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Die erste Besteigung der Ringelspitze

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In der Ringelspitze erhebt sich die östliche Fortsetzung der Tödikette noch einmal zu sehr bedeutender, weithin dominierender Höhe. Es ist merkwürdig, daß Rhein- und Rhonethal, die so viele symmetrische Züge aufweisen, in Ringelspitze und Diablerets zwei einander in Bezug auf Lage und Höhe so entsprechende Gegenstücke besitzen.

Die erste Besteigung des höchsten St. Galler Gipfels gelang Herrn G. Sand-Frank, dem nun schon hochbetagten, aber immer noch rüstigen Ehrenmitgliede der Sektion St. Gallen. Leider hat Herr Sand niemals einen Bericht über seine Tour veröffentlicht ( vide auch Jahrbuch S.A.C. XXIV, pag. 7 ); dagegen referierte er darüber in der Sektion St. Gallen ( Sitzung vom 23. März 1866 ), und es enthält das erste Protokollbuch der Sektion einen im ganzen recht zuverlässigen und anschaulichen Auszug des Vortrages. Mich interessierte die Tour sehr; Herr Sand war denn auch so freundlich, mir sein damaliges Konzept zu übergeben, und wenn ich dasselbe nun, trotzdem er, allzu bescheiden, von einer Veröffentlichung überhaupt nichts wissen wollte, ohne große Gewissensbisse zu einem kleinen Bericht für das Jahrbuch benutzt habe, so geschah dies in der Meinung, daß ein Beitrag zur Ersteigungsgeschichte eines so bedeutenden Gipfels den immer zahlreicher werdenden Verehrern der Ringelspitze nicht unwillkommen sein dürfte.

Den ersten Versuch, der zur Ersteigung des Tristelhorns oder Piz da Sterls ( 3117 m Dufour, 3115 m Exkursions-Karte des S.A.C. 1888 ) führte und von dem nachher noch die Rede sein soll, machte Herr Sand am 15.116. August 1862. Der zweite ' ) erfolgte zwei Jahre später, am 1. September 1864. An diesem Tage bezog Herr Sand, von Ragaz und Vättis herkommend, mit Heinrich Eimer, Vater, und Rudolf Eimer, Sohn, Nachtquartier in der Hinteren Alp ( 1637 m ). Am Morgen des 2. September überschritten sie den linksseitigen Höhenzug des Lavoithales, wurden aber durch Nebel, Schneefall und Regen unerbittlich zum Rückzug gezwungen, nachdem sie bis an den Fuß des Crap Matts gelangt waren. An Ausdauer fehlte es auf dieser Exkursion wahrlich nicht; obwohl fast bis zu den Alphütten hinunter Schnee gefallen war, wurden die beiden nächsten Nächte in der Alp Morrà ( 2006 m ) zugebracht, um noch einmal anzusetzen; selbst am 4. September, als Herr Sand schon abgezogen war, blieben die Führer noch dort, um wenigstens zu rekognoszieren, allein vergeblich; während der ganzen mehrtägigen Tour hatte man die Ringelspitze nie zu Gesichte bekommen.

