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Aus dem Leben der Gebirgsmundarten

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Von Manfred Szadrowsky.

Auch diesmal soll von Bündnerdingen die Rede sein, vorerst von einer eigenartigen Ortsnamenfügung, auf die der Wanderer und Bergsteiger da und dort in Walsergegenden stösst.

Da heisst zum Beispiel in St. Antönien ein kleines « Mahd », das « im Loch » liegt, ds Lochsch Medji, ein Gaden in einem Riet ds Rietsch Gadä, ein anderer Tsckuggsch Gadä zum Ortsnamen Tschugg, und Tällisch Bord gehört zum Tälli « Tälchen ». In Langwies hat eine kleine Ebene in der Nähe einer Bergspitze, die als Hoorä, « Horn », bezeichnet wird, den Namen Hoorisch Boden.

Das sind zweigliedrige Verbindungen oder Zusammensetzungen, deren erstes Glied selber schon eine Geländebezeichnung, und zwar im Wesfall ist.

Am fruchtbarsten ist diese merkwürdige Namengebung in der Landschaft Davos gediehen. Ich füge die Erklärungen bei, wie ich sie selber von Einheimischen erhalten habe, besonders von Ständerat A. Laely, dazu ein paar sprachwissenschaftliche Erläuterungen.

Ds Zugjisch Witi: unter einem Zug versteht der Davoser eine Schlucht, durch welche die Lawine herunterkommt; die Bezeichnung Zug steht in einem gewissen Gegensatz zu Tobel; ein Tobel ist tiefer eingefressen und meist von Rufen und Runsen begangen, der Zug meist nur von Lawinen ( daher Laubena-Zug ). Ein enger, wenig ausgedehnter Zug ist ein Zugji. So kennt man in Glaris ds eng Zugji, ds heel Zugji ( heel, « glatt » ), ds höö Zugji ( das hohe ). In einem dieser Zugji oder Zugjeni ist eine breite unbewaldete Stelle, e(n ) Witi, und die nennt man seit alten Zeiten ds Zugjisch Witi.

Tälisch Zug ist ein Lawinenzug, der zum Täli gehört.

Ds Wärzugsch Boda ist ein « Boden », eine mehr oder weniger ebene Stelle, im Wär-Zug. In diesem Namen steckt ein altdeutsches Wort werre; das bedeutete Verwirrung, Verwicklung, Störung, Schaden, Not, Bedrängnis, Leid; « Carrara » bei Valendas soll früher Wärra geheissen haben; das erinnert an den Walliser Familiennamen « de Werra », auch « Zen Ruffinen », « Rufenen », « Ruffiner », die von Ruf ine(n ), ruvina abgeleitet sind ( vgl. Schweizerisches Idiotikon 6, 673 ff. ).

Spitzästeinsch Boda ist ein « Boden » am Spitzästein.

Ds Chrummsch Egg: der Chrumm ist eine grosse Bergschlucht, die sich vom Altein nach Ardüs hinunterzieht mit etwelchen Richtungsänderungen. Im untersten Teil nennt man ihn den breiten Zug; da fällt alljährlich die Lawine. Neben der Schlucht zieht sich, ihr entlang, ein Geländerücken hinauf, der von der ganzen Landschaft aus sichtbar ist: der heisst ds Chrummsch Egg.

Runggaltisch Egga gehört zu einem kleinen Rungg, Rongg; dieses Wort ist das mittellateinische roncus, womit Wiesenstücke in Wald oder Allmende bezeichnet wurden ( vgl. Schweizerisches Idiotikon 6, 1129 ).

Ds Bäärgjisch Greetji, ds Bäärgjisch Flüa: zwischen Glaris und Arosa ist auf der Karte « Bergli » verzeichnet. Der Davoser Bärentaler sagt: di AUS DEM LEBEN DER GEBIRGSMUNDARTEN.

