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Das Brockengespenst

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J rVon Martin Jaggi

Mit S Bildern ( 146—150 ) und 1 SkizzeWinterthur ) « Es leben viele, die das nie gesehn », lässt Schiller im « Wilhelm Teil » einen Eidgenossen in der Rütliszene sagen. Diese Worte beziehen sich auf einen « doppelten Regenbogen mitter in der Nacht1 ». Mit gleicher Berechtigung gilt der Satz aber auch für das Brockengespenst, obwohl diese Erscheinung durchaus kein e Seltenheit ist. Der aufmerksame Beobachter, der die Bedingungen seines Zustandekommens kennt, kann es zu jeder Jahreszeit und fast überall zu Gesicht bekommen. Professor Albert Heim, der das Brockengespenst einige hundertmal gesehen hat, hat es nicht nur überall in den Alpen, sondern auch auf dem Uetl: berg und auf dem Zürichberg angetroffen. Das Brockengespenst, 1 Vermutl ch war Schiller einmal Augenzeuge einer mehrfachen farbigen Mondaureole oder eines doppelten Mondhalos.

das in der Literatur auch etwa Dolomitengespenst oder Rigigespenst genannt wird, hat mit dem Brocken, den Dolomiten und dem Rigi ebensowenig und ebensoviel zu tun wie ein Regenbogen mit der Landschaft, in der er sich präsentiert. Es ist in dieser Zeitschrift verschiedentlich sehr gut beschrieben worden, so in der Aprilnummer dieses Jahrganges. Deshalb mag es jetzt wohl angezeigt sein, dieses subtile Gebilde dem Leser auch zu erklären l. Dabei müssen wir uns stets vergegenwärtigen, dass sich die Erscheinung zum Teil aus objektiven und zum Teil aus subjektiven Einzeleffekten zusammensetzt, dass das Brockengespenst somit je nach der Stärke dieser Einzel-ursachen recht verschieden auftreten kann. Im folgenden sind zunächst gewisse Extremfälle dargestellt, und es bleibt dem Leser weitgehend überlassen, seine persönlichen Beobachtungen mit unseren Ausführungen unter einen Hut zu bringen.

Mit einer kleinen Dosis dogmatischen Vereintachens lässt sich das Brockengespenst aufteilen in einen objektiven Anteil — das dunkle Nebelbild oder Schattenbild, das eigentliche « Gespenst » — und in einen subjektiven Anteil, die hellen, oft farbigen Kränze ( Fig. 2 ).

Befassen wir uns zunächst mit dem « objektiven » Anteil. Das Nebelbild ist einfach der eigene, in einen mehr oder weniger dichten Nebel hinein projizierte Körperschatten. Man erkennt dies sofort, wenn man sich als Erzeuger des Brockengespenstes zwischen der Sonne und einer kompakten, nicht allzu fernen Wolkenwand befindet. Der Unterschied gegenüber einem gewöhnlichen Schattenbild rührt vom Nebel her. Dieser ist natürlich keine ideale Projektionswand, sondern ein veränderliches für die Sonnenstrahlen mehr oder weniger durchlässiges, räumliches Gebilde, eine Projektionssc/uc/i/. Die Eindringtiefe der Sonnenstrahlen in die Wolke ist ein Mass für die Tiefe dieser Projektionsschicht. Bei den dichtesten Wolken, z.B. bei einem quellenden Kumulus oder bei einem Nebelmeer beträgt sie oft kaum einen Meter. Das Aussehen des Brockengespenstes ist weitgehend bedingt durch die Tiefe der Projektionsschicht.

Kompakte Wolken, beziehungsweise schmale Projektionsschichten, ergeben relativ scharfe Schattenbilder, die wir im Raum mit unsern Augen gut lokalisieren können und die auch ein seitwärts stehender Beobachter noch einigermassen sehen kann. Es sieht zum Beispiel ein jeder Teilnehmer einer Seilschaft seinen eigenen und auch die Schatten seiner Kollegen. Selbstverständlich können die Leute das komplette Schattenbild nur sehen, wenn die Wolke mindestens einen Abstand von einigen Metern hat. Sie dürfen sich nicht bereits im Bereich der Projektionsschicht befinden ( Fig. 2 ).