Dagegen war der dritte Versuch, vom 9. Juni 1865, vom vollständigsten Erfolg gekrönt. Am 8. Juni traf Herr Sand mit den beiden Eimer, Vater und Sohn, in Trins zusammen und stieg über Munt hinauf zur Alp Morrà. Es wurde eine Hütte zum Nachtquartier gewählt, die etwas östlicher und freier lag, als die im vorhergehenden Jahre bezogene. Am herrlichen Morgen des 9. Juni wurde um 3lk Uhr aufgebrochen und dem westlichen Ausläufer des Crap Matts zugesteuert. Etwas nach 7 Uhr befanden sich die Wanderer auf dem Grat zwischen dem Crap Matts und dem Tschepp und gewahrten nun in nördlicher Richtung die Ringelspitze. Eine Besteigung über den Gletscher des Lavoithales ( d.h. den Taminsergletscher ) schien ihnen die kürzeste Route zu sein; doch ließ die Steilheit der über dem Gletscher sich erhebenden Felsen einen Angriff von dieser Seite nicht rätlich erscheinen, und man zog es vor, sich nach einer kurzen Rast dem Tschepp zuzuwenden, dessen aussichtsreiche Spitze um T3/* Uhr erreicht wurde.Vom Tschepp zieht sich in fast genau nördlicher Richtung ein sehr verwitterter und zackiger Grat nach der Ringelspitze, erscheint jedoch von hier aus natürlich sehr verkürzt. Anstatt die von Rippen und Runsen durchzogenen Verrukanofelsen zu betreten, überquerte man die Schutthalden an ihrem Westfuße, zunächst ohne Schwierigkeiten. Bald aber durchfurchten eisharte Schneekehlen den Abhang und boten, da die Partie kein Beil besaß, oft mißliche Passagen. Schließlich sahen sie sich genötigt, in die Verrukanofelsen überzugehen, in denen alle Augenblicke kleinere Steine vorbeipfiffen. Rudolf Eimer ging meist auf Seillänge voraus und suchte festen Stand zu fassen, worauf die andern nachrückten. Einer längeren Schneekehle entlang hinaufklimmend, erreichten sie einen Grateinschnitt, von dem sie ins Lavoithal und auf den Taminsergletscher hinabsahen. Ein kräftiger Jauchzer des zur Rekognoszierung vorausgesandten Rudolf verhieß raschen Erfolg, und freudig eilten sie, nachdem sie aus dem Einschnitt nördlich hinauf gestiegen, dem nun nahen und scheinbar ganz leicht zugänglichen Ziele zu. Aber plötzlich trat ihnen eine quer den Grat durchschneidende, bisher unmöglich wahrnehmbare Felsspalte hindernd entgegen und verursachte einen kurzen Halt, der zugleich zur Stärkung benutzt wurde. Die 5—6 Meter tiefe Spalte verengte sich rasch nach unten; ihr jenseitiger Rand lag etwas tiefer als die Spitze, auf welcher die Reisenden standen. Das Hindernis wurde mit Hülfe eines in der südlichen Einfassungsseite der Scharte entdeckten schmalen Felsbändchens überwunden. Eimer, Vater, ließ zuerst Rudolf, dann Herrn Sand am Seil auf das erwähnte Bändchen hinab. Während er selbst auf der südlichen Spitze zurückblieb, erreichten die beiden andern durch einen leichten Sprung den jenseitigen Rand der Spalte und befanden sich nach wenigen Schritten wirklich auf der höchsten Spitze, die nördlich senkrecht auf einen kleinen Gletscher abfiel. Es war etwas über 10 Va Uhr.

Die Thäler von Lavoi, Lavadignas und Calfeisen wurden zeitweise durch umherwogenden Nebel verdeckt; sonst aber war die großartige Rundsicht ganz ungetrübt. Sie erstreckte sich westlich bis zum Monte Rosa ( auch den Mont Blanc glaubte Herr Sand zu erblicken ), südlich bis zum Monte della Disgrazia und dem Berninastock, östlich bis zum Ortler, nördlich über das untere Rheinthal und einen Teil des Bodensees, die Appenzellerberge und die Churfirsten.

Bei ziemlich frischem Wind dauerte der Aufenthalt auf der Spitze über zwei Stunden. Rudolf baute ein Steinmännchen, was übrigens auch auf der südlichen Spitze geschehen war. Herr Sand deponierte einen Wahrzettel des S.A.C. mit den Daten und pflanzte ein Fähnchen auf. Auf dem Rückweg stiegen die beiden völlig in die Spalte hinunter; sie wollten nicht mehr auf die südliche Spitze hinauf, sondern ließen sich an dem von Vater Eimer gehaltenen Seile auf der Westseite hinunter, um einen andern Abstieg ausfindig zu machen. Auch jetzt noch blieb der alte Eimer auf dem Südgipfel, bis er sah, daß seine beiden Genossen vorwärts kamen; dann stieß er auf einem großen Umweg wieder zu ihnen. So wurde in Zeit von 20 Minuten der nördlich unter der höchsten Spitze liegende, spaltenlose Ringelfirn erreicht. Gar zu gerne wären die Reisenden ins Calfeisenthal abgestiegen; allein eine Stelle, die unter einer dünnen Schicht Schnee das blanke Eis barg und längeres Stufenhauen erfordert hätte, ließ dies ohne Beil nicht ratsam erscheinen. Man wandte sich also gegen das Thal von Lavadignas und stieg über recht steile Schutt-und Felshänge auf den von kleinen Spalten durchzogenen hinteren Teil des Lavadignasgletschers ab. Gegen 3 Uhr, also in zwei Stunden nach Aufbruch von der Spitze, kam man bei den obern Hütten von Lavadignas an, die Herrn Sand der beste Ausgangspunkt für eine Ringelspitzbesteigung zu sein schienen. Auch schien es ihm zweckmäßiger, bei einer künftigen Besteigung von hier aus gleich auf den Ringelfirn loszusteuern, als zuerst auf den Tschepp zu gehen.

