«Wie aus der Zeit gefallen» | Schweizer Alpen-Club SAC
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«Wie aus der Zeit gefallen» Skihochtour auf die Berglihütte SAC (3299 m)

Die unbewartete und ursprüngliche Berglihütte ist eine der ältesten SAC-Hütten der Schweiz. Als Skihochtour im Frühjahr ist der Besuch ein wildes Abenteuer.

Vom Unners Mönchsjoch sieht man zur Berglihütte SAC hinunter. In den letzten Stunden hat es immer mehr zugezogen und ein unnachgiebiger kalter Wind wehte uns auf dem langen Anstieg entgegen. Die Dimensionen der Gletscher und Berge erscheinen grenzenlos, und wir kommen uns sehr klein und schutzlos vor. Die schmale Hütte liegt ausgesetzt auf einem Felssporn. Wir fragen uns, wie wir dort mit Ski hinunterkommen sollen. Das Gelände sieht anspruchsvoll aus, ein Sturz scheint keine Option zu sein.

Nur selten besucht

Die Idee, in der Skihochtourensaison in der Berglihütte zu übernachten, ist Teil meines Projektes, alle SAC-Hütten und Biwaks «by fair means», also ohne Seilbahnen, zu besuchen. Dabei ist die Berglihütte besonders reizvoll, weil sie sehr abgelegen ist, und eine der wenigen Hütten ist, die nicht in einer Tagestour erreichbar ist. 1869/70 wurde sie gebaut und ist damit eine der ältesten SAC-Hütten der Schweiz. Gekostet hat der Bau damals 900 Franken. Bis 1912 die Jungfraubahnen eröffnet wurden, machten die Bergsteiger auf dem Weg zur Jungfrau scharenweise Halt in der Berglihütte. Mit der Bahn brachen die Übernachtungen drastisch ein. Heute, über 100 Jahre später, wird sie trotz ihrer fantastischen Lage nur selten besucht.

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Bis 1912 die Jungfraubahnen eröffnet wurden, machten die Bergsteiger auf dem Weg zur Jungfrau scharenweise Halt in der Berglihütte.

100-jähriges Verbandsmaterial

Wir erreichen die Hütte nach zwei langen Tagen. Am ersten, sehr sonnigen Tag, ging es das lange Lötschental entlang bis zur Hollandiahütte SAC. Am nächsten Morgen fuhren wir von der Hütte bis zum Konkordiaplatz, um dann über das Ewigschneefäld zum Unners Mönchsjoch zu laufen. Von dort geht es steil über die Hänge oberhalb der Hütte an eindrücklichen Gletscherspalten vorbei. Den Felssporn, auf dem die Hütte steht, könnte man auf der Westseite umfahren. Wir entscheiden uns wegen der Lawinengefahr in diesem steilen Gelände dagegen. Mit Steigeisen und Pickel steigen wir vorsichtig über den teils felsigen Sporn ab. Plötzlich kommt die Sonne raus, es präsentiert sich ein eindrückliches alpines Ambiente.

Die Hütte ist so tief eingeschneit, dass man von oben kommend direkt auf dem Dach landet. Wir steigen seitlich ab und stehen schon auf der Veranda der Hütte. Der Ausblick ist wild und schön. Wir schaufeln den Eingang frei. In der Hütte ist es kalt, sogar das Geschirrspülmittel ist gefroren. Es dauert mehrere Stunden bis das Feuer den Raum zu wärmen vermag. Wir schmelzen Schnee, kochen und schauen uns um. Die Hütte wirkt wie aus der Zeit gefallen. Wir entdecken einen Kasten mit Verbandsmaterial, das so aussieht, als wäre es 100 Jahre alt.

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In der Hütte ist es kalt, sogar das Geschirrspülmittel ist gefroren. Es dauert mehrere Stunden, bis das Feuer den Raum zu wärmen vermag.

