Die Gletscher der Schweizer Alpen 1978/79 | Club Alpino Svizzero CAS
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Die Gletscher der Schweizer Alpen 1978/79

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Auszug aus dem wo. Bericht der Gletscherkommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft ( GKISNG ).

Peter Kasser und Markus Aellen

GK/SNG und Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie ( VAW ) an der ETH Zürich EINLEITUNG Das Beobachtungsnetz der GK/SNG zur Bestimmung der jährlichen Längenänderung der Gletscher umfasst im Berichtsjahr 117 Gletscherenden. Die VAW organisiert und bearbeitet die Messungen, die im Feld durch 9 kantonale Forstdienste ( 83 Gletscher ), 6 individuelle Mitarbeiter ( 13 Gletscher),2 Kraftwerkgesellschaften(4 Gletscher ), das Eidgenössische Institut für Schnee-und Lawinenforschung ( EISLF; 1 Gletscher ) und die VAW ( 16 Gletscher ) ausgeführt werden. Dem Bundesamt für Landestopographie ( L + T ) und der Eidgenössischen Vermessungsdirektion ( V + D ) sind zahlreiche Vermessungsflüge zu verdanken, der VAW die Resultate ihrer Haushaltsuntersuchungen an den Gletschern Aletsch, Gries ( Aegina ), Limmern, Plattalva und Suvretta.

WITTERUNGS- UND SCHNEE VERHÄLTNISSE IM JAHR 1978/79 Die Beschreibung der klimatischen Verhältnisse im Berichtsjahr stützt sich auf verschiedene Quellen. Die « Ergebnisse der täglichen Niederschlagsmessungen », die monatlichen « Witterungsberichte » und die « Annalen » der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt ( SMA ) liefern Klimadaten, das « Hydrographische Jahrbuch » der Landeshydrologie im Bundesamt für Umweltschutz enthält die Resultate der Abflussmessungen. Die Daten über die Schneedecke stammen von den Messungen am gemeinsamen Netz des EISLF und der VAW sowie aus den Früh- Bilder wy bis 114 jahrsbegehungen in den hochalpinen Forschungsgebieten der VAW. Summen der positiven Tagestemperaturen ( Tabelle 1 ) stellte A. Lemans ( SMA ) aus seinem in Vorbereitung befindlichen Firnbericht zur Verfügung; den Kurzbericht über « Schnee und Lawinen im Winter 1978/79 » hat M. Schild ( EISLF ) verfasst.

Der Witterungsverlauf ist in der Abbildung auf den Seiten 196/197 dargestellt durch die Abweichungen der Tagesmittel der Temperaturen von den langjährigen Mittelwerten für die Stationen Zürich, Locarno-Monti und Jungfraujoch sowie die täglichen Niederschlagsmengen in den Stationen Zürich, Locarno-Monti, Säntis und Sitten. Ferner ist die Höhenlage der Nullgradisotherme in der freien Atmosphäre über Payerne für jeden Tag um 13 Uhr sowohl im Berichtsjahr als auch im langjährigen Mittel aufgetragen.

Der Herbst 1978 von September bis November war sehr trocken und bei ungefähr normalen mittleren Temperaturen überdurchschnittlich sonnig. Einen aussergewöhnlich grossen Überschuss an Sonnenschein genossen die meisten Höhen-und Talstationen im Monat November. Nur wenige mehrtägige Niederschlagsereignisse unterbrachen die Schönwetterperioden der drei Herbstmonate und brachten gebietsweise den verschiedenen Höhenlagen die bleibende Winterschneedecke. So schneiten die Versuchsfelder von Weissfluhjoch ( 2540 m ü. M. ) und Säntis ( 2500 m ü.M. ) am 28.September definitiv ein, während Gütsch ( 2288 m ü.M. ) vom 11. bis 17.Oktober und vom 5. bis 25. November nochmals schneefrei war. Die Gletscher erhielten ihre permanenteDie Niederschlagssummen dieses trüben Monats Winterschneedecke in Hochlagen oberhalb etwaerreichten in den Alpen bis zu 300%, auf der Al-2000 bis 2300 Metern über Meer am 28. Septempensüdseite sogar bis zu 350% der Norm. An eini-ber auf der Alpennordseite und in Mittelbünden,gen Messorten im Tessin, Engadin und Oberwal-in der Nacht zum 18. Oktober auch im Wallis undlis fielen die grössten März werte dieses Jahrhun-aufder Alpensüdseite. Erst vom 26. November anderts. Von Mitte März bis Ende der ersten Mai-waren auch tief hinabreichende Gletscherzungendekade war es überall fast dauernd viel zu kalt, endgültigschneebedeckt.Inden3 WintermonatenDie Niederschläge im April waren zu klein im von Dezember bis Februar wichen die MonatsWallis und auf der Alpensüdseite, ungefähr nor-niederschläge in den meisten Stationen nur wenigmal in den übrigen Gebieten der Alpen, von den Normalwerten ab. Der Januar 1979 warWie die Abbildung auf den Seiten 196/197 allgemein etwas zu kalt, der Februar zu warm,zeigt, prägten relativ lange Wärmeperioden, un-Nach einem ziemlich niederschlagsarmen und zuterbrochen von kräftigen Kaltlufteinbrüchen, warmen Märzanfang setzten am 9. und 10. Märzden Witterungsverlauf im Sommer und Herbst, auf der Alpennordseite, im Wallis und in MittelDer Winter kam nur zögernd. Die ersten zwei bünden ergiebige Niederschläge ein, am 14. undDrittel des Monats September 1979 waren in der 15. auch auf der Alpensüdseite und im Engadin.ganzen Schweiz zu warm und reich an Sonnen- Tabelle 1 ' .Summe der positiven Tagesmittel der Lufttemperatur ( ZC ) von Mai bis September der Jahre 1977 bis 1979 StationMeereshöhe Mai/Sept.Mai/Sept.Mai/Sept

19771978979 mZ+ZCZ+ CE+ C a ) Messstationen Gütsch 2287 Säntis; 2500 Weissfluhjoch2667 Jungfraujoch ( Sphinx ) 3578 Payerne ( 700 mb)3 3100 München ( 700 mb)33100 Mailand ( 700 mb)13'°o b ) Extrapolationen für Firngebiete Clariden42700 Clariden *2900 Suvretta^2 750 Jungfraufirn ( P3)63350 1 Auszug aus A. Lemans, « Der Firnzuwachs pro 1978/79 in einigen schweizerischen Firngebieten », 66. Bericht, Zürich ( in Vorbereitung ).

2 Durch A. Lemans korrigierter, mit der Messreihe vor i960 vergleichbarer Wert für das Jahr 1977. Für die Jahre 1978 und 1979 hat A. Lemans die Werte der neuen, automatisch registrierenden Station provisorisch korrigiert.

3 Temperaturmessungen in der freien Atmosphäre ( Niveau 700 mb = etwa 3100 m ü.M. ) nach Radiosondierungen ( Mittelwert aus 1 Uhr- und 13 Uhr-Aufstieg, berechnet von G. Gensler ).

4 Werte, reduziert nach Gütsch.

5 Werte, reduziert nach Weissfluhjoch.

6 Werte, reduziert nachjungfraujoch ( Sphinx ).

689 666 833 497 462 634 441 4'9 559 33 26 46 85 214 242 186 128 194 205 268 305 375 389 5'5 252 277 376 388 374 503 74 75 116 schein. Ein Kälteeinbruch vom 20. bis 22. mit beträchtlichen Niederschlagsmengen im östlichen Teil der Alpennordseite, in Mittelbünden und im Engadin brachte, bei einer Meereshöhe der Nullgradisotherme unter 2000 Metern über Meer,die erste Schneedecke, die aber im zu warmen Oktober sogar auf dem Säntis und auf Weissfluhjoch schon in der ersten Dekade wieder vollständig abgebaut wurde.Von Mitte Oktober an setzte der Winter bis auf etwa 2500 Meter über Meer hinab endgültig ein. Im Tessin regnete es vom 11. bis 17. Oktober ausgiebig bis weit über 2000 Meter über Meer hinauf, ebenso vom 4. auf den 5. November, nachdem es am 26. und 27. Oktober bis Tabelle 2. Lageänderung der Gletscherenden 1976/77 bis 1978/79 Zusammenfassung 1976/77 BeobachtungsnetzAnzahl Gletscher Nicht beobachtetAnzahl Gletscher BeobachtetAnzahl Gletscher Resultat unsicherAnzahl Gletscher Änderung bekanntAnzahl ( Prozent ) Im Vorstoss Anzahl ( Prozent ) StationärAnzahl ( Prozent ) Im RückzugAnzahl ( Prozent ) Mittlere Längenänderung Meter pro Gletscher Anzahl Werte Bemerkungen: In den verschiedenen Klassen wurden folgende, durch ihre Nummer aus Tabelle 5 bezeichnete Gletscher eingereiht:

1 14, 16,46,95, 100, 108, 117.

