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Aus dem Aletschgebiet

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Zu den Beilagen Panorama von der Riederalp, Aletschgletscher und Triestgletscher.

Die drei Ansichten aus dem Oberwallis, denen die Ehre zuteil geworden ist, im Jubiläumsjahr des S.A.C. als Kunstbeilagen dessen Jahrbuch schmücken zu dürfen, gehören zusammen; denn sie sind vom selben Standort aus gezeichnet, nämlich vom höchsten Punkt der aussichtsreichen Riederalp, welche den zwischen dem südlichsten Teil des Aletschgletschers und dem Rhonetal sich ausbreitenden Höhenzug bedeckt, Punkt 2236 des topographischen Atlas ( Blatt 493, Aletschgletscher; Exkursionskarte des S.A.C. für 1885 und 1886 ). Die Zahl findet sich nahe am Kreuzungspunkt des Längen- und des Breitengrades zwischen dem Namen Aletschwald im Norden und Riederalp im Süden eingezeichnet.

Um hinzugelangen, verläßt man anderthalb Stunden oberhalb Brig im Pfarrdorf Mörel ( 780 m ) die Rhoneebene und die Poststraße, der sich bald die Bahnlinie anreihen wird, und steigt von da nordwärts auf steilem, auch für Saumtiere gangbarem Fußweg über Ried ( 1165 ) und durch den schattigen Riederwald — diese Örtlichkeiten sind alle auf dem Panorama zu sehen — in die Höhe, bis man nach 3 Stunden auf einem ungemein lieblich und sonnig gelegenen Hochplateau anlangt, auf welchem eine Menge zerstreuter Berghäuschen um eine Kapelle und ein Hotel geschart, mit diesem zusammen das Dörfchen Riederalp bildet. Das Kurhaus gleichen Namens, ein behäbiger, der Gegend trefflich angepaßter Holzbau mit wetter-gebräuntem Gesicht, gehört ( wie das eine halbe Stunde weiter oben stehende Hotel Rieder-Furka und das Hotel Jungfrau am Eggischhorn ) der altbekannten Hotelierfamilie Cathrein und gewährt freundlichste Aufnahme mit vorzüglicher Verpflegung. Höhe 1930 m. Das Panorama zeigt es von seiner Rückfront und der breiten Westseite, wo u.a. Post, Telegraph und Telephon untergebracht sind. Hier schon, besonders von der südlich vorgebauten Terrasse, hat man den weitaus größten Teil der auf dem Panorama festgehaltenen Aussicht. Die eigentliche Alp aber beginnt nun erst und zieht sich vom Dörfchen aus westlich bis zum Riederhorn, nordöstlich bis zur Moosfluh und nördlich bis auf die Höhen von Punkt 2236, eben dem Standort unserer drei Zeichnungen, empor. In einer Stunde ist dieser vom Hotel aus auf Zickzackweglein durch Weide, Gestein und Alpenrosengesträuch erreicht.

Das ist nun wirklich ein wunderherrliches Plätzchen mit freiem, weitem Ausblick nach allen Seiten: hinab ins Rhonetal mit seinen Dörfern und Weilern, von wo bei günstigem Wind die Kirchenglocken mit freundlichem Klange heraufgrüßen; hinüber auf die stolzen Bergriesen der südöstlichen Walliserkette; über saftig grüne Weiden und üppige Wälder hinweg in die Gegenden der Furka und des Nufenenpasses, welche die Verbindung mit den jenseits der Berge wohnenden Miteidgenossen vermitteln; hinauf zu den firngekrönten Felsenhäuptern, die in feierlicher Ruhe den mächtigen Aletschgletscher umstehen, und gleichzeitig tief hinunter auf diesen selbst, den größten Eisstrom Europas, ein wunderbares Gebilde voll schauerlicher Abgründe und düsterer Geheimnisse, die der Volksglaube in einer Unzahl von Sagen zu enträtseln sucht. Nicht leicht wird sich in unserem schönen Vaterlande ein so bequem zugäng- licher Punkt finden, von dem aus man, wie hier, mitten in rotglühenden, harzduftenden Alpenrosenbüschen sitzend und von köstlich frischer Gletscherluft umfächelt, gleichzeitig alle Herrlichkeit des Hochgebirges in solcher Pracht und solchem Reichtum vereinigt sieht. Als ich die ersten Male in der Morgenfrühe da oben stand, im Sinne von Menzis Liederzyklus „ auf hoher Alp allein mit Gott ", war ich ganz überwältigt von so viel Schönheit und Größe. Wie berauscht und verzaubert kam ich mir vor in dieser Welt der Wunder voll Glanz und Majestät, so daß ich mich nur schwer entschließen konnte, wieder hinabzusteigen; und auch nachher, so oft ich hinaufkam, war ich wie festgebannt. Ich konnte nicht anders, als den lieben, langen Tag da sitzen, schauen, staunen, zeichnen, bis kühle Abendwinde zum Aufbruch mahnten, und beim Gedanken, daß dies alles Schweizerland sei, jubelte es beständig in mir: „ Gott, mein Gott, wie dank ich Dir, daß Du es gabst zur Heimat mir !" In solchen glücklichen Stunden sind diese Zeichnungen entstanden. Und nun noch einige Worte zu ihrer Erklärung im einzelnen.

1. Das Panorama.

Es umfaßt die südöstlichen Walliseralpen vom Walliser Faulhorn und den Ritzenhörnern nahe der Furka, die den Griesgletscher im Norden umsäumen und ins Be-drettotal. hinabschauen, bis zum Weißhorn, der mächtigen Scheidemauer zwischen Nicolai- und Turtmanntal, eine Kette von 64 km oder 13 Stunden Länge, die das Grenzgebirge zwischen der Schweiz und Italien bildet. Allerdings ist ein Teil dieses imposanten Hochgebirgszuges, nämlich die Partie vom Cherbadung bis zum Monte Leone, durch Vorberge verdeckt. Doch schauen die meisten der verdeckten Tal-könige wenigstens mit ihren Köpfen über die Schultern ihrer Vordermänner herüber, als wollten sie in Erinnerung bringen, daß sie doch auch da seien. Für die, fehlenden aber melden sich einige weit zurückliegende Berge der Walliseralpen zum Wort, wie Portjengrat, Mattwaldhorn, Alphubel und Matterhorn.

Die Gruppe links steht an durchschnittlicher Erhebung hinter derjenigen rechts beträchtlich zurück. Immerhin weist sie im Blinnenhorn und Strahlgrat Gipfel von mehr als 3300 m, im Ofenhorn und Merzenbachschien von über 3200 m, in den Ritzenhörnern, dem Rappenhorn und dem obern Trubhorn von 3100—3200 m Höhe auf, und es fehlt ihr nicht an ansehnlichen Gletschern, wie dem Rappen-, dem Sulz-und dem Ofengletscher. Deutlich treten die Furchen einiger Täler zutage. Am Fuß des nahen Breithorns biegt rechts gegen Süden das tief eingeschnittene Binnental ein, wendet sich dann ostwärts, zieht sich hinter dem Schweifengrat durch gegen das Ofenhorn hinauf und führt über den Albrunpaß nach Italien hinüber, während auf der dem Beschauer zugekehrten Seite des Schweifengrates das weidenreiche Rappental zum Rappengletscher und Rappen- oder Mittaghorn emporsteigt. Die verschiedenen Gipfelchen des Schweifengrates, die es im Südosten begrenzen, heißen Eggerhorn ( 2330 m ), Faulhorn ( 2635 m ) und Hölzlihorn ( 2983 m ), welch letzteres sich unmittelbar an den Strahlgrat anschmiegt. Schön geformte, sanfte Bergrücken sind es, aus denen diese Gruppe sich zusammensetzt, und darüber erheben sich stattlich die schneebedeckten Gipfel.

Die mittlere Gruppe, die im Panorama, weil zunächstliegend, einen großen Raum einnimmt, bestellt aus einer geschlossenen Kette von Vorbergen, die sich vom Breithorn bis zum Klenenhorn über eine Länge von 8 km erstreckt und im Bettlihorn mit 2965 m die höchste Höhe erreicht. Sie bildet einen von Lawinenzügen durchfurchten, von reichlichem Wald umgürteten und in seinem unteren Teil von schönen Alpweiden bedeckten Gebirgswall, hinter dem sich das bedeutend höhere schweizerisch- italienische Grenzgebirge mit Fleschenhorn ( 3004 m ), Güschihorn ( 3180 m ), Cherbadung ( 3213 m ), Wannihorn ( 2905 m ), Piz Cornera ( 3084 m ), Helsenhorn ( 3182 m ), Hüllehorn, Bortelhorn ( 3195 m ), Furggenbaumhorn und der ansehnliche Steinengletscher versteckt hält. Geht man vom Standort des Panoramas einen Kilometer weiter nordöstlich, so tritt das Helsenhorn mit seinem ganzen Gipfel, einer elegant geformten, schlanken Spitze, und seinem Gletscher hinter dem Bettlihorn hervor und zeigt obenstellende Gestalt.

Das Hauptinteresse richtet sich jedoch auf die Gruppe rechts, bei der die höchsten, schönsten und stolzesten Berge der südöstlichen Walliseralpen, wie in Parade aufgestellt, ihre ganze Herrlichkeit vor den bewundernden Blicken des Beschauers enthüllen: Monte Leone ( 3565 und 3370 m ), Wasenhorn ( 3270 m ), Schönhorn ( 3202 m ), Fletschhorn ( 4001 m ), die Mischabelgruppe ( Dom 4552 m ), Matterhorn ( 4482 m ) und Weißhorn ( 4512 mwahrlich eine königliche Versammlung, die sich sehen lassen darf und die man, namentlich wenn sie im frühen Morgensonnenglanz oder abends im Gold des untergehenden Tagesgestirns erstrahlt, zu betrachten nicht satt wird. Schade, daß ein großer Teil der fast senkrecht abfallenden, gewaltigen Wände des Monte Leone mit dem daran herunterwallenden, blendendweißen Kaltenwassergletscher, der Augenweide aller, die den Simplonpaß begehen, durch das Wasenhorn verdeckt ist! Aber auch dieses bietet mit seiner breiten, männlich kräftigen, stolzen Stirn einen prächtigen Anblick dar. Nicht weniger das Schönhorn oder Hübschhorn, wie es auch genannt wird, das um seiner elegant geschwungenen, in edlem Rhythmus dahinfließenden Umrißlinien willen mit Recht diesen Namen trägt. Und nun in der Mitte das hochthronende, wundervoll geformte, harmonisch in sich geschlossene Fletschhorn, frei und voll in seiner Majestät sich entfaltend, wie herrlich steht es doch da, die Jungfrau des Oberwallis! Die etwas zurückliegende schmale, weiß bekleidete linke Flanke, die der Silhouette erst die prächtige Rundung gibt, gehört eigentlich nicht mehr zum Fletschhorn, sondern zu dem südlich damit verbundenen, im übrigen verdeckten Laquinhorn, das mit seinen 4010 m die vor ihm stehende Schwester noch um ein weniges überragt. Wie aber das Laquinhorn durch das Fletschhorn verdeckt wird, so verdeckt es selbst die hinter ihm stehende, noch höhere dritte Schwester, das Weißmies ( 4031 m ), von welchem dann südöstlich der Portjengrat oder Pizzo d' Andolla sich abzweigt. Es schimmern übrigens neben dem mit diesem Namen bezeichneten, jedenfalls weit zurückliegenden Gipfel noch andere mit, so daß es schwer hält, mit der Namensbezeichnung das Richtige zu treffen. Es wäre möglich, daß die Ehre, genannt zu werden, vielmehr dem in gleicher Luftlinie liegenden, etwas nähern Thälihorn ( 3285 m ) oder beiden zugleich gebührt.

Sehr hübsch läßt sich in der tiefern Einsattelung zwischen Schönhorn und Fletschhorn die Simplonstraße verfolgen. Diese tritt unten im Tal da in Sicht, wo der Riederwald und die am Fuß des Glishorns ins Rhonetal einmündende Saltinenschlucht sich schneiden. Es ist dies der Platz, wo im Januar 1913 der Peruaner Biélovucie bei seinem glücklichen Flug über die Alpen zum Starten seinen Apparat aufgestellt hatte, während 1 km weiter rechts unten der Eingang in den Simplontunnel zu sehen wäre, hätte nicht der Riederwald sich vor ihn hingestellt. Die Simplonstraße zieht sich an den Dörfchen Ried-Brig und Schlucht vorbei links bis zum Wald, biegt in scharfem Winkel nach rechts um und zieht sich dann, deutlich sichtbar, in zahlreichen Windungen durch Wald an steiler Felswand hin, bis sie in der Saltinenschlucht verschwindet. Hoch oben am linken Fuß des Schönhorns aber kommt sie wieder zum Vorschein und erreicht bei dem deutlich erkennbaren Hotel Simplon-Kulm ihren Höhepunkt, um von da zwischen dem Schönhorn und den Fletschhörnern durch sich gegen das Ossolatal hinabzusenken. An hellen Abenden sieht man von der Riederalp deutlich die Lichter des Hotels Simplon-Kulm herüberglänzen.