Die Führer bogen unterhalb Bargis nach Flims ab, während Herr Sand nach Trins abstieg und zu Fuß nach Chur wanderte. Etwas nach 8 Uhr langte er dort an, nachdem er aus der Gegend von Ems noch einmal nicht ohne Genugthuung die Ringelspitze erblickt hatte.

Es seien mir einige anschließende Bemerkungen gestattet. Aus den obigen Mitteilungen geht hervor, daß im wesentlichen die erste der drei jetzt für die Ringelspitzen gebräuchlichen Hauptrouten verfolgt wurde, welche Herr Professor Gröbli in seiner trefflichen Monographie der Ringelspitze, Jahrbuch S.A.C. XXIV, pag. 22, zusammengestellt hat. Der letztere Teil, d.h. der Aufstieg über Westflanke, Südspitze und die auch von Professor Gröbli erwähnte Scharte oder Kluft, wird jetzt selten mehr gemacht; meist wird der höchste Gipfel vom Ringelfirn aus über die Nordostflanke erklettert, und Herr Gröbli empfiehlt dies mit Recht auch für die Tschepp- route. Die Kletterei ist so kaum schwieriger, aber sehr viel kürzer als diejenige über die Westflanke. Wenn man den Ringelfirn nicht betritt, so entgeht einem zudem das originellste und schönste Bild, das die an eigenartigen Scenerien gewili nicht arme Ringelspitzbesteigung überhaupt bietet. Ich meine den Kontrast zwischen dem sanften, zahmen, blendendweißen Hochfirn und dem dunkeln, überaus kühnen Gipfelturm. Das gehört zum Packendsten, was man in den Bergen sehen kann. Wenn ein alpiner Photograph dieses Bild besitzt, so rücke er damit hervor für das Jahrbuch.