Über Louwihorn zurück

Auf dem Rückweg, an Mönchsjochhütte und dem Jungfraujoch vorbei, steigen wir zum Louwihorn auf. Die Abfahrten zum Aletschgletscher und später ins Lötschental sind hart anstatt pulvrig. Aber wir freuen uns über das wilde Erlebnis auf der Hütte.

Praktische Infos

1 Blatten (1530 m)–Hollandiahütte SAC (3238 m)

Eckdaten

WS, 6 h, ↗ 1700 Hm, ↘ 10 Hm

Route

Von Blatten aus über die Strasse zur Fafleralp (1783 m) und von dort recht direkt weiter hinter ins Tal. Kurz hinter der Fafleralp die Brücke überqueren. Nun durch lichte Baumgruppen und über weite Flächen auf den Langgletscher und über diesen sanft ansteigend auf die Lötschenlücke (3151 m). Von dieser ein wenig steiler in kurzer Zeit zur Hollandiahütte.

2 Hollandiahütte (3238 m)–Konkordiaplatz (2690 m)–Berglihütte (3299 m)

Eckdaten

ZS/I, 6 h, ↗ 1100 Hm, ↘ 1040 Hm

Route

Von der Hütte über den Grossen Aletschfirn bis zum Konkordiaplatz abfahren. Auf der östlichen Seite der Spaltenzone des Ewigschneefälds aufsteigen. Dem langen Gletscher entlang seiner östlichen Seite folgen. Am nördlichen Ende des Gletschers steiler ansteigend rechts direkt auf das Unners Möchsjoch (3519 m). In einem Bogen nach W auf die Rippe abfahren (ausgesetzt) und dieser entlang bis etwa 50 Hm oberhalb der Hütte. Nun entweder die Ski deponieren und zu Fuss mit Steigeisen und Pickel die teils felsige Rippe (I) zur Hütte absteigen (10 min). Bei sicheren Lawinenverhältnissen diese auf der westlichen Seite umfahren und direkt zur Hütte.

Variante

Konditionsstarke können an diesem Tag noch einen Gipfel mitnehmen, z.B. das Walcherhorn (3692 m).

3 Berglihütte (3299 m)–Louwihorn (3776 m)–Blatten (1530 m)

Eckdaten

ZS/I, 7 h, ↗ 1230 Hm, ↘ 3010 Hm

Route

Aufstieg zu Fuss über die Rippe zum Skidepot. Von dort erst weiter über die Rippe und dann in einem Bogen nach O aufs Unners Mönchsjoch. Kurze Abfahrt und Wiederanstieg auf das Obers Mönchsjoch (3624 m). Abfahrt über die planierte Spur bis zum Jungfraujoch und weiter hinunter bis ca. 3300 m. Anfellen und recht nah an der Gratrippe von P. 3507 vorbei und weiter durch die Spalten manövrierend auf das Louwitor (3658 m). Von diesem über den Grat in etwa 20 min. zum Gipfel. Abfahrt auf der östlichen Seite des Kranzbergfirns, zwischen 3300 und 3200 m an einer Spaltenzone vorbei, bis zum Grossen Aletschfirn. Bis zur Lötschenlücke aufsteigen. Lange Abfahrt über den Langgletscher und das hintere Lötschental zur Fafleralp. Die Strasse nach Blatten ist bei schlechter Schneelage nicht vollständig mit Schnee bedeckt, eventuell gibt es Tragestellen.

Anreise

Mit dem Zug nach Goppenstein und dann mit dem Bus nach Blatten.

Ausrüstung

Seil, Pickel, Steigeisen, Anseilgurt, Material zur Spaltenrettung, Verpflegung für die unbewartete Berglihütte.

Beste Jahreszeit

April und Mai

Übernachtung

Hollandiahütte: 027 939 11 35, info@hollandiahuette.ch, www.hollandiahuette.ch
Berglihütte: 079 753 77 56, chr.nebiker@alpinice.ch, Webseite Berglihütte

 

Autor / Autorin

Matthias Liebrand

ist Arzt und leidenschaftlicher Alpinist. Mehr zu ihm findet sich auf alpinemorii.ch.

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