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Bergführertum und alpiner Naturschutz

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Von Eduard Tenger

( Nach einem im bernischen Bergführerkurs 1942 gehaltenen Vortrag. ) ( Bern ).

Dass in einem Bergführerkurs mit der technischen Instruktion der Teilnehmer im Kursprogramm erstmals auch eine Aufklärung über Naturschutz verbunden wurde, war eine vom Schweizerischen Bund für Naturschutz längst herbeigewünschte Neuerung, für deren Verwirklichung dïm Präsidenten der bernischen Führerkommission, Herrn Oberstleutnant Paul Simon, Vorsitzendem des Schweizerischen Landesverbandes für Leibesübungen, der aufrichtige Dank aller Bergfreunde gesichert bleibt.

Nachdem seit Erlass der ersten Führerreglemente bald hundert Jahre, seit der Gründung des S.A.C., achtzig Jahre vergangen sind, kommt der Appell an das heimatschützerische Gewissen angehender Bergführer jedenfalls nicht zu früh, liesse vielmehr nur die Frage aufwerfen, weshalb solche Belehrung und Verpflichtung in der Führerausbildung überhaupt so lange auf sich warten liess? Die Antwort auf diese beklemmende Frage mag für einmal offen bleiben, wohl aber darf man sich in diesem Zusammenhange vor Augen halten, was neben den beiden grossen Landesvereinigungen des Naturschutzbundes und der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz, als den eigentlichen Trägern des Natur- und Heimatschutzgedankens in der Schweiz, der sehr viel ältere S.A.C., der Betreuer des Bergführerwesens, für eben diese Bestrebungen zur Erhaltung unserer Naturschönheiten getan hat?

Während der ersten Jahrzehnte lagen die Hauptziele des S.A.C. begreiflicherweise zunächst in der Erforschung des Hochgebirges, die durch Erleichterung von Wanderungen, An age von Schirmhü ten, Publikationen und den Ausbau des Führerwesens gefördert werden sollte. Doch hat sich der S.A.C. schon verhältnismässig früh auch um die Erhaltung der Schönheit unserer Berge bemüht. Massnahmen zum Schutze der alpinen Flora und Fauna sind in den einzelnen Sektionen schon in den Siebzigerjahren zu erkennen.

Man forderte eine Vermehrung der Bannbezirke und strenge Handhabung der Wildhut, in leergeschossenen Gegenden am Säntis und Alvier wurden Murmeltiere ausgesetzt, und die Sektion Rätia bestrebte sich in den Jahren 1878 und später, das Steinwild wieder in Graubünden anzusiedeln. Der mit der Entwicklung der Feuerwaffen stets bedrohlichere Rückgang des Alpen-wildes veranlasste den S.A.C. im Jahre 1874 zu einer Eingabe an die Bundesbehörden, worin unverzüglich bundesrechtliche Massnahmen zum Schutze des Hochwildes gefordert wurden. Der Erlass des ersten Bundesgesetzes über Jagd- und Vogelschutz vom 17. September 1875 mit seiner segensreichen Institution eidgenössischer Freiberge ist nicht zuletzt auf diese Petition des S.A.C. zurückzuführen. Unter der Zentralleitung der Sektion Berner Oberland ( 1892-1895 ) wurden weitere systematische Massnahmen zum Schutze der Alpenflora und zur Erhaltung der Naturschönheiten gefordert. Ein ein-lässliches Naturschutzreferat vor der Delegiertenversammlung 1892 des damaligen Oberländer Staatsanwaltes und Nationalrates Zurbuchen bildete die Grundlage dazu und wurde später als Motion in der Bundesversammlung eingebracht. In die nämliche Oberländer Amtsperiode des S.A.C. fallen weitere Motionen zum Schutze der Alpenpflanzen, insbesondere des Edelweiss, eine solche der Sektion Wildhorn für ein Verbot rauchlosen Pulvers auf der Hochjagd und ein Gesuch an die Bundesversammlung, für den Fall der Konzessionierung einer Jungfraubahn jedenfalls den Jungfraugipfel als solchen für den Alpenwanderer unberührt freizuhalten. Mit welchem Weitblick hat der S.A.C. gerade mit diesem Postulat die der Technik im Bergbahnbau gezogenen Grenzen rechtzeitig erkannt, damit auch — freilich unbewusst — die Konzessionsbedingung der Errichtung einer meteorologischen Forschungsstätte an der Endstation der Bahn ausgelöst, die nun ihrerseits mit dem Sphinx-pavillon als stolzer Krönung der Jungfraubahn nach 50 Jahren dafür gesorgt hat, dass der unerträgliche Gedanke einer bahntechnischen Versklavung des eigentlichen Jungfraugipfels für alle Zeiten begraben ist. Zum Schutze des Rheinfalls bei Schaffhausen vor industrieller Zerstörung hatte sich schon 1887 die Sektion Uto des S.A.C. unter der begeisternden Führung Arnold Heims eingesetzt. Ohne jene Aufrüttelung heimatschützerischen Gewissens wäre es heute um das in ganz Europa berühmte Naturschauspiel dieser herrlichen Stromschnelle vollends geschehen. Dass die Felswände der Schöllenenschlucht 1888 nicht durch Reklameinschriften verschandelt wurden, war wiederum dem Eingreifen des S.A.C. zu verdanken. Unterstützt sozusagen von der ganzen öffentlichen Meinung auch des alpinen Auslandes führte der S.A.C. den Kampf gegen das Projekt einer Matterhornbahn und förderte die aus diesem erfolgreichen Abwehrkampfe hervorgegangenen Bestrebungen des im Jahre 1909 gegründeten Schweizerischen Naturschutzbundes zur Schaffung eines schweizerischen Nationalparkes im Unterengadin. Der Bau einer Diableretsbahn konnte auch nur dank dem Eingreifen der waadtländischen C. Sektionen verhindert werden. Die Sektion Basel wollte den Kampf des S.A.C. gegen die Gipfelbahnen auf einen prinzipiellen Boden stellen und forderte eine statutarische Kundgebung des Gesamtklubs « gegen Verunstaltung und Profanation des Hochgebirges ». Die Statutenrevision 5t von 1907 begnügte sich alsdann mit einer entsprechenden Erweiterung des 1 insofern, als « die Erhaltung der Schönheiten der Schweizer Alpen » als eines der Hauptziele des S.A.C. bezeichnet wurde.