2 101.

* 2,8,9, 10, 11, 12, 13,20,21,25,26,27,28,31,32,33,37,38,39,40,41,42,43,53,56,57,59,60,61,64,68,69, 70, 73, 77, 87, 89, 93,96, 98,99, 104, 111, 114, 115, 118, 119, 120.

4 6, 34, 47, 55, 58,67, 76, 83, 107, 109.

5 1, 3. 4, 5, 7. 15, 17. l8> 19, 22, 23. 24, 29. 3°, 35. 36. 44, 45. 48, 49, 5°, 5 '. 52, 54, 62, 63, 65, 66, 71, 72, 74, 75, 78, 79, 80, 81, 82, 84, 85, 86, 88, 90, 91, 92, 94, 97, 102, 103, 105, 106, 116.

6 Für die Berechnung der mittleren Längenänderung wurden 26 Gletscher nicht berücksichtigt. Sie wurden aus folgenden Gründen ausgeschaltet:

- durch künstlichen See beeinflusst:3,5Wert für 2 Jahre:13,30,31,32,74,76,85,114,120Wert für 3 Jahre:104,118Wert für 4Jahre:98Keine oder ungenaue Zahlenangabe: 8,9, 12,49,55,56,58,64, 107, 115, 116, 119.

in die Niederungen geschneit hatte. Erst im Laufe des Novembers wurden im ganzen schweizerischen Alpengebiet auch die tiefen Lagen der Gletscher definitiv eingeschneit.

Im Haushaltsjahr vom I. Oktober 1978 bis zum 30. September 1979 wichen die Niederschlagssummen und die Temperaturmittel nur wenig von den Durchschnittswerten der Jahre 1931 bis i960 ab. Bei den Niederschlägen waren die Abweichungen von der Norm im Berner Oberland, Wallis und Tessin im Winter ( Oktober bis April ) in den meisten Stationen leicht positiv, im Sommer ( Mai bis September ) dagegen negativ. Mittelbünden und Engadin erhielten an den meisten 1977/78 978/79 " 7 8 116 10 117 V iog i 106 110 1 - 108 52 T5 4> ( 100,0 ) ( 48,2 ) ( 3.9 ) ( 37,9 ) 106 76 6 24 ( 100,0 ) ( 71.7 ) ( 5.7 ) ( 22,6 ) 109 48; IO4 ( 100,0 ) ( 44.9,2 ) ( 46,8 ) —0,32 86 + 8,28 —4,80 Orten ungefähr normale Niederschläge, mit kleinen negativen Abweichungen im Winter und positiven im Sommer. Die mittleren Temperaturen von Mai bis September erreichten nur in wenigen Stationen die Normalwerte der Periode 1931 bis i960. Die Summen der positiven Tagestemperaturen entsprachen in den Firngebieten etwa den Mittelwerten der gletscherfreundlicheren letzten 18 Jahre.

Über die Schneedecke und die Lawinen im Winter 1978/79 berichtet M. Schild wie folgt:

Tabelle3. Jährliche Massenänderung einiger Gletscher 1976/77 bis 1978/79 Gletscher Haushaltsjahr oder Messperiode vombis 3 Gries 3O-9-7629.9.77 29- 9-7726.9.78 26. 9.7825.9.79 5,6 und 106 Aletsch 1.10.7630.9.77 1.10.773°-9-78 1.10.7830.9.79 78 Limmern und U4Plattalva 8. 9.768.9.77 8- 9-775-9-78 5- 9-783O-8.79 90 Suvretta 16. 9.7615.9-77'5- 9-77I4-9-78 14. 9.7813.9.79 1 Gesamter Zuwachs oder Abtrag, berechnet für Aletsch aus der hydrologischen Bilanz des Einzugsgebietes Massa/Blatten bei Naters, für die übrigen Gletscher nach Zonen gleicher standortspezifischer Massenänderung mit einer angenommenen Dichte des Eises von 0,9 g/cm3.

2 Gleichmässig über den Gletscher verteilter Zuwachs oder Abtrag. Der Eismenge 1 kg/m2 entspricht eine Wassersäule von 1 Millimeter Höhe.

3 Geschätzte Fläche für den 4. Oktober 1977.

4 Geschätzte Fläche für den 6. Oktober 1978.

5 Geschätzte Fläche für den 1. Oktober 1979.

6 Geschätzte Fläche für den 8. September 1977.

7 Aus den Pegelmessungen auf dem Jungfraufirn interpolierte vorläufige Werte.

8 Geschätzte Fläche für den ^.September 1978. .'Geschätzte Fläche für den 14. September 1979.

10 Fläche vom 11. September 195g. " Fläche vom 15. September 1977. 12 Fläche vom 12. September 1973.

« Der Winter begann sehr zögernd, und bis in den Hochwinter hinein waren die Schneehöhen gegenüber den langjährigen Mittelwerten zu gering. Im Dezember sind im ganzen Land die mittleren Schneehöhen im Vergleichsniveau von 1800 Metern Meereshöhe seit 25 Jahren nie so gering geblieben. Von Dezember bis März lagen sie deutlich auch unter den Durchschnittswerten der letzten 30 Jahre. Durch die starken Schneefälle von März bis Mai stellten sich jedoch überdurchschnittliche Pegelwerte ein, die in höhern Lagen Gletscher- Massenänderung Gleich- fläche km2 gesamt B*< io'mJ Eis spezifisch b1 kg/m2 gewichts-grenze m ü.M.

6,273 6,26- " 6,26s + 8,793 + 6,611 — 6,162 + 1263 + 950 — 886 2510 2670 3070 I28.36«1 128,28s 128,22 » + 210,740 + 257,345 + 23,127 + 1478 + 1805 + 162 2768'2699'29737 3.29Io 3>2910 3,38 "

+ 2,407 + 3,329 — 0,252 + 658 + 911 - 67 2540 2410 2840 3,'512 3,'512 3,'5'2 + 2,171 + 3,281 — 0,196 + 620 + 937 - 56 2665 2550 2790 bis tief in den Sommer erhalten blieben. Von besonderem Einfluss waren die mehrmaligen Wärmeperioden mit starkem Regen bis über 2000 Meter hinauf, die für mittlere und tiefe Berglagen zu einem argen Schneedeckenschwund führten, andererseits für die Stabilität der Schneedecke von Vorteil waren.

Diese Niederschlags- und Temperaturbedingungen hatten zur Folge, dass sich in tieferen Lagen eine stabile Schneedecke aufbauen konnte, Tabelle 4. Daten über die Schneedecke im Winter 1978/79 Station Meereshöhe Periode mit permanenter Schneedecke erster Tag letzter Tag Leysin1250 Grindelwald Bort.. .1570 Grimse11970 Stoos1290 Andermatt1440 Trübsee1800 Schwägalp1290 Braunwald1320 Malbun 1600 Ulrichen1345 Zermatt1610 Bourg-St. Pierre1650 Mauvoisin1840 Klosters EW1200 Davos Flüelastrasse. .1550 Zervreila 1735 Weissfluhjoch2540 La Drossa1710 Pontresina1840 Berninahäuser2049 Ambri1000 Bosco-Gurin1510 Simplon Hospiz2000 Poschiavo1014 San Bernardino Dorf.1630 Maloja1810 2. 1. 26.11. 26.11.

26.11. 26.11. 26.11.

26.11. 26.11. 26.11.

9.12. 26.11. 26.11. 26.11.

