Zwei Gipfel über La Thuile | Schweizer Alpen-Club SAC
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Zwei Gipfel über La Thuile Der verborgene Reiz des oberen Aostatals

Sonne, atemberaubende Ausblicke, steile Hänge, Einsamkeit und vollkommener Skigenuss: Ein verlockendes Menü, das Lust auf mehr weckt.

Geht das? Oder geht es nicht? Fast zuoberst im Südhang am Mont Ouille, wo man den Talboden des Vallon du Breuil nicht mehr sehen kann, zögere ich vor den letzten Metern. Felsriegel könnten den Weg blockieren. Soll ich eine lange Flankenquerung nach links wählen oder von hier aus die Abfahrt wagen? Ich entscheide mich für die Abfahrt, und die Rechnung geht auf. Was für eine Freude, diese Abfahrt so elegant zu beenden! 1000 Meter Höhenunterschied im Steilhang mit perfektem Schnee, und dann eine gigantische Halfpipe. Schon beim Aufstieg hatte die Tour vor abwechslungsreicher Kulisse schön begonnen. Die Verhältnisse waren so gut, dass ich den höchsten Punkt erreichen konnte, auch wenn der Schneehang und das Couloir nicht einfach waren.

Touren für Eingeweihte

Der Mont Ouille ist ideal vom malerischen Weiler Pont Serrand im Tal von La Thuile zu erreichen, einem Seitental des Aostatals, das über den Petit St-Bernard mit Frankreich verbunden ist. Hier, nur einen Steinwurf von der Hektik des franko-italienischen Skigebiets Espace San Bernardo entfernt, zu dem La Thuile gehört, haben kundige Skitourengeher die Wahl zwischen dem langen Südhang des Mont Ouille und der Südostrampe des Berrio Blanc.

Die Nähe der beiden Gipfel erklärt einige ihrer Ähnlichkeiten. Geografisch sind sie erstklassige Aussichtspunkte auf die Südflanken der Mont-Blanc-Kette. Und geologisch bestehen beide Berge aus dem für die Region typischen Glanzschiefer, der auch südlich des schweizerischen und italienischen Val Ferret, auf der Südseite des Goms und bis in die Bündner Alpen vorkommt, wo er als Bündnerschiefer bekannt ist. Die geschichteten Gesteinslagen verleihen den Gipfeln oft eine zerklüftete Erscheinung, doch sie präsentieren sich auch in eindrücklichen, erhabenen Silhouetten, wie sich vor Ort zeigte.

Ein grandioses Schauspiel

Am Berrio Blanc ist der Aufstieg unter den gezackten, in warme Farbtöne getauchten Graten einer der Höhepunkte der Tour. Während man auf der Südostflanke an Höhe gewinnt, kann man sich bereits ein Bild von den aufregenden Schwüngen machen, die einen bei der Abfahrt auf dieser natürlichen Rutschbahn erwarten. Aber auch die schroff in den Himmel ragenden Felsen ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Die Neigung nimmt nach oben zu, wie es der lange Zustieg durch das Vallon von Orgères vermuten liess. Eine kurze Tragestrecke führt unter den Gipfelgrat, den eine schöne Wechte überragt. Die muss man leider teilweise zerstören, um sich Zugang zum letzten Aufstieg zu verschaffen. Einige letzte Schritte über die Felsen, dann hebt sich der Vorhang: Was für eine Aussicht! Man kann nur schweigen und das Schauspiel bewundern. Der Mont Blanc spielt die Hauptrolle und neben ihm bevölkern illustre Nebendarsteller die Bühne. Nachdem ich mich sattgesehen habe, kehre ich zu meinen Ski zurück, arretiere die Bindungen, wechsle zurück in die Rolle des Protagonisten und stürze mich in eine weitere, nicht weniger berauschende Szene.

1

Mont Ouille (3099 m)

Eckdaten

ZS, 6 h, ↗↘ 1600 Hm

Route

Von Pont Serrand (ca. 1620 m) dem Sommerweg nach OSO folgen, bis er etwa auf 1830 m (Hochspannungsleitung) die Passstrasse des Petit St-Bernard erreicht. Der Strasse entlang am Restaurant Lo Riondet vorbei und in der nächsten Haarnadelkurve nach rechts in die leicht absteigende Alpstrasse abbiegen (Hinweisschild «Vallone del Breuil»). Kurz vor den ersten Gebäuden auf einer Bogenbrücke den Bach überqueren. Die Hänge im S erreichen und schräg bis in die Nähe des Gipfels des Mont Laityre (2723 m) aufsteigen. Auf etwa gleicher Höhe nach NW traversieren und weiter auf dem SSE-Grat des Mont Ouille. Skidepot direkt unter dem Gipfel, dann über einen exponierten Felsgrat und die anschliessende Schneekuppe bis zum Gipfel.

Abfahrt

Über die schneebedeckte Gipfelpyramide und danach etwa in derselben Achse weiter über die schönen, südlich ausgerichteten Hänge abfahren. Unten führt eine breite Rinne zum Talgrund des Vallon du Breuil. Kurz davor nach links in einen Hang abfahren, über den der Talweg gut erreicht werden kann. Im Tal auf der rechten Seite des Baches weiter, bis man wieder auf die Aufstiegsroute trifft. Nach einigen Metern zu Fuss die Passstrasse erreichen, dann weiter bis Pont Serrand oder die Passstrasse verlassen und wieder der Aufstiegsroute folgen.

2

Mont Berrio Blanc (3247 m)

Eckdaten

ZS, 6 h, ↗↘ 1650 Hm

Route

Aus La Thuile kommend, kurz vor Pont Serrand die Strasse zur Alp von Orgères (1875 m) nehmen. Direkt die steilen Hänge im NNE hinaufsteigen, die ins Vallon von Orgères führen. Dieses bis zum Ende hinaufsteigen, dann nach links queren, um die grossen Hänge des Berrio Blanc zu überwinden. Auf der Höhe des Sattels (P. 3136) je nach Verhältnissen den Sattel überqueren und den Gipfel über die Festflanke des Grats erreichen oder über den steilen Hang rechts des Grates weiter bis zu seinem oberen linken Ende (Wechten). Zu Fuss bis zum Gipfel.

Anreise

Mit dem Zug bis Martigny, dann mit dem Bus B 211 bis nach Aosta (Aosta, Autostazione). Weiter mit dem Bus B 581 nach Pré-St-Didier, dann nach La Thuile (B 573). Taxi nach Pont Serrand.

Beste Jahreszeit

Winter und Frühling. Im Winter abwarten, bis eine längere Schönwetterperiode die Hänge stabilisiert hat. Offensichtliche Lawinengefahr auf den Steilhängen.

Karten

L’escursionista editore, Carta dei sentieri, 1 : 25 000, Blatt Nr. 2, La Thuile–Piccolo San Bernardo

Übernachtung

 

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