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Der Piz Linard

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und die Geschichte seiner Besteigung.

Dr. E. Wälder ( Sektion Uto ).

.'Von Wer vom Säntis aus das reichgegliederte Gebirge betrachtet, welches im Südosten sich erhebt, wird aus den oft unentwirrbar scheinenden Ketten von Strecke zu Strecke einen Gipfel sich auftürmen sehen, welcher, die Umgebung überragend, dem Auge in dem wilden Chaos der Bergreihen einen angenehmen Ruhepunkt bietet. Links, d.h. östlich vom weit sich ausdehnenden Bernina-Massiv, sind es noch drei Gipfel, welche durch ihre interessante Gestalt die Aufmerksamkeit des Schauenden in hervorragender Weise fesseln, zunächst der breite, dreigipflige Piz Kesch, weit draußen an der Grenzmark des Tirol das ebenfalls in drei Zacken kühn emporstrebende Fluchthorn, und zwischen beiden, aber näher gegen das Fluchthorn zu, eine stolze Pyramide, zur Linken steil abstürzend, auf der rechten Seite etwas weniger schroff abfallend. Es ist der Piz Linard, die höchste Erhebung des Silvretta-Gebirges, der unbestrittene Beherrscher aller Berge des Unterengadin.

Trotz seiner Höhe wird der Linard nur von wenigen bewohnten Gegenden der nähern Umgebung gesehen, während er allerdings einen freien Einblick in viele der benachbarten Thäler, und eine Rundschau in die weitesten Berge und Ebenen bietet. Als ich an einem heißen Sommertage des Jahres 1893 auf einsamer, staubiger Landstraße von Brail gegen Zernez wanderte, wurde ich aus meiner apathischen Stimmung plötzlich durch einen Anblick, der mir unvergeßlich bleiben wird, herausgerissen. Kurz vor Zernez sah ich im Vordergrunde zwischen den Höhenzügen, welche den Inn einengen, eine schlanke Pyramide weit in den Äther empor sich erheben, nun hatte ich den Linard, ein langersehntes Ziel meiner Wünsche, ganz nahe vor Augen. Der unvermutete Anblick, welcher hier den in die freundliche Ebene von Zernez eintretenden Wanderer erfreut, kann mit der Überraschung verglichen werden, welche die Reisenden trifft, wenn sie, von Randa her kommend, auf einmal die trotzige Gestalt des Matterhorns sich emporrecken sehen. Der Frühling und Sommer des Jahres 1893 waren so trocken gewesen, daß die Hänge bis weit hinauf von Schnee frei und teilweise mit grünendem Rasen bedeckt erschienen. So zeigte sich denn der Berg eher von einer angenehmen Seite, und es war, als ob er zu einer Besteigung geradezu auffordern wollte, obschon die Steilheit der Hänge und die in die Augen fallende Höhe, welche die an und für sich schon mächtigen Vorberge bedeutend übersteigt, den staunenden Beobachter üher die Strapazen einer Besteigung nicht im Ungewissen lassen. ' In Lavin angekommen, erkundigte ich mich genau nach der Art, wie die Tour ausgeführt zu werden pflegt, durfte aber damals aus gesundheitlichen Rücksichten an eine solche gar nicht denken, und auch im folgenden Jahre rückte ich bei meinem Aufenthalt in Schuls trotz der besten Witterung das Ziel auf spätere Zeit hinaus, weil es mir damals besonders daran lag, eine Besteigung des Muttler auszuführen.

Im Jahre 1895, als in den ersten Tagen des August die neue Clubhütte in Vereina eingeweiht wurde, hat reichlich gefallener Neuschnee die projektierte Sektionstour auf den Piz Linard vereitelt. Für 1896 wurde dieser wiederum als Ziel einer gemeinsamen Tour ausersehen. Am festgesetzten Tage, Samstag den 1. August, machte ich mich auf den Weg. Ich brachte damals meine Ferien in der Nähe von Zürich auf dem Lande zu und hoffte unterwegs mit meinen Clubgenossen zusammenzutreffen. Weder in Rapperswil noch in Ziegelbrück stellte sich jemand ein; nur ein Mitglied der Sektion Scesaplana, das seiner Zeit auch an der Einweihung der Hütte teilgenommen hatte, schloß sich mir auf einer Station an. Das Wetter, welches am Abend vorher noch Gutes versprochen hatte, sah nicht einladend aus und verschlimmerte sich zusehends. Als wir in Landquart ausstiegen, begrüßten uns viele bekannte Zürcher, welche mit Staunen von unserem Vorhaben hörten. Durch das beständige Unwetter waren sie aus Klosters und andern Sommerfrischen des Prätigaus vertrieben worden, und wirklich sah man jetzt durch die enge Klus in ein schreckliches Gewirr von Nebelwolken hinein. Schon lange ehe wir Klosters erreichten, goß es in Strömen.

Bergführer L. Guler hieß uns auf dem Bahnhof willkommen und zeigte uns ein soeben erschienenes Telegramm, worin von Zürich gemeldet wurde, daß die Sektionstour um 8 Tage verschoben worden sei. Das klang nun freilich nicht tröstlich, aber was machen? Wie kein Mensch auf Erden so schlecht ist, daß nicht doch ein gutes Körnchen in ihm steckt, so, glaubte ich, würde auch kein Wetter so schlecht sein, daß es nicht wenigstens einigermaßen Gutes bringt. In Klosters selbst war nichts zu verlieren; kleinere Spaziergänge zu machen, verlohnte sich nicht, und ins Wirtshaus zu sitzen, erst recht nicht. Also frisch auf, „ dem Sturm zu Trutz " hinauf in die Berge hinein, wo in heimeligem Thale ein gastliches Haus nicht nur bei Sonnenschein, sondern auch bei Sturmgebraus die Pforte öffnet.

Als der ärgste Regen nachgelassen hatte, begannen wir die eigentliche Wanderung. Unweit dem Dorfe kamen uns mehrere Fräulein entgegen, welche uns schon von weitem die neckische Frage zuriefen, ob denn der Barometer gestiegen sei, daß wir den Mut hätten, auszuziehen. Necket und höhnet, soviel ihr wollt, dachte ich bei mir, wenn auch das Wetter sich schlecht gestalten sollte, so wird mir in der Höhe gewiß ein größerer Genuß zu teil, als euch, die ihr alsdann in die engen Schranken des Hauses und den Zwang des Gesellschaftslebens gebannt sein werdet. Es ging wirklich nicht lange, so stellte sich das erfrischende Naß wieder ein. Der Weg ist in Wort und Schrift schon so oft geschildert worden, daß eine Wiederholung überflüssig wäre; nur kann als Ergänzung beigefügt werden, daß man infolge der nassen Witterung, welche den Sommer über geherrscht hatte, oft gezwungen war, weite Strecken im Wasser zu waten. Der Bau eines Sträßchens von Novai nach Vereina hinauf, welcher schon seit längerer Zeit in Aussicht genommen worden ist und der Ausführung nahe zu sein scheint, wird einst als eine Wohlthat angesehen werden. Dasselbe soll im Gegensatz zum jetzigen Weg näher am Vereinabach hinführen und wird manche hübsche Partie aufweisen.