26.11. 26.11. 18.10. 28. 9.

26.11. 26.11. 26.11.

9.12. 26.11.

26.11.

16.12. 9.12. 9.12.

3-3- 6.5.

8.6.

5-5-17-5-10.6.

5-5-14-5-16.5.

12.5. 24.4.

29-4-22.5.

15-5- 16.5. 23-5-16.7.

17-5-11.5. 22.5.

14.4.

23-5-22.5.

22.3. 29-5-24-5- 1 Stoos: aper am 30. und 3 I. Dezember.

2 Bourg-St-Pierre: aper am 27. Dezember.

während oberhalb rund 2300 Metern vielerorts und vor allem an Schattenhängen ein lockeres und wenig tragfahiges Fundament dominierte, das in vielen Fällen als objektive Ursache touristischer Lawinenunfalle in Erscheinung trat. Da keine aussergewöhnlich intensiven Schneefälle auftraten, blieben Grosslawinen mit Sachschäden im Rahmen eines normalen Winters.

Mit 38 Lawinentoten lag die Opferzahl wiederum weit über dem langjährigen Mittel, obschon Grösste Schneehöhe Grösster Wasserwert der Schneedecke Dauer Tage Betrag cm Datum Betrag mm Datum 7'172 195 1701 197 171 170 155 150 542 178'71 172 218 292 173 167 178 126 179 .78 96 172 167 57 110 345 9 ' " 9 244 110 106 98 150 86 68 174 31.1.

29-3- 3-+5-5- 7.4.

21.3.

7.+28.4.

7.+ 8.4. 7.4. 7.4.

17., 20., 21.3. 11.3.

27-3-6.4.

3"-3- 12.3.

21.3.

3-5- 21.3.

21.3.

21. + 22.3.

22.3.

21.3.

21. +22.3.

28.1. 21.3. 21.3.

120 294 150 347 922 252 25> 254 481 230 213 524 309 241 39'928 287 30.1. 2.4.

3°-3-1.4.

17-5- 3-5- 2.4. 17.+ 28.4.

2.4.

3!-3- 2.4.

18.4.

3 M- 29-3- 5- 16.5.

15-4- ,38 272 122 92 165 66 200 200 50 207 255 407 5-4- 554 648'5-4- keine durch Katastrophenlawinen verursachten Personenverschüttungen zu verzeichnen waren und sich auch keine Arbeiterunfâlle ereigneten. Damit hat sich die Unfallbilanz im dritten aufeinanderfolgenden Winter weiter zuungunsten der Schweizer Alpen entwickelt; die im Vergleich mit den übrigen Alpenländern weitaus höchste Opferzahl in unseren Skigebieten muss aufhorchen lassen und drängt zu Gegenmassnahmen. Solche wären auf verschiedenen Ebenen denkbar.

Besonderes Interesse musste auch im Berichtswinter den Erfahrungen mit den Verschütteten-suchgeräten zukommen. Grundsätzlich haben sich diese Rettungshilfen bewährt, doch war mehrmals menschliches Versagen der Grund zu Misserfolgen. Den drei Rettungen mit Suchgeräten stehen neun Totenbergungen gegenüber, was beweist, dass auch das Mitführen dieses Mittels die Anwendung bewährter touristischer Sicherheitsmassnahmen keineswegs überflüssig macht; denn eine Verschüttung bedeutet für den Betroffenen auch mit dem Suchgerät eine sehr gefährliche Angelegenheit. » GLETSCHERCHRONIK a ) Tätigkeit und besondere Ereignisse Mit dem vorliegenden Bericht über die Veränderungen der Gletscher der Schweizer Alpen in der Beobachtungsperiode 1978/79 erreicht die Zahl der von F.A. Forel im Jahre 1880 begründeten Gletscherberichte ein volles Hundert. Wir erlauben uns deshalb, aus diesem Anlass den Tätigkeitsbericht mit einigen geschichtlichen Angaben einzuleiten.

Die Anregung, systematische Messungen periodisch zu wiederholen, um die Veränderung der Gletscher zu erfassen und Einblick zu erhalten in ihre Mechanismen und Ursachen, hat der Genfer César Bordier bereits im Jahre 1773 gemacht. Erst ein volles Jahrhundert später ist sein Vorschlag konsequent befolgt und am Rhonegletscher in einem langfristigen wissenschaftlichen Forschungs- programm verwirklicht worden. Im Auftrag des 1869 vom Schweizer Alpen-Club ( SAC ) und der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft ( SNG ) gemeinsam gegründeten « Gletscherkollegiums » und seiner Nachfolgerin, der 1893 gegründeten Gletscherkommission der SNG, hat das Eidgenössische topographische Büro, die nachmalige Landestopographie ( L + T ), den Rhonegletscher von 1874 bis 1915 Jahr für Jahr gründlich und genau vermessen. Die von Paul-Louis Mercanton verfasste Darstellung der Ergebnisse I gilt heute noch als Meisterwerk der Gletscherkunde.

Einen weiteren entscheidenden Anstoss zu systematischen Gletscherbeobachtungen gab 1880 ein zwischen den Kantonen Waadt und Genf vor Bundesgericht ausgetragener Rechtsstreit. Im « procès du Léman » ging es im wesentlichen um die Frage, ob die Genfer durch technische Ein-bauten im Seeausfluss die schweren Überschwemmungen jenes Jahres an den Ufern des Genfersees verursacht hätten oder ob diese auf die ausserordentlich starke Abschmelzung der Gletscher im Wallis zurückzuführen seien. In der Folge begann der als Gutachter im Prozess beigezogene Waadtländer Limnologe François-Alphonse Forel systematisch Beobachtungen über die Veränderung der Gletscher, insbesondere über ihre Längenänderung, zu sammeln und in jährlichen Berichten zu veröffentlichen. Im Jahre 1893 übernahm die neugegründete Gletscherkommission die Weiterführung dieser Beobachtungen und Berichte als ihre zentrale Aufgabe, die sie heute noch wahrnimmt. Im Bestreben, auf diese Weise beizutragen zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Gletscher- und Klimaschwankungen und damit auch zur Erforschung der Klimageschichte, folgt sie in erster Linie wissenschaftlichen Zielsetzungen. Die jährlichen Erhebungen sind ausserdem, im Sinne einer Landesaufnahme, von praktischem Interesse für die wirtschaftliche Nutzung 1 Mercanton, P.L. ( t 16 ): Vermessungen am Rhonegletscher 1874—1915. Neue Denkschriften der SNG, Band LII.

Tabelle 5. Längenänderung der Gletscher 1978/79 Nr. Gletscher Kt. Änderung in Metern'977/781978/79 Einzugsgebiet der Rhone ( II ) ie RhoneVS 2 e MuttVS 3 e Gries ( Aegina)VS 4FiescherVS 5 e Grosser AletschVS 106 MittelaletschVS 6e OberaletschVS 7e KaltwasserVS 8e TällibodenVS 9e OfentalVS ioe SchwarzbergVS 11 e Allalin VS 12 e KessjenVS 13e Fee ( Nordzunge)VS 14e GornerVS 15ZmuttVS 16FindelenVS 107e BisVS 17e RiedVS 18e LangVS 19e Turtmann ( West)VS 20 e Brunegg ( Turtm.Ost ) VS 21 e Bella TolaVS 22 e ZinalVS 23 e MomingVS 24 MoiryVS 25FerpècleVS 26 Mont Miné VS 27Basd'ArollaVS 28Tsidjiore NouveVS 29e CheillonVS 30 e En Darrey VS 31Grand DésertVS 32 Mont Fort ( Tortin)VS 33 e TsanfleuronVS 34e OtemmaVS 35 e Mont DurandVS 36e Breney VS 37e GiétroVS 38 e Corbassière VS 39ValsoreyVS 40Tseudet VS 41Boveyre VS 42SaleinaVS 108 OrnyVS 43 e TrientVS + 7,45,3 + 19.4 — 28,2 + 4.4 — i,6 + 35.5 + x + x + I4.3 + 20,5 + X + X —'2,9 —53.53,o + x3,2 + 262,83,1 + 7,7 + 22,4 + 0,53,23121,87,521.612,7 Stn,7 + x » + x » 9,6 96,522 n St4,9 -1873,23,1 + 5°, 72,55885 — 5,7 + x 5,° 2,0z 4.52 I22a + 16 365,33 — 8 + 3,8 + 7 + 5,0 — 26,0 + 4,o + 6,5 n + 3,29 -236 1,0 5,o + 11 n 9,o Höhe m ü. M.

