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Dhaulagiri: Anmarsch von der indischen Grenze bis zum Basislager

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Anmarsch von der indischen Grenze bis zum Basislager

Von Hannes Huss

Wir sind alle unendlich froh, das heisse und staubige Indien der Vormonsunzeit verlassen zu können. In Nautanwa, der Endstation der Bahn, haben wir unsere 3^ Tonnen Gepäck ausgeladen. Auch unsere zehn treuen und zuverlässigen Sherpas unter Führung des Sirdars Ang Tharkey erwarteten uns hier. Jetzt rollen wir auf zwei Lastwagen, eingehüllt in eine ungeheure Staubwolke, der nepalischen Grenze entgegen, nach Bhairava. Der Ort liegt am Rande des Terai, jenes fieberverseuchten, riesigen Urwaldgebietes, das von Assam bis nach W-Nepal reicht und Tiger, Elefanten und Rhinozerosse beheimatet.

Am Morgen des 13. April gleicht der Platz vor dem Spital, in dem wir uns häuslich niedergelassen haben, einer Karawanserei. 30 Ochsenkarren sollen unser Gepäck auf den nahen Flugplatz bringen.

Auf dem Flugplatz herrscht eine glühende Hitze. Stundenlang warten wir unter einer zerfallenen Bambushütte auf das Eintreffen des Flugzeuges. Endlich, mit dreieinhalbstündiger Verspätung, senkt sich die Maschine auf den Platz, der halb Acker, halb ausgedörrte Wiese ist.

Leider können wir nicht, wie vorgesehen, unser gesamtes Material in zwei Flügen hinauf nach Pokhara transportieren. Das bedingt eine sofortige Trennung des Gepäcks in unbedingt Notwendiges und solches, das erst in zwei Tagen hinaufgeflogen wird. Wie wir einsteigen, sehen wir, dass unsere Sherpas gute Arbeit geleistet haben. Die Maschine ist zum Bersten voll. Wir sitzen mit eingezogenen Knien den Wänden entlang. Nach einer halben Stunde verlassen wir in Pokhara aufatmend das Flugzeug. Wir haben mit diesem Flug fünf Tagesmärsche eingespart.

Aus den dichtgedrängten Reihen der Zuschauer löst sich ein bärtiger Europäer; es ist unser Landsmann Dr. Toni Hagen, Landesgeologe von Nepal. Er hat uns ausserordentlich viel geholfen, und wir haben hier Gelegenheit, ihm für die grosse Hilfe zu danken. Mit seinem herrlichen, blauen See, eingebettet in eine parkähnliche Landschaft, ist Pokhara wohl einer der schönsten Orte von Nepal.

Im Norden sehen wir zum ersten Male die gigantische Mauer des Himalaya. Es ist die Kette des Annapurna und des Lamjung-Himalaya. Diese gewaltigen Eisriesen überragen den Talgrund von Pokhara um 5000-7000 Meter. Ein Anblick, der uns beinahe die Sprache raubt. Wir stehen am Ufer des Sees von Pokhara, Phema-Tal genannt. Binnen einer Minute sind wir alle im Wasser und vergnügen uns mit dem Einbaum eines Fischers, den wir uns ausgeborgt haben.

Nach dieser wundervollen Abkühlung führt uns Dr. Hagen zu den englischen Ärztinnen und Schwestern, die hier in aufopferungsvoller Arbeit ein Spital aufbauen. Wir werden in sauberen und netten Bambushütten untergebracht. Beim Tee, der uns nachfolgend von den Schwestern serviert wird, brennt unser Bärenhunger, den wir uns seit dem frühen Morgen aufgespeichert haben, mit uns durch. Ständig patrouillieren zwei dienstbare Geister zwischen Küche und unserem Tisch, um den Nachschub für die nimmersatten Himalaya-Leute sicherzustellen.