Nach 31/* Stunden war die Hütte erreicht, welche, hoch auf einem Hügel thronend, von weitem schon dem Wanderer winkt. Der Wirtschafter hieß uns freundlich willkommen und war um unseres Leibes Wohl eifrig besorgt. Bald prasselte im Ofen ein Feuer, welches nicht nur zur Bereitung wärmender Speisen, sondern auch zum Trocknen der durchnäßten Kleider diente. Eine freudige Überraschung brachte mir der Wirtschafter mit der Meldung, daß die Hütte bereits einige Gäste beherberge. Diese kamen auch gerade vom obern Boden in die „ Stube " hinunter, und es gereichte mir zu besonderer Freude, in denselben zwei werte Clubgenossen, die Herren Seminarlehrer Imhof in Schiers und Ludwig in St. Fiden, begrüßen zu können. Ich war nun sicher, daß ich in Gesellschaft von zwei so begeisterten und vielgewanderten Clubisten einen recht frohen Abend verbringen würde, und es soll zugestanden werden, daß dieses Mal gegen den Paragraphen 7 der Hausordnung, welcher die Besucher anweist, spätestens um 10 Uhr sich zur Ruhe zu begeben und die Lichter zu löschen, gefehlt wurde. Es war auch in der That zu gemütlich in der wohnlichen Hütte, und draußen heulte der Sturm, so daß an ein frühes Aufstehen am folgenden Tag kaum zu denken war. Es mochte über Mitternacht sein, als wir das bequeme Heulager aufsuchten. Der Barometer, der noch konsultiert wurde, stand sehr tief, war aber doch seit einigen Stunden ein wenig gestiegen, so daß man hoffen konnte, vielleicht in zwei Tagen sicheres Wetter zu erhalten.

Der folgende Tag, ein Sonntag, sollte seiner Bestimmung gemäß ein Ruhetag sein. Regen und Nebel ließen am Morgen keinen Gedanken an ein Fortgehen aufkommen, und als es mittags aufhellte, mußte man sich mit kleinen Touren in der Nähe der Hütte begnügen; die ersten Anfänge einer Bibliothek lieferten Stoff zur Lektüre, dann konnte eine genaue Musterung der Hütte und ihres Inventars, das der Bewirtschaftung wegen bedeutend vermehrt worden war, aufgenommen werden. Gegen Abend wurde die Windrichtung günstiger. Auf den Trümmern der alten zerfallenen Hütte richtete ich meine Blicke nach dem Vernelathal, in dessen Hintergrund das Verstanklahorn mit seinem Trabanten, dem Schwarzkopf, die Nebelhülle abgelegt hatte. Frühzeitig ins Lager und früh aufstehen, war die Losung für die folgende Nacht.

Montag den 3. August, als wir uns von der Ruhestätte erhoben, zeigte sich der Himmel in reinem Blau. Die Herren Imhof und Ludwig wandten sich dem Vernelathal zu, um dem Schwarzkopf auf den Leib zu rücken, den seit der ersten durch Herrn Otto v. Pfister ( Sektion Uto ) ausgeführten Besteigung keines Menschen Fuß betreten hatte. Wir andern drei machten uns gleichzeitig auf und steuerten dem Süserthäli zu, indem wir auf den pfadlosen Hängen des Dürrenberges über den steilen Ufern des Vereinabaches hintraversierten. Bald erschien über dem Val-tortapaß die finstere Pyramide des Piz Linard, die oberste Spitze umhüllte ein schmaler, dunkler Wolkenstreifen, was uns nicht recht gefallen wollte; doch in den nächsten sechs Stunden konnte sich vieles ändern. Wir zogen also durch das nur sanft ansteigende Süserthal hinein, überwanden den steilen Stich, der zum Fleßpaß hinaufführt, und durchquerten die ebene Fläche des Miesbodens, bis wir am Rande der Val Saglains standen, auf deren anderer Seite der Piz Linard sich erhebt. Wollte man in direkter Linie an den Fuß des Berges gelangen, so müßte man beinahe 200 Meter ins Thal absteigen. Um die Gegensteigung zu vermeiden, pflegen die Führer das Thal in großem gegen den Hintergrund desselben hin gerichteten Bogen zu passieren, so daß an Höhe nur wenige Meter verloren gehen. Am Fuße des Berges angelangt, legen wir unser Gepäck ab, da wir im Sinne hatten, beim Abstieg unter allen Umständen hier vorbeizukommen. Von der Clubhütte weg waren bis jetzt während 3 Stunden Gehzeit nicht viel mehr als 500 Meter an Höhe gewonnen und erst jetzt begann die eigentliche Besteigung des Berges.

Vom Fuße desselben ziehen sich mehrere Schneerinnen bis hoch hinauf, von welchen eine zum Aufstieg benützt wird. Über einen delta-förmigen Schneehang, der nach Art eines Schuttkegels durch die aus der Rinne sich herauswälzenden Schneemassen gebildet wird, erreichen wir die Rinne selbst, in welcher wir rasch vorwärts kommen, da durch eine vor kurzem niedergegangene Lawine große Schneeklötze treppenartig übereinander geschichtet lagen. Im Schnee zeigten sich kleinere und größere Steine eingebettet, und von Zeit zu Zeit sausten auch jetzt kleinere Steinchen herunter, eine deutliche Mahnung, nicht allzulange der unheimlichen Kinne sich anzuvertrauen. Doch bald ist Gelegenheit gegeben, linker Hand in die Felsen einzusteigen, wo keine Gefahr von Steinschlag befürchtet werden muß. Schon freute ich mich, auf sicherem Fels die steile Wand hinaufsteigen zu können. Der Fels war allerdings sicher, das Gestein fest, nur die Tritte oft hoch und weit. So ging es eine Viertelstunde lang, als wir auf Neuschnee stießen, der sich über die Felsen gelagert hatte und uns bis zur Spitze nicht mehr verließ. So gestaltete sich die Tour, welche sonst in angenehmer Kletterei überwunden wird, zu einer mühevollen Schneewanderung, bei welcher wegen der verdeckten glatten Felsplatten die größte Vorsicht beobachtet werden mußte. Die Besteigung vollzieht sich immer auf der Westwand des Berges, bis man weit oben um eine Ecke herum biegt und auf einmal tief unter sich nach Nordosten die hinterste Hütte der Val Lavinuoz erblickt. In wenigen Minuten ist auf schmalem Grate der Gipfel erreicht, den ein Steinmann krönt. Die düstere Wolke vom Morgen hatte sich verzogen, und so ragte die kühne Pyramide frei gegen den Himmel empor; am weiteren Horizont freilich wogten Nebel auf und nieder, so daß wir nicht die volle Rundsicht genossen. Aber was wir sahen, war des Schönen genug. Es möge mir erspart sein, die Aussicht im einzelnen zu schildern; wer sich dafür interessiert, lese die klassische Beschreibung Weilenmanns in seinem Buche „ Aus der Firnenwelt " nach. Zuerst wird der Blick durch die nahe Silvrettagruppe gefesselt. Wenige Gebirgsgruppen zeigen so schön geformte Gipfelformen wie diese, und gerade in unserer Richtung sendet sie ihren schönsten Gletscher, den Vadret Tiatscha, aus. In vollem Glänze zeigt sich die gletscherreiche Ötzthalergruppe, das gewaltige Massiv des Ortler, die Bernina- und Albulakette, näher hin die zackigen Formen der Unterengadiner Berge, vor allen der nahe Piz Nuna. Eine Menge von Thälern liegt offen da, aber größere Ortschaften entziehen sich den Blicken, nur ein Teil von Zernez, die am rechten Ufer des Inn liegenden Häuser von Lavin und einzelne Gebäude von Tarasp grüßen aus tiefem Thale herauf. Von weitern Gegenden fällt der Rhätikon in der Gegend von Seewis ins Auge, und noch weiter hin die Kurfirsten. Den Ütliberg vermögen wir nicht zu erschauen, obwohl man bekanntlich von diesem aus den Piz Linard bei schönem Wetter ganz deutlich sieht. Da der Linard isoliert dasteht — er ist ja aus dem Kern der Silvrettagruppe, deren höchste Erhebung er bildet, herausgerückt — und von allen Seiten steil emporstrebt, so fühlt man sich auf ihm so recht in die Höhe getragen, und in gehobener Stimmung schaut der Wanderer ringsherum auf das ruhelose Meer der Gipfel, hinab auf die grünen Triften und düstern Wälder des Engadin und hinauf zu dem in ( iunkelm Blau sich wölbenden Himmel. Etwa 7 Stunden hatten wir zu der Besteigung gebraucht, aber noch blieb uns genug Zeit zum vollen Genuß der Aussicht, die Tage waren ja lang und weiter als bis zur Clubhütte zurück gedachten wir abends nicht zu gehen.