979 d Messdatum'977 1978 979 2129 2603 2376 1657,9 1507 ca.

18. 9. 18. 9. 4. 10.

7- 9-8. 9.

5- 9-9- 9- 299-3.10.

15- 9- 27. 9.

139- 26. 9.

14. 9.

9- 9- 11. 8.

6.10. 20. 7.

1.10. 18. 9.

27- 9-27- 9-20. 9.

15- 9-'5- 9- 26. 9. 1.10. 1.10.

30- 9-30. 9.

2.10. 1.10. 7.10. 1.10. 6.10.

1.10. 2.10. 1.10.

5- 9-3,. 8.

7.10.

7.10.

7.10 7.10. 14. 9. 27- 9- 17- 9-17- 9- 6.10.

9- 9-'3- 9- 6. 9. 14. 9. 28. 9.

23- 9-28. 9.

22. 9. 11. 9.

25- 9- 11. 9.

9.11.

8. 8.

1.11. 11. 9. 20. 9.

2.10.

16. 9. 16. 9. 1.10. 16. 9. 14. 9.

12. 9. 12. 9.

4.10.

1.10.

2.10.

3.10. 1.10.

27- 9-9.10.

2139,0 2200 2660,3 2225,1 2005 2240 14. 8. n 5- 9-4.10. 4.10.

2048,2 2024 2265 2456 2020 2380 17. 10. 17.10. 14. 10.

.'4- 9-14. 9.

28.10. 14.10. 14. 10.

7.10.

7.10.

30. 9-29- 9- n n 25- 9- 239- 23- 9- 24- 9-'59- 20.10. 20.10. 18.10. 28. 9. 28. 9.

5.5 2,3 1,8 8,5 5-11- 3.10. 3.10. 4.10. 4.10.

29- 9-28. 9.

29- 9-5.10.

29- 9- 39- 299- 299- 30. 8.

30. 8.

10.10. 10.10. 10.10. 10.10. n 19.10.

247S64 28002 740 ' "

2420 " 2290 " 257065 2480 ca.

2395 2426 2602 1708 1763 11.10. 11.10. 10. 10. 11.10. n 10. 8.

Nr. Gletscher Kt. Änderung in Metern 977/78 Einzugsgebiet der Rhone ( II ) 44e PaneyrosseVD + 35,8 45 e Grand Plan NévéVD +39,5 46 MartinetsVDn 47e Sex RougeVD + 3,0 48e PrapioVD +11,0 49e PierredarVD + x^ Einzugsgebiet der Aare ( la ) 50 e OberaarBE + 6,2 51 e UnteraarBE32,8 52Gauli BEi 53e SteinBE +21,5 54e SteinlimmiBE61 55 e TriftBEst 56e RosenlauiBEst« 57e Oberer GrindelwaldBE + 6,3 58e Unterer Grindelwald BE75 ca.

59e EigerBE8,9 6oe TschingelBE + 10,4 61 e Gamchi BE +6,6 109 Alpetli ( Kanderfirn)BE1,6 62 e SchwarzVS0,8 63 e LämmernVS4,3 64e BlümlisalpBEx 111 e AmmertenBE1,3 65e RätzliBE1,8 Einzugsgebiet der Reuss ( Ib ) 66e TiefenUR4 67e St.AnnaUR1 68e ChclenUR9,3 69e Rotfirn ( Nord)UR2,8 70e Damma UR13 71e WallenburUR12,5 72e Brunni UR49 73e Hüfi UR18 74e Griess ( Unterschächen ) URx 75 e FirnalpeliOW26,1 76e Gricssen ( Obwalden! OW11 Einzugsgebiet der Limmat ( It :) 11 e BilcrtenGL 78e LimmernGL 114e PlattalvaGL 79SulzGL 80 e GlärnischGL 81 e PizolSG Höhe m ü. M. 1979 Messdatum'978/79'977'978 979 —16,2 -18,5 n St — 4.5 5- 10.

26.

9- 9- 9 3- 10.

20.

9- 9- 9 n n n 8.

10.

24.

9- 14.

9 22.

10.

7- 10.

23- 9 n'.I- 9- 5- 9 — 2,1 2297,2 a.

9- 11.

9-'5- 0 — 14.9 igo6,g 8.

9- 11.

9-'5- 8 — 4 2220 ca.

27- 9- 9- 10.

27- 9 + u,5 !93O 20.

9- 25- 9- 4- 10 -56 2092 20.

9- 25- 9- 4- 10 St — 5- 9- 26.

9- 12.

9 + X — n 21.

9- 12.

9 + 6,7 — 29- 9- 26.

9- 10.

10 St — 12.10.

14.

10.

3- 10 + 3.3 2152 26.

9- 14.

9- 6.

9 + 7,2 2290 2 7- 9- 5- 9- 7- 9 + 2,7 990 27- 9- 23- 9- 8.

90,2 2250 20.

9- 20.

9- 7- 9 — 5.5 2210 8.

9- 7- 9- 6.

9 — 8,8 2530ca.

9- 9- 6.

9- 5- 9 + X — 6.

9- 21.

9- 12.

9 + 2,9 2345 ca.

2.

10.

9- 9- [6.

9 - 4.6 2325 28.

9- 11.

10.

9- 9 — 8 24927I'3- 9- 16.

9- 18.

9 0 2592 " 7 11.

9- 7- 9- 18.

9 + 19,1 2090 26.

9- 26.

9- 9- 9 + 4.5 2031 26.

9- 26.

9- 9- 9 +10 2044 26.

9- 26.

9- 9- 9 — 4 22407S >4- 10.

5- 9- 4- 10 —40 2310 15- 9- 26.

9- 9- 10 +29 1640 29- 9- 12.

10.

20.

9 — 42 "

2213 8.

9-'9- 11.

9 —14,0 2160 11.

9- 16.

9- 4- 10 + 1.0- » 6.

9- 11 18.

9 + 5,2 + 3.2 9'9.2 27- 9- 12.

10.

2.

10.

+ 3.7 — 1.3 2243,4-'3'- 8.

6.

9- 29- 8.

+ 6ca + 8,4ia 2546 » 6.

9- 4- 9- 1.

93.5 — 2,0 789 2.

10.

5- 9- 2.

10.

+ 1,2 - 3.6 2296 7- 9- 4- 9- 6.

980,622,0 2550 20.

9- 22.

9- 27- 9- Nr. Gletscher Kt. Änderung in Metern'977

.'979 Messdatum'977 97«'979 — 54o 2342 --2,0 228O 16. 9.19. 9.6. 9.

13.10.12.10.3.10.

4.10.10.10.26.10.

5.10.25.9.+ 16.106. 9.

29- 929. 9.19. 9.

2390 "'4.3 2109 3- 9- 5- 9- 11.

9 + x{la 2440 ca.

n n 13- 9 — 37,0 2627 28.

9- 26.

9- 18.

9 + 4,5 2390 6.

9- 19- 9- 12.

9 — 1,8 2428,6 >9- 9- 16.

9- 16.

9 — 4,0 2500 16.

9-'9- 2.

10 — O.82 » —42,5 2170 n 29- 9- 2.

11.

+ io,72a + 11,5 2150 n 29- 9- 1.

11.

— 5,23,3 2000 I3+25 .10.

28.

9- 1°- 10.

— 22,0 n6.

12.

10.

n + 3,5 + 3,5 253O 29- 9- 10.

10.

20.

92,4 — 7,4 2 745 20.

9- 20.

9- 29- 9X + 2Ö,g4a 2800 n 16.

9- 18.

95 ca.

2485 6.

10.

8.

10.

12.

9 n — 4- 10.

4- 10.

n sn — n 4- 9- 29- 9 —12,2 2210 5- 11.

10.

10.

25- 10 — x(a 2163 n n'7- 9 n + 171 » 2480 24.

8.

n 28.

9 n n — 6.

