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Der Tradition verpflichtet Begegnung mit Laura Bomio

Laura Bomio gilt als erste Grindelwalder Bergführerin. Sie hat sich eher spät für den Beruf entschieden, der im Dorf schon immer eine grosse Bedeutung hatte.

Am Montag ist das Heimatmuseum in Grindelwald zu. Aber Laura Bomio hat einen Schlüssel und öffnet die Türe zu diesem stattlichen Haus, das früher das Schulhaus war. Drinnen riecht es nach alten Sachen. «Dieser Geruch weckt bei mir Kindheitserinnerungen», sagt sie. Als Kind war sie öfter im Museum. Ihr Grossvater mütterlicherseits, Rudolf Rubi, Lehrer und Lokalhistoriker, hat die Heimatvereinigung mitgegründet und das Museum jahrelang betreut. Die von ihm verfassten Chroniken und ein Sagenbuch liegen ebenfalls auf. «Er hat uns immer Geschichten erzählt», sagt sie.

Laura Bomio ist 39 Jahre alt und seit drei Jahren Bergführerin, die erste aus dem Ort, der auch wegen der berühmten Eiger-Nordwand so stark mit dem Bergsteigen verbunden ist. Zwar gibt es neben ihr noch zwei Bergführerinnen, die schon vor ihr Mitglied im Bergführerverein Grindelwald waren, aber anders als diese stammt sie aus dem Dorf und gilt deshalb als erste Grindelwalder Bergführerin.

Alle sind mitgemeint

Gleich beim Eingang im Museum gibt es eine Ausstellung zum diesjährigen 125-Jahre-Jubiläum des Bergführervereins Grindelwald. Laura Bomio fühlt sich der Tradition des Vereins verpflichtet. «Sie fasziniert mich, und ich identifiziere mich damit.» Sie hat einen traditionellen Führerpickel in der Hand. Einen solchen Pickel, der einen Schaft aus Holz hat und schweizweit nur noch in der Schmiede in Grindelwald handgefertigt wird, dürften die meisten Bergführer in der Schweiz besitzen. Denn Teile der Bergführerprüfung werden mit diesem Eispickel absolviert. Auch anlässlich des Jubiläums wurde so ein Pickel geschmiedet und darin der Spruch eingraviert, den der Grindelwalder Pfarrer Gottfried Strasser anlässlich der Vereinsgründung 1898 notiert hatte: «Grindelwalder Führerschaft: Vorsicht, Treue Mut und Kraft.» Laura Bomio freut sich: «Das passt auch für mich, mit Führerschaft sind alle mitgemeint.» Frauen, Wanderleiter und Kletterlehrer, die mittlerweile auch Mitglied im Verein sein können.

Den Beruf als Bergführerin hat Laura Bomio eher spät erlernt. Zuerst machte sie die Ausbildungen zur Skilehrerin und zur Pflegefachfrau. Rund 20 Jahre war sie in Grindelwald im Winter als Skilehrerin tätig. In den Sommern probierte sie vieles aus: Hüttenhilfe in der Konkordiahütte SAC, Skischule in Argentinien oder Zusennin auf der Alp.

Braucht keine Werbung

Doch warum ist Laura Bomio, die schon als Jugendliche in der Jugendorganisation (JO) der SAC-Sektion Grindelwald sehr aktiv war, deren Vater Bergführer und deren Mutter Wanderleiterin ist, nicht früher Bergführerin geworden? «Die Leute im Tal sagten schon, als ich noch in der JO war, es brauche jetzt endlich eine Bergführerin», sagt sie. Dieser Druck habe sie wohl eher zurückgehalten. Eine Zeit lang sei das Bergsteigen ein bisschen in den Hintergrund gerückt, später habe sie sich eingeredet, dass es ihr als Hobby genüge. «Und ich hatte Respekt vor der Ausbildung als Bergführerin», sagt Laura Bomio. Doch dann sei der Moment gekommen, und sie habe genau gewusst, dass sie Bergführerin sein wolle. «Ich bin dankbar für den ganzen Weg, der mich da hingeführt hat, wo ich heute bin.»

Frauen sind im Bergführerberuf nach wie vor stark in der Minderheit. Doch der Trend zeige eher nach oben. Und diejenigen Frauen, die die Ausbildung absolvierten, übten den Beruf danach auch aus. Mit Erfolg. Laura Bomio muss keine Werbung im herkömmlichen Sinn machen. Neben klassischen Ski- und Hochtouren leitet sie eine Gruppe der JO der Sektion Grindelwald. Sie wird gerne von reinen Frauengruppen gebucht, und das Schweizer Fernsehen wollte für seine Reportage über eine Eigerbesteigung auch die einheimische Bergführerin.

Das Heimatmuseum steht neben der Kirche, wo es auch eine Gedenktafel für Pfarrer Gottfried Strasser gibt. Rund um die Kirche sind die berühmtesten Grindelwalder Bergführer begraben, der letzte 2001. Das sagt alles aus über die Bedeutung dieses Berufsstandes in diesem Dorf. Darüber thronen die Berge, zum Greifen nahe: der Mättenberg, links davon das Wetterhorn, rechts der Eiger. Laura Bomio packt den Jubiläumspickel in den Rucksack. Sie geht jetzt in die Berge, ihre Agenda ist voll. Lieber, als über das zu reden, was sie in den Bergen macht, will sie es einfach tun.

Autor / Autorin

Anita Bachmann

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