Meine Gedanken wandten sich der Vergangenheit zu und führten zwei hervorragende Männer in die Erinnerung zurück, die in der Geschichte des Piz Linard stets eine bedeutende Rolle spielen werden. Die erste Besteigung des Berges wird dem uns bekannten Professor Oswald Heer zugeschrieben, der am 1. August 1835 mit seinem treuen Begleiter Johann Madutz die Spitze bezwang 1 ). Vom Hintergrunde des Fleßthales aufbrechend, waren sie über Val Torta in das Saglainsthal gekommen und versuchten den Aufstieg auf der Westseite auf unbekanntem Terrain. Es scheint, daß sie links von der gewöhnlichen Route aufstiegen; Schwierigkeiten konnten ihnen bei dem kühnen Wagnis nicht erspart bleiben, besonders ein sehr steiles, hartgefrorenes Schneefeld, unter welchem der Abgrund drohte, machte ihnen zu schaffen. Und wem sollte, wenn er auf der. Spitze des Linard steht, nicht die markante Gestalt Weilenmanns in den Sinn kommen, der einst in voller Rüstigkeit mit seltener Energie dem Berg auf neuen Pfaden auf den Leib gerückt ist. Auch ihm, der vor zwei Jahren nach langem Siechtum zur ewigen Ruhe eingegangen, sollen hier einige Zeilen der Erinnerung gewidmet sein.

Am 1. Juli 1859 führte er die Besteigung von der Südseite aus, d.h. auf dem Wege, der heutzutage noch von denjenigen gewählt wird, welche vom Engadin, von Lavin oder Sils aus, den Berg besteigen wollen. Von Lavin führt ein steiler Fußweg in drei Stunden durch dichten Wald in das Hochthälchen von Glims, von dort über eine Schutt- respektive Schneehalde, dann über steile Felsrippen oder durch die dazwischenliegenden, oft mit Eis erfüllten Couloirs hinauf. Weilenmann, welcher von seinem unkundigen Begleiter getäuscht und im Stiche gelassen wurde, hatte sich zu weit nach Westen, gegen das Saglainsthal zu, gewandt, während die jetzt gebräuchliche Route die direkte Linie von Glis nach dem Gipfel mit geringer Abweichung nach Westen bildet. Bei günstigen Verhältnissen kann die Besteigung direkt von Lavin aus in 5-6 Stunden ausgeführt werden. Die beiden Besteigungen von Heer und Weilenmann bieten in der Geschichte der Touristik ein besonderes Interesse, nicht bloß um der Personen willen, sondern auch wegen ihrer Art des Reisens. Beide waren von einer lebhaften Freude an der Natur beseelt, der eine mehr nach der wissenschaftlichen, der andere nach der „ sportlichen " Seite hin, wenn man diesen Ausdruck im besseren Sinne versteht; beide zeichneten sich durch Schlichtheit des Wesens aus, durch Einfachheit und Bedürfnislosigkeit. Da wurden nicht Haufen von Proviant mitgenommen und ganze Flaschenbatterien, wie es eine Zeit lang Mode war ( heutzutage Dr. E. Wälder.

scheint man bei Bergtouren wieder ein einfacheres Verproviantierungs-system vorzuziehen ). Heer hatte auf seine Tour nichts als ein Stück steinhartes Roggenbrot mitgenommen, Weilenmann begnügte sich mit einem Stück Käse. Während Heer auf seinen Touren immer von einem Führer begleitet war, und zwar meistens von seinem getreuen Johann Madutz, den er liebevoll, nicht als untergebenen Knecht, sondern als Vertrauten behandelte, pflegte Weilenmann ganz im Gegensatze dazu einsame Pfade zu gehen, und ist so das Ideal der führerlosen Touristen geworden. Volli; i ^V Miüler-Wegmann del. 5. IX. 69.

Schon vor Weilenmann hatte auch Regierungsrat Steiner von Lavin mit mehreren Gemsjägern den Piz Linard erstiegen ( 1848 ); ferner sei eine Besteigung des Herrn Siber-Gysi, ehemaligen Präsidenten der Sektion Uto S.A.C., vom 4. August 1864, und eine solche des vor zwei Jahren verstorbenen Herrn A. Hoffmann-Burckhardt aus Basel vom 19. Juli 1868 erwähnt. Im Jahre 1865 sollen sogar drei mutige Lavinerinnen die Spitze erklommen haben; in Anbetracht des guten, trockenen Wetters, welches in jenem Ausnahmejahre herrschte, scheint mir die Nachricht gar nicht unglaubwürdig zu sein. Aber deswegen wird der Piz Linard doch nie ein Damenberg werden.

;:^"iv7^':'S"tjBer PizlÀnarà mtd He Geschiéhte seiner Besüitymg.

