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Die Lawine in der Kunst

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Von Ernst Jenny.

Wenn ich als Büblein im stillen Jura oben von Lawinen in den Alpen erzählen hörte, so stellte ich mir darunter stets eine Art kugelige Schneeräder vor, nur viel gewaltiger als die, welche wir Knirpse an den Hängen im weichen Neuschnee losliessen und wälzten, bis sie vor Grosse und Schwere knarrten und zur Seite fielen. Erst als ich etwa zwölf Jahre alt war, bekam ich eine bessere Vorstellung von der Gestalt einer Lawine. An einem föhnigen Februartag — der Schnee lag tief und flutterig auf dem hartgefrorenen Boden — löste sich am Sixberg oben eine Menge sehr nassen Schnees, fuhr eine trichterförmige Mulde herunter, neue Massen mit sich reissend, durchbrach im ersten Anlauf ein hinteres Scheunentor, schoss wild durch die Tenne, durchrannte das vordere Scheunentor, stürzte über einen Miststock und einen kleinen Gemüsegarten hinweg an einen Hausgiebel, schlug beinahe einen Fensterstock ein und blieb stecken. « Das war eine Lawine, » erklärte mein Vater, « nur nicht so gross und bös wie die in den Alpen. » Aber es wollte lange nicht in meinen Kopf, dass man so was eine Lawine nenne. Als Bergsteiger konnte ich sie dann aus der Nähe beobachten und überzeugte mich von ihren Eigenschaften ganz besonders, als ich im Oktober 1916 am Bächlistock von einer solchen gar hurtig und grob zur Tiefe gefahren wurde. Jedenfalls fand ich die Lawine des Studiums wert. Dabei erstand mir die Frage, ob sie auch vom Künstler dargestellt worden sei. Und siehe da, eine freudige ÜberraschungI Nicht nur fand ich nach und nach eine Reihe von meist graphischen Darstellungen, sondern zugleich auch eine Art Entwicklung der menschlichen Vorstellung von Gestalt und Wesen der Lawine. Und zwar in einem ähnlichen Verlauf, wie ich selbst ihn in mir gebildet und erlebt hatte.

Die Renaissance hat die Alpen entdeckt und in ihre Stoffwelt einbezogen. Aber die Lawine wurde keines ihrer beliebten Themen, denn die Künstler des 15. und 16. Jahrhunderts hielten sich nicht in den Alpen auf, um Motive zu suchen. Die alpine Landschaft — zumeist voralpinen Charakters — diente ihnen fast nur als wirksamer Hintergrund, wie es Bilder des Zürