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Der Leiterspitz.

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

Im Führer durch die Walliseralpen, Band I I I b, stehen über den Leiterspitz bloss folgende Zeilen:

« Leiterspitz 3218 m. Mr. H. Heldmann, 9. Juli 1888, A.J. XIV 152; XXVI 81.

Von der Untern Täschalp durch ein mit losen Steinen gefülltes Couloir und über einige glatte Platten direkt zum Gipfel ( 5½ Stunden von Zermatt ). Die einzige spätere Partie, von der ein Bericht vorliegt, Mr. H. A. Millington mit Joseph Georges, 24. August 1911, verliess die von Randa nach Täsch und Zermatt führende Fahrstrasse und querte die Schulter von Am Berg zu dem von Täsch zur Täschalp führenden Weg. Bevor sie die Untere Täschalp erreichten, bogen sie vom Wege nach links ab und erstiegen einen Rücken, welcher sich zum Südgrat des Gipfels entwickelt. Dem Kamme desselben folgten sie bis zu dem Punkte, wo er sich in der Südwestflanke verliert, etwa 30 m unterhalb und westlich des Gipfels, den sie von da in etwa 10 Minuten über den Nordwestgrat erreichten ( 6¾ Stunden von Randa, Halte inbegriffen ). Der Südgrat, auf welchem keine Spuren einer früheren Ersteigung gefunden wurden, bietet in den letzten 2½ Stunden interessante Felskletterei. Der Abstieg wurde über den Nordwestgrat und Couloirs in der Südwestflanke gemacht1 ). » Wenn ungünstige Verhältnisse die Ausführung der grossen Zermatter Bergfahrten verhindern, kann der Bergsteiger in den Wänden und Graten des Untergabelhorns und des Riffelhorns einigen Trost finden. Jedoch sind deren Reize bald erschöpft, kann ja ein gewandter Kletterer in einem Tage des Riffelhorns sechs Hauptrouten « erledigen ». Etwa folgendermassen: Zuerst das Matterhorncouloir hinauf und den gewöhnlichen Weg nach Rotenboden hinunter. Dann über die Nordwand ( Seeweg ) zum Gipfel, Abstieg « über die Eck » ( Südwand ). Endlich durch das Gletschercouloir zum Gipfel und über die Skyline herunter zum Rotenboden.

Auffallend ist die Vernachlässigung des interessantesten der niedrigeren Kletterberge der Gegend. Selten oder kaum in der Literatur erwähnt, steht der « Leiterspitz » im Rufe eines gefährlichen, recht schwer zu ersteigenden Berges.

Nicht dem P. 3218, sondern dem P. 3412 gilt im Zermattertal der Name Leiterspitz. Von einer tiefen Scharte östlich begrenzt, ist der Leiterspitz nichts anderes als der höchste Punkt eines 600 Meter langen Grates, welcher, von Westen nach Osten orientiert, an der Lücke unmittelbar östlich von P. 3218 ( trigonometrisches Signal ) und 30 Meter tiefer beginnt. Ob dieser P. 3218 — eine schlanke Pyramide — früher Leiterspitz hiess? Oder haben ihn die Bergsteiger mit P. 3412 einfach verwechselt? Mehrere Führer, welche dem Leiterspitz die richtige Lage geben, schreiben ihm, laut Dübi, die Quote 3218 zu. Hat Dübi Heldmanns Bericht in extenso wiedergegeben ( Alpine Journal 1888 ), so betrifft zweifellos die Beschreibung den P. 3218. « Von der unteren Täschalp durch ein mit losen Steinen gefülltes Couloir und über einige glatte Platten direkt zum Gipfel ( 5½ Stunden ). » Genau passt das Zitat auf den wirklichen P. 3218. Hätte es sich um P. 3412 gehandelt, so wäre die Wand des Gipfelaufbaues wenigstens erwähnt worden. Ist doch dieselbe, im Verhältnisse zum Couloir, schwierig und gefährlich 1 ). Man kann annehmen, dass zuerst P. 3218 Leiterspitz geheissen, dass dieser Name später die ganze Kette 3218-3412 bezeichnete, um zuletzt bloss dem höchsten Gipfel zu bleiben. In Dübis Führer ( französische Ausgabe ) besteht übrigens eine Verwechslung zwischen Toponomie und Quote der Skizze. Gibt der Verfasser dem P. 3218 den Namen Leiterspitz ( Seite 236 ), so bezeichnet er auf der Skizze, Seite 234, als Leiterspitz — was richtig ist — den Gipfel unmittelbar westlich der Scharte, von welcher aus der Kienhorn-(oder Strahlbett- ) Westgrat ansteigt. Dieser Punkt ist P. 3412.