Wir haben die »wgt; Hauptrouten,welche b«i der Besteigung jn Frage kommen, kur« erwähnt. Beide bieten, wie Hoffmann sagt, gerade hinreichende Gelegenheit aur Anwendung derAusdauer, ^«r jÄuskelkraft und der Schwindellosigkeit. Die Tonr voa Lavili ist einfaebwr ttad gilt als leichter, insofern die obersten Couloirs nicht zu stark vereist sind. Der W^ *oa Tereina her, der seit Erstellung der Hütte mit Vorliebe gewählt werden Wird, bietet kanm Gefahren, da die dem Steartebiag àqsgesetate Stelle bis auf eine kleine Strecke vermieden werden kann, und so -steil auch die Wände sind, so giebt es im GrondegènomBiien but eine einzige Stelle, wetebe so recht schwindlig genannt werden kann. Es ist der Moment, wo man nach der Nordseite umbiegt und plötzlich fast senkrecht zu Füßen die Hütten von Lavhraoz erbliekt. Aber auch hier, wo ein Begehen ganz unmöglich erscheint, haben schon kühne Gemsjäger den Auf- und Abstieg .versnebt. Der alte Führer Christian Jann aus Klosters versicherte mir, daß er dort oft herumgeklettert sei und eine Besteigung des Gipfels, wenn auch schwierig, so doch wohl möglich sei. Weilenmann berichtet, daß durch das nordostwärts sich absenkende Felsentobel, ttber schsttbedçekte Abhänge and Lawinenzäge Jahrkoch ae » Schweiz« Alpenelob. S8. J«lrg.5 » Gemsjäger Jakob Planta aus SOs vom Gipfel gerade anf die Marangun-litttte hinabgestiegen sei; ungefähr auf dem gleichen Wege gelangten auch die beiden Engländer C. Taylor and R. Pendlebury mit den Führern Spechtenhanser am 15. Jnli 1878 vom Gipfel direkt in die Val Lavinnoz hinunter. Eise führerlose Besteigung unternahmen am 28. Augast 1882 die Brüder Emil und Richard Zsigmondy von Lavin aas. Seither wird der Berg nicht selten bestiegen. Bei einer Besteigung, welche die Herren Ad. Wegmann, Lehrer, und Joh. Farner aus: Zürich am 6. August 1897 führerlos von Vereina aus unternahmen, verfehlten sie beim Aufstieg das richtige Couloir, weil alles mit Nebel bedeckt war. Sie stiegen in dem mehr nach rechts, d.h. nach Süden gelegenen Couloir, das die beiden durch Steinschläge in große Gefahr brachte, bis zum Grat empor, der vom Linard nach dem Piz Glims sich absenkt, und nachdem sie sich; etw » 50 Meter nach der Ostseite hin abgeseilt hatten, erreichten sie den! Gipfel' auf schmalen Felsbändern, immer nahe am Grate sich haltendAlpina VI, 3 ). Im Jahre 1868 suchten die Engadiner die Zngänglichkeit dadurch za erleichtern, daß sie im Glimathälcben eine Hütte errichteten,; -welche für acht Personen Raum bot. Aber der Baa hatte keinen langen Bestand. Das aus rohen Steinplatten erstellte Dach war so schadhaft, daß Regen und Schnee überall hindurchdrangen und das Lagerheu verfaulen mußte. Dazu kam noch* daß das bereits angeschaffte Mobiliar: çchon im Jahre 1869 bei einem Brande in Lavin zu Grunde-ging. Eine Zeit lang sachten die Fahrer die Hütte für den einzelnen Fall möglichst bequem herzurichten, bis sie zutetzt ganz in Verfall geriet. Seit längerer Zeit trägt sich die Sektion, ünterengadin mit dem Gedanken, an der gleichen Stelle eine regelrechte Clubhütte zu bauen; aber da gegenwärtig die Centralka8se nicht in der .Lage ist, mit einem Beitrag beizuspringen, so müssen sich die Leute noch eine Weile gedulden.

Doch wir wollen .wieder zum Ausgangspunkt unserer Abschweifung zurückkehren, wir weilen ja immer noch anf der Spitze des Linard, wie die Vögel auf hohem Baumwipfel. Da wir aber nicht fliegen kennen und der Abstieg der Schneeverhältnisse wegen mit Bedacht vor sich gehen muß, so wird der Befehl zum Abmarsch erteilt. Etwa 2 Stunden lang batten wir geschwelgt im Genuß der prächtigen Aussicht » der wir uns im warmen- Sonnenschein bei vollkommener Windstille hatten hingeben können. Den JBöckweg zu finden, war nicht schwierig, da wir ein-,fâch den im Schnee zurückgelassenen Spuren zu folgen brauchten. Der Schnee zeigte sich erweicht und naß, und an vielen Stellen waren die Felsen schon wieder aper geworden. Besonderer Vorsicht bedurfte es, um auf den glatten, verdeckten Platten, welche hie und da eine, tückische Eisschicht deckte, nicht abzurutschen. In der Schneerinne angelangt, sputeten wir uns, damit wir bald um eine vorspringende Felsecke kämen, von welcher Stelle an die besonders an warmen Nachmittagen zahlreich 15, > tu« herabstürzenden Steingeschosse uns nicht mehr treffen konnten. Beim zurückgelassenen Gepäck wurde Rast gehalten.

Nach langem Überlegen beschloß ich, nicht direkt nach Vereina zurückzukehren, sondern das gute Wetter zu benutzen, un das nahe Unterengadin wieder einmal zu sehen und dem Herrn Pfarrer in Lavin, der mich zu wiederholten Malen eingeladen hatte, einen Besuch abzu-statten« Ich drängte zum Aufbruch, als mein Begleiter sich erst noch anschickte, eine Suppe für sich zu kochen. So gingen viele köstliche Minuten verloren. Endlich verabschiedeten wir uns von Guler, der uns vortreffliche Führerdienste geleistet hatte, und zogen das Saglainsthal hinab, indem mein Begleiter noch bis Süs, ich dagegen nach Lavin zu gehen beabsichtigte. Die Wanderung durch dieses Thal bietet wenig Interesse, und der höchst geringe Weg vermag dasselbe nicht zu heben. Zum Glück fanden sich bis weit hinab zahlreiche Schneefelder und La-wjnenttberreste, auf welchen weit bequemer fortzukommen war, als auf dem widrigen Geröll, das sonst die Ufer des Baches bedeckt. Zuerst hielten wir uns auf der rechten Seite, überschritten aber bei der armseligen Hütte Chamonna d' immez den Bach,um fortan auf der linken Seite zu bleiben. Bei dieser Gelegenheit sei mir die Bemerkung gestattet, daß die Schreibart d' immez, wie sie in der Siegfriedkarte sowohl für diese Hütte im Saglainsthal als auch für eine Alp in der Val Lavinuoz sich findet, offenbar falsch ist und die alte Exkursionskarte vom Jahre 1865 die richtigere Auffassung hat. Dort findet sich im Lavinuoz die Alp da mezz, was doch ohne Zweifel, im Gegensatz zu der dort auch bezeichneten Alp dadoura ( äußere Alp ), die Alp in der „ Mitte " des Thales bedeuten soll. Weiter unten verlor sich der Weg vollständig, so daß wir gezwungen waren, eine Strecke weit durch Gestrüpp uns durchzuarbeiten, bis wir dann auf dem schönen Wiesenplan von Nasch wieder in das lichte Freie kamen. Wir trafen dort Leute, welche sich die längste Zeit Mühe gaben, einen Gaul, der an einer morastigen Stelle mitsamt dem Heuwagen zu Falle gekommen war, wieder aufzurichten. Nach wenigen Minuten befinden wir uns auf der Engadinerstraße und nehmen Abschied, da sich hier unsere Wege trennen. Kaum sind wir einige Schritte voneinander entfernt, so beginnt es, ohne daß wir vorher eine Ahnung gehabt hatten, zu regnen, und zwar in kurzer Zeit mit solcher Wucht, daß ich im Gebüsche zur Seite des Weges eine schützende Stelle suchte. Zuerst gewährte das dichte Blattwerk angenehmen Schutz, aber allmählich neigten sich die Blätter, und von jedem ergoß sich gleichsam ein kleines Bächlein über meine Kleider, so daß ich buchstäblich aus dem Regen in die Traufe gekommen war. Ich verwünschte die Suppe meines Begleiters, ohne welche wir rechtzeitig unter Dach gekommen wären, und eilte trotz des Regens dem Dorfe Lavin zu, das nur noch eine gute Viertelstunde entfernt lag.