Bäärgji ( also Mehrzahl ). Darüber erhebt sich ein Grätlein, das auf der Karte nicht bezeichnet ist: es heisst ds Bäärgjisch Greetji. Unterhalb sind gewaltige Felswände, und die nennt man ds Bäärgjisch Flüa.

Nüllisch Grad ( Grat ), unter dem « Leidbachhorn », gehört zu einem Nülli, einem kleinen Nolla ( althochdeutsch hnollo ), d.h. einem rundlichen Berggipfel, Fels, oder zu einer Mehrheit solcher: d'Nülli ( auch im benachbarten Gebiet, bei der « Vanezfurka » kommt Nülli als Ortsbezeichnung vor ). Das « Rinerhorn » der Karte heisst Rinisch Hora.

Chälawaldsch Büdemji ist ein Büdemji, « Bödelein », im Chälawald. Eine Quelle, die in der Nähe fliesst und die man früher in einen Trog gefasst hatte, heisst Chälawaldsch Trügji, Tröglein. Der Chälawald selber ist ein Wald in einer Chäla, d.h. Rinne, Kluft ( vgl. Schweizerisches Idiotikon 3, 199 ). Beiläufig sei eine andere Quelle erwähnt, Dsetjaggemsch Brunna, « Sankt Jakobs Brunnen » in der Leidbergalp.

Zu Seew, Seewji, « See, Seelein », gehören die Davoser Ortsbezeichnungen Seewjisch Wald, Seewen Boda, Seewigen Boda ( in Visperterminen im Wallis gibt es ein « Seewinenhorn »; vgl. Schweizerisches Idiotikon 7, 1484 oben ).

Auch in Klosters kommen Seewjisch Boden und Seewjisch Hööhi vor.

Oberhalb von Seewjisch Boden heisst es uf Zugsch Egga oder uf Zugsch Eggen; mit Egga ist ein vorspringendes Ende eines Hügels, ein dachähnlicher Ausläufer eines Berges gemeint ( vgl. Schweizerisches Idiotikon 1, 156 ).

Solche Namenfügung muss alt sein; man findet sie schon in walserischem Schrifttum aus dem 16. Jahrhundert, zum Beispiel im « Davoser Spendbuch » von 1562 !).

Da gehört des Waldys gadenstettly im Dischmatal zum Waldy, « Wäld-lein », das auch als das Waldli vorkommt. Des Stillen bärgs bach, ebenfalls in Dischma, kommt vom Stillen barg. Des Thällis bach gehört zum Thälli « Tälchen ». Äcker liegen an dess Rongglis eggen ( wir erinnern uns an Runggal-tisch Egga ).

Besondere Beachtung verdienen entsprechende Fügungen mit weiblichen Wörtern als erstem Gliede ( « Appellativa »im Übergang zu « Namen » ): im Spendbuch kommt der Eebenheuw gadenstat vor, eine Gadenstatt bei einer Ebe(n)-hööchi, Ebe ( n)höi, d.h. einem Lawinenbrecher ( vgl. dazu Schweizerisches Idiotikon 2, 977 ). Ferner erscheint ein Gut, « genannt der Litzy acker », zu Litzi, Schattenseite. Eine Gadenstatt stösst « inwert an der äby zun, usswert an des Stillen bergs bach »; Ebi, Abi ist im Schweizerischen Idiotikon 1, 47 als Name ebener Alpen aus Walser Gegenden bezeugt. Ein Gut stösst « usswert an Sertiger stras, inwert an der Resty stägg »; Resti heisst Rastort.

Man kann beobachten, wie die ursprünglich getrennten Namenstücke zusammenwachsen. Ein Gut in Sertig grenzt « an der Eggen bach »; den trifft man auf demselben Blatt des Spendbuches als « Eggenbach ».

Das Gut « genant die Sutzi » stösst « inwert an der Sutzi bach », « inwert an den Sutzi bach »; dazu gehört « guot, genant Sutzen boden », « Sutzenboden ».

