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Zurück in die Zukunft Wie SAC-Hütten 2050 aussehen könnten

Wie könnte eine SAC-Hütte in Zukunft aussehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich Studierende um Architekturprofessor Hanspeter Bürgi an der Berner Fachhochschule (BFH). Entstanden sind spannende Projekte, die zur Diskussion über klimaangepassten Hüttenbau animieren sollen. Wir wagen einen Blick in die Ferne und stellen drei Ideen vor.

Lässt man kleine Kinder ein Haus zeichnen, dann gründet das Endprodukt meist auf simplen Überlegungen: Mit wenigen Strichen entstehen Wände, Tür, Fenster, Dach und ein Kamin, aus dem Rauch steigt. Simpel ja, und trotzdem ist das Essenzielle vorhanden: In diesem Haus ist es warm, hell und trocken. Braucht es mehr? Ist alles andere Luxus?
Wenn Erwachsene Häuser zeichnen, fliessen die Grundbedürfnisse und die Annehmlichkeiten der Menschen ineinander. Vieles ist in der Planung selbstverständlich und notwendig, spannend wird es meistens erst bei den Details. Im Atelier Master Architektur der BFH mit dem Berner Architekten und Professor Hanspeter Bürgi lief im Frühjahrssemester 2023 alles etwas anders. Das Projekt «Zukunftsbilder Alpen – Perspektiven SAC-Hütten 2050» implizierte, dass der kindliche Gedanke oder, besser gesagt, die Reduktion auf das Wesentliche eine gewichtige Rolle spielt.
Das Atelier – in Kooperation mit dem SAC und dem ETH-Studio Vogt (siehe «Die Alpen» 06/2023) durchgeführt – forderte den zwölf jungen Frauen und Männern einiges ab. «Schön zu sehen war, wie sich die Leidenschaft für das Projekt entwickelte», sagt Bürgi. «Die Studierenden liessen sich auf neue Themen ein und waren spätestens nach der gemeinsamen Recherchetour in die Berge alle begeistert.»

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«Ich wollte einen Gegentrend setzen, der Verzicht und der Charme des Einfachen spielten dabei eine zentrale Rolle.»
Raphael Sommer,
Masterstudent der Architektur

Aussergewöhnliches zulassen

Das Wesentliche ins Auge fassen: Das war ein entscheidender Ansatz, weil die Gegebenheiten rund um das Projekt selbst wesentlich waren. Wer sich mit den Berghütten der Zukunft befasst, muss sich auch mit den grossen Themen der Gegenwart auseinandersetzen. Und die betreffen den Alpenraum ganz besonders: Permafrost, Wasserknappheit, Gletscherschwund, Zugänglichkeit, Energiegewinnung. Die Landschaften werden sich mit dem Klimawandel stark verändern. Wie aber verändern sich der Alpinismus und seine stationären Aufenthaltsorte, die Unterkünfte?
Es ging bei den Zukunftsbildern in Bürgis Team darum, Grundsätzliches zu hinterfragen. Aber auch darum, Vergangenes zu verstehen und Aussergewöhnliches zuzulassen. Entstanden sind bemerkenswerte Arbeiten, die sehr couragiert anmuten, weil ihnen bewusst kaum Grenzen gesetzt wurden. Warum etwa soll sich eine Hütte nicht in regelmässigen Zeitabständen verschieben lassen, sodass sie immer in der Nähe des schwindenden Gletschers (oder des neu entstandenen Gletschersees) steht? Utopisch?
Student Dennis Hari hat diese modulare Unterkunft ins Leben gerufen und dabei die Konkordiahütte SAC (2850 m) als Beispiel genommen. «Das Fundament», sagt Hari, «würde an jedem Standort erhalten bleiben und Teil einer Erinnerung werden. Nur die Hütte selbst verschiebt sich. Weil sie aus fixen Elementen und grösseren Möbelmodulen besteht, wäre sie relativ einfach zu transportieren.» Im Kurzbeschrieb seiner Arbeit liest man den Satz: Verorten, weiterziehen und sanfte Spuren hinterlassen.

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«Die Studierenden liessen sich auf neue Themen ein und waren spätestens nach der gemeinsamen Recherchetour in die Berge alle begeistert.»
Hanspeter Bürgi,
Architekturprofessor


Die Verortung von Dingen, auch von kleineren wie Material und Lebensmitteln, wird in den Bergen ein Thema bleiben. Viele Hüttenteams sind bemüht, die Lieferungen mittels Helikopter einzuschränken, aber ganz ohne gehts dann doch nicht. Auch darum ist etwa die akribische Ausarbeitung von Sabrina Wagners Vision interessant. Die Studentin zeichnet anhand der heutigen Lämmerenhütte SAC (2507 m) ein mögliches Betriebsmodell nach, das die Idee eines lokalen Ressourcenkreislaufs verfolgt. Hintergrund: Die steigende Vegetationsgrenze eröffnet neue Chancen. Demnach gäbe es auf dem nahen Lämmerenboden einen Stall mit Schafen. Eine (reaktivierte) Transportseilbahn führt zur bestehenden SAC-Hütte, die für Alpinisten und für Familien ganzjährig geöffnet ist. Und auf der Höhe der Hütte befände sich ein Erdgewächshaus mit Fotovoltaikmodulen und eigener Käserei. Das Szenario lässt zwar einige Fragen offen, aber clever und nachhaltig ist es allemal: Die Erträge dieser alpinen Landwirtschaft würden eine lokale und vielseitige Versorgung ermöglichen und erst noch Einnahmen aus dem regionalen Markt generieren.

Zu gewagt? Provokation gehört dazu

Sind manche Ideen zu gewagt? Vielleicht. Aber die Provokation, das Ausloten von Einfällen gehörte eben zum Konzept der Studierenden. Raphael Sommer sagt: «Die Stimmung im Team war aussergewöhnlich harmonisch und kreativ. Und ja, ich wollte provozieren. Ich wollte neue Anreize schaffen.»
Sommer gab seiner Arbeit den Namen «Reduce to reuse», also «reduzieren und wiederverwenden». Nachdem er alle Aspekte des Hüttenbaus in die Waagschale geworfen hatte, beschloss er, dass Luxus in «seiner» Berghütte keinen Platz hat, beispielhaft durchgespielt an der Schreckhornhütte SAC (2530 m). Räumlich liess Sommer die Unterkunft schrumpfen. Das alte Material nutzte er, um Neues entstehen zu lassen. Bildlich muss man sich das so vorstellen, dass Holzteile des rückgebauten Dachs oder andere Materialressourcen für den Innenausbau der Hütte (Boden, Wände, Tische, Stühle) verwendet werden.
Die fiktiv verkleinerte Schreckhornhütte, die künftig weniger Alpinisten anziehen wird (Routen werden schwieriger), funktioniert zudem nur noch mit eingeschränkter Bewartung, etwa durch Sektionsmitglieder, und kommt ohne Helikopterflüge aus – ein «Prototyp des zirkulären Bauens und Betreibens», wie es im Projektbeschrieb steht. «Vielleicht», sagt Sommer, «sollten wir uns zurückbesinnen und uns fragen, wofür der Alpinismus steht. Selbst zu kochen und mit weniger auszukommen, kann ein schönes Erlebnis sein. Ich wollte einen Gegentrend setzen, der Verzicht und der Charme des Einfachen spielten dabei eine zentrale Rolle.»

Autor / Autorin

Alan Schweingruber

Dokumentation Zukunftsbilder Alpen Perspektiven SAC-Hütten 2050

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