9- n n n + 54,5 M 2400 6.

9- n 3- 10 0 — 14,8 2710 9- 9- 9- 9- 14.

9 n + x3a 2560 ca.

.'5- 9- n 27- 9 + X + 25,8 » 2550ca.

15- 9- 21.

9- 5- 9 + 12,3 — II.3'95° 21.

9- 29- 9- 4- 10 Bemerkungen, die für die ganze Tabelle oder wenigstens für mehrere Gletscher gültig sind 2L Die Nummern in dieser Tabelle stimmen mit denjenigen im Lageplan Bild 2 des Berichtes 1963/64 überein.

b Falls ein Gletscher zugleich in verschiedenen Kantonen liegt, so ist derjenige Kanton eingetragen, auf dessen Gebiet sich das eingemessene Zungenende befindet, c Wenn die Änderung für eine Periode von mehreren Jahren gilt, ist die Anzahl der Jahre wie folgt angegeben:

Beispiel: —13,6'a = Rückzug von 13,6 Metern in 3 Jahren, d Meereshöhe des Zungenendes in Metern. In jenen Fällen, wo sie nicht am Ende des Berichtsjahres bestimmt worden ist, wird das Messjahr wie folgt angegeben:

Beispiel: 222067 = Meereshöhe von 2220 Metern, gemessen im Jahre 1967. e Eine Bemerkung mit der Nummer dieses Gletschers wird im vollständigen too. Bericht der Gletscherkommission enthalten sein.

Abkürzungen: + Im Vorstoss st Stationär des Hochgebirges z.B. durch Wasserkraftwerke und Tourismus. Ihr Wert als Grundlage für wissenschaftliche Forschung oder wirtschaftliche Planung steigt mit der Dauer und Vollständigkeit der Beobachtungsreihen. Dank der weitsichtigen Initiative Foreis und dank den Bemühungen des Kollegiums- und Kommissionsmitglieds Johann Wilhelm Fortunat Coaz, des damaligen eidgenössischen Oberforstinspektors, konnten bereits 1893 die Forstdienste der Gebirgskantone für die Mitarbeit bei den Gletschermessungen gewonnen werden. Dem pflichtbewussten Einsatz der Förster ist es in erster Linie zu verdanken, dass heute lückenlose Messreihen von 50 Gletschern über 80 und mehr Jahre zurückreichen. Aus Tabelle 6 ist ersichtlich, von welchen Gletschern Beobachtungen aus mindestens 50 Jahren, die sich in einzelnen Fällen über eine längere Zeitspanne verteilen können, in den Gletscherberichten vorliegen. Abgesehen von der Mitarbeit vieler SAC-Mitglieder bei den Messungen der Forstdienste oder als private Beobachter, hat der SAC die Gletscherbeobachtungen stets wirksam unterstützt, indem er für eine gute Verbreitung der Ergebnisse sorgte und massgeblich beitrug zu ihrer regelmässigen Veröffentlichung. Von Anfang an bis heute hat der SAC seine Jahrbücher und die daraus hervorgeIm Rückzugsn Eingeschneit n Nicht beobachtetx Betrag nicht beziffert? Resultat unsicher ca. Ungefährer Wert gangene Zeitschrift « Die Alpen » zur Verfügung gestellt für die jährliche Publikation der Gletscherberichte, die von der Gletscherkommission jeweils auch als Sonderdrucke herausgegeben werden. Tabelle 7 gibt einen Überblick über die bisher erschienenen Berichte. Eine summarische Zusammenfassung der Hauptergebnisse gibt ausser Figur 2 unseres letztjährigen Gletscherberichts Kapitel 4 Neuzeitliche Gletscherverände-rungem des Buches « Die Schweiz und ihre Glet-scher»2 für die Gesamtperiode 1890 bis 1978. Ausführlicher sind die von J.P. Portmann verfassten Zusammenstellungen für jeweils 2 Jahrzehnte, die in den letzten Jahren in dieser Zeitschrift erschienen sind3.

In den statistischen Angaben der Tabelle 8, die sich im wesentlichen auf das im Jahre 1973 neu aufgenommene Gletscherinventar4 stützen, ist 2 Aellen, M. ( 1979 ): Neuzeitliche Gletscherveränderungen ). In: « Die Schweiz und ihre Gletscher », herausgegeben von der Schweizerischen Verkehrszentrale, Verlag Kümmerly & Frey, Bern.

3 Portmann, J.P. ( 1975, 1976, 1978 und 1980 ): . In: « Die Alpen », Quartalshefte 3/1975, 4/1976, 3/1978 und 1/1980.

4 Müller, F. et al. ( 1976 ): « Firn und Eis der Schweizer Alpen ». Gletscherinventar. Geographisches Institut der ETH Zürich, Publikation Nr. 57.

Bild ioj: Gornergletscher anfangs des 20. Jahrhunderts. Das in den ersten Jahren der igo4 erfundenen Farbphotographie aufgenommene Bild ist erschienen in der Reihe »Die Welt in Farben », herausgegeben igoy von Johannes Emmer im Internationalen Weltverlag in Berlin-Schöneberg. Es handelt sich vermutlich dabei um eine der ersten nicht nur vom Gornergletscher, sondern von Gletschern überhaupt aufgenommenen Farbphotographien. Das Archiv der Gletscherkommission verdankt sie U. Weilenmann, Geographisches Institut der ETH Zürich, der sie auf einem Flohmarkt entdeckt und ihre Herkunft ermittelt hat. Sie zeigt im Vordergrund den « Bodengletscher » benannten vordersten Teil der Gletscherzunge, der heute fast ganz verschwunden ist. In der Bildmitte erkennt man neben dem Riffelhorn die Zunge des Monte-Rosa-Gletschers, der sich bis vor wenigen Jahrzehnten mit dem von rechts herunterfliessenden Grenzgletscher vereinigte. Beim Zusammenfluss dieser Gletscher mit dem vom Riffelhorn verdeckten östlichen Hauptstrom des Gornergletschers sammelt sich das Schmelzwasser im Gornersee, der auf der 1682 von Lambien gezeichneten, dem Freistaat Wallis zugeeigneten Landkarte eingetragen und mit Namen bezeichnet ist. Die Bilder der folgenden Doppelseite zeigen seinen gegenwärtigen Stand.

Bild tob: François-Alphonse Forel ( 1841-1912 ) im Jahre i8gg, am Zungenende des Rhonegletschers. Aufnahme M. Lugeon im Archiv der Gletscherkommission. Professor F.A. Forel gilt als der Begründer der Limnologie, d.h. der Seen- und allgemein der Binnengewässerkunde. Er begann 1880 im Zusammenhang mit Überschwemmungen des Genfersees systematisch Beobachtungen über die Veränderungen der Gletscher zu sammeln und in jährlichen Berichten zu publizieren. Sein erster, im Jahre 1881 im « Echo des Alpes » erschienener Bericht legte den Grundstein zu den i8gj von der Gletscherkommission der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft als Hauptaufgabe übernommenen und mit Unterstützung durch die Forstdienste der Gebirgskantone bis heute weitergeführten Beobachtungen und den in den Jahrbüchern, später in der Zeitschrift « Die Alpen » des Schweizer Alpen-Clubs veröffentlichten Gletscherberichten.

Bilder log bis 113: Gornerseen im Sommer igyg.

10g: Ansicht des Gletscherrandsees kurz vor seiner Entleerung. Aufnahme W. Schmid, VA W/ETHZ- 110: Gornerseen am 20. Juni igyg. Ausschnitt aus Luftbild Nr. 6516 der Eidgenössischen Vermessungsdirektion.

m: Überlaufrinne zwischen den Teilbecken des Gletscherrandsees am 3. Juni igyg. Aufnahme H. Röthlisberger, VAWI ET HZ.

112: Eingang zum subglazialen Gerinne, durch das sich der Randsee Ende Juni in die Gornera entleert hat. Aufnahme U. Spring, VAWIETHZ- 113: Gornerseen am 5. September igyg. Ausschnitt aus Luftbild Nr.36 der Eidgenössischen Vermessungsdirektion.