In den gegenwärtigen Statuten des S.A.C. sind Zweck und Aufgabe dieser Landesvereinigung in Art. 1 wie folgt niedergelegt: « Der Schweizer Alpenclub ( S.A.C. ) ist eine Vereinigung von Freunden der Alpenwelt. Sein Zweck ist, Gebirgswanderungen zu irleichtern, die Kenntnis der Schweizer Alpen zu erweitern, der Erhaltung i lirer Schönheit zu dienen und dadurch die Liebe zur Heimat zu wecken und zu pflegen. » Der Gedanke des Schutzes der Berge vor Entstellung und Verunstaltung — alpiner Naturschutz im besten und weitesten Sinne des Wortes — ist damit als ein Hauptziel des S.A.C. in seinen Statuten fest verankert.

Diese Zielsetzung auch des S.A.C. kann nicht nachdrücklich genug unterstrichen werden in einer Zeitperiode, da sich der Alpinismus so sehr in die Breite ausdehnt, um dadurch an Tiefe einzubüssen. Welch eine gewaltige Wandlung sich in der Entwicklung des S.A.C. in den 80 Jahren seit seiner Gründung vollzogen hat, ist jedem C. Mitgliede bekannt. Was alles wartete dem S.A.C. in seiner ersten Zeit allein nur an Forscherarbeit, und wie viele Gipfel harrten damals noch ihrer Erstbesteigung. Heute aber sind alle Gipfel erstiegen, sozusagen auch sämtliche Bouten bekannt und in der alpinen Literatur niedergelegt, die Anmarschzeiten durch die verbesserten Verkehrsverhältnisse und durch die L nterkunftshütten ganz ausserordentlich verkürzt. Es besteht daher in allen leitenden Kreisen des S.A.C. seit Jahren Einigkeit darüber, dass es mit den 117 Klubhütten — die vielen Skihütten der Sektionen nicht einmal mitgerechnetnun nachgerade genug sei, dass für neue Hütten eigentlich kein Bedürfnis mehr vorhanden ist, höchstens da und dort noch für eine Vergrösserung und für den Umbau auf Winterbetrieb. Einigkeit besteht seit mehr als 10 Jahren bei der Klubleitung auch darüber, dass der S.A.C. der Überhandnähme von Rekordsucht und Sportfexerei mit allen Mitteln entgegenzutreten hat und dass als erstes und höchstes Ziel des S.A.C. um hier das prächtige Bekenntnis des Zentralprasidenten Dr. Gugler am I. Schweizerischen Fremdenverkelirskongress von 1933 wiederzugeben — die Erhaltung der Berge in ihrer Schönheit zu gelten hat, eine stille und ruhige Verehrung der Alpen weit, als Urgrund und Quell einer Heimatliebe, wie ihr Conrad Ferdinand Meyer in seinem mvergänglichen « Firnelicht » Ausdruck gegeben hat.

Was sich dergestalt als Erkenntnis der gegenwärtigen Hauptaufgabe des S.A.C. bei seinen geistigen Führern klar durchzuringen vermochte, das müsste nun auch den breiten Schichten der Klubmitglieder, vor allem aber auch der Elite der Bergführer zum Bewusstsein kommen.Fortsetzung folgt. )

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