Ist die Wolke lichter, die Projektionsschicht also tiefer, so wird das Nebelbild « gespenstischer ». Es ist als Ganzes undeutlich, diffus. Eine Schätzung der Entfernung und der absoluten Grösse wird für den Beobachter schwierig, wenn nicht ganz unmöglich. Der ausgestreckte Arm und die Beine erscheinen 1 Prof. Albert Heim hat bereits im Jahr 1878 das Brockengespenst als Wirkung der Perspektive — wir sagen im folgenden « als Wirkung des Schattenkörpereffektes » — erklärt ( Jahrbuch S.A.C. 1878/79 ). Diese wohl wichtigste Ursache der « Verzerrungen » scheint bei den neuen Erklärungsversuchen vergessen worden zu sein.

Brockengespenst I

Diese beiden Bilder erschienen bereits in ,,Die Alpen ", 1933, gegenüber Seite 129. Sie werden erneut wiedergegeben, da sie mit dem in dieser Nummer abgedruckten Artikel im direkten Zusammenhang stehen. Aufnahmen von A. Brack, Zürich

Brockengespenst am Säntis

Entfernung des Nebels gross gegenüber der Tiefe der Projektionsschicht Entfernung des Nebels klein gegenüber der Tiefe der Projektionsschicht146/147 Das Brockengespenst zeigt die verlängerten Extremitäten Art. Institut Orel] Fussli A.G. Zürich. 1347 - T.oa Sl™.

im Schattenbld merkwürdig verlängert und vergrössert. Die ganze Erscheinung ist verzerrt. Diese Eigentümlichkeiten, die schon manchem alpinen Draufgänger vorüt ergehend einen Schreck in die Knochen gejagt und unserem Nebelbild der Namen « Gespenst » eingetragen haben, lassen sich jedoch leicht « naturalistisc i » erklären. Der Erzeuger des Gespenstes blickt in seinen eigenen, räumlichen Schatten, in seinen Schattenkörper. Als Gedankenexperiment dürfen wir uns den Nebel ohne merklichen Fehler ersetzt denken durch eine Unzahl von äusserst schwach mattierten Glasscheiben. Diese Scheiben sollen voneinander den gleichen Abstand haben und senkrecht zu den Sonnenstrahlen stehen. Wegen der leichten Mattierung entsteht auf jeder Scheibe ein scharfes, kongruentes Schattenbild des Beobachters ( Fig. 3 ) ( vom Halbschatteneffekt wollen wir vorläufig absehen ). Jetzt verfolgen wir die einzelnen Blickrich-tungenB ickstrahlen ) des Beobachterauges durch die Scheiben hindurch. Der zu den Sc nnenstrahlen parallele Blickstrahl ist der einzige, der dauernd im Schattenkörp ;r verläuft. Alle andern Blickstrahlen treten früher oder später auf beleuchtete Stellen der Scheiben. Je mehr Scheiben ein Blickstrahl im Schatten durchdringt, um so dunkler erscheint für den Beobachter die betreffende Richtung. Bei visueller E eobachtung ist die dunkelste Blickrichtung diejenige des Schattens des Kopfes, bei Photographien diejenige des Schattens des Apparates. Da sich keines der überaus vielen Scheibenbilder vor den andern irgendwie auszeichnet, kann der Beobachter im Extremfall für jede Blickrichtung nur eine Helligkeit, nicht jedoch eine Entfernung empfinden. Sein Bildeindruck ist raumlos ur d distanzlos, dem Wesen nach etwa vergleichbar mit den Licht-empfindunger, die man wahrnimmt, wenn man bei geschlossenen Augen mit den Findern auf die Augenlider drückt, natürlich abgesehen von den Farben. An Hand der Figur 1 überzeugt man sich leicht, dass dieser Bildeindruck trotz seiner Verwaschenheit mit dem Beobachterumriss gewisse Ähnlichkeiten hat. Die erwähnten verlängerten Extremitäten lassen sich leicht erklären. Ein ausgestreckter Arm erzeugt im Schattenkörper eine ebene Schattenschich ', deren Orientierung durch die Armrichtung und die Sonnenstrahlen bestimmt ist. Befindet sich der Kopf des Beschauers über oder unter dieser Schicht, so wird sie von den Blickstrahlen in mehr oder weniger langen Strahlenabschnitten geschnitten und durchdrungen. Wird der Arm so bewegt, dass der Abs;and des Kopfes von der Schatten Schicht sich verkleinert, so werden die unbeleuchteten Blickstrahlenabschnitte länger, die betreffenden Blickrichtungen also dunkler. Der vorher im Brockengespenst fast unsichtbare Arm wird dadurch immer besser sichtbar. Wenn der Kopf vollends in die Schattenschic !it eintaucht, werden die Blickstrahlen überhaupt nicht mehr geschnitten, SDndern sie verlaufen innerhalb der Schattenschicht. Wenn der Beobachter zudem noch unmittelbar vor dem Nebel steht, so ist der betreffende Blickstrahlenfächer ziemlich weitwinklig. Der Arm erscheint im Brockengespenst als juffälliger, dunkler, nach aussen riesenhaft verlängerter und vergrösserter Schatten. Wir sehen, dass das Zustandekommen der verlängerten Extremitäten an eine wesentliche Bedingung geknüpft ist: sie können nur dann in ihrer vollen Ausbildung gesehen werden, wenn der Kopf sich in der entsprechenden Schattenschicht befindet. Sie haben wahrscheinlich nur deshalb DAS BROCKENGESPENST den Ruf, sie seien schwierig zu photographierez weil der Apparat und der Kopf des Beobachters sich meistens nicht auf der gleichen Höhe befinden und deshalb nicht das gleiche Brockengespenst sehen können. Eine Simultan-aufnahme mit zwei Apparaten wäre in dieser Hinsicht wertvoll.