Den örtlichen und auch den « urkundlichen » Zusammenhang, die « Umgebung » in jedem Sinne, muss man denn auch ins Auge fassen, wenn man die Entstehung der merkwürdigen Wesfallnamen begreifen will. Die Zugehörigkeit des Gutes zum Besitzer wurde in unzähligen Wesfallfügungen ausgedrückt: « Hans Ardüschers guot », « Hans Brangers guot », « Hans Bickels Hof », « Christen Birchers berg », gelegentlich eben auch die Zugehörigkeit des Geländestückes zum Gut: « dess Rongglis eggen », auch die Zugehörigkeit des Baches zum Gut, das Zusammengehören von Gelände und Bach: « der Sutzi bach », « des Stillen bärgs bach », « des Thällis bach ».

Da gab und gibt es ja freilich noch eine andere Art des Ausdrucks. Bei « Gelarus », jetzt Glaris, fliesst nach dem Spendbuch der « Gelarusser bach ». Vom See hat der « Seewerberg » den Namen, so noch jetzt, wie auch die Seewer Sunnisiita und Seewer Litzisiita, die Sonnen- und Schattenseite des Davoser Sees: da schuf man also eine als Hauptwort und als Eigenschaftswort brauchbare er-Ableitung Seewer ( vgl. Schweizerisches Idiotikon 7, 1484 ff. ). Man erinnert sich dabei an die Wesfallfügungen Seewjisch Wald, Seewen Boda.

Zur Chumba, Chumma ( romanische Bezeichnung für Mulde, Bergwinkel, vgl. Schweizerisches Idiotikon 3, 290 ) gehört der Chummer Bäärg, schon im Spendbuch zur « Khumba », « Khumben » das « Kumber thobel », « Kumberihobel ».

In Obersaxen gibt es eine Eggerheehi, ein Gegenstück zu « der eggen bach » im Davoser Spendbuch.

Die Lumbreiner Brücke heisst dort Lumbräinersch Briggä. Da ist die er-Bezeichnung noch durch das seh des Wesfalls erweitert. Eine « Nachbarschaft » in Klosters hat den Namen bi der Brüggen, ein Gut Brüggersch Hof, und zwar im Gegensatz zum Platzersch Hof, Hof am Platz. In Pardennersch Boden heisst es im « Boden » ( der Ebene ) der Alp Par denn. Vielleicht macht sich solche Häufung von -er und erstarrtem genitivischem -s,seh schon im Davoser Spendbuch bei « Büelers berg » geltend, falls diese Bezeichnung nämlich unmittelbar zum Flurnamen « in den Büelen » und nicht zum Personen-und Familiennamen « Büeler » gehört.

Die hochalemannische Namenfügung ds Chrummsch Egg, ds Bäärgjisch Flüa steht sicher in Zusammenhang, wahrscheinlich in Wechselwirkung, mit einer entsprechenden rätoromanischen.

C. Pult, Über die sprachlichen Verhältnisse der Raetia Prima im Mittelalter, erwähnt eine Reihe « gut getrennter, typisch rätischer Flurnamen aus dem 14. Jahrhundert » aus der Gegend von Chur: Praw de Kaila « Stauden-wiese », Prada da Dgirs « Neubruchwiesen », und aus Ragaz, ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert, urkundliches « pratecarden », das ist « pratum de cardine », rätoromanisch pra da Carden « Winkelwiese ».

Man erinnert sich auch der häufigen rätoromanischen Ortsbezeichnungen von der Art Cuolm da Latsch, Cuolm da Val oder Fuorcla del Confin, Fuorcla da Surlei.

Häufiger war und ist natürlich die Bezeichnung von Gütern nach dem Besitzer: Simmisch Siita Simons Hang, Häinzen Gaden Gaden des Heinz, of Hitschisch Egg auf Christians « Egg » ( Klosters ).

Da kommt auch noch eine altertümliche Namenbildung zum Vorschein.

Gulrigen Huus heisst eine Alp in Dischma: sie hat den Namen von der Familie Guler erhalten; im Davoser Spendbuch erscheint Gulrigen guot. Dort kommt auch Uoli Bauschig vor, auch Uoli Böüschigs guot und Caspar Böüschigs Hell ( Hell « Hölle » ist häufig als Bezeichnung schauerlicher Örtlichkeiten, Schluchten, Abgründe, vgl. Schweizerisches Idiotikon 2, 1137 f. ): Bauschig ist ein Sammelname für die Leute des Namens Böüsch oder Busch. « Kath. Beuschigin » nennt der Chronist die Gattin des Peter Guler, des Anführers der Bündner in der Calvenschlacht. Der Lorigen hof gehört zum Geschlecht Lori, der Bitschigen hof zum Geschlecht Büschen, Pitschen: der Hof stösst denn auch an Gross Hans Pitschen guot. Batschigen guot gehört zum Namen Batschi, Bätschigen madt zu Bätschi, Brätschigen hof zu Bratschi oder Brätschi.

So fasst man noch jetzt in Davos die Leute des Namens Branger zusammen als Brangeri ( n)g, die Prader als Präderi ( n)g, in Langwies die Mattli als Mattli ( n)g, und in Klosters spricht man von der Bröösigen Huus anstatt der Bröösln Huus, « Haus der Familie Brosi)>.

In Verträgen aus dem 16. Jahrhundert ( im Gemeindearchiv von Valendas ), die sich mit Safier Alpsachen befassen, liest man wiederholt die Bezeichnungen in der Zissligen alpen, in der Zinsligen alp, der Zisliger alb ( jetzt heisst sie nur noch Alp Gu ). Zum Safier Familiennamen Zinsli, der immer Zinsli gesprochen wird, ist also der Sammelname Ziislig gebildet worden. Eine benachbarte Alp heisst noch heutzutage Tscheurig, 1596 Tscheurigen alp, wahrscheinlich die Alp der Tschöri; dieser Name Tschöri ist 1512 für Tschappina bezeugt ( im Wallis Tscherry und Tscherrig ). An diesem Ort lässt sich die Bildungsweise auf -ig auch jetzt noch nachweisen, zum Beispiel Büelerig von Büeler. In Safien hört man zum Beispiel noch Buchlig von Buchli, Testerig von Tester, in Avers Strübig von Strub, Rüedig von Rüedi; d'Kluckerig stammt usem Monta f un, « die Familie Klucker, die Leute mit dem Namen Klucker stammen aus dem Montafun ».

Hinten im Safientale habe ich in einem Gespräch zwischen Safiern und Versamern noch eine besondere Anwendung kennen gelernt, nämlich Ganderig für die Viehherde des Gander, der Familie Gander: die Ganderig, das sin Chogä-Tiäril die Herde Ganders ( auf der Alp da droben ), das sind verwünschte Tiere. D'Brunnerig kann die Viehherde des ( Valendasers ) Brunner sein. In solchen Fällen ist also die Namenbildung von der Sippschaft und Familie auf die Viehhabe übertragen und dadurch der Gebrauch der Bildungsweise erweitert.

Im übrigen ist und bleibt diese « Patronymikalbildung » ehrwürdig, schon durch ihr hohes Alter. Ihren Ursprung aus altgermanischem Boden und ihr fruchtbares Leben auf schweizerischem Boden durch Jahrhunderte hindurch hat A. Bachmann dargestellt ( in der Festschrift für A. Kaegi, 1919 ). Das ganze deutsche Wallis, ein grosser Teil des Berner Oberlandes, das Urner Reusstal, der Bezirk Schwyz, das Glarnerland, die Walsersiedlungen Graubündens kennen diesen eigenartigen Brauch, Leute desselben Geschlechtsnamens durch die Mehrzahlendung -iga,ig zusammenzufassen: Chalbermattriga, Imoberstägiga, Werliga, Schmidiga, Perrig, Petrig, Luchsigerig, Bagge(n)-stöisig, Bachmiga. Fast allenthalben kann die Bezeichnung entweder alle Träger des gleichen Geschlechtsnamens umfassen oder auch ein einzelnes durch Blutsverwandtschaft verbundenes Geschlecht; je weiter wir in die Vergangenheit zurückgreifen, desto eher decken sich natürlich die beiden Fälle.