1 Siehe auch Varia, Seite 1. Die Alpen - 1954 - Les Alpe1 Unser Anmarsch zum Dhaulagiri wird von hier aus in drei Teile aufgeteilt. 1. Teil: Pokhara-Beni; 2. Teil: Beni-Muri; 3. Teil: Muri-Basislager. Im Gegensatz zu Kathmandu ist es hier in West-Nepal sehr schwierig, genügend Kulis zu erhalten. Aus diesem Grunde hat uns Dr. Hagen 70 Maultiere herbeigeschafft, die in Beni dann durch Kulis ausgewechselt werden. Diese Art von Transport ist in diesem Landesteil sonst nicht üblich. Es gibt Wegstücke und Brücken, die nur unter Absturzgefahr für Tier und Last begangen werden können. Tatsächlich sahen unsere Lasten arg demoliert und zerschunden aus, nachdem Beni erreicht war. Um in Beni Kulis für den weiteren Vormarsch durchs Mayangdi-Khola anzuwerben, gehen Ruedi Schatz und ich einen Tag vor der Expedition hier weg. Mit uns sind unser Sirdar Ang Tharkey und unser kleinster Sherpa Tashi. Vier Kulis aus dem Trupp von Dr. Hagen tragen unser Gepäck. Am 15. April verlassen wir das schöne Pokhara.

Gleich hinter dem Lager geht es einige Stunden steil einen mit Buschwald bestandenen Höhenzug hinauf. Auffallend sind hier die zahlreichen, verkrüppelten Bäume. Wie wir nachher sahen, wurden die jungen Äste abgehackt, um Futter für das Vieh zu erhalten. Wir wandern in einer prachtvollen Landschaft. Hoch über dem Marse-Tal führt der Weg fast horinzontal dem Kamme entlang. Auf Tausenden von kunstvoll angelegten Terrassen werden Reis, Mais, Gerste, Kartoffeln und Bananen angebaut. Überall, wo wir durchkommen, bestaunen uns die Leute, denn die wenigsten von ihnen haben je Menschen der weissen Rasse gesehen. Manch einer sieht zerlumpt und abenteuerlich aus, und das riesige Kukri im Gürtel verstärkt noch den Eindruck, im nächsten Moment angefallen zu werden. Doch ein breites Grinsen und ein freundliches « Salaam Saab » mit vor der Brust gefalteten Händen beseitigen im Nu alles Misstrauen. Unseren ersten Marschtag beschliessen wir am Bhadauri-Pass. Unsere Zelte stehen etwas jenseits der Passhöhe. Ang Tharkey macht einen Besuch beim Dorfvorsteher ( Subidar ) und kommt mit einem fetten Huhn zurück. Bevor die Sonne untergeht, steigen wir noch 10 Minuten gegen eine Kuppe hinauf, von wo wir uns einen Blick auf die Berge erhoffen. Und tatsächlich! Am andern Talhang steht die Zyklopengestalt des doppelgipfligen Machapucharee ( Fischschwanz ), das Matterhorn von Nepal. Titanenhaft ist sein 5000 Meter hoher Steilabsturz, dessen Ende wir im dämmerigen Licht der Täler nur ahnen können.

Wir haben hier die Wahl zwischen zwei Wegen. Der eine führt steil durch die Terrassen zum Flusslauf hinunter, während der andere den Dörfern am Abhang folgt. Wir wählen den letzteren. Da wir nur zu zweit sind, schreiten wir tüchtig aus. Wir staunen immer wieder darüber, wie unsere vier Kulis uns mühelos folgen. Sie tragen ihre Lasten an einem Stirnband aus geflochtenem Bambus oder Leder. Als Kleidung tragen sie einen Lendenschurz, den sie beim Marschieren so hoch wie möglich hinaufrollen. Den Oberkörper bedeckt eine Art ärmellose Weste aus grobem Tuch, dessen Farbe meist nicht mehr festgestellt werden kann. Wir durchqueren viele kleine Dörfer, und überall sind die Leute auf den Feldern beschäftigt. Eine Meute halbwilder Hunde, die uns zuweilen mit wütendem Gekläff empfangen, und grimmig blickende Wasserbüffel, die als Haustiere gehalten werden, finden sich meistens zu unserer Begrüssung ein. Alles ist für uns neu und manchmal etwas absonderlich, doch was wir auch sehen, gibt Stoff zu interessanten Vergleichen und Betrachtungen.

Beim nächsten ebenen Fleck beschliessen wir zu rasten, eine Zigarette zu rauchen und einen Schluck Tee zu trinken. Doch so weit sollte es nicht kommen! Wie wir ein Steinmäuerchen überklettern, steht er da, mächtig und himmelhoch, der Dhaulagiri! Wir legen uns bäuchlings auf unsere Rucksäcke und staunen und staunen. Wir sind so vertieft, dass wir selbst Tee und Zigaretten vergessen.

Unsere Kulis und Sherpas sind schon lange an uns vorbeigezogen. Auch wir müssen gehen, wenn wir die heutige Etappe bei Tageslicht beenden wollen. Beim Abstieg zum Madi Khola durchwandern wir herrlichen, schattenspendenden Wald.