Noch ein Wort über die Tschepproute. Diese gilt, von der obersten Kletterei abgesehen, als sehr leicht. Um so mehr fiel mir im Bericht des Herrn Neher: Notizen über eine Besteigung der Ringelspitee ( Jahrbuch S.A.C. XXV, pag. 561 ), folgende Bemerkung auf: „ Einen unangenehmen Aufenthalt bereitete uns eine steile Schneehalde, die wir mit ziemlicher Vorsicht am Seil zu passieren hatten. " Jetzt aber ist mir diese Stelle ganz gut erklärlich, und ich weiß nun aus eigener Erfahrung, daß die Tschepproute unter Umständen recht ungemütlich werden kann. Sobald nämlich nördlich vom Tschepp der Verrukano auftritt, wird der Grat selbst ungangbar, und man ist gezwungen, auf der Westseite am Fuß der Grattürme vorzudringen, wie sowohl Herr Coaz als Herr Sand deutlich hervorgehoben haben. Über sich hat man steile Verrukanofelsen, unter sich abschüssige, lange, gegen den Hintergrund von Lavadignas sich senkende, unten durch einen Absturz unterbrochene Halden. Als ich am 24. Juli des verflossenen Sommers mit Herrn H. L. Jeklin ( Sektion Prätigau ) die Tour machte, waren diese Halden noch durchgehends mit Schnee bedeckt, der an jenem Morgen hart gefroren war. Hier mußte man entweder lange Zeit mit Stufenhauen verlieren oder sich vorsichtig den Felsen nach winden, drehen und schieben, wobei man nicht ungern den mancherorts vorhandenen, durch Abschmelzung entstandenen Hohlweg zwischen Fels und Schnee benutzte. Die Sache ging uns zu langsam; wir entschlossen uns, die Grathöhe zu gewinnen und direkt über die Verrukanoköpfe gegen die höchste Spitze vorzudringen. Wer indessen auf dem höchst interessanten Bilde „ Die Ringelspitze und der Taminser-gletscber " von H. Brun ( Jahrbuch S.A.C. XXIX, pag. 312 ) den zackigen Südgrat betrachtet, wird begreifen, daß wir dabei nicht übel anrannten. Wir kamen bis auf einen Kopf ( auf dem Bilde wahrscheinlich der zweite von links ), der nach Süden mäßig steil sich absenkt, dennoch aber der glatten Platten wegen Vorsicht verlangte. Aber nach Norden stürzte er senkrecht, ja zum Teil sogar überhängend in eine wilde, unpassierbare Scharte ab, die uns zum Rückzug zwang. Auf die oben angedeutete Weise arbeiteten wir uns sodann, wieder unten angelangt, über den harten Schnee den Felsen entlang nördlich vorwärts, bis wir endlich über die südliche Felseinfassung einer Schneekehle die Grathöhe wieder erreichten. Es ist wohl dieselbe Schneekehle, von welcher im Bericht über die Tour des Herrn Sand die Rede ist. Möglich, daß es auf der nördlichen Felseinfassung der Kehle noch leichter gegangen wäre. Behutsam überschritten wir den schneidigen Schneesattel, an welchem das Couloir seinen Anfang nimmt, standen bald auf der südlichen Spitze und nach Überschreitung der drohend aussehenden, aber ohne erhebliche Schwierigkeiten zu überwindenden Spalte oder Kluft auf dem höchsten Gipfel. Den Abstieg nahmen wir nach längerem Aufenthalt über die jetzt übliche Nordostkante und waren nun recht zufrieden, beide Wege kennen gelernt zu haben.

Absichtlich habe ich die Passage am Westfuß der Felsen des Südgrates besonders hervorgehoben. Hier zeigt es sich wieder einmal, was die Schneeverhältnisse für Einfluß haben, auch bei Bergen, die die 4000 m nicht erreichen. Coaz verfolgte dort nach seinen eigenen Worten „ genau die Grenze zwischen den schroffen, zerrissenen Verrukanofelsen und der darunter sich hinziehenden, mit Schutt bedeckten, steilen Kalkwand ". Herr Sand traf trotz der frühen Jahreszeit zunächst leicht begehbare Schutthalden und wunderte sich sehr, zu hören, daß uns auf der ganzen fraglichen Strecke harte Schneehalden etwas zu schaffen gemacht hätten. Auch Professor Gröbli muß sehr günstige Verhältnisse getroffen haben, da es ihm möglich war, vom Fuße des Kegels seinen auf dem Tschepp zurückgebliebenen Gefährten in 20 Minuten wieder zu erreichen. Ich hätte mich daher fast geschämt, hier ein Wort darüber zu verlieren, stimmte nicht die Bemerkung des Herrn Neher gut mit meiner eigenen Erfahrung.

Die Schlußbemerkung des Herrn Sand betreffend Anstiegsvariante kann ich nur unterstützen. Sollte ich nochmals dazu kommen, die Ringelspitze von Lavadignas aus zu ersteigen, so würde ich in der That nicht mehr auf den Tschepp gehen, sondern recht bequem über den zahmen Lavadignasgletscher und von dessen hinterster Firnmulde, hier nun allerdings etwas mühsamer, zum Grat ansteigen, der vom Ringelfirnplateau nach der Einsattelung zwischen letzterem und dem Glaserhorn ( 3128 m ) sich senkt. Wir machten letzten Sommer diesen Weg im Abstieg, ohne damals zu wissen, daß schon Herr Sand hier abgestiegen war.