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Der Gasthof zur Post oder piz Linard war mir schon von frÄher her in angenehmer Erinnerung, und auch diesmal fand ich gute und billige Unterkunft. Da meine Kleider gehörig getrocknet werden mußten, so konnte ein Besuch bei Serra Pjfârrer Placherà nicht mehr in Frage kommen. leb kündigte aber meine Anwesenheit an, und am Morgen Irfift; schon kam der Herr Pfarrer, um mir ia liebenswürdiger Weise seine Zeit-und seine Dienste sor Verfügung za stellen. De* unsiehern Wetters wegen and weil meine Ferienzeit bald zu Ende ging, verzichtete ich auf eine Besteigung des aussichtreichen und höchst interessanten Piz Nuna and nahm mir bestimmt vor, am Abend wieder ito der Yereinahütte zu sein. Der bequemste und für Alleingeher geeignetste Weg führt unstreitig über den Fleßpaß nach Vereina. Allein bis auf eine kurze Strecke im hintern Tal des Fleßthaleswar mir die Gegend bekannt, anderseits gsb e& noch eine andere für mieli ganz neue Route, welche so direkt als möglich von Lavin nach Vereina fahrt, nlmlich Aber die Fuorcla Zadreil oder den Vernelapaß, und da Herr Pfarrer Ptinehera sich ohne weheres anerbot, mich bis auf die Paßhöhe zn begleiten, so war dieses Projekt beschlossene Sache.

Der Vormittag sollte dem Besuche der Fonra Baldiran gewidmet sein. Zwischen Lavin und Stls, an? dem rechten Ufer des Ino, findet sieh im Walde versteckt an den Abhängen des Piz Mezdi eine Reihe natürlicher Höhlen, in welche sich die Bewohner der umliegenden Dörfer flüchteten, als der österreichische General Baldiron im Jahre 1622 sea-gend und brennend durch das ünterengadin sog. Man branchi nicht weit vom Sträßehen in den Wald hinauf sich sn wenden, so gewahrt man « ine ganze Wüstenei von moosbekleidetea Felsblöcken, zwischen welchen morsche Stämme and Äste in wildem Durcheinander liegen. An vielen Orten dringen die Blicke in feuchte, dunkle Höhlen hinab, die oft mit Bis erfällt sind. Wer etwa, durch diese Holzstämme kletternd, einmal auf den freien Waldboden tritt, kann Gefahr laufen, einzusinken, weil der Eingang zu diesen vertikalen Gängen an vielen Stellen mit Moos Uberwachsen ist, oder wenn man aaf einen soliden Stamm zu treten glaubt, so zerfällt er beinahe wie Zander, da ihn beständige Feuchtigkeit ganz durchtränkt hat. Mein Begleiter, ein noch junger Mann nnd tüchtiger. Turner, schwang sieh mit großer Behendigkeit dnfeh alle die Hindernisse hindurch, während mir nach den Strapazen des vergangenen Tages das Herumklettern auf den feuchten, schlüpfrigen Hölzern nnd dem nnsichern Boden, wobei die vollste Aufmerksamkeit aufzubieten war, ziemlich zaNacb dem jungst erschienenen Blatt Ardez des Siegfriedatlas erstreckt sich der Name Val torta nicht nur vom FleßpaE zum Vereinapaß, sondern umfaßt aach noch den Hintergrund des Fleßthales ( von der Hatte dadaint an ), während der'Name Val Fleß nur dem äußern Fleßthal ( von der Hütte dadaint bis zur Fluela- straße ) zukommt.

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69 schaffen machte. Es ist sehr glaubwürdig, de dfese verborgenen Höhlen vom habgierigen FeinSe moht entdeckt wurden; daß dieselben ah Versteck benutzt worden sind, geht aus dem Umstand hervor, daß man daselbst Überreste von Kleidern und Kriegswerkzeugen gefunden hat. Erst als wir wieder zum Sträßchen zurückkehrten, merkte ich an der Weite des Abstieges, wie hoch hinauf dieses Höhlenrevier reicht. Nun lag auch Süs nicht mehr weit, und mein Begleiter machte daher den annehmbaren Vorschlag, in der bekannten Brauerei daselbst, welche einen großen Teil des Engadin mit Bier versieht, einen Frühschoppen zu nehmen. In der Gaststube trafen wir gute Gesellschaft, unter andern Herrn Dr. Küng aus Sent, den früheren Präsidenten der Sektion Unterengadin, welcher dann die Freundlichkeit hatte, uns auf seinem Fuhrwerk bis Lavin mitznführen. Im Pfarrhaus war ich zum Mittagessen eingeladen und lernte ein anmutiges Pfarrhausidyll kennen. Im Winter freilich muß es in Lavin sehr kalt sein, und Frühling, Sommer und Herbst zusammen dauern nur etwa vier Monate. Die jungen Pfarrersleute hatten damals schon im Sinn, den Ort zu verlassen, um im Münsterthal das Geschäft eines verstorbenen Bruders zu übernehmen. Ich war also noch rechtzeitig nach Lavin gekommen.

Um halb 3 Uhr brachen wir auf, eher etwas spät in Anbetracht des weiten und mühsamen Weges. Um den Weg ins Thal hinauf etwas abzukürzen, hatte der turngewandte Herr Pfarrer auf der Rückseite des Hauses an ein Fenster des ersten Stockes eine schwache Hühnertreppe gelehnt, welche die Last meines Körpers nur mit Mühe zu tragen vermochte. In wenig Minuten wird der Eingang der Val Lavinuoz erreicht, und welch ein Unterschied zeigt sich sofort znm rannen Saglainsthal. Im Gegensatz zu den Felsblöcken, die dort überall herumliegen, dehnt sich, nachdem einmal der letzte schluchtartige Absturz ins Hauptthal tiberwunden ist, ein freundlicher, wenn auch schmaler Streifen von Alpwiesen ans bis fast za den Gletschern hinauf. Der Weg, welcher n«r im Anfang, bis zar Alp dadoura, auf der linken Bachseite hinfahrt, ist recht gut und viel weniger steil als derjenige im Saglains. Dort weitet sich das Thal im Hintergrunde auch zu einem Kessel aus, in welchem der Saglainsgletscher in schönen Formen eingebettet liegt, aber hier im Lavinuoz übt der Gegensatz zwischen dem langgestreckten, in frischem Grün prangenden Alpenthal und den steil abstürzenden Gletschern, welche dasselbe abschließen, eine großartige Wirkung. Der Maisas- und der Tiatscha-Gletscher, in ihrem obern Lauf durch die Parait alba ( weiße Wand ) getrennt, wölben sich in prächtigem Blangrün und treten einander im untersten Teile näher. Eine Vergleichung des neulich erschienenen Blattes Ardez mit der um 30 Jahre altern Exkursionskarte zeigt auf den ersten Blick, wie sehr in diesen drei Decennien die Gletscher zurückgewichen sind. Aber am mächtigsten wird der Wanderer durch den i « ;. K".«,'!^ »!