Der Übersichtlichkeit halber seien die beiden geschilderten Extremfälle des Schattenkörpereffektes noch einmal einander gegenübergestellt:

Tiefe der Proj ektionsschicht verglichen mit der Entfernung des Nebels vom Erzeuger des Brocken- gespenstes:

Aussehen des Brockengespenstes:

klein einfacher, naturgetreuer Schatten. Entfernung min-stens 5 m gross ausgedehnter Schattenkörper erzeugt von radial gestellten Extremitäten den subjektiven Eindruck eines verlängerten und vergrösserten Schattens Für einen zweiten, seit-wärtsstehenden Beobachter ist die Erscheinung:

Beispiel:

auch sichtbar nicht sichtbar Fig. 2 Fig. 1 Das Brockengespenst, das den Bergsteiger irgendwo unterwegs überrascht, nimmt im allgemeinen innerhalb dieser beiden Idealfälle hgendeine Zwischenstellung ein. Dei subjektive Bildeindruck hängt dabei nicht nur von der Tiefe und Entfernung der Projektionsschicht, sondern auch von der Reaktionsfähigkeit und optischen Erfahrung des Beobachters ab. Das Sehen besteht ja weitgehend auch aus psychischen Vorgängen. Ein Mensch, der sich beim Betrachten des Gespenstes an die Existenz des Schattenkörpers erinnert, sieht es anders als ein Laie, der von der Erscheinung noch nie etwas gehört hat.

Bis jetzt hatten wir die weiteren Ursachen der Erscheinung des Brockengespenstes absichtlich ausser acht gelassen. Auch bei gleichbleibender Beschaffenheit des Nebels ist das Aussehen des Schattenbildes sehr stark abhängig vom Abstand. Es wird mit zunehmender Entfernung unscharf, um schliesslich ganz zu verfliessen. Merkwüidigerweise überrascht uns diese Erfahrung kaum, trotzdem sie im diametralen Gegensatz zum Schatten-körpereffekt steht. Das Verhalten empfinden wir deshalb als normal, weil die gleiche Erfahrung überhaupt mit jedem Schatten gemacht wird. Woher kommt das? Die Sonnenscheibe, die Strassenlampen usw. sind ausgedehnte Lichtquellen. Sie können auch auf der besten Projektionswand keinen scharfen SchattenSchlagschatten ) des umstrahlten Hindernisses erzeugen. P|e Unscharfe des SchattenumrissesHalbschatten ) wächst proportional mit der Entfernung: die unscharfen Konturen werden nach innen und aussen breiter, der dunkle KernKernschatten ) somit schmäler und das ganze Gebilde dadurch dem Beobachterumriss unähnlicher. Wie die Figuren 4, a, b, c beweisen, erinnert das gewöhnliche Schattenbild eines Menschen mit aus- DAS BROCKENGESPENST b ) Sein Brockengespenst, entstanden durch parallelen Schattenwurf auf sechs äquidistante Mattscheiben gestreckten Armen in 50 m Entfernung bereits an ein Rieseninsekt, dies als ausschliesslich e Folge des Halbschatteneffektes.

Zu diesen beiden Hauptursachen des Nebelbildes, des Schattenkörpereffektes und îles Halbschatteneffektes, gesellen sich noch einige weitere Einflüsse.