Der Weg hier ist recht gut und manchmal so breit wie eine schmale Strasse. Wir kommen durch ein Dorf und stehen plötzlich hoch über dem Fluss. Der Weg führt halsbrecherisch einen steilen Rücken hinunter, und wir fragen uns, wie hier unsere Maultiere durchkommen werden.

Auf einer Hängebrücke mit schmalen, losen Laufplanken überschreiten wir den Madi Khola, der die Südseite des Annapurna-Himalaya entwässert.

Jenseits des Flusses klettert der Weg wieder steil bergan, und schweisstriefend trotten wir hinter unsern Kulis her, derweil unser Sirdar Ang Tharkey, unter seinem riesigen Regenschirm herrlich beschattet, einherschreitet.

In den Dörfern gibt 's schöne, aus Trockenmauerwerk erstellte Rastplätze. Im Grundriss meist rechteckig, weisen sie ein breites Sims auf, auf dem die Kulis ihre Lasten abstellen. In diesem Lande, wo alles auf Menschenrücken transportiert wird, legt man grossen Wert auf diese Plätze, und es ist Sache der Gemeinden, diese immer gut im Stande zu halten. Meist legen mächtige, bis 20 Meter hohe Bamjan-Bäume ( Bengalische Feige ) ihr kühlendes Blätterdach über diese Plätze.

Unser heutiger Marsch zieht sich beträchtlich in die Länge. Noch immer sehen wir nichts vom Kali Gandaki, an dessen Ufer Kusma, unser heutiges Ziel, liegen muss. Unsere Teeflaschen sind längst leer, und trotzdem wir uns schon gut an Durst gewöhnt haben, wäre es bestimmt sehr schön, etwas zu trinken zu haben. Doch alles nimmt schliesslich ein Ende! Am Dorfeingang von Kusma wartet uns Ang Tharkey. Er führt uns ins Dorf, stösst irgendwo eine Türe auf, wir stehen in einem Hof, direkt vor dem kleinen Hindu-Tempel des Ortes.

Kusma ist mit der Geschichte der französischen Annapurna-Expedition eng verknüpft. Auf ihrem denkwürdigen Rückmarsch machte die Mannschaft Herzogs hier drei Tage halt, um frische Kulis anzuwerben.

Am folgenden Tag steigen wir steil zum Ufer des Flusses hinunter und folgen dessen Lauf talaufwärts. Unser Ziel ist heute Baglung, wo wir dem Gouverneur unsere Aufwartung machen müssen. In einem Einbaum rudern uns zwei Knaben über den Fluss. Ang Tharkey steigt sofort mit den Kulis nach Baglung hinauf. Ruedi Schatz und ich lassen uns Zeit und nehmen zuerst ein herrliches Bad.

Baglung liegt auf einer alten Talterrasse hoch über dem Kali Gandaki. Am Abend besucht uns der Gouverneur, begleitet von seinem Sohn und zwei Mann seiner Leibgarde, bewaffnet mit riesigen Cowboy-Revolvern. Ein indischer Pilger amtet als Dolmetscher, und wir unterhalten uns lange mit dem Distriks-Oberhaupt. Er verspricht uns jegliche Unterstützung und schenkt uns nachträglich SO kg Reis.

Beni, das wir am nächsten Tag erreichen, liegt an der Einmündung desMayangdi Khola ins Kali Gandaki-Tal. Das Dorf liegt auf der Halbinsel, die von beiden Flüssen gebildet wird. Zwei Kettenbrücken verbinden die beiden Täler mit dem Dorf. Wir werden hier den Lauf des Kali Gandaki verlassen und in westlicher Richtung des Mayangdi Khola aufwärts steigen.

Kaum haben wir unser Lager errichtet, erscheint Ang Tharkey mit dem Bürgermeister, einem ehemaligen Gurkha-Feldweibel. Durch einen Boten ist er bereits vom Gouverneur benachrichtigt worden und weiss um unsere Wünsche. Er verspricht uns für den 20. April 130 Kulis; auch stellt er uns zwei zuverlässige Burschen als Postläufer zur Verfügung. Am 19. April trifft die Hauptmacht der Expedition mit den Maultieren ein.

Peter Braun ist Zahlmeister, und unser Sirdar assistiert ihm bei der Auszahlung der Maultiertreiber. Wir vergnügen uns damit, wieder einmal Traglasten herzurichten. Am 20. sind wir schon frühzeitig auf den Beinen, denn die Kulis sollen um 7 Uhr eintreffen.