Die Tour des Herrn Sand war ohne jeden Zweifel die erste vollständige Besteigung der Ringelspitze. Dagegen ist es nicht ausgeschlossen, daß das Tristelhorn oder Piz da Sterls schon früher von Hirten oder Jägern betreten wurde, bevor Herr Sand die erste bekannt gewordene Besteigung desselben ausführte. Über diese Exkursion, welche eigentlich der Ringelspitze galt, referierte er in der Sektionssitzung vom 29. Juni 1864, und die darauf bezüglichen Notizen hat er mir ebenfalls zur Verfügung gestellt. Am Abend des 15. August 1862 bezog er, mit Heinrich Eimer von Flims über Fidaz und Bargis ansteigend, Nachtquartier in der hintersten Hütte der Alp Surcruns. Am folgenden Morgen brachen sie um 5 Uhr auf und gingen zunächst einige hundert Schritte zurück, um in eine Thalmulde zu gelangen, von welcher aus ein Kamm erstiegen werden sollte, der direkt auf den Grenzgrat zwischen St. Gallen und Graubünden führte. Um 7 Uhr war der Grenzgrat erreicht, und man sah das Calfeisenthal zu Füßen. Da sich die Schwierigkeiten bald mehrten, so ließ man Gepäck und Proviant zurück. Um den Glasergletscher ( d.h. seinen oberen Teil, den heutigen Tristelfirn ) zu erreichen, mußte ein sehr steiles Schneefeld überschritten werden, was nur durch Einhauen von Tritten mit dem Stocke möglich war. Der Gletscher bot keine Schwierigkeiten, dagegen eine interessante Erscheinung, nämlich eine ganz helle Wasserfläche von cirka 30 Fuß Durchmesser. ( Es ist dies ohne Zweifel jener kleine See oder Tümpel, den auch die Herren Gröbli, Jahrbuch S A. C. XXIV, pag. 36, und Sprecher, Jahrbuch S.A.C. XXXI, pag. 198, erwähnen. ) Der nun folgende Grat bot im weiteren Verlauf nach Osten ordentliche Schwierigkeiten; doch kam man mit etwas Vorsicht ganz vergnügt von einem Kopf zum andern. Allein der Weg zur Ringelspitze war voraussichtlich noch recht lang und vielleicht auch noch sehr schwierig, und da man, weil leider auch der Proviant zurückgelassen worden war, nicht einmal eine Stärkung zu sich hätte nehmen können, so entschloß man sich zur Umkehr. Es ist nicht mehr möglich, genau die Stelle zu bestimmen, bis zu welcher man vorgedrungen war, vielleicht bis zum Westfuß des Glaserhorns, allermindestens aber bis auf Punkt 3091 ( Exkursionskarte 1888 ). Als Anhaltspunkt dient einzig folgende Stelle des Berichtes:

„ Von dem Grat, auf dem wir uns befanden, laufen in fast rechtem Winkel mehrere solcher Kämme, wie wir von der Hütte her erstiegen, gegen Südwest ab; zwischen diesen befinden sich kleine Thäler, in denen unten das Vieh weidete; am Ende des einen vor uns liegt das ( Sommer- ) Dorf Bargis; zunächst gegen den Grat sind die Seiten, wie nördlich, auch mit Schneefelderu durchzogen. "

Als Ersatz für die Ringelspitze erstiegen die Reisenden auf dem Rückweg den Piz da Sterls ( 3117 m Dufour ) und erfreuten sich eine Stunde lang an dessen von Herrn Sand sehr gerühmter Aussicht. Gegen 12 Uhr waren sie wieder beim Gepäck. Eine nach Westen steil abfallende Gratstelle zwang sie zu einer einstündigen Umgehung; dann konnten sie vom Grenzgrat ins Calfeisenthal absteigen und sich so den weiten Umweg über die Trinser Furka ersparen. Gegen die hintere Ebene absteigend, mußten sie schließlich noch etwas links halten, um einige schroff abfallende Felsköpfe zu umgehen, und gelangten um 3 Uhr nach der Alp Sardona. Eimer ging am gleichen Tage noch nach seinem heimatlichen Elm, Herr Sand nach Vättis. Das Calfeisenthal erklärte er schon damals als eines der romantischsten, die er je gesehen.