wunderbaren Anblick des Pîz Linard ergriffen. Obschon wir hart am Fuße der Pyramide hingehen, So kann unser Auge doch die oberste Spitze deutlich wahrnehmen; denn in einer fortlaufenden Linie, die nur in fast regelmäßigen Zwischenräumen durch kleine Absätze gebrochen ist, schwingen sich die Kanten empor. Mit wachsendem Staunen verfolgt das Auge diese* Absätze, die ihm angenehme Kuhepunkte bilden, bis es in der unendlich Fern scheinenden Höhe angelangt ist. Ieh kenne keine Bergansicht, bei der die Linien des Berges so steil und hoch in einer Flucht sich erheben und bei welcher der Berg selbst in so schöner Regelmäßigkeit und freistehend sich darbietet, wie die Ansicht des Piz Linard von der Val Lavinuoz aus. Während ich die längste Zeit in diesen wunderrollen Anblick versunken bin, späht mein Begleiter überall herum, ob er nicht die Spur eines Tieres erblicke; denn der Herr Pfarrer ist nicht bloß ein gewandter Turner und ein weit herum bekannter Schütze, sondern auch eis bewährter .Gemsjäger. An den nahen Hängen des Linard sieht er bald eich etwas regen, und mit dem Perspektiv können wir das muntere Treiben niedlicher Gemsen, welche sich unbeachtet glauben, ganz deutlich wahrnehmen. Bei der hintersten mit Marangun bezeichneten Alphütte lenken wir unsere Schritte nach der westlichen Thalseite und komme« auf dem steilen Grashang rasch in die Höhe, aber mit dem Wetter will es wieder hapern. Bei schönstem Sonnenschein waren wir durch das Lavinuoz wie in angenehmem Spaziergang gewandert, und auf einmal hat sich der Himmel mit Wolken überzogen, aus dem schon sanfter Regen herabgießt. Das wird schön werden, bei Nebel und Regen über das Joch und das Veraelathal hinaus in ganz unbekannter Gegend sich herumzutreiben, zumal am späten Abend, wenn die Nacht mit ihren Gefahren hereinzubrechen dräut. Doch ich baue auf das seltene Wetterglück, das mir in jenem Sommer zu teil geworden, und wirklich, wie es in den Bergen häufig vorkommt, kaum hat sich der Himmel umdüstert, so bricht die Sonne wieder siegreich durch die Wolken und verjagt sie nach allen Seiten hin.

Die hohe Thalwand ist überwunden, ein freundliches Plateau öffnet sich, aber das zu erreichende Joch scheint noch in weite Ferne gerückt. Bald sollte auch die Hochebene sich weniger freundlich erweisen, als der erste Anblick vermuten ließ. Wir waren nämlich gezwungen, ein endloses Trümmerfeld zu durchqueren, in welchem gewaltige Steinblöcke über- und nebeneinander gewürfelt lagen. Für turnerische Übungen wäre hier ein instruktives Feld zu finden, aber die stete Vorsicht, die man beobachten mußte, um nicht zu fallen oder den Fuß zu verstauchen, hemmte ein schnelles Vorwärtskommen in hohem Maße. Endlich hatte auch diese Qual ein Ende; wo das Terrain von neuem sich hebt, um etwa noch 200 Meter hoch zur Fuorcla Zadrell anzusteigen, beginnt der Schnee, auf welchem gut zu gehen ist.

j-% Es mochte schon sechs Uhr abends sein, als wir auf der Höhe anlangten, und ein langer Aufenthalt war durch die Wahrnehmung ausgeschlossen, daß der Abstieg ins Vernelathal und durch dieses hinaus nach Vereina sich sehr weit zu dehnen schien. Aber die Aussicht vom Joch in die großartige Umgebung inmitten des Silvrettagebirges, zwischen Verstanklahorn und Schwarzkopf einerseits und dem Piz Linard anderseits, mit dem Blick in das triftenreiche Lavinuoz mit den Ünterengadiner Bergen in der Ferne und in das von der Abendsonne beleuchtete Vernelathal war zu schön, als daß wir, ohne all die Herrlichkeit zu beachten, vorbeigegangen wären. Nicht mit Unrecht sagt G. v. Escher in seinem Handbuche für Reisende in der Schweiz, daß hier die Aussicht auf die Südseite der umgebenden Gebirgskuppen wohl den schönsten in dem ganzen Alpengebiete beigezählt werden dürfe. Im gleichen Handbuch wird der Paß Lavinerjoch genannt, Coaz in dem Itinerar über das Silvrettagebirge und die Exkursionskarte ( Jahrbuch S.A.C. III ) haben den Namen Fuorcla Zadrell aufgenommen, nach dem Pfarrer Zadrell, welcher auch den Piz Linard zuerst bestiegen haben soll; das neueste Siegfriedblatt endlich weist die Doppelbezeichnung Fuorcla Zadrell und Vernelapaß auf.

Unter den Pässen, die von Klosters nach dem Unterengadin führen, steht er, was Höhe und Gangbarkeit betrifft, in der Mitte. Am bequemsten und niedrigsten ist der Fleßpaß ( 2452 m ), die Variante Jörifleßpaß ( 2567 m ) wird wegen des mangelhaften Weges weit weniger benutzt. Beide Wege führen direkt nach Stts, während der Valtortapaß oder Vereinapaß ( 2603 m ), wie er jetzt auch genannt wird, in die Straße zwischen Süs und Lavin mündet. Als direkteste Verbindung zwischen Klosters und Lavin hat jedoch von jeher die Fuorcla Zadrell ( 2753 m ) gegolten. Sie überragt zwar den Fleßpaß um volle 300 Meter und ist vergletschert, aber eine alte Überlieferung berichtet, daß Klosters und Lavin sich des gleichen Pfarrers bedient hätten, der jeden Sonntag den Weg über die Fuorcla gemacht habe, um am gleichen Tage an beiden Orten zu predigen. Die Thatsache steht fest, daß Galtür im Paznaun eine Filiale von Ardez gewesen ist, und auch Ischgl im Paznaun stand in nahen Beziehungen zu Remüs im Unterengadin; so konnte ein ähnliches Verhältnis zwischen Klosters und Lavin bestanden haben, nur scheint mir die Überlieferung von den zwei Predigten am gleichen Tage übertrieben zu sein und jedenfalls nicht auf eine regelmäßige Gepflogenheit sich zu beziehen. Man denke, daß von Klosters 1550 Meter und von Lavin 1300 Meter Höhe zu überwinden sind, und im übrigen ist auch die Horizontaldistanz eine beträchtliche. Selbst ein guter Gänger wird heutzutage von Lavin aus 7 und von Klosters aus 71/a Stunden brauchen. Jedenfalls ist die Thatsache nicht zu bezweifeln, daß der Paß in dem Verkehr zwischen Prätigau und Engadin einst eine Rolle gespielt hat Mit der Erstellung der Flüela-Straße kam er in Vergessenheit; der Weg, wele&enï früher gewiß einige Sorgfalt gewidmet worden war, *er-J«l, « nd « o konnten wohl Jahre vergehen, ohne daß, mit Ausnahme etwa der GemsjMger, eines Menschen Puli die Höhe der. Fuorcla betrat. Das Verdienst, in Touristenkreisen zuerst auf jbne Gegend hingewieflen zn haben, kommt Herrn Zeller-Hèriier1 ) za, der im Jahre 1840 Ton Klosters aas .'Strichdas BoggenthäU unä die ßoggenfnrka ( 2762 B ) nach Vernela und weiter Aber die Fnorcia Zadrell nach Larftnoz and Lavin wanderte. Es dürfte bèi dieser Gelegenheit in Erinnerung gebracht werden, daß Herr Zeller sich um die Topographie jener! Gegend verdient gemacht hat, indem er bei Anlaß jener Tour ein fflr damalige Verbältnisse genaues Kartellen des Silvrettagebietes im Maßstabe von 1: 200,000 zeichnete, welches H. Keller für seine Karte benutzt hat.

Etwa eine Viertelstunde lang hatten wir auf dem Joche geruht und uns ana Anblick der schönen Umgebung erlabt, dann winkte ich dem Ünterengadin noch e^nea Gruß zu und nahm Abschied von Herrn Pfarrer Pünehera, dessen Begleitung- mir ebenso angenehm als lehrreich gewesen war. In seiner Fürsorge um meine Person wollte er zwar noch warten, bis er mich den Gletscher, der vom Joche weg eine ordentliche Strecke weit ins Vernelathal sich hinabzieht, ganz hätte passieren sehen. In Anbetracht der nahen Nacht schlag ich einen leichten Trab an und erreichte. bald das Ende des sanft geneigten und in gutem Enfe stehenden Piller-gktsehers.