Das vom Monte-Rosa-Gletscher vor wenigen Jahrzehnten verlassene Zungenbecken enthält nebst dem Hauptbecken des zweigeteilten temporären Gletscherrandsees zwei kleine, durch Moränen und möglicherweise auch Toteis abgedämmte permanente Seen. Diese erkennt man auf den Bildern 110 und 113 unten links, den kleineren auch auf Bild 10g am linken Bildrand. Am 20. Juni sass der überflutete Gletscherrand offensichtlich noch am Seegrund auf. Bild 110 zeigt entsprechend wenig im Wasser treibendes Eis. In der Folge kam vor allem die als Halbinsel ins Hauptbecken vorspringende Eiszunge des Grenzgletschers unter Abspaltung zahlreicher Eisberge zum Schwimmen, wobei sie in mehrere, entsprechend ihrer Eisdicke verschieden stark gehobene Schollen zerbrach. Einzelne Bruchstellen treten auf Bild log als weisse Steilwände und Risse deutlich hervor. Auf Bild 113 umgrenzen und unterteilen klaffende Bruchspalten die ehedem schwimmende Eismasse. Gestrandete Eisberge werfen als bizarre Eistürme lange Schlagschatten auf den Grund des entleerten Seebeckens oder liegen in wirren Blockhaufen am Gletscherrand. Die Pfeile weisen auf die Überlaufrinne zwischen den Teilbecken des Randsees ( a ) und die Abflussöffnung im Hauptbecken ( b ). Der im Herbst des Vorjahrs vorhandene subglaziale Verbindungskanal zwischen den beiden Teilbecken hatte sich im Laufe des Winters verschlossen. Das vom kleinen nördlichen Randsee ins Hauptbecken überfliessende Wasser hat eine tiefe Rinne in den Eisriegel eingeschnitten ( Bild iu),der auf Bild 110 ebenfalls unter Wasser steht.

Nach der Entleerung ist das subglaziale Gerinne des Seeablaufs ( Bild 112 ) jeweils für kurze Zeit über längere Strecken begehbar, bevor es sich in der Tiefe wieder schliesst und mit Wasser auffüllt. Der Seeausbruch von Ende Juni igyg wurde mit verschiedenen Messmethoden untersucht ( vgl. Text S. 208 ).

Bild 114: Giessengletscher am 4. Oktober igyg. Aufnahme M. Aellen, VAWI ETHZ- Anzeichen beschleunigter Bewegung im Hochsommer und Herbst traten beim Giessengletscher an der Nordflanke der Jungfrau und bei zahlreichen anderen steilen Gletschern im Berichtsjahr besonders deutlich in Erscheinung. Bruchstufen in der Gletscheroberfläche, starke Zerschrundung und teilweise Zertrümmerung des Eises im unteren Teil der Zunge sowie die im Vergleich zu früheren Jahren häufiger und grösser gewordenen Eisstürze über die Wände des Schneehorns ( links im Bild ) und durch die von Felsabsätzen unterbrochene Runse der « Giessenlamm » ( unten rechts ) lassen erkennen, dass grosse Teile der Gletscherzunge ins Rutschen geraten sind. Dabei ist ein auffälliges, unter dem Namen « Kriegsloch » bekanntes Felsfenster in der Zungenmitte zugeschüttet worden, so dass der Felsuntergrund vom Spätsommer bis zum Jahresende nicht sichtbar war. Seinen Namen verdankt das Kriegsloch dem Umstand, dass es sich bei Kriegsgefahr schliesse, in Friedenszeiten dagegen stets offenstehe. Kenner der Lokalgeschichte melden als verbürgte Überlieferung, dass es in den spanischen Kriegen, im Franzosenkrieg und im Ersten Weltkrieg geschlossen war, von igig bis ig3g offen blieb, bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschwand und erst seit dem letzten Kriegsjahr wieder offenstand. Das zufällige zeitliche Zusammentreffen seines erneuten Verschwindens mit dem Einfall russischer Armeeeinheiten in Afghanistan vermehrte die politische Besorgnis eines Teils der einheimischen Bevölkerung.

1 19 1 Tr; 120 12 115 Stotzig und Klein Muttenhorn vom Leckipass aus 116 Aufstieg durch das Witenwasserental 117 Bau des Iglus 118 Aufstieg zum Pizzo Lucendro. Unser Lager befand sich bei den Felsen unterhalb des Leckipasses ( Mitte Horizont ). Links oben die beiden Leckihörner, darunter der Witenwasserengletscher zum Schluss unserer einleitenden Ausführungen das aktuelle Beobachtungsnetz verglichen mit der Gesamtheit der im Inventar aufgeführten Gletscher. Die Aufteilung der Stichprobe in 4 Grössenklassen nach Massgabe der Gletscherflächen zeigt, dass im gegenwärtigen Netz bis auf einen alle grossen Gletscher, knapp ein Drittel der mittleren und etwa jeder Vierzigste der kleinen, jedoch keine unterklassigen Gletscherchen oder Firnflecken erfasst sind. Die offensichtliche Vorliebe für grössere Gletscher bei der Auswahl der Stichprobe ist aus praktischen Gründen beinahe selbstverständlich. Die schneereichen letzten Jahre haben die alte Erfahrung bestätigt, dass Zungenmessungen bei den kleinen Gletschern oft problematischer sind als bei den grossen. Von mehrfachen Bemühungen, der einseitigen Auswahl entgegenzuwirken, dürfte zumindest teilweise die beträchtliche Zahl der Gletscher in Tabelle 6 zeugen, bei denen die Messungen nach wenigen Jahren wieder aufgegeben wurden. Recht zahlreich sind auch längere Messreihen, die unterbrochen oder gar aufgegeben werden mussten, weil das Zungenende unbestimmbar oder sonstwie unzugänglich geworden war, in vereinzelten Fällen auch, weil der Gletscher verschwunden ist. Das heutige Messnetz enthält grossenteils die in einem durch zufallige äussere Umstände bestimmten Ausscheidungsverfahren übriggebliebenen messbaren Gletscher, bei denen die Zungenmessung ohne übertriebenen logistischen Aufwand, ohne allzu grosse messtechnische Schwierigkeiten und ohne unnötige Gefahrenrisiken zu brauchbaren Ergebnissen führt.

Die Schönwetterperioden im Spätsommer und Herbst des Berichtsjahrs 1978/79 konnten von den Beobachtern in erfreulich hohem Masse zur Durchführung von Zungenmessungen und von den Flugdiensten der V + D und L + T zur Durchführung von Vermessungsflügen ausgenützt werden. Von den 117 Gletschern des Beobachtungsnetzes sind 110 erfasst worden ( 99 am Boden, 41 aus der Luft ). Ausser in einem Fall konnte dabei die Längenänderung seit der letzten 119 Der Pizzo Lucendro, durch den Iglueingang gesehen Phoms: Veronika Meyer, Uettligen/BEl 120 Die blaue Kuppel des Iglus vermittelt eine eigenartige Stimmung Photo: Christoph Hagen Kontrolle bestimmt werden durch Messungen ( 92 ) oder andere Beobachtungen ( 6 ) im Gelände sowie durch quantitative ( 4 ) oder qualitative ( 7 ) Auswertung von Luftbildern. Die Erhebungen im Gelände verdanken wir den staatlichen Forstdiensten bei 73 Gletschern in den Kantonen Wallis ( 23 ), Waadt ( 4 ), Bern ( 10 ), Uri ( 9 ), Obwalden ( 2 ), Glarus ( 3 ), St.Gallen ( 2 ), Graubünden ( 15 ) und Tessin ( 5 ), der Abteilung für Glaziologie der VAW bei 13 Gletschern, den privaten Mitarbeitern P. Mercier ( 4 ), J.L. Blanc ( 3 ), H. und V. Boss ( 2 ), A. Godenzi ( 2 ) und E. Hodel ( 1 ) bei 12 Gletschern und bei 1 Gletscher der Kraftwerkgesellschaft Mauvoisin. Die photogrammetrische Auswertung von Luftbildern haben besorgt bei 2 Gletschern für die Kraftwerke Oberhasli das Vermessungsbüro A. Flotron in Meiringen, bei 1 Gletscher für die Kraftwerke Mauvoisin das Vermessungsbüro H. Leupin in Bern und bei 1 Gletscher für die VAW ihr Mitarbeiter W. Schmid am Autographen des Geodätischen Instituts der ETH Zürich. Durch Vermessungsflüge sind insgesamt 55 Gletscher gezielt und 54 zusätzlich erfasst worden. Die Flüge dienten in erster Linie den Beobachtungen der Gletscherkommission ( bei 23 Gletschern ), den Erhebungen der Arbeitsgruppe für gefahrliche Gletscher ( 20 ) und besonderen Untersuchungen der VAW im Auftrag von Dritten ( 6 ) oder im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte ( 6 ). Dank den periodisch wiederholten Aufnahmen der L + T für die Nachführung der Landeskarten können die Veränderungen verschiedener nicht jährlich kontrollierter Gletscher in mehrjährigen Intervallen erfasst werden. Im vorliegenden Bericht sind solche Angaben bei 2 Gletschern ( Scaletta, Albigna ) berücksichtigt worden.