Wie bemerkt, im « Führer durch die Walliseralpen » beziehen sich die ersten Zeilen des Textes auf den wirklichen P. 3218, die folgenden Zeilen dagegen ohne Zweifel auf P. 3412. Aber hier ebenfalls herrscht, was die Orientierung anbelangt, eine gewisse Verwirrung. Lesen sollte man: Westgrat statt Nordwestgrat, und Südflanke statt Südwestflanke. Und was den Südgrat betrifft, komme ich zur Schlussfolgerung, ohne es positiv zu behaupten, dass man Südostgrat lesen sollte. Leider konnte ich den Alpine Journal-Artikel in der Originalfassung nicht studieren; also beziehe ich mich nur auf den im Auslande wie in der Schweiz so allgemein bekannten und geschätzten « Führer durch die Walliseralpen ».

Der Leiterspitzwestgrat ist der am häufigsten bestiegene, und ihn betrifft der hohe Tarif von 100 Franken der Zermatter Führer. Diesem Hauptgrate soll folgende Auskunft gelten, ohne jedoch P. 3218 und die direkte, kürzeste Route von P. 3412 2 ) ganz zu verschweigen. Über den in Dübis Führer erwähnten Südgrat ( von H. A. Millington mit Joseph Georges 1911 erstiegen ) kann ich leider nichts berichten: ich erkletterte ihn nicht und erfuhr auch nichts Näheres über denselben.

In anderthalb Stunden, über steile Grashalden, Geröll und einige Platten, steigt man bis zum Couloir, welches in die Scharte zwischen P. 3218 und Anfang des Leiterspitzwestgrates mündet. Unter Benützung dieses Couloirs wird in zwanzig Minuten die Scharte mühelos erreicht. Interessanter ist die Rippe, welche das Couloir links begrenzt ( orographisch rechts ). In anregender, hübscher Kletterei gewinnt man in 35 Minuten die Spitze des pyramidenförmigen, kleinen Gipfels, P. 3218. Wie schon bemerkt, trägt sie ein trigonometrisches Signal.

Drei Minuten genügen, um, rechts absteigend ( östlich ), raschen Schrittes in die Scharte zu gelangen. Hier fängt die eigentliche Gratwanderung an, und hier wird auch angeseilt. ( Weniger geübte Bergsteiger dürften schon früher vom Seile Gebrauch machen. ) Sofort beginnt der hier plattenartige Grat zu steigen. Er türmt sich sehr bald zu einem massigen Gendarmen auf. Etwas links von der Kante ist der « Weg » beinahe schwer zu nennen. ( Noch mehr nach links soll es viel leichter gehen. ) Trotz grosser Steilheit ist der Abstieg jenseits des Gendarmen ganz bequem. Eine kurze Traversierung nach links geht einer Lücke voran. Unmittelbar nach derselben schiesst der Grat jäh in die Höhe. Ein dickes, zuverlässiges, sehr sorgfältig angebrachtes Seil hilft über eine überhängende Stelle hinweg, die früher etwas mehr nach rechts erklommen werden musste. Einige Meter höher, in einen Riss gepflanzt, ragt ein langer Stock. Nach einem guten Gratstück von beträchtlicher Steigung kommt man zu einem Turme, welcher weder im Auf- noch im Abstieg besondere Schwierigkeiten bietet. Eine neue Lücke folgt. Jenseits trotzt ein kühner Zacken mit einem merkwürdigen, tunnelartigen Loche. Anstatt ihn direkt über die Kante zu erklettern ( nördliche Umgehung auch möglich, heisst es ), traversierten wir in schrägem Aufstieg in die Wand nach rechts. Mein Gefährte, der tüchtige Caspar Mooser aus Täsch, hielt sich etwas höher. Ein Band, die interessanteste Kletterei versprechend, lockte mich. Bald hing ich an den Fingerspitzen und pendelte langsam hinüber. Ein ganzes Stück droht hier herauszufallen. Es besteht aus einigen schlecht eingeklemmten, etwas überhängenden Blöcken, deren ein jeder als Gewölbstein wirken könnte: zöge man den einen heraus, so bräche alles zusammen. Dank grösster Sorgfalt erreichte ich glücklich festeren Boden. Nochmals ein Turm. Er überhängt derart, dass wir ihn, vielleicht mit Recht, für unersteigbar erklärten. Er wurde rechts umgangen. Nach einem mittelschweren « Hahnenkamm » turnten wir über einen Zacken, der uns zum ersten und einzigen Abseilen nötigte. Weit ist der Gipfel nicht mehr. Ohne Mühe und Schwierigkeit erreichten wir ihn bald. Das letzte Gratstück wurde rasch genommen.