Wir kommen nun zu den scheinbar kleinen Gipfeln, die rechts vom Fletschhorn über dem Glishorn und dem scharf sich abzeichnenden Grat des Faulhorns zutage treten. Es sind die Gipfel des ansehnlichen, 3270 m hohen Mattwaldhorns, das den Eingang ins Saastal beherrscht. Begibt man sich aber vom Standort der Zeichnung aus nur einen Kilometer weiter nordöstlich gegen die Moosfluh hin, so fängt es zwischen und neben diesen Gipfeln des Mattwaldhorns an zu blitzen und zu schimmern, als ob noch ein ganzes Heer von Bergen dahinterstünde. Wegen der Unruhe der von der Sonne durchfluteten, zitternden Luft ist es jedoch nur schwer möglich, in dem Geflimmer von silbernen Spitzchen und Zähnchen die einzelnen Gipfel klar zu unterscheiden und ihre Namen richtig zu bestimmen. Das eine aber ist zweifellos, daß es sich bei diesen fernen, neckischen Gestalten, wie ein auf der Karte gespannter Faden deutlich zeigt, um keine geringern handeln kann als das Allalinhorn ( 4034 m ), das Rimpfischhorn ( 4203 m ), das Strahlhorn ( 4191 m ) und — last not leastden Monterosa mit Signalkuppe ( 4561 m ), Nordend und Dufourspitze ( 4638 m ), die höchsten Majestäten unseres Vaterlandes. So gut es bei einer Entfernung von 54 km und der Blendung der Luft möglich war, die unruhig vibrierenden Recken festzuhalten, sehen sie ungefähr so aus ( siehe nebenstellende Abbildung ) und es könnte der Gipfel links das Strahlhorn, der Doppelgipfel rechts das Allalin- und das Rimpfischhorn sein, während der breite Berg hinten in der Mitte sicher der Monterosa ist. Daß dieser aber, wie Tschudis „ Tourist " sagt, auch unten beim Hotel zu sehen sei, ist völlig ausgeschlossen. Von ganz eigenartiger, wahrhaft bestrickender Schönheit ist die Mischabelgruppe: Südlenzspitze, Dom und Nadelhorn mit dem rechts sich anlehnenden Dürrenhorn und dem vorgelagerten Balfrin, fast sämtlich über 4000 m, der Dom sogar 4556 m hoch. Wie reizend die Schnur zarter Randlinien, die oben und in der Mitte sich in leichtem Bogen von einer Spitze zur andern spannt, die ganze Gruppe wie mit einem feinen seidenen Netz umspinnt und den aus Eis und Schnee gewobenen, leuchtend weißen Hermelinmantel, der festlich von ihren hohen Schultern herniederfließt, zusammenhält! Und drüber das wie von Stolz und Freude strahlende, majestätische Haupt des Dom, der mit königlicher Hoheit, auf seine prachtvoll gekleideten, von Diamanten blitzenden Würdenträger herabschaut. Edlere Formen, vornehmere Gestalten und reinere Farben hat das ganze Hochgebirge nicht zu zeigen, und wer Gottfried Kellers „ großes, stilles Leuchten " verkörpert vor sich sehen will, der betrachte an einem hellen Morgen in der Frühe, sobald die Sonne anfängt, die Berge zu röten, die Mischabelhörner, wie sie ihre goldenen Kronen aufsetzen und alles an ihnen in einem Meer von rosafarbenem Dufte schwimmt. Dieser bezaubernde Anblick läßt sich nie vergessen. Den Schluß der Reihe hoher Gestalten bilden die bekannten herrlichen Berge Matterhorn und Weißhorn, jenes stolz und elastisch emporgereckt und trotz seiner Entfernung von 59 km immer noch eine imponierende Erscheinung, dieses breit und gleichmäßig entwickelt, mit schöner Zuspitzung und, einer Braut vergleichbar, ins reiche, weiße Festgewand von strahlendem Firnschnee gekleidet. Sie halten sich freilich beim Standort der Aufnahme hinter dem Riederhorn verborgen, aber sind sowohl rechts davon, im Aletschwalde, als links unten, z.B. bei dem Häuschen, das vor dem Eingang ins Binnental Wache zu halten scheint, sichtbar. Um sie auf das Panorama zu bringen, hat sich der Zeichner erlaubt, ein entsprechendes Stück aus dem etwas einförmigen Riederwald herauszuschneiden.

