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Der Monte Sissone

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Von Paul Reinhart ( Section Winterthur ).

Der Monte Sissone ( 3363 Meter. ) Die Berninagruppe hatte ich von der Nordseite her schon öfters bewundert: zweimal vom Piz Languard, in nächster Nähe vom Piz Morteratsch, vom Corvatsch, auf der Diavolezzatour und von der Alp Grüm, auch vom Piz Nair, Piz Lischanna und von andern Bündner Spitzen her. Nun gelüstete es mich vor Allem, Bernina und seine Trabanten auch einmal von der Südseite her zu schauen und dazu einen der nächstliegenden Gipfel des italienischen Grenzkammes zu besteigen. Meine Wahl fiel auf den Monte Sissone, der, weit nach Süden vorgeschoben auf der Wasserscheide zwischen der Mera, dem Malero und dem Masino, den Eisfeldern des Forno-, des Sissone- und des Piodagletschers entsteigt.

Schon zu Anfang August 1879 hatte ich mir diese Bergfahrt vorgenommen, war aber leider gerade beim schönsten Touristenwetter plötzlich von meinem Standquartier St. Moritz nach Hause berufen worden, ohne meinen Vorsatz ausgeführt zu haben. Der Sissone kam mir aber doch nicht aus dem Sinn, und nachdem ich am 22. und 23. August mit zwei Freunden von Bern und Winterthur den Sentis bestiegen und dadurch meine Gehwerkzeuge wieder etwas gelenkiger gemacht hatte, traf ich am 26. wieder im Kurhaus St. Moritz ein.

Wiederum lachte mir prächtiges Bergwetter; allein andere Umstände traten hindernd in den Weg, so dass ich vor dem 2. September die Nähe von St. Moritz nicht verlassen durfte. So ging ich denn erst am 1. Sept. Abends auf die Führersuche. Wieland-Wieland, der Führer, mit dem ich schon zuvor die Tour besprochen, und der den Sissone vor wenigen Jahren unter Peter Jenny's Führung ertiegen hatte, war nach dem Zupò aufgebrochen. Hans Grass war jedenfalls schon engagirt und soll zudem keine besondere Liebhaberei für die italienischen Spitzen haben. Es war zu spät, um selbst nach Pontresina an die Führerbörse bei'm Weissen Kreuz oder vor dem Kronenhof zu pilgern. Trotzdem blieb mein Entschluss fest, den morgigen Dienstag nicht verstreichen zu lassen, ohne nach einer Bergstation aufzubrechen. Es war auch höchste Zeit, denn für Donnerstag Vormittag waren unsere Postplätze nach Chur bestellt. Was war da zu thun?

Die zärtlichen und ängstlichen Ehehälften der Clubisten sind auf die Bergtouren ihrer Männer nicht immer gut zu sprechen, und so hoffte meine Frau wohl insgeheim, es möchte die Partie des Führer-mangels wegen unterbleiben, und das um so eher, als der Himmel am folgenden Morgen ziemlich bewölkt war. Allein früh Vormittags fragte ich Peter Jenny, den Nestor der Pontresiner Führer, .telegraphisch anr ob er disponibel und Abends 5 Uhr zum Aufbruch nach Maloja bereit sei. In der Fremdensaison geht's-dem telegraphirenden Publikum im Engadin gerade so, wie uns bei starken Geschäftsperioden; man könnte oft schneller per Eisenbahn, im Oberengadin sogar per pedes die Antwort selbst holen. Auch die meinige blieb bis Nachmittags am Drahte hängen, lautete aber zum Glück bejahend und dahin ergänzend, dass Jenny sein eigenes Fuhrwerk mitbringe zur Fahrt nach Maloja.

Trotz Regenschauer, Gewitter und Hagelschlag am Nachmittag rückte mein Führer pünktlich um 5 Uhr ein und mit ihm als Rosselenker sein löjähriger Sohn > Georg, der von mir die Erlaubniss erbat und erhielt, nach dem Sissone mitkommen zu dürfen. Gegen 7 Uhr brachte uns dann der Einspänner in 's Gasthaus zur Maloja.

Die Nacht war unruhig; nach Mitternacht brauste ein solcher Sturm vom Engadin daher, dass er den Gasthof abzudecken drohte. Etwas nach 3 Uhr brachen wir auf. Das Wetter hatte sich wieder aufgeklärt; freundlich leuchtete uns der Mond auf dem durch Lawinenstürze alljährlich schlechter werdenden Saumpfad, der am Südabhang der Margna hin zum Passo di Muretto führt. Der Murettopass, früher stark betrieben und wohl auch besser unterhalten, hat durch die modernen Alpenstrassen des Bernina und Maloja, seine Bedeutung verloren.

Den Orlegnabach, den Ausfluss des Fornogletschers, fand ich an vielen, theilweise langen Strecken von Lawinenschnee überbrückt. Vermag wohl der Sommer von 1880 diesen Schnee zum Schmelzen zu bringen?

Um 43I4Ühr am Fusse des Muretto ( 2557 m ) nach Süden abschwenkend, erreichten wir die Sennhütten von Piancanino, eine wirkliche Hundeebene, nichts als Steintrümmer und Lawinengerölle, zwischen denen das Alpvieh mühsam seine Nahrung findet. Weder Mensch noch Thier regten sich bei unserm Vorbeimarsch. Um 6 Uhr standen wir an der Stirnmoräne des Gletschers ( 2010 m ), dessen Angriff wir nach wenig Minuten Rast bewerkstelligten.

Der Forno- oder Ofengletscher ist der längste aller Bündner Eisströme, ohne Mittelmoräne, was seine Schönheit bedeutend erhöht. Am untern Ende fällt er ziemlich glatt und steil ab; er wird wenig besucht, weil er, wie Tschudi sagt, noch nicht Mode ist. Seinen Kamm bildet der Monte Sissone; westlicher fällt der Monte Torrone ( 3300 m ) in senkrechter Wand zum Gletscher ab, mit zwei anderen, wahrscheinlich noch jungfräulichen Bergspitzen die Südwand des « Ofens » bildend. Rechts ( östlich ) ist derselbe eingedämmt durch die Cima di Rosso, den Monte Rosso ( 3150 m)* und den Monte del Forno.

Links ( westlich ) wird der Gletscher überragt von der Cima del Largo oder Cima di Castello ( 3402 m ), der Cima di Cantone ( 3334 m ) und der Cima Casnile ( 3044 m ), deren Eisabhänge sich nach Westen hin mitCima di Rosso und Monto Rosso sind auf der Excursionskarte ohne Namen, nur durch die Quoten 3367 und 3087 bezeichnet.A. d. Red.

dem Albignagletscher vereinigen. Links und rechts befinden sich günstige Weiden für die hier noch zahlreichen Gemsen; allein die scheuen Thiere halten sich in den Schutthalden versteckt, und nichts stört die grossartig-einsame Natur ausser dem Signalruf der wachsamen Murmelthiere. Heuer war der Gletscher infolge des schneereichen Winters und des schlechten Sommers nur wenig zerklüftet, und noch ehe wir in der Höhe der Cima di Rosso anlangten, verschwand das schöne Eismeer, um in ein monotones Firnfeld überzugehen.

Der Schnee war hart und vorzüglich gangbar. Von links erglänzte die Gletscherwand zwischen Monte Rosso und Cima di Rosso in der Morgensonne, so silbern, so blendend, dass ich mit gelüfteter Schneebrille sie nicht lange fixiren durfte.

Nach einem Marsche von 4 Stunden ( 7 Uhr vorbei ) gönnten wir uns die erste wirkliche Rast zum Déjeuner sans fourchette, dicht am Fusse der Cima di Rosso.

Noch war der Monte Sissone uns verdeckt. Im Rücken zeigte sich die Cima di Castello in strahlendem Morgengewande, und nun eröffnete mir Jenny ganz geheimnissvoll, dass, falls ich wieder nach dem Forno-oder aber nach dem Albignagletscher komme, dann Wieland oder ein anderer bewährter Führer mit müsse, um diese stolzen Gipfel zum ersten Male nach 14 Jahren wieder einmal zu erobern. Der Aufstieg vom Forno zur Cima di Castello ist jedenfalls eine etwas heikle Kletterpartie, bis die Fuorcla Castello-Cantone erreicht ist. Zweifelsohne geht 's etwas weniger mühsam vom Albigna aus, und ich möchte einem leichtfüssigern Clubgenossen diese Excursion warm empfehlen als eine wirklich lohnende und mit guten Führern wohl nicht gefährliche.

Doch es mahnt der Aufbruch. Wir binden uns an 's Seil; voran Peter Jenny, dann ich ( bei meiner Körperlänge und Schwere wäre der Ausdruck « meine Wenigkeit » auch gar zu bescheiden ), zuletzt Georg. Nun vorwärts! « Von der Stirne heiss rinnen muss der Schweiss. » Nachdem das Cap der Cima di Rosso glücklich doublirt, gelangen wir in die eigentliche Firnmulde, noch grösstenteils im Schatten; über derselben eine 600™ hohe, steile, breite Wand, nichts als Schnee und Eis; kein schützender Felsvorsprung, kein vorspringender Grat! Doch halt, was strahlt kaum sichtbar am obersten Gletscherkamme nach Süden hervor, wie ein dunkler Edelstein in Silber gefasst?

Das muss wohl unser Ziel, die höchste Spitze des Sissone sein? Ja wohl, sagt Jenny; doch zuerst heisst es stark nach Osten halten! Der Firn ist hart, kaum dass die Füsse festen Stand finden. Meine Gersauer Bergschuhe, die ich mir Ende der sechsziger Jahre zum ersten Mal anschnürte und erprobte, erweisen sich auch jetzt noch als vortrefflich. Das Schuhwerk meines Hintermannes aber ist nicht für den Eisgang beschlagen und macht mich besorgt, der Jüngling möchte ausgleiten; doch schreitet er ganz sicher und vorsichtig in unseren schmalen Fussstapfen.

Um das zeitraubende Stufenschlagen zu vermeiden, geht 's zum « voyage en zigzag » über. Der oberste lange Gletscherschrund zwingt uns, nordwärts zu halten; dann S6Paul Beinhart.

aber machen wir eine entschiedene Wendung nach Süden, eine ziemlich steile Seitenhalde hinauf. Ein scheinbar kurzer, aber scharfkantiger weisser Grat trennt uns Ton der ersehnten Spitze; doch seine Schneedecke ist locker und liesse sich einzig durch tiefes Stufenschlagen bezwingen. Jenny proponirt, entweder den Grat zu nehmen oder hinabzugleiten nach dem östlichen Felsenband ( siehe eidgen. Karte Blatt 523, Castasegna ), das, einer langen Schiffstreppe gleich, steil nach der Spitze hin ausläuft. Ich überlasse Jenny die Wahl, und ein Blick auf seinen blonden Sohn bestimmt den wettergebräunten Vater, den letztern Weg einzuschlagen.

So schnell, wie es am Seile möglich ist, gleiten wir die Firnhalde hinab; doch ehe noch das Gestein erreicht ist, ruft Jenny « Halt! » Noch ein paar Stufen in das zu Tage tretende glatte Eis, und wir stehen auf der Felsenzinne. Nahezu unbegreiflich erscheint es, wie diese Kette glimmernder Gneissblöcke am eisigen Nacken des Sissone sich halten kann; denn direct darunter fällt der Berg wohl an die 500 bis 600 Meter fast lothrecht in die schauerliche Tiefe des Sissone-gletschers; beinahe ebenso senkrecht läuft über uns die Eiswand aus. Von Stein zu Stein mussten wir uns mühsam emporarbeiten; ein allzu garstiger, scharfkantiger Kerl wurde sorgfältig umklettert. Auf halber Höhe dieses Trümmerweges trat ein mächtiger, rund abgeschliffener Granitblock uns sperrend in den Weg. Jenny's Kletterkunst überwindet ihn ohne viel Mühe, und durch Anlehnen am nächstfolgenden Stufenstück sichern Stand fassend zieht er uns am Seil empor.

Fast eine Stunde kostete uns dieser letzte Berg- abschnitt. Gegen IOV4 Uhr war die Spitze erreicht. Sie ist aus wild aufgethürmten Gneissblöcken gebildet, deren oberster Ausläufer eine Fläche von wenigen Zoll Breite und kaum zwei Fuss Länge, im Uebrigen aber eine lange, bequeme, nach Osten geneigte Rücklehne darbietet.

Eine weite Rundschau bei klarstem Wetter lohnte unsere Mühen.

Gerade vor mir im Südosten lag die majestätische Disgraziagruppe, nach Nordost diejenige des Bernina mit seinem grossartigen, wilden Absturz auf der italienischen Seite; jähe, dunkle Felswände und steile Oletscherabhänge umgeben die höchsten Zinnen. Der Südausläufer aber, der Piz Zupò, ist blendend weiss, und seine Schneeverhältnisse waren dieses Jahr so günstig, dass die ersten Besteiger die 3999 Meter ohne irgend welches Stufenhauen überwinden konnten. Nordwestlich von ihm erhebt sich der Piz Bernina, umstanden von seinen Trabanten Crast'agüzza, Monte Rosso di Sscerscen, Piz Roseg, La Sella und wie sie alle heissen, diese Koryphäen der Oberengadiner Berge. Auch meine alten Bekannten Piz Morteratsch und Piz Corvatsch liessen sich blicken.

Was speciell das Berninamassif anbetrifft, so gefällt mir dessen Anblick von Norden her eher besser, als der von Süden. Die Fernsicht vom Monte Sissone überhaupt aber bleibt einzig schön, erhaben und dürfte diejenige von der Cima di Rosso wohl übertreffen. Die dunkeln Gestalten der nahen italienischen Bergriesen übten einen ganz eigenthümlichen Zauber auf mich aus, so der Monte Bruciato ( deutsch: verbrannter 7 Berg ) im Gegensatz zu seinem schneeweissen Nachbar, dem Monte Girosso, und zum Monte della Disgrazia-(Unglücksberg ) oder, schöner getauft, Pizzo bello; ferner die schwarzbraunen Kuppen der vom Sissone - nach Westen auslaufenden Gebirgskette, von welcher der Monte di Zocca und die Cima della Bondasca mit dem Sissone die südlichen Grenzsteine des Bergell bilden; dann Cacciabella, Sciora und Porcellizza. Ferne am Horizont taucht die Monte Rosa-Gruppe aus-lichtem Nebel auf. Auch Jungfrau und Finsteraarhorn im fernen Westen, Piz Platta, Piz d' Err, Tinzenhorn, Piz d' Aela, Piz Kesch im Norden und Nordosten, selbst der Tödi und seine Nachbarn liessen sich gnädig'erschauen; ja bis nach Vorarlberg und in 's Tyrol hinein schweifte der Blick.

Doch ich musste unwillkürlich immer von Neuem die Disgrazia betrachten; ihre graciös zur Spitze aufsteigenden schmalen Felsgräte hatten eine ganz besondere Anziehungskraft für mich. War es die Erinnerung an einen ihrer ersten Ueberwinder, den leider so früh verstorbenen hochgeschätzten Clubisten Siber-GysiT war es die Ungewissheit, ob meine Kräfte sich dereinst noch an dieses Meisterwerk der Bergsteigerei wagen dürften? Ich weiss es nicht. Allein trotz aller Freude über den gelungenen Aufstieg hätte mich bald ein melancholisches Gefühl beschlichen, wenn nicht ein lustiges Intermezzo dem Sinnen ein Ende gemacht. Peter, zu meinen Fussen sitzend, rüstete eben die Mittagstafel, deren Hauptzierde unsere zweite Flasche Sassella bilden sollte. Aber o weh! an deren Statt zog er bloss ein paar grosse Glasscherben aus der Tiefe eines schwarzen Traintornisters hervor, den er leicht bepackt seinem Georg aufgeschnallt hatte. Unser Jüngling war eben schon seit mehr denn einer Stunde von der Bergkrankheit, dem Gletscherfieber, befallen und hatte beim mühsamen Erklettern der letzten Felspartie die Flasche zerdrückt.

Zum Glück machte unser Traintornister dem schweizerischen Artilleriematerial alle Ehre und bewährte sich auch montanistisch als vollständig wein- und wasserdicht in seinen Nähten. Das unentbehrliche Salz, zwar theilweise schon in Wein aufgelöst, wurde glücklich herausgefischt, und Vater Jenny löschte nun seinen Durst mit dem flüssigen Inhalt des Tornisters. Georg lehnte appetitlos seitwärts an einer Felsenspitze; mein guter Cognac half ihm schliesslich wieder auf. Es stand mir zwar eine dritte, unversehrte Flasche Veltliner noch zu Gebot; allein die Hälfte davon musste zu gemeinschaftlicher Stärkung für den Abstieg gespart werden, und so blieb Jenny nichts Anderes übrig, als für uns nach Wasser zu suchen, was 20 Minuten mühsamer Kletterei erheischte. Zum Dessert schmeckte die unvermeidliche Cigarre bei vollständiger Windstille um so besser, und ihre Wolken störten den Ausblick weder in die Ferne, noch in die Nähe, in die schauerlichen Tiefen des Forno-, Sissone- und Piodagletschers und in 's Val di Mello mit seinen obersten Alphütten.

Die Mittagsstunde war herangebrochen. Der bestens für mich besorgte Führer mahnte zum Aufbruch, hatten wir doch während 7k Stunden die Aussicht vom Sissone reichlich genossen. Ich legte meine Karte, die Namen der Begleiter und das Datum enthaltend, in die Flasche; in derselben fand sich bloss noch eine Karte, ebenfalls von 1879, vor.

Der vorsichtige Abstieg über die Felsentrümmer kostete uns nahezu so viel Zeit, als der Aufstieg; den Firnschnee fanden wir stellenweise stark erweicht. Für längere, steilere Rutschpartien war unser Benjamin noch zu wenig geübt, auch mahnten die Schrunde zur Vorsicht, und so wurde es l3/4 Uhr, bis wir am Fusse der Cima di Rosso unsern Rastplatz vom Morgen erreichten. Das Gletscherseil wurde aufgerollt und der kleine Rest " Wein redlich getheilt. Wir eilten vorwärts, so gut es der Schnee erlaubte, herzlich froh, als wir 21/4 Uhr das Ende des Schneefeldes und wieder festes Eis erreichten, mit ihm auch das erste Gletscherwasser! « Gaudia fontis mihi secura sunt, sit mihi sana sitis. » Also lautete die goldene Inschrift unseres ehemaligen Kreuzbrunnens an der Marktgasse in Winterthur. Ja den ersten Becher, mit etwas Cognac vermischt, liessen wir uns herrlich munden! ein Stück trocken Brod half mit, « dass uns der Durst gesund sei. » Dann ging 's vorwärts. Die grössern Gletscherspalten umgehend oder umspringend, erreichten wir vor 4 Uhr Piancanino, wo uns die Hirten ihr Bestes, Molken die Fülle, nebst italienischem Ziegenkäse, brachten und sich mit wenig Geld und unsern Resten von Braten reichlich entschädigt erachteten. Auf schmalem Steg ging 's nun auf 's linke Ufer des Orlegnabaches, dann über Felder noch blühender Alpenrosen zur schönen Alp und dem idyllischen See von Cavloccio. Um 5 Uhr war das gastliche Wirthshaus der Maloggia erreicht, und bald führte uns Georgs Einspänner an den lieblichen See'n vorbei nach St. Moritz.

« Auf Wiedersehn! » war mein letztes Wort an Peter Jenny, den ich als Führer ersten Ranges schätzen gelernt habe; « auf Wiedersehn, » wenn uns Gesundheit und Leben geschenkt bleiben, und wenn dieser Aelteste der Führer nicht inzwischen seinem schwindligen Berufe Valet sagt. Denn obschon Jenny erst ein angehender Fünfziger ist, so sind eben die vielen hundert anstrengenden Gebirgstouren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Hat er doch den Piz Bernina schon mehr als 50 Male bestiegen und noch weit schwierigere Felszacken, wie die Cima di Lago Spalmo ( nördlich von Tirano ), besiegt. Ihm und seinen Collegen von Pontresina aber bleibt bis jetzt die seltene Satisfaction gewahrt, dass unter ihrer Leitung noch kein Bergunglück stattgefunden.

Möge- es ferner so bleiben!

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