Die Gletscherkommission dankt allen Beobachtern, allen übrigen Mitarbeitern und Institutionen, die zu unseren Erhebungen beigetragen haben. Sie dankt ganz besonders den in den Ruhestand getretenen langjährigen Mitarbeitern, nämlich Kantonsforstinspektor L. Ragaz in Chur für die gewissenhafte Betreuung der Gletscher- messungen während vieler Jahre im Kantonregelmässig gemessen hat. Wir danken auch Graubünden, Kreisförster O. Bisaz in Celerina fürForstinspektor G. Viglezio, der von Faido in einen sein grosses Interesse und Sachverständnis, mitsüdlicher gelegenen Forstkreis gezogen ist, für die dem er fast 3 Jahrzehnte lang die Gletscher imverdienstvolle Wiederaufnahme und regelmäs-Oberengadin und Bergell beobachtet, und Forstsige Fortfuhrung der Gletschermessungen im Be-inspektor A. Wenger in Crans, der währenddrettotal. Wir heissen die verschiedenen Amts-mehr als 20 Jahren die Gletscher zwischen Dentnachfolger, so Kantonsforstinspektor B. Rageth in Blanche und Pigne d' Arolla sehr zuverlässig undChur, Kreisforster C. Mengelt in Celerina, sowie Tabelle 6. Dauer der Beobachtungen über die Längenänderung der Gletscher in den Schweizer Alpen Dauer der Messreihe in Jahren1 100-109

90-99

80-89

70-79

60- 6g

50-59

40-49

30-39

20- 29

10- 19

1 109 12011 o230 1 Zahl der Jahre, in denen der Gletscher beobachtet wurde. Sie verteilt sich über eine längere Zeitspanne, wenn die Messreihe eines Gletschers Lücken aufweist.

2 Für Gletscher, die seit mindestens 50 Jahren beobachtet werden, ist nachstehend das Jahr angegeben, in dem die Messungen begonnen wurden. Die Gletscher sind mit ihrer Nummer aus Tabelle 5 bezeichnet.

a ) 1870: i c ) 1879: 13 1893: 64, 104 1888: 37, 38 1878: 28,43, 94 1887: 39 1894: 46, 76 1893: 60, 112 1879: 51 1891: 22, 31, 32, 33, I05 e ) 1890: 60 1914: 23 b ) 1880: 11,57, 58 1892: 16 1891: 24 1915: 10 1881: 18 1893: 61,68, 71, 77,81,85,8!

3,95 1892: 15 1921: 8 1882: 14, 72, 73, >°2 1894: 75,84, 92 1894: 100 1923: 62 1883: 4,5, 19 ,25,27 1895: 83,91, 98 1912: 79 1925: 66, 67, 70, 89 1884: 44,45 1897: 103 1918: 2, 29 1926: 96 1886: 7 1898: 47,48, 82, 86 1919: 50 1927: 65 1887: 42,53 d)1880: 56 f ) 1886: 34 1928: 74 Längste Messreihen der nach 1956 nicht mehr beobachteten Gletscher. Angegeben ist das Jahr, in dem die Messungen begonnen wurden.

a ) 1893: Kartigel, Schlossfirn 1894: Petit Plan Névé b ) 1893: Clariden 20G Anzahl Gletscher des aktuellen nach 1956 total Beobachtungsnetzes2 nicht beobachtete'52a — 5 182b — 18 27 "

— 27 52d — 5 82e n 3a 11 162'17 5 — 5 12 4 16 9 3 12 11 11 22 4 88 92 die Kreisforstinspektoren M. Torrent in Grône und V. Rossi in Faido bei den Gletschermessungen willkommen und freuen uns auf ihre Mitarbeit.

Die Gletscherkommission beklagt den Verlust eines Mitglieds. Am 26.Juli 1980 starb Professor Dr. Fritz Müller unerwartet mitten in der Arbeit auf dem Rhonegletscher, mitten in einem eben angelaufenen wissenschaftlichen Unternehmen, das einen neuen Schwerpunkt in seiner vielseitigen Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Glet-scher- und der Klimakunde bilden sollte. Schwerpunkte in seinem bisherigen wissenschaftlichen Tun bildeten neben ausserordentlich intensiver Mitarbeit in internationalen Fachgruppen, die ihn mit der Leitung weltumspannender Erhebungen betrauten ( Weltgletscherinventar, zentrale Sammelstelle der Daten über Gletscherveränderungen ), anspruchsvolle glaziologische und klimatologische Forschungsprogramme in der Arktis ( Grönland, Alaska, Axel Heiberg Island, Baffin Bay ) und im Himalaya ( Khumbugletscher ). Marksteine seines Wirkens im eigenen Land sind Tabelle 7. Angaben über die bisher erschienenen Gletscherberichte Bericht Nr. ( BeobachtungsjahrBerichterstatter t(i88o ) -15(1893/94 ) A. Forel 16 ( 1894/95)- 17 ( i8g5/g6 ) A. Forel und L. Du Pasquier 18 ( 1896/97)- 27 ( 1905/06 ) A. Forel, M. Lugeon und E. Muret 28(1906/07 ) F.A. Forel, E. Muret, P.L. Mercanton und E. Argand 29 ( 1907/08)- 32 ( 1910/11 ) A. Forel, E. Muret und P.L. Mercanton 33 ( 191 i/ia)— 34 ( 1912/13 ) E. Muret und L. Mercanton 35 ( 1913/14)— 70 ('948/49 ) P.L. Mercanton 71 ( 1949/50)- 75 ( 1953/54 ) P.L. Mercanton und A. Renaud 76 ( 1954/55)- 83 ( 1961/62 ) A. Renaud 84. ( 1962/63)- 91 ( 1969/70 ) P. Kasser 92 ( i97o/7i)-ioo ( 1978/79 ) P. Kasserund M. Aellen Bericht Nr.Zeitschrift 1 und 2 « Echo des Alpes » XVII und XVIII, Genève 1881 und 1882 3 bis 44 « Jahrbuch des Schweizer Alpen-Club », Bände XVIII bis LVIII, Bern 1883 bis 1924 45 bis 100 « Die Alpen », Jahrgänge 1 bis 56, Bern 1925 bis 1980; Nr. 71 bis 75 ohne Tabellen, Nr. 85 bis 100 gekürzt ausser seiner Lehrtätigkeit und der Leitung des Geographischen Instituts der ETH Zürich u.a. die Mitarbeit an den Aufnahmen zur Spezialkarte der Aletschgletscher im Jahre 1957 und die Leitung der Bestandesaufnahme der Gletscher in der Schweiz im Jahre 1973. Er war Mitglied der Gletscherkommission seit 1971.