Recht heikel sieht der Abstieg aus. Die Südwand ist abschreckend. Ganz nahe stürzt der Grat nach Osten, etwa 60 Meter tief, zu einer Einsattelung ( A. S. 3353 ). Jenseits setzt der Kienhornwestgrat ( Strahlbett ) an. Mittels Abseilen könnte man es hier trotz Überhang doch erzwingen. Vor allem aber galt es mir, den gebräuchlicheren Weg kennen zu lernen. Mooser erinnerte sich einer leichteren Stelle. Und richtig, keine vier Meter vom Leiterspitz-gipfel versteckt sich, zuerst wenig einladend, ein Einstieg in die Südwand. Von einem kleinen, unbedeutenden Grateinschnitte aus geht es steil hinunter, anfangs über arg bröckliges Gestein. Der Abstieg durch die übrigens nicht hohe Wand'bildet eine Zickzacklinie von vier Windungen ( erst rechts, dann links usw. ). Bald fanden sich sichere, feste Griffe. Am Fusse der Wand gelangten wir in ein Couloir, welches man, wie mir gesagt wurde, befolgen kann. Mooser zog es vor — weil kürzer —, sofort nach rechts ( westlich ) zu einer kleinen Einsattelung eines sekundären Grates hinüber zu queren. Von dieser Einsattelung weiter nach rechts ging es steil und leicht in ein langes Couloir hinunter. Eine halbe Stunde tiefer, bei dem « Wittlig » genannten Felskopf ( nicht auf dem A. S. ), kamen wir wieder auf den Weg des Aufstieges.

Zeiten: Täschalphotelab7.30 Gipfel 3218an9.35 Leiterspitz 3412an 12.15 Täschalphotelan 14.45 Viel Zeit ging auf dem Grat durch Photographieren verloren. Beim Abstieg wurde einmal ordentlich gerastet.E. R. Blanchet.

P. S. Von mehreren Lücken des Westgrates aus wäre es leicht, nach Norden abzusteigen. Vom Tale betrachtet, sehen die Nordhänge — eine optische Täuschung — unheimlich glatt, hoch und steil aus.

Obschon der Leiterspitzwestgrat vom Bergsteiger eine höher entwickelte Klettertechnik verlangt als das Zinalrothorn oder der Arbgrat ( Obergabelhorn-westgrat ), ist er noch lange nicht mit den schwierigen Aiguilles de Chamonix zu vergleichen. Was die Steingefahr betrifft, so ist dieselbe, wenn auch nicht zu verachten, sehr übertrieben worden. Es ist nicht erwiesen, dass ihr das Unglück von 1922 zuzuschreiben sei. Laut « Alpine Journal » stürzten E. Backhouse und Thomas Biener an einer leichten Stelle ab.

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