Der Vordergrund des Panoramas mit Kurhaus, Kapelle, Kaplanei und über die Bergwiesen zerstreuten Holzhäuschen echten Walliser Schlages bedarf keiner Erklärung. Im Interesse der Wahrheit sei nur gesagt, daß man, um das Dargestellte alles zu sehen, vom eigentlichen Standort der Zeichnung aus ein paar hundert Schritte südwärts gehen muß und daß auch der Blick hinab nach Mörel zur Rhone und der ihr parallel laufenden Landstraße wie auf die Dörfchen Goppisberg und Ried bei Punkt 2236 nur teilweise frei ist. Um der Sache willen aber werden solche künstlerische Lizenzen nicht zu beanstanden sein. Sie allein ermöglichen es, die für ein richtiges Bild der Gegend doch notwendige Vollständigkeit herbeizuführen.

2. Der Grosse Aletschgletscher.

Er heißt der Große zum Unterschied von seinen verschiedenen Nebenströmen: dem mittleren und oberen Aletschgletscher, ist aber bei seiner Ausdehnung vom Gipfel der Jungfrau bis zur Massaschlucht und einer Länge von 6 — 7 Stunden auch wirklich der große. Was das Bild uns zeigt, ist etwa der vierte Teil des ganzen, ein Ausschnitt aus seiner unteren Hälfte. Man sieht ihn oben heraustreten an der Stelle, wo er sich um den Fuß des hinter dem Olmenhorn hervortretenden Grates biegt, der im Volksmund „ Beim ersten Dreieck " heißt und welchem nachher drei weitere ähnliche folgen, welche die Namen „ Beim zweiten, dritten und vierten Dreieck " tragen. Bei der Einsenkung, die er auf der vom Beschauer linken Seite macht, nimmt er den mittleren, resp. jetzt nur noch dessen Abfluß, in sich auf. Man sieht ihn dann auf dieser Seite nur noch bis etwa da, wo auf der Kurvenkarte oberhalb des Namens zen Bächen die Zahl 2344 steht. Auf der rechten Seite, wo man ihn auf eine erheblich größere Strecke überschaut, bricht er direkt unter dem großen Wannehorn hervor und senkt sich zunächst den Strahlhörnern entlang bis zu dem tiefen Einschnitt herab, aus welchem schön und stattlich das Wasenhorn ( 3475 mnicht das Finsteraarhorn, wie in der Gegend gesagt wird — hervorschaut. In dem Einschnitt liegt, zu tief, um von unserm Standort aus gesehen werden zu können, der Märjelensee ( 2367 m ), der bekannt ist durch die vom steil darein abfallenden Aletschgletscher gebildeten Eiswände, blaugrünen Grotten und schwimmenden Eisinseln. Früher entleerte sich der See periodisch unter dem Aletschgletscher durch ins Rhonetal, wo er jeweilen die schlimmsten Verheerungen anrichtete. Jetzt ist dieser Übelstand durch einen regulierbaren Kanal behoben, welcher den See mit dem benachbarten Fieschergletscher verbindet. Der Aletschgletscher zieht sich dann, eine schöne Kurve beschreibend, am