Doch diese Leute haben einen anderen Zeitbegriff. Gegen 10 Uhr erscheinen die ersten, und um die Mittagszeit meldet sich der letzte bei Ang Tharkey, der auf einem Papierstreifen von mehreren Metern Länge alle Namen und Lasten notiert hat.

Wir kommen heute nicht mehr weit. In Tado-Pani stehen bereits unsere Zelte, als wir als letzte eintreffen. Der Name des Dorfes bedeutet « Warmes Wasser » und verdankt seine Entstehung den warmen Quellen, die unten am Fluss entspringen. Die Bevölkerung benützt eifrig diese Heilbäder; und fröhlich und vergnügt plantschen Männlein und Weiblein in den nicht gerade hygienisch aussehenden Tümpeln umher.

In Darbang, wo am nächsten Abend unsere Zelte stehen, biegt das Tal in scharfem Winkel nach Norden ab. Eisgipfel von unerhörter Wucht und Schönheit blicken auf unser Lager herab: die Gipfelmauer des Dhaulagiri-Himalaya mit Höhen von 7000 bis 7900 Metern. Sie erhebt sich westlich des Dhaulagiri-Massivs und scheint nach unseren vorläufigen Beobachtungen sehr unzugänglich zu sein.

Das Tal wird nun zusehends enger und steiler. Auf stellenweise in den Fels gehauenen Wegen und über primitive Brücken aus Steinplatten und Ästen steigen wir vom Fluss wieder hinauf auf die Terrassen.

Oben erleben wir einen Anblick von seltener Schönheit. In der blendenden Morgensonne erstrahlen vor unseren Blicken der Gipfel des Dhaulagiri und der mächtige, kilometerlange Kamm des Dhaulagiri-Himalaya im reinsten Weiss.

Zwei Tagesmärsche haben wir nun dieses herrliche Panorama vor Augen. Der Weg windet sich durch Dörfer und Felder hoch über der Talsohle. Unser Dr. Sahib ist überall ein gefragter Mann, in jedem Dorf kommen die Leute mit ihren kleinen und grossen Krankheiten. Wir haben genügend Medikamente, und unser Doktor verteilt freigebig, worauf dann die Patienten befriedigt abziehen.

Muri ist das letzte grössere Dorf, das wir passieren, und vereinbarungsgemäss sind wir gezwungen, die Kulis zu wechseln. Wir haben grosse Schwierigkeiten mit den Murileuten. Sie verlangen 20 Rupien pro Mann und Tag, was wir weder bezahlen wollen noch können. Der landesübliche Kulilohn beträgt 3 bis 5 Rupien, und wenn wir diesen Forderungen nachgeben wollten, würde das die Erschöpfung unserer Mittel bedeuten, was einer Gefährdung der Expedition gleichkäme. Die Lage für uns ist kritisch, es gibt endlose Palaver. Die Leute sind aussergewöhnlich hartköpfig. Sie haben offenbar Angst, mit uns in die Schluchten des hintersten Mayangdi Khola einzudringen. Hier entpuppt sich unser Ang Tharkey als grosser Retter in der Not. Am Abend noch geht er mit einigen Sherpas in die umliegenden Dörfer; am anderen Tag haben wir unsere 130 Kulis.

Am 25. April kehren wir dem ungastlichen Dorf den Rücken. Das letzte Teilstück unseres Anmarsches beginnt, der Weg durch die wilde und unbekannte Dschungelschlucht des Mayangdi Khola.

Kibang ist ein kleines, schmutziges Nest. Es ist bereits dunkel, als wir dort ankommen. Die Leute sind frech und zudringlich, betteln nach Zigaretten und Schnaps. Einen besonders Neugierigen, der beim Essen mir beinahe in den Teller tritt, befördere ich gewaltsam aus meinem Zelt. Die Murileute haben uns in Harnisch gebracht!

Am folgenden Tag kriselt es bei den Kulis. Wir steigen seit dem frühen Morgen ein wildes, geisterhaftes Waldtal aufwärts. Die grossen Bäume sind alle verkohlt, als hätten hier früher Waldbrände gewütet. Seit Mittag regnet es in Strömen. Gespenstisch heben sich die kahlen Äste vom düsteren Regenhimmel ab. Die Kulis frieren und wollen nicht mehr weiter. Das Trinkwasser muss von weither geholt werden. Wir verteilen Zigaretten, um die Leute einigermassen bei Stimmung zu erhalten.