Dieser Bericht lautet in einer Beziehung etwas unbestimmt, nämlich in der Beschreibung des Aufstieges vom Nachtquartier bis zum Tristelfirn. Zur Erklärung drängt sich zwingend die Annahme auf, daß das Tristelhorn schon am Morgen auf dem Hinweg beinahe, auf der Rückkehr aber völlig erstiegen wurde. Herr Sand hat mir diese Vermutung denn auch mündlich bestätigt. Der Aufstieg erfolgte zweifellos über den Süd-südwestkamm des Tristelhorns, und es muß über die nicht weit westlich unter dem Gipfel sanft sich senkende Abdachung ein Abstecher nach dem Nordwestgrat gemacht worden sein, von dem man ins Calfeisenthal hinabsah. Die aufgewandte Zeit von zwei Stunden erscheint zwar kurz; doch lag ja das Nachtquartier hoch ( jedenfalls Hütte 2263™, Blatt Elm ) und waren sowohl Führer als Tourist nach dreiwöchentlichen gemeinsamen Gebirgswanderungen geübte Steiger.

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Die Ringelspitze war zwar diesmal unbesiegt geblieben; aber dennoch verdient auch diese Tour in allen Ehren gehalten zu werden, um so mehr, als sie noch in die Zeit vor der Gründung des S.A.C. fällt.

Das Tristelhorn hat wirklich eine überaus lohnende und malerische Aussicht. Die doppelgipfelige Ringelspitze erscheint von hier aus als großartige Berggestalt, breit, massig im tieferen Aufbau, elegant dagegen in den höchsten Spitzen, während sie bekanntlich weder nach Süden noch Norden einen ihrer Höhe entsprechenden Eindruck macht. Aber auch der Blick ins Calfeisenthal ist hochinteressant, von der gewaltigen Fernsicht gar nicht zu reden. Nicht nur die Ringelspitze, die mit Recht immer mehr gewürdigt wird, und, als ein Hauptberg der ostschweizerischen Alpen, sowohl der grandiosen Aussicht als der interessanten Besteigung wegen jedem etwas geübten Clubisten warm zu empfehlen ist, sondern auch das Tristelhorn sollte recht häufigen Besuch erhalten. Es ist auch von der neuen Sardona-Clubhütte ( cirka 2240m ) über Trinser Furka und Alp Surcruns oder auch über Piz Sax zugänglich; nur muß man im erstem Falle von der Trinser Furka bis an den Westfuß des Tristelhorns eine Stunde ohne Steigung marschieren, im andern Falle aber Gegensteigungen in Kauf nehmen. Man hat die Wahl, über den Nordwest-oder Südwestgrat zu gehen; aber auch die Westwand selbst ist gangbar. Beim Abstieg über letztere fanden wir eine schon durch ihr widerstands-fähigeres Gestein auffällig aus der Schieferwand hervortretende Bank mit zahlreichen Nummuliten. Eine prächtige Tour muß auch die Besteigung des Tristelhorns vom Calfeisenthal aus über den Nordgrat sein.

Der Weg zur Ringelspitze über das Glaserhorn, den Herr Sand Anno 1861 zu nehmen beabsichtigte, ist erst in neuester Zeit, und zwar in umgekehrter Richtung, gemacht worden. Im Sommer 1898 sind nämlich nach vorausgegangenem Nachtquartier im Wiesli ( 1730 m ) und mit Abstieg zur Sardona-Clubhütte Ringelspitze, Glaserhorn und Tristelhorn am nämlichen Tage erstiegen worden, und zwar am 4. September von den Herren Purtscheller und Bodenmann und am 18. September von den Herren Helbling und Litscher. ( Siehe Alp. 1899, pag. 1 ff. ) Trotz seines hohen Alters hat es sich Herr Sand nicht nehmen lassen, im vergangenen Sommer zur neuen Sardona-Clubhütte hinaufzupilgern. So kam er als Greis im Silberhaar noch einmal in jenes Gebirge, dessen höchsten Gipfel er in den Jahren voller Manneskraft als Erster erstiegen.

A. Ludwig ( Sektion St. Gallen ).

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