Fuße des Eggisch- und des Bettmerhomes weiter herunter bis dicht zu den Füßen des Beschauers und von da der nicht mehr fernen Massaschlucht zu. Besehen wir uns längere Zeit eingehend seine Bewegung von oben bis unten, wie er sich in der Mitte kräftig emporwölbt und nach beiden Ufern bald sanft, bald energisch hinabsenkt; wie er in mächtigen Schlangenwindungen seinen Weg durch das ihm gewiesene Felsenbett sucht und dabei durchs Mitschleppen des ihm weiter oben von allen Seiten zugeschobenen Steingerölles eine Reihe elegant geschwungener Guferlinien zeichnet; wie er, den Erhebungen und Vertiefungen des unsichtbar unter ihm liegenden Bodens folgend, hier sich hinunterbeugt, dort sich aufbäumt und emporschnellt, dann wieder sachte sich senkt und ruhig dahingleitet; wie er alsdann, weil augenscheinlich in der Tiefe ein Felsenriff sich seinem Lauf hemmend entgegenstellt, zu neuer Kraftanstrengung ausholt und sich heldenmütig zum Sprunge anschickt, als ob er ahnte, daß es seinen letzten, seinen Todessturz gilt; wie er diesen jedoch nicht vollbringen kann, ohne daß ihm Rücken und Flanken bersten und er zerrissen und zerrunzelt, mit tausend klaffenden Wunden und Schrunden seinem Verhängnis entgegentreibt, während er bei der Wucht seiner Strömung zugleich ganze Massen von Eis, die nicht mitzukommen vermögen, unbarmherzig an die harten Uferfelsen drückt, sie hier zu phantastisch gequetschten Klötzen zusammenpreßt und in solcher Gestalt aufeinandertürmt ( s. vorn in der Mittewenn wir uns eine Weile sinnend in dieses wunderbare, gewaltige Spiel verborgener Kräfte, in dieses Wiegen, Wogen, Drängen und Vorwärtsschieben versenken, so scheint der starre Eisstrom auf einmal lebendig zu werden und auf uns heranzurücken. Und da es dabei zugleich in der geheimnisvollen Tiefe beständig ächzt und gurgelt und rauscht und grollt und die Gletscherspalten mit der wechselnden Beleuchtung alle Farben des Meeres zeigen, so kann die erregte Phantasie dazu kommen, sich Vorstellungen zu bilden wie die, es wälze sich da ein mächtiges, unheimliches Getier heran, seltsam gestaltet, mit stachligem Rücken, blau und grün schillerndem Schuppenpanzer und langem Schweif, und wir verstehen es, wenn das Volksgemüt unter dem überwältigenden Eindruck einer so großen, einzigartigen Erscheinung, von Verwunderung und Schrecken ergriffen, seiner Erregung in abergläubischen Sagen von Drachen und Lindwürmern Luft macht. Über dem langsam, unaufhaltsam dahinziehenden Strome aber stehen fest und unerschütterlich im leuchtenden Purpur der ewig jungen Morgensonne die hohen, schönen Walliser Fiescherhörner. Welch ein Gegensatz!