Die Diffusion des Sonnenlichtes im Nebel: das parallele Bündel der Sonnenstrahlen wird beim Eindringen in den Nebel von den Nebeltröpfchen unregelmässig reflektiert und in Unordnung gebracht, je tiefer, desto mehr. Die diffus reflektierten Strahlen gelangen so auch in den Schattenkörper. Nach dem Set attenkörpereffekt allein müsste der Kopf des Brockengespenstes schwarz sein wie die Nacht — man denke an den betreffenden Blickstrahl durch die Gla;platten. In der Natur trifft dies nicht zu, nicht nur wegen des Halbschatteneffekts, sondern auch wegen der Diffusion des Sonnenlichtes im Nebel, besonders bei nahen und lichten Nebelmassen. Die zu dunkle Kopf partie wird aufgehellt, die verlängerten und vergrösserten Extremitäten bleiben unverändert ( wegen ihrer grossen objektiven Nähe ). Die Diffusion gleicht das Schattenbild aus und unterstreicht die Körperhaftigkeit des Gespenstes.

Auch die zeitliche Veränderlichkeit und örtliche Ungleichmässigkeit ( Inhomogenität ) des Nebels äussern sich im Aussehen des Brockengespenstes. Das « Flattern », das « Sichverflüchtigen » usw. gehören auf dieses Konto.

Das Brockengespenst ist oft als Ganzes riesenhaft vergrössert und dennoch relativ deutlich gesehen worden. Dies lässt sich mit keinem der erwähnten Effekte — auch nicht mit dem Halbschatteneffekt — erklären, wohl aber mit einer, dem Bergsteiger wohlbekannten, optischen Täuschung. Man macht beispielsweise im Abstieg auf einem vernebelten Gletscher immer wieder die ärgerliche Feststellung, dass man vorsichtig umgangene Bergschründe und Spalten besser und leichter mit einem Sprung überwunden hätte. Man überschätzt immer wieder den Abstand und damit auch die Grösse der Umgebung. Begründung: durch die Verwischung der scharfen Konturen im Nebel erhalten die umliegenden Gegenstände ein weiches Aussehen, wie wir es üblicherweise nur vom Anblick weitentfernter Berge durch den Dunst des Flachlandes kennen. Da zudem wegen der Unscharfe ein genaues Fixieren und Akkommo-dieren ohnehin nicht möglich ist, « verhaut » man sich im Einschätzen der Entfernung und sieht alles zu weit und damit auch zu gross.

Es verbliebe jetzt noch die Deutung der hellen, oft intensiv farbigen Kränze, die ein « richtiges » Brockengespenst konzentrisch umgeben. Sie sind, wie eingangs bereits erwähnt wurde, so wie der Begenbogen und der Halo, eine subjektive Erscheinung und haben mit dem Nebelbild nichts zu tun. Da sie auch in Form von farbigen Höfen um Sonne oder Mond auftreten und so überall vom Flachland aus gesehen werden können, sind sie Forschungsobjekt verschiedener Physiker ( z.B. Fraunhofer ) gewesen. Sie beruhen auf der Interferenz des Sonnenlichtes in den Nebeltröpfchen. Intensiv farbige Kränze erscheinen nur, wenn alle Nebeltröpfchen ungefähr denselben Durchmesser haben. Aus der Grösse der Kränze kann man mit einer einfachen Formel den Durchmesser dei Tröpfchen berechnen ( Grössenordnung: 1/100 Millimeter ). Die Kränze lassen sich auch im Laboratorium an künstlich hergestelltem Nebel — gewissermassen « nach Mass » — herstellen.

In der ersten bildlichen Darstellung eines Brockengespenstes aus dem Jahre 1735 sieht man das Schattenbild umgeben von vier bis fünf Kränzen! Die Zeichnung stammt vom spanischen Schiffskapitän Antonio de Ulloa 1, der sie in den Anden gesehen hat. In dieser Zeichnung ist Ulloa ein peinlicher Gedächtnisfehler unterlaufen. Sein Schattenbild ist fälschlicherweise seitenrichtig! E. Whymper berichtet von einem Brockengespenst, das sein Gegenspieler im Kampf ums Matterhorn, J. A. Carrel, gesehen hat, als er drei Tage nach der Erstersteigung des Gipfels seinerseits den Berg vom Süden her bezwang. Die berühmten Kreuze jedoch, die Whymper und die beiden Taugwalder unmittelbar nach der Katastrophe gesehen haben, sind kein Brockengespenst, sondern sehr wahrscheinlich ein seltener Halo.

