein altes Mütterchen, das eine Hutte frisch gegrabener Erdäpfel im Gewicht von 80 Pfund nach Hause trug. Wie alt? fragte ich sie. 86jährig, gab sie freudig zurück. Hut ab vor diesen schlichten Bergbewohnern.

Die einheimischen Gemsjäger « ferggen » auf der Jagd noch lange ausziehbare, umständliche Fernrohre. Ein 55jähriger, etwas übersichtiger einheimischer Gemsjäger blickte zum erstenmal durch unsern Zeiss. Zögernd begann er: Ich sollte es nicht erzählen, tu 's aber doch. Gestern stieg ich bergab, als ich auf Schussdistanz ein Murmeltier das Männchen machen sah. Ich gab ihm einen Schuss — es blieb stehen; auch auf einen zweiten Schuss verschwand es nicht; ich ging näher und fand statt des Murmeltiers eine dürre Distelstaude. « Hätt ich so-ne churze Gugger ghäben, seligs wär mer nit passiert. » Vor vielen Jahren zog ein Bergler mit seinen zwei Söhnen wildernd z'Jaag. Zwei Gemsen waren die Beute und wurden glücklich heimgebracht. Die Sache wurde aber ruchbar, und ein Aufgebot von zwei Wildhütern und zwei Landjägern umstellte das Haus. Als diese Amtspersonen eine Hausdurchsuchung verlangten, stellte sich der Vater breit vor die Türe und rief drohend: Nid eine chunt mer i d' Hütte ine. Unterdessen berieten die Söhne, wie sich aus der Klemme zu ziehen. Die einzige Schwester schnitt ihre Beratung mit einem eigenen Plan ab. Ein grosses Heubündel wurde mit Seilen umständlich verschnürt und vor dem Haus heruntergeworfen. Ein Sohn legte es auf einen Schlitten und schickte sich an, damit fortzufahren. « Halt, halt » hiess es von allen Seiten. Die vier Gesetzmänner verliessen ihre Beobachtungsposten, eilten vor das Haus, die Gemsen aus dem Heu zu schälen. Nun war die Hinterseite des Hauses unbewacht. Zwei Brüder eilten bergwärts mit den sorgfältig in Leintücher verpackten — Gemsen. Längst waren die Flüchtlinge in Sicherheit, als die Landjäger das letzte Bündel Heu zerzupft hatten. Auch die Haus-durchsuchung war ergebnislos. Dank der Geistesgegenwart der Tochter hatte der Vater statt einer hohen Wildfrevelstrafe nur eine geringfügige Busse wegen Beamtenbeleidigung zu entrichten. Später wurde er ein mit allen Salben geriebener, vortrefflicher Wildhüter.

Feedback