In manchen Gegenden ist der Gebrauch noch auf andere Bildungen ausgedehnt worden, zum Beispiel auf männliche Eigennamen: zu Fridolin, Jost bildete man d'Fridlig, d'Josig. Er geht sogar über das Gebiet der Eigennamen hinaus zu den Verwandtschaftsbezeichnungen: Schwägrig, Göttig. In Safien habe ich zum Beispiel sagen hören: dar Stall g'höört den ööhige(n ), dieser Stall gehört den ( beiden ) Oheimen.

Die ganze südliche Schweiz kennt diese Namen, und früher waren sie noch weiter verbreitet.

Vor nicht langer Zeit muss nach Forschungen von A. Bachmann und W: Manz der Brauch noch im Sarganserland lebendig gewesen sein. Auf dem « Vorsäss » der Sarganser Alp Tamons führt die eine Hälfte der Alphütte den Namen Locherig-Hüttä ( vom Geschlecht Locher ); in Mels heisst die eine Hütte auf der Alp Siez im Weisstannental Goudig-Hüttä, die andere Agger-mannig-Hüttä ( von den Geschlechtern Good und Ackermann ). Auf das obere Toggenburg, die Gegend von Wildhaus, bezieht sich eine Urkunde von 1320, die von « der Hiltinge guot » berichtet ( zum Geschlechtsnamen Hilti ). Nach einer alten Überlieferung soll der Name Lisighuus für den Weiler, in dem Zwingiis Geburtshaus steht, auf eine reiche ledige Besitzerin namens Elisabeth zurückgehen; in der Nähe gibt es auch eine Lisigalp, im topographischen Atlas Lisigweid, und nach Bachmann ist der « Lisengrat » zwischen Säntis und Altmann gewiss aus « Lisiggrat » entstellt.

Noch ein paar Einblicke in die Wechselbeziehungen zwischen Personen-und Ortsnamen 1 Im Davoser Spendbuch kann man das Herauswachsen von Geschlechtsnamen aus Güternamen verfolgen.

Da erscheint etwa ein Abraham am Büel, dazu auch gerade der Büel, der Bühel, Hügel, wo er wohnt, oder ein Marti am Büel, der zu Zinsen hat ab dem Büel in Sertig. Es wird aber auch schon Hans Ambüels guot geschrieben, also der zusammengewachsene Familienname. Solche Fügungen, zum Beispiel auch Fiori im Bodens guot, lassen deutlich erkennen, dass im Boden wie am Büel, Ambüel als Geschlechtsnamen empfunden wurden.

Auf einem Blatt des Spendbuchs kommen Jöri, Hans, Christen und Anna als Martis zur Tannen eeliche Kindt als gemeinsame Spender vor; ausserdem hat Christen Tanner ein anstossendes Gut. Martis Zurdanen erben erscheinen dann wieder mit ihrem guot in den Brüchen, woran auf einer Seite Cristan Daners guot stösst. Schon früher ist Anna Zurdanen mit einem Gut in den Lerchen neben dem Kumbertobel erwähnt; kurz vorher heisst sie Anna Danery. Man sieht den Geschlechtsnamen Tanner aus der Bezeichnung Zur Tannen herauswachsen.

Christen Bircher gehört zu einem Hof mit einer Birke oder eher einem Birchi « Birkengehölz ».

Thewus Borttmann haust wohl auf einem Gut mit dem Namen Bort « Abhang, Halde »; uf de(n ) Börter kommt noch jetzt in Davos als Flurnamen vor.

AUS DEM LEBEN DER GEBIRGSMUNDARTEN.