Am Morgen scheint wieder die Sonne, und in bester Stimmung überschreitet der ganze Tross den Geisterpass, 3050 Meter. Jenseits steigen wir 1000 Meter zum Surgus Khola ab, dann schlängelt sich der fussbreite Pfad zu einigen armseligen Hirtenhütten empor, hoch über dem Zusammenfluss vom Surgus Khola und dem Mayangdi Khola. Hier holen wir auch unseren Vortrupp ein, der einen Tag vor uns in Muri gestartet war. Leider war dessen Aufgabe etwas vorzeitig beendigt. Sahibs und Träger hatten einander im dichten Dschungel aus den Augen verloren. André Roch und Ruedi Pfisterer irrten dann zwei Tage im Walde umher, ohne einen Bissen zu essen. Ein kaltes Biwak auf 3000 Meter nur in Hemd und kurzen Hosen trug ebenfalls nicht sehr zu ihrer Erheiterung bei. Als wir die beiden trafen, schliefen sie in ihren Zelten wie die Murmeltiere. Zum Nachtessen müssen wir ins Küchenzelt flüchten. Es giesst wieder wie aus Kübeln.

Der Weiterweg führt steil bergan, dann queren wir einige Stunden lang die Talflanke, 1500 Meter über dem Fluss auf gutem Weg. Die steilen Hänge sind dicht bewaldet, Bambus herrscht vor, dazwischen Rhododendronbäume und mächtige Koniferen. Wir kommen auf eine Alp; die Sherpas bringen uns Büffelmilch. Weiter unten durchwaten wir einen kleinen Zufluss zum Mayangdi Khola, und hier ist der Weg zu Ende.Von nun an ist es unser Spürsinn und scharfes Beobachten, die uns helfen müssen, den Weg durch das grüne Wirrwarr von Bambus und Dornen zu finden.

Vorerst gilt es, die einzige Brücke, die den Mayangdi Khola überspannt, zu suchen. Es geht sehr steil in die Tiefe, Wegzeichen in Form von abgehauenem Bambus oder an-geritzter Baumrinde geben uns die Richtung. Wir eilen, denn heute wollen wir noch den Fluss überqueren. Näher kommt das dumpfe Tosen und Rauschen des Wassers, der Bambus wird dichter, und plötzlich, ohne jeden Übergang aus der Steilheit, stehen wir an der Brücke.

Zwischen mannshohen Brennesseln errichten wir am Westufer unser Lager, wiederum bei sintflutartigem Regen.

Wir sind nun auf dem Grund des mehrere tausend Meter tief eingeschnittenen Mayangdi Khola.

Unwirtlicher, dichter Dschungel umgibt uns, und wir fragen uns, wie wir hier weiterkommen sollen. Es ist eine harte Arbeit, mit dem Kukri einen Weg zu öffnen. Manchmal steht der Bambus so dicht wie Schilf, und es ist oft unmöglich, mehr als fünf Meter weit zu sehen. Wir hacken wie besessen auf diese grüne Mauer ein, ritzen uns Hände, Gesicht und Beine blutig, schwitzen und fluchen und kommen doch kaum vom Fleck. Wir queren wilde Schluchten, durchwaten Sümpfe, wo uns die Blutegel quälen, und machen nach einem achtstündigen Kampf bei Regengüssen und wachsender Müdigkeit auf einer Lichtung halt. Nur lumpige vier Kilometer sind wir heute vorangekommen.

Am folgenden Morgen muss die erste Brücke gebaut werden. Wir fällen drei mächtige Tannen, und zwei Stunden später können die Kulis den Fluss überschreiten. Das Marschtempo ist etwas besser, doch können wir auch heute das Buschmesser nicht aus den Händen legen. Am frühen Nachmittag wird eine zweite Brücke notwendig, bei deren Bau uns die Kulis wacker helfen.

Am 1. Mai erwachen wir bei ergiebigem Regen. Die Lage ist nicht rosig, die Kulis wollen einfach liegen bleiben. Aber trotz ihrer anfänglichen Missgelauntheit und dem schlechten Wetter bringt uns dieser Tag doch eine gute Etappe weiter. Bambus und Dornen werden langsam lichter, und manchmal können wir grosse Strecken im Flussbett selber aufsteigen. Wir bauen eine dritte und eine vierte Brücke und lagern dann auf einer sumpfigen Wiese auf 3200 Meter.

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