Dieser Terminus technicus war damals kaum bekannt. Whymper verwendet deshalb den Ausdruck « Nebelbild », ohne jedoch damit auf einen Zusammenhang mit einem Brockengespenst hinweisen zu wollen. Die zu wörtliche Deutung der Bezeichnung « Nebelbild » und auch die allzu large Fassung des Begriffes « Brockengespenst » haben dazu geführt, dass heute die Whympersche Erscheinung für viele Alpinisten fälschlicherweise zum klassischen Brockengespenst geworden ist! Die Geschichte des Alpinismus zeigt 1 « Relazion historica del Viage à la America meridional. » eindrücklich, wie leicht eine Legende entstehen kann und wie ausserordentlich schwer es später ist, sie wieder auszumerzen ( z.B. Erstersteigung des Mont Blanc ). Deshalb sei hier der einzige Originalbericht der Augenzeugen wiedergegeben *. Ei lautet in der Übersetzung:

« Um 6 Uhr abends standen wir ( das heisst Whymper und die beiden Taugwaldei ) auf dem Schnee des nach Zermatt hinunterführenden GratesHörnlign.t ) und hatten alle Gefahren überwunden. Häufig und immer vergebens spähten wir nach Spuren unserer unglücklichen Gefährten ( d.h. der vier Abgestürzten ). Wir bogen uns über den Grat und riefen, aber kein Ton kam zurück. Endlich kamen wir zur Überzeugung, dass sie ausser Gesichts-und Höiweitä seien, und stellten unsere nutzlosen Bemühungen ein. Zum Sprechen zu niedergeschlagen, nahmen wir stillschweigend unsere Sachen und die kleinen Effekten der Verschwundenen auf, um unsern Rückweg fortzusetzen. Da zeigte sich ein mächtigei Regenbogen, der über dem Lyskamm hoch in die Luft aufstieg. Bleich, farblos und geräuschlos, aber mit Ausnahme dir Stelle, wo die Wolken sich eindrängten, vollständig scharf und begrenzt, schien diese überirdische Erscheinung ein Bote aus einer andern Welt zu sein. Wir erschraken fast, als zu beiden Seiten zwei ungeheure Kreuze hervortraten, deren allmähliche Entwicklung wir mit Erstaunen beobachteten. Wenn die Taugwalder sie nicht zuerst gesehen hätten, so würde ich meinen Sinnen nicht getraut haben. Sie glaubten, dass die Kreuze in einer gewisse i Beziehung zu dem Unfall ständen. Ich kam aber nach einiger Zeit zu der Ansicht, dass wir auf sie einwirkten. Unsere Bewegungen hatten aber gpr keinen Einfluss auf die Nebelformen, welche unverändert blieben. Es war ein furchtbarer und wunderbarer Anblick, den ich noch nie gehabt hatte und dtr in einem solchen Moment etwas Erschütterndes hatte. » « Ich beobachtete diese merkwürdige Erscheinung nicht genau und war froh, als sie wieder verschwand, da sie unsere Aufmerksamkeit ablenkte. Unter gewöhnlichen Umständen würde es mir später unangenehm gewesen sein, einen so selt;nen und wunderbaren Vorgang nicht genau studiert zu haben. » « Wir halten die Sonne genau im Rücken, d.h. der Nebelbogen lag der Sonne gegenüber. Die Zeit war 6% Uhr abends. Die Formen hatten einen neutralen Ton, sie waren zugleich zart und scharf, entwickelten sich allmählich und verschwanden plötzlich. Die Nebel waren leicht und zerstreuten sich im Laufe des Abends. Ich muss bemerken, dass die Italiener bei ihrem Hinabsteigen am 17. Juli die Erscheinung sahen, die man gewöhnlich als Brockengespenst bezeichnet. Sie geben folgende Beschreibung: „ Wir sahen uns selbst mitten in ein 3 m Kreis, der die Farben des Regenbogens hatte. So waren wir von einem leuchtenden Rahmen umgeben, in dem wir unsere Schatten sahen. " Die Zeit war zwischen 6% und 7 Uhr, und die Italiener befanden sich auf der „ Schulter " des Matterhorns, 14 000 Fuss hoch. » 1 Siehe Edward Whymper, « Scrambles Amongst the Alps, in the Years 1860—1869 », Seite 391. Ausgabe Verlag Thomas Nelson & Sons, London 1900. Und: Frank Smythe: « Edward Whynper, Ein Bergsteiger- und Forscherleben. » Deutsch von Walter Schmid. Verlag Hallwag, Bern. Französisch von Louis Seylaz, Verlag Novos, Lausanne. M. Oe.

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