Auf einem Blatt des Spendbuches sieht man schön die Mühle, den Mühlbach und den Müller ( Beruf und Familiennamen ) beisammen: « Conrat Müller sol ierlich ab sinem huss und Müllin, zum See gelegen stost ufwerdt an Hans Müler guot zuo der andern siten an den Müllbach, abwerdt an die Müly ».

Auch die lieblichen Kose- und Verkleinerungsformen des Walserdeutschen sind schon früh nicht nur den Leuten, sondern auch dem Gelände zugesprochen worden.

Man trifft im Spendbuch zum Beispiel Güternamen mit dem die Walser kennzeichnenden -ti und -elti: Uebeltis berg, Näbeltis Barg, dz Albelti, Alpelti « Älplein », Mattelti « kleines Mahd »: die Namen bestehen noch heutzutage. Mit der Verkleinerungssilbe -fi erscheinen « Bödelein » und « Dörflein »: Bü-demie = Büdemji; die Büdemie gadenstaü; im dorffie Sertig. Auf -li ( -li und -ji beruhen auf derselben Grundlage ) gehen aus: Büdemli, wisly, gaden-stettli, bächly, gässlin, zünli. Für ein Wäldchen steht einmal das Waldli, ein andermal das Wald y; ein bestimmtes Gut heisst das Rongli und das Rongy ( zu Rongg Rodung ); es gab und gibt eben auch Verkleinerungsformen mit einfachem -i. Es kommt auch das daily « Tälchen », und ein bergmad im Telli vor. Unklar ist das Ottychy für ein Gut in Monstein.

Eine Verkleinerungs- oder Koseform auf -zi ist Paultzi für einen kleinen oder jungen Paul: Paultzi Meisers kindts guot. Für einen jungen oder kleinen oder lieben Hans stehen folgende Namensformen zur Wahl: Hansi, Hansli, Hanseli, Hännsly, Hensli, Häni, ausserdem Kleinhannsy, Junghans, Knabenhans. Man trifft zum Beispiel einen Kleinhannsy Müller hinder dem See, ferner einen Junghans Wildiner und stösst auf des Knabenhans guot. Mit dem Kleinhans muss man etwa den Gross Hans Pitschen vergleichen. Eine Form auf -schi ( wie etwa Hündschi Hündlein, Hendschi Händlein, Eischi Eilein ) liegt in dem Beinamen Kintschi vor, der « Kindlein » bedeutet.

Hübsch und zugleich lehrreich für die Geschichte der Beinamen und Familiennamen ist das Verhältnis dieses Kosenamens Kintschi = Kindlein zu dem Zunamen Klein und dem ebenfalls auf Kleinheit gespitzten Namen Knopf. Der Marti Klein in der Spynen scheint zwar für sich zu stehen. Aber es wohnt ein Hans Knopf genant Clein in Sertig; alt Hans Klein in Sertyg spendet von seinem Gut ( das Hans Rüedis seligen gesin ist ); das stösst an Hansen Knopfs guot und an Kindtschy Knopfs guot. Im Oberen Laret ist Paul Knopfs guot neben einem Gut des Claus Rüede, und dort hat Paul Knopf, genant Kintschy, ein Gut neben einem andern, so er von Clauss Rüedi erkauft hat, übrigens immer noch als Nachbar von Clauss Rüedis guot. Es sind offenbar kleingewachsene Leute: schon der Name Knopf ist auf die Kleinheit gemünzt, ebenso dann der weitere Zuname Klein und die verkleinernde oder kosende Bezeichnung Kintschi. Im Oberen Laret ist ferner des selgen Geross ( Gross ) Hans erben guot, auf des selgen Geros Hans Büschen erben Gut; später erscheint auch hinder dem See Gross Hanss Pitschen guot, ferner Bitschigen Hof, auch das Gut des Cristan Fytt, genampt Pitschen. Der als « gross » bezeichnete Hans, der, wie gesagt, ebenfalls im Oberen Laret wohnt, ist wohl ( falls nicht einfach der « ältere » gemeint ist ) gross im Gegensatz zu den kleinen « Knöpfen », Die Alpen — 1937 — Les Alpes.3 vielleicht ein verhältnismässig Grosser aus jener kleingewachsenen Sippschaft, die schon durch den Namen Pitschen als « klein » gekennzeichnet worden war.