Auf zahlreichen Gletschern werden von der VAW ( z.T. gemeinsam mit der GK/SNG oder im Auftrag von Dritten ), von der Gletscherkommission selber oder von Kraftwerkgesellschaften Messnetze, z.T. seit vielen Jahren, unterhalten zur Bestimmung der Gletscherbewegung, der Massenänderung an bestimmten Punkten oder des Massenhaushalts des ganzen Gletschers. Sie dienen der wasserwirtschaftlichen Produktions-steuerung ( bei 10 Gletschern ), der wissenschaftlichen Grundlagenforschung ( 4 ) oder zur Beurteilung von Gefahrenrisiken ( 3 ). Seit über 60 Jahren im Gang sind die Messungen an den Firnpegeln auf dem Claridenfirn, dem Silvrettagletscher und dem Jungfraufirn, deren Ergebnisse in den Firnberichten von A. Lemans ( s. Seite 192 ) jährlich mitgeteilt werden. Im Berichtsjahr ist ein neues Messnetz auf dem Rhonegletscher eingerichtet worden, das im Rahmen eines Forschungsprojekts des Geographischen Instituts der ETHZ Daten liefern soll zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Lokal- und Regionalklima einerseits, Schnee-, Eis- und Wasserhaushalt des Gletschers und seines Einzugsgebiets andererseits.

Anknüpfend an Untersuchungen, über die wir in früheren Gletscherchroniken berichteten, hat die VAW zusammen mit andern Hochschulinstituten in der Zeit von Mitte Mai bis Anfang September 1979 den intra- und subglazialen Wasserabfluss am Gornergletscher weiter erforscht. Die Kenntnis der Abflussmechanismen, insbesondere während der Schneeschmelze und der jährlichen ( natürlichen ) Entleerung des Gornersees ( s. Bilder 109 bis 113 ), führt zu einem besseren Verständnis der Gleitvorgänge bei der Gletscherbewegung und damit auch der Erosionsvorgänge am Gletscherbett. Im Zusammenhang mit subglazialen Wasserfassungen und mit dem Hoch-wasserschutz sind diese Fragen auch von praktischer Bedeutung. Mit der verbesserten hydrother-mischen Tiefbohrausrüstung und verbesserter Bohrtechnik sind bis 430 Meter tiefe Löcher in 7 Vi Stunden gebohrt worden. Sie dienten zur Registrierung des Wasserdrucks an der Gletschersohle und zur Messung der Eistemperatur in verschiedenen Tiefen. Ausserdem sind Gletscherbe- Tabelle 8. Häufigkeitsverteilung der Gletscher der Schweizer Alpen nach ihrer Fläche im Jahre 1973 Grössenklasscn km2 Anzahl Gletscher im Inventar im Beobachtungsnetz 0.01- 0.0g 634 O.IO- 1.00986 1.01- 6.25 170 6.25-86.7638 O.OI-86.761828 o 26 54 37 wegung, Wassertemperaturen, Gletscherbeben-aktivität und Laufzeit des Wassers beim Seeausbruch gemessen worden. Wertvolle Vergleichsdaten lieferten die zu gleicher Zeit von einer selbständigen Forschergruppe aus Manchester am Gletschertor durchgeführten Untersuchungen über Chemismus, Geschiebetransport und Schwebstofführung der Gornera.

b ) Haushaltsergebnisse In Tabelle 3 sind die von der VAW an 4 Gletschern bestimmten Haushaltszahlen der letzten 3 Jahre zusammengestellt. Die gesamte Massenänderung entspricht dem Gewinn oder Verlust an Eisvolumen in der Messperiode, die spezifische Massenänderung der Dicke der Schicht, die sich ergäbe, wenn dieser Gewinn oder Verlust als Wasser gleichmässig über den ganzen Gletscher verteilt würde. Als spezifische Massenänderung sind die Ergebnisse der Haushaltsbestimmungen an verschiedenen Gletschern direkt vergleichbar.

Im Berichtsjahr 1978/79 sind die fur den Massenhaushalt der Gletscher massgeblichen Klimagrössen gesamthaft im allgemeinen nur wenig von den Normalwerten abgewichen. Bei manchen Gletschern ist die Massenänderung entsprechend klein geblieben. Der Massengewinn bei den Aletschgletschern und der Massenverlust bei den Gletschern Limmern, Plattalva und Suvretta fällt Gesamtfläche der Gletscher im Inventar km2 im Beobachtungsnetz km 2 30-3 295,6 39',5 624,8 o I2,7 158,5 615,5 1342,2 786,7 kaum ins Gewicht. Der Griesgletscher dagegen hat im Durchschnitt um fast einen Meter abgenommen. Er liegt in jenem Gebiet, das vom Frühjahr bis in den Sommer ein extremes Niederschlagsmanko aufwies.

Für die Aaregletscher hat sich nach den photogrammetrischen Vermessungen von A. Flotron im Talbereich gesamthaft ebenfalls ein im Vergleich zu früheren Jahren sehr bescheidener Verlust von rund 3 I/ Millionen Kubikmetern Eis oder eine Dickenabnahme um durchschnittlich 24 Zentimeter ergeben. In den Teilgebieten Oberaar und Finsteraar hat die Eismasse im vermessenen Bereich um 1,6 bzw. 0,9 Millionen Kubikmeter zugenommen. Die mittlere Dickenänderung in den Querprofilen schwankt zwischen — r, i und + 3,2 Metern auf dem Oberaargletscher, zwischen -2,0 und + 1,9 Metern auf dem Unteraargletscher.

c ) Lageänderung der Gletscherenden Die Ergebnisse der Beobachtungen am Netz der GK/SNG sind in Tabelle 2 für die letzten 3 Jahre zusammengefasst, in Tabelle 5 für die letzten 2 Jahre ausführlich dargestellt.

Bei den Stichprobenanteilen der vorstossenden und der schwindenden Gletscher ist, wie beim Massenhaushalt, eine Rückkehr von den letztjährigen Extremwerten zu ausgeglichenen Verhältnissen festzustellen. Dasselbe gilt für die mittlere Längenänderung, die im Berichtsjahr dem Mittelwert der letzten 15 Jahre nahezu gleichkam.

Von den 48 vorstossenden Gletschern haben 16 durch Firnanlagerung an Länge zugenommen, bei den übrigen war die Gletscherbewegung stärker als die Abschmelzung. Bei 15 dieser « echt » vorstossenden Gletscher blieb die Längenzunahme im Rahmen der Vorjahre, bei 17 war sie trotz stärkerer Abschmelzung deutlich grösser als im Vorjahr, was auf eine Beschleunigung der Gletscherbewegung hinweist. Bewegungsmessungen an verschiedenen Gletschern haben durchwegs eine deutliche bis starke Geschwindigkeits- zunahme im Berichtsjahr erkennen lassen. Diese zeigt sich vermutlich auch darin, dass seit dem Vorjahr 6 zurückweichende Zungen zum Stillstand gekommen sind und bei 6 weiteren der Schwund merklich nachgelassen hat. Bei manchen Gletschern ist diese Beschleunigung durch Sackungen ( z.B. Rhone, Tiatscha ) oder Rutschungen ( Allalin, Rosenlaui, Hüfi ) im Zungengebiet, vermehrte Eisabbrüche an der Zungenfront ( Moming, Giétro ) oder gar Gletscherstürze ( Tälli am Fletschhorn, Clariden ) sichtbar in Erscheinung getreten. Die anfangs September in Gang gekommene Rutschung am Allalin hat seine Zungenfront innert 4 Wochen um durchschnittlich rund 50 Meter nach vorn gebracht. Über-die besonderen Begleiterscheinungen periodisch auftretender Rutschungen am Giessengletscher an der Jungfrau wird im Bildteil berichtet ( s. Bild 114 ). Durch die Verfirnung der in den letzten Jahren am Zungenende angelagerten Schneemassen haben der Corno ( 171 m in 2 Jahren ) und der Scaletta ( rund 350 m in 6 Jahren ) einen wesentlich grösseren Längenzuwachs erhalten als der Allalin. Der besonders starke Schwund des Langgletschers ist weitgehend zufallsbedingt durch Unsicherheiten bei der Bestimmung des schuttbedeckten Zungenendes, das zudem in den letzten Jahren nur teilweise schneefrei wurde.

Das Gesamtergebnis der Gletscherbeobachtungen im Berichtsjahr entspricht recht gut den Erwartungen für ein Jahr mit normalen klimatischen Verhältnissen und stützt unsere Ansicht, dass heute immer mehr Gletscher einen dem Klima der letzten Jahre weitgehend angepassten Stand erreicht haben. Trotz der Verringerung der Zahl der vorstossenden Gletscher gegenüber dem Vorjahr kann kaum von einem Nachlassen der langfristigen Vorstosstendenz gesprochen werden.

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