3. Der Triestgletscher.

Südlich vom Olmenhorn und dem an seinem Fuß herabgleitenden mittleren Aletschgletscher erhebt sich als Absenker des Aletschhornes das Sättelihorn ( 3270 m ), nicht zu verwechseln mit dem weiter oben und weiter hinten sich erhebenden viel höhern Sattel- oder Geißhorn ( 3748 m ). Mit diesem, dem Sättelihorn, beginnt zur Rechten das Bild vom Triestgietscher. Auch dieser ist nur ein Zufluß des großen Aletschgletschers. Er ist umrahmt von einem Kranz reizend gestalteter Berge, die sich durch ungewöhnlich zierlich aufgesetzte steile, schlanke und scharfe Spitzen auszeichnen: im Norden der Geißgrat mit dem Geiß- oder Sattelhorn, in der Mitte der Rotstock, auch Rothorn benannt, und zur Linken die Fußhörner, die sich gleich wie der Geißgrat bis zum Aletschgletscher herunterziehen und in halber Höhe mit dem Geißgrat zusammenschließen. Diese Berge bilden zusammen gleichsam eine Schüssel, und diese Schüssel war noch bis vor 30 Jahren ganz mit Eis gefüllt. Das war der Triestgletscher. Jetzt ist die untere Hälfte abgeschmolzen; die obere hängt noch da und bildet nun das, was sich noch Triestgietscher nennen läßt. Breite Spalten, die ihn durchfurchen, lassen voraussehen, daß über kurz oder lang wohl noch weitere Partien abstürzen werden und zuletzt nur noch ein kleines Gletscherchen übrig bleiben wird, bis vielleicht auch dieses noch verschwindet. Man mag das bedauern. Einen Gewinn aber hat das Verschwinden der untern Hälfte gebracht: man sieht nämlich, was unter dem Gletscher war. Es hat sich da eine Felsfläche abgedeckt, die man früher nicht kannte, die aber nun in geradezu typischer Weise zeigt, was ein richtiger Gletscherschliff ist. Denn ganz geglättet ist die Felswand, förmlich poliert durch das jahrtausendelange langsame Herunterrutschen und sich Reiben des Eises an der granitenen Unterlage. So poliert und glattgeschliffen ist der Fels, daß er glänzt wie ein Spiegel und die Sonne sich darin reflektiert. Dazwischen haben die Wässerchen, die dem Gletscher entfließen, sich Furchen gegraben, und unter der Felswand rinnen und rieseln sie anmutig hervor und eilen dann vereint der Tiefe zu, um zuletzt mit keckem Sprunge sich in den Aletschgletscher hinabzustürzen, der unten vorbeiströmt " und den man sehen könnte, wenn nicht die Vordergrundfelsen ihn verdeckten. Links neben dem Bache steht ein einsames, kleines Schäferhüttchen. Noch weiter links am Fuß der Fußhörner tritt uns — gleichfalls in typischer Weise — eine seitliche Gletschermoräne entgegen, die ganz am Rand des Bildes in einer ähnlichen Erhebung von Sand und Bergschutt ihr Gegenstück findet. Der Gletscher hat diese Sandhügel aufgeworfen mit dem Material, das er im Lauf der Zeiten aus den Bergen heraus mitgebracht hat. Dieser Gletscher aber, der obere Aletschgletscher, einst ein mächtiger Geselle, der teils direkt vom Großen Aletschhorn, teils vom Nesthorn, Beichgrat und Schienhorn herunterkommt, der zur Zeit, als die Dufourkarte geschaffen wurde, ja noch, als das Siegfriedblatt dieser Gegend entstand und Ingenieur Imfeld sein Eggischhorn-panorama zeichnete ( 1880 ), sich in voller Breite von einer Moräne bis zur andern ausdehnte und ganz in den großen Aletschgletscher hinunterflowie ist er seither zurückgegangen! Nur das kleine Dreieck, das sich da in die vom Bache ausgewühlte Rinne drängt, ist noch übrig geblieben. Abermals ein typisches Beispiel vom rapiden Zurückweichen der Gletscher in den letzten Jahrzehnten. Noch erzählen die kräftigen Guferlinien auf seinem dünn gewordenen Rücken von einstiger größerer Bedeutung der Gletschermassen, die hier zusammenstießen, und bereits hat der Rasen angefangen, auf dem von ihm bloßgelegten Grunde sich festzusetzen. Achten wir noch auf das Tal, das oben vor dem Schienhorn rechts einbiegt. In dieses steigen die Hochtouristen hinauf, wenn sie von der Südseite her das Aletschhorn besteigen, und rechts unter dem vom Schienhorn herabfließenden Gletscher steht, auf unserm Bild nicht mehr sichtbar, 2670 m hoch, die Clubhütte, die ihnen schützendes Dach gewährt, die Oberaletschhütte.

Fassen wir alles zusammen, was die Schilderung dieser drei Zeichnungen uns sagte, so werden wir nicht umhin können, zu gestehen, daß ein Punkt wie der Ort ihrer Entstehung auf der Riederalp, daß überhaupt die ganze dortige Gegend, so unendlich reich an herrlichsten und interessantesten Hochgebirgsbildern, wahrlich wohl wert ist, von Scharen schönheitsdurstiger Menschen aufgesucht zu werden. Und wer einmal länger auf den sonnenbeglänzten Höhen über dem Aletschgletscher weilte, der stimmt in seiner Sprache in das alte Walliser Sennenlied ein, das da sehnsuchtsvoll ausruft:

0 wie bin ich in Aletsch gäru ( gern ), 0 wie ischt mir in Aletsch wohl! Tuot mer schi 's Härz im Lyb erfreuwu, Wen ich gägu-n-Aletsch soll!

Dr. Ernst Buß.

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