Eine besondere, sonst hauptsächlich im Norden verbreitete Art Namenfügung, nämlich Bildung des Familiennamens durch Zusammenschluss des Vaternamens mit « Sohn », ist im Spendbuch vertreten durch Elsy Niggensüni, Joss Lamperts seligen uerlasne hussfrow: das war die Frau eines Niggensun, und dieser der Sohn eines Nigg, Nigo ( Nikolaus ). Dieser Name Niggensun ist sonst mehrfach in Langwies bezeugt. Dort lebt auch Niggsch Schluecht als Flurname, ferner Nigglisch Haus.

Mit der volltönenden Namensform Nigo tritt ein solcher « Nikolaus » zum Beispiel im Davoser Spendbuch auf: Nigo Wildiner neben Nig und Nigg Wildiner, ferner ein Berno zu Ardüsch neben Berni Zurdüsch, ein Matthyo in Serthig, der auch Mattly in Sertig heisst. Das ist eine im Althochdeutschen fruchtbare Namenform: Kuono, Berhto, also wieder etwas Altehrwürdiges wie jene Sippschaftsnamen Bauschig, Brangerig.

Im Jahrzeitbuch der Kirche von Langwies kommen um 1500 vor: Henno ab Brätsch, Henno Walkmeister neben Henni, auch Erno, ferner Walther Enngo neben Engi sons guot, auch Hans Euro ab Brätsch, Etro, Eter, Euer.

Diese altdeutschen Namensformen sind noch nicht ausgestorben. Noch in den letztvergangenen Jahrzehnten brauchte man in Davos Namen auf -u ( für jenes alte -o ) hauptsächlich von grossen Männern, und zwar ohne Tadel ( von kleinen eher die Formen auf -i ). Heutzutage verwendet man Formen wie Bänu ( Bernhard ), Ändu ( Andreas ), Chuonu ( Konrad ), Heinu ( Heinrich ), Happu ( Kaspar ), Fluru ( Florian ), Mäschu ( Martin ) nur dann, wenn man Abneigung oder Hass ausdrücken will, nur noch in verächtlichem oder gehässigem Sinne. Die Formen sind grob, abschätzig. Gegenwärtig nennt man wohl keinen einzigen Menschen in Davos ständig so. Nach einem Mäschu ( Martin ) hat der Maschen Grat den Namen, das heisst also « Martins Grat ».

Den vollen althochdeutschen Ausklang haben auch weibliche Ortsbezeichnungen, und in den alten Davoser Land- und Kirchenbüchern wird das -a geschrieben: die Wildt Matta, Wiltmatta, die Steinig Matta, die Ober Matta, die Kriegmatta, die Egga, die Bünda, die Haltta, die Salzgäba, die Bären-falla, die Geruoba ( Grube ). Fürs Ohr lebt das alles noch.

In andern Namen geht das auslautende -a aufs Rätoromanische zurück: « die voppa » ( Bodensenkung ), « in der Khumba » ( Mulde, Bergwinkel ), « huss und hoff, genannt die horlowenna » ( Schlammlawine ). Alle die Namen sind noch jetzt mit -a lebendig.

Auch die Flurnamen, die im Altdeutschen auf -i ausgingen und in der Volkssprache noch heute so ausklingen, dürfen im walserischen Schrifttum in voller Leiblichkeit auftreten: Wildi, Herti, Grüeni, Stilli, Rütti ( Rodung ), Resti ( Rastort ).

Es klingt viel nach aus alter Zeit im Namengut von heute. Lebendig Gegenwärtiges kann im jahrhundertealten Schrifttum antönen. Einst und jetzt: eines erzählt vom andern und erklärt das andere. Der Wandrer hört sie beide und erwandert sich um so reichem Schatz des Erlebens.

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