Die weitere Aufgabe bestand nun darin, einen praktischen Abstieg in die Tbalsohle zu finden. Die Neigung des Abhangs war hn ganzen nicht sehr stark, aber einzelne steile Schneeflecken und dann wieder Fels-trttmmer, weiche den Weg verbarrikadierten, hemmten ein schnelles Vorwärtskommen, und doch drängte die Zeit immer mehr. Endlich hatte ich; die Stelle des Thaies erreicht, wo dasselbe anfängt sanfter zu ver-lauren, aber wer etwa glauben sollte, daß der Weg nunmehr auf sanftem Wiesenteppich angenehm dahinffihre, würde sich gewaltig irren. Die Alpenthäler Bind in dieser Beziehung ungemein verschieden; freilich sind nicht alle wild und Öde, wie die Bücher vielfach schildern. So haben wir z.B. das Thal vom Cruscbettapaß nach Tauffers wegen seiner sanften, regelmäßigen Steigung und seines durch schöne Alpweiden führenden guten Weges in guter Erinnerung. A neh das Vernelathal kann nicht zu den besonders wilden Thälern gerechnet werden, insofern dasselbe keine Schlachten bildet, durch die sich der Bach in wilden Stürzen einen Weg erzwingen muß. Die Tbalsohle ist angemessen breit, nicht trennen steile Stufen das Thal in abgesonderte Teile, aber von einem Wege findet »ich die weitesten Strecken keibe mir, hie und da sperren Trümmer die Wegrichtung, und oft muß man sich die längste Zeit durch weite Pfützen durcharbeiten, welche der Bach wegen seines geringen Gefälls bildet. Es ist sehr zu bedauern, daß gerade in schönen Hochthälern der reine und volle Naturgenuß durch den Mangel eines annehmbaren Weges verkümmert wird. Wenn man bei jedem Schritt sehen muß, wo der Fuß hingesetzt werden soll, so hütet sich das Auge, nur dem idealen Schauen sich hinzugeben. Wie sehr ich daher der Ansicht bin, daß die Menschen auf den Bergreisen nicht durch alle möglichen Bequemlichkeiten verwöhnt werden sollen, so halte ich doch ordentliche Wege oder wenigstens nicht zu verfehlende Wegspuren als ein Haupterfordernis für genußreiche Wanderungen.

Freilieb, wie i

bewährten Führers, der die Vereinagegend eigentlich erschlossen % war mir ein rechter Genuß, und gerne hörte ich zu, wenn er in seiner witzigen und daneben durchaus bescheidenen Art von seinen interessanten Erlebnissen auf Bergtouren und Jagden erzählte.

So hatte meine Besteigung des Linard und die Rundtour um denselben den schönsten Abschluß gefunden. Am Morgen des folgenden Tages regnete es abermals in Strömen. Die Partie, welche schon frühzeitig nach dem Linard aufgebrochen war, kehrte nach drei Stunden gänzlich durchnäßt zurück. Selbst in Klosters scheint sich des schlechten Wetters wegen allmählich eine gewisse Verzweiflung der Kurgäste bemächtigt zu haben; sonst würde nicht an jenem Vormittage ein mir bekannter Herr, der seine Ferien in Klosters zubrachte, bei dem abscheulichen Wetter den 311sstündigen Weg zur Hütte gemacht haben, bloß zum Spazieren, um dann auf das Mittagessen wieder in Klosters zurück zu sein. Ich selber stieg in Etappen ins Thal hinab, da mich der Regen zwang, sowohl in der Stutzalp als auch in Novai Schutz zu suchen. Ohne stark durchnäßt worden zu sein, hielt ich am Nachmittag meinen Einzug in Klosters.

Nachdem wir die Rundtour um den Berg vollendet haben, mag es von Interesse sein, zu vernehmen, was ein Bündner Historiker aus längst vergangener Zeit über diese Gegend schreibt. Der bekannte Pfarrer Campell aus Süs hat nämlich ums Jahr 1572 eine „ Raetiae alpestris topographica descriptio " herausgegeben, in welcher die Gebirgsgegend zwischen Unterengadin und Klosters mit seltener Ausführlichkeit beschrieben wird. Wir wollen aus dem mit großem Fleiß zusammengestellten lateinischen Werke einige Stellen anführen, welche in Bezug auf Topographie, Entstehung der Namen und auch nach der touristischen Seite hin heutzutage noch großes Interesse bieten.

„ Die Val Salgainz erstreckt sich von Inn weg nach Nordwesten ungefähr 3 römische Meilen weit und hat in seinem Hintergrunde ungeheure Schneemassen, welche seit Anbeginn der Welt, wie man glaubt, sich angehäuft und zu ewigem Eis verhärtet haben und von unergründlicher Tiefe sind. Solche gewaltige Massen von ewigem Eis und Schnee können in vielen Gegenden unserer Alpen gezeigt werden. Wenn man vom Saglains aus eine nicht gar bedeutende Höhe erstiegen hat, so gelangt man in direkter Richtung ins Thal Verena und durch jenes in das Gebiet des Rätikon ( Prätigau, oder auch in die Val Torta, von wo aus man wieder nach Susa ( Süs ) absteigen kann. Auf jener vorhin genannten Höhe treffen nämlich die drei erwähnten Thäler ( Saglains, Verena, Val Torta ) zusammen; deshalb kommt es, namentlich bei Nebelwetter, häufigDie in den Parenthesen enthalten Bemerkungen sind vom Verfasser dieses Aufsatzes beigefügt.

vor, daß diejenigen welche sm Morgen früh in Stts die Reise antreten, um durch eines jener Thäler nach dem Prätigau zu gelangen, am Abend durch ein anderes Thal wieder nach Süs zurückkommen. So sind im Jahre 1572 einige Männer, welche am Morgen von Sils aufbrachen, um in öffentlichen Angelegenheiten nach Chur zu gehen, am Abend desselben Tages wieder dort angelangt, und zwar trotz hellem Wetter. "

Auch in dem Kapitel, welches von Klosters handelt, spricht Campell ausführlich von den Thälern, die nach dem Engadin führen. Von der Lanquart wird daselbst angenommen, daß sie ungefähr 20 Meilen von dem Einfluß in den Rhein entspringe, nämlich in jenem Teile des Rätikongebirges, welcher zwischen Verenathal einerseits und Süs und Lavin anderseits sich erhebt. „ Von seinem Ursprung weg durchfließt der Fluß das anmutige Verenathal, welches reich an Weiden ist, zuerst eine Meile weit nach Westen, bis er sich bald nach Norden wendet. Dieses Thal, welches früher einige Gemeinden des Prätigau von den Süsern gepachtet hatten, wurde vor einigen Jahren von den Pächtern zu dauerndem Eigentum angekauft. " Bekanntlich wird dieser obere Teil des Vereinathales heute Süserthäli genannt, offenbar in Erinnerung an die frühern Besitzer. „ Da, wo die Lanquart nach Norden umbiegt ( d.h. in dem Thalkessel, welcher jetzt Vereina im engem Sinn genannt wird ), nimmt sie zwei Bäche auf, einen von Süden her aus der vallis Georgiana ( jetzt Jörithal geheißen ), den andern von Osten her aus der vallis Verenella ( jetzt Vernela ), dessen Name als Verkleinerungsform von Verena angesehen werden kann. Durch das Thal Verenella kann man auf einem abkürzenden Wege in 5 Meilen nach Lavin gelangen. ( Es war also damals die Fuorcla Zadrell bereits begangen, natürlich nicht unter diesem Namen. ) Von jener Vereinigung der 3 Bäche an stürzt die Lanquart auf eine Strecke von etwa 5 Meilen durch rauhes, unkultiviertes Gebiet in nördlicher Richtung, bis sie zuletzt an einem Ahornwald vorbeifließt und alsdann den aus dem Sardascathale herausströmenden Bach aufnimmt. " Campell berichtet nun allerdings, daß einige die Sardasca für den wahren Quellfluß der Lan » quart betrachten und nicht den Verenabach. Es würde zu weit führen, die weitläufige Erörterung über den Ursprung der Lanquart zu verfolgen; es sei beiläufig nur noch erwähnt, daß sich daselbst schon der Name Verstanklathal, dann auch Saffreta ( für Silvretta ) findet.

Zum Schlüsse wollen wir noch auf die Geschichte der Besteigung des Piz Linard zurückkommen, von welcher die wichtigsten Daten aus unserer Zeit bereits mitgeteilt sind. Jeder bedeutendere Berg hat allmählich eine besondere Geschichte erhalten, aber bei den meisten erstreckt sich dieselbe auf eine Zeit von wenig Decennien oder selbst von wenig Jahren. Nur die höchsten und allerbedeutendsten Berge haben eine längere Geschichte, weil der Forschertrieb der ersten Bergsteiger gerade die höchsten Gipfel als Ziel sich ausersehen hat. Es ist bekannt, daß

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Dr. E.

am Ende dea vorigen und im Anfang diese » Jahrhunderts vom Pater Placidus a Spescha Versuche gemacht wurden, den Piz Rusein und das Rheinwaldhorn zu besteigen, und der letztgenannte Gipfel soll wirklich erreicht worden sein. Über keinen andern Hochgipfel im rätischen Gebirge gehen aber die Kachrichten so weit zarttck, wie beim Piz Linard. Zunächst lesen wir im „ Sammler " vom Jahre 1804: „ Wenn man auf den der umliegenden Berge steht, so findet man sich erst an seinem FoBe. Man Bieht ihn von dea Ebenen Schwabens aua and kennt Uto als einen Wetterhahn unter seinem Namen. Heutzutage ist er vermutlich nicht mehr zu ersteigen, wenigstens wagen es die verwegensten Jäger nicht, die Gemsen, die hier in Menge sind, auf diesem erhabenen Zufluchtsort zu verfolgen; aber im Anfang des verflossenen Jahrhunderts .erstieg ihn ein Geistlicher von Lavin, Namens Joe Klos Zodrell. Bfei Gefahren dieser Reise waren groß; ein Adler besonders, der an den gefährlichsten Stellen ihn mit dem Flügel niederzuschlagen suchte, machte ihm viel zu schaffen. Zu oberst fand er ein paar Fußeisen; er nahm sie und ließ die seinen dafür zurück. "

Der bekannte Topograph Bündens aus dem letzten Jahrhundert, Sererhard, giebt keinen Bericht über den Pfe Linard, wohl aber erwähnt ihn Campell an einer Stelle, welche wir um ihrer Bedeutung willen in Übersetzung vollständig wiedergeben: „ Obwohl das Gebirge, das zwischen dem Ursprünge der Lanquart und dem Saglainsbach liegt, ziemlich niedrig verläuft, so erhebt es sich doch hinter jenen Eismassen ( gemeint ist der Saglainsgletscher ) zu solcher flöhe, daß sein oberster Gipfel immer vos Schnee schimmert, in welchen er auch den ganzen Sommer über gehüllt zu seiO scheint. Daher wird er von den umwohnenden Engadinern gewöhnlich für den höchsten unter den Bergen gehalten, und Heia1 ) hat nicht bloß von ungefähr gewagt, zu behaupten, daß der Rätikon mit dem Taurus das höchste Gebirge sei. Die Leute im Engadin halten es für ganz sicher, daß seit dem fabelhaften Altertum bis auf ihre Zeit noch gar niemand gewagt habe, bis zur Höhe des Berges, welchen man geh wohnlich Piz Chünard, d.h. Gipfel des Chuonard, nenne, emporzusteigen, mit Ausnahme eines einzigen Chuonard, welcher mit einem goldenen Kreuze, das er mitnahm, unter großen Mühen den Gipfel erreichte. Er befestigte das Kreuz und ließ es zurück. Keine andern Männer, obgleich sie es versuchten und das Kreuz herunterzuholen trachteten, haben später den Gipfel erreichen können. Ich selbst habe Jäger bestimmt versichern hören, daß sie bei der Jagd auf Wild, besonders auf Gemsen, hinaufgekommen seien, allerdings mit großer Mühe wegen der RauheitPomponius Mela, ein römischer Schriftsteller des I. Jahrhunderts nach Christi Gebort, verfaßte 3 Bücher de chorographia, welche eine Darstellung der alten Welt enthalten.

w^g«; der Steilhänge und der aóhrtftktìebM Hdke, daß >tì*»-'»l)er kein Kreuz oder Derartiges vorgefunden haben. Sie hätten nicht bloß die jenseitigen Gebiete, nämlich das ganze Engadin u. s. w., sondern auch die diesseitigen Gegenden, welche zu Rätien gehören, auf weite Ferne hin sehen können. Selbst der lacus Veseniensis oder richtiger gesagt Rivarius ( d.h. der Wesenersee oder Walenstadtersee ) werde ohne Zweifel von dort aus erkannt, da keine Berge dazwischenliegen, welche die Aussicht hemmen könnten; immerhin scheint mir das wunderbar zu sein. Daraus kann man leicht schließen, wie bedeutend die Höhe sein muß. Der Teil des Berges, der gegen das Gebiet von Lavin im Engadin zu liegt, wird von den Einwohnern Lavins auf rätisch „ Lgymps " genannt, d.h. Olympus, ohne Zweifel wegen der unglaublichen Höhe, in welcher er dem Olymp, dem berühmten Berge Griechenlands, gleichkommt, der ja auch öfters von den Dichtern im Sinne des Wortes „ Himmel " gebraucht wird. " So weit Campell.

Es sei noch bemerkt, daß bis vor kurzer Zeit der Berg in Klosters und im Prätigau überhaupt „ Lavinerhorn ", im Engadin dagegen „ Piz da Glims " genannt wurde. Mit dem Namen „ Glims ", mit welchem das Campell'sche „ Lgymps " identisch sein dürfte, wird jetzt das südlich vom Bergkegel eingebettete Thälchen, wo einst die Clubhütte stand, ebenso ein Vorgipfel bezeichnet, während der Hauptgipfel nunmehr durchwegs Piz Linard genannt wird. Und nun mögen recht viele Clubisten in d«r schönen Sommerszeit ihre Schritte dem geschilderten Berge zuwenden. Wenn auch der Piz Linard nicht der rechte Olymp ist, so wird doch jeder Besteiger auf jener luftigen Höhe in eine gehobene Stimmung versetzt werden und, wie einst die olympischen Götter Griechenlands, mit stiller Freude und erhabener Ruhe auf die Welt und das bunte Treiben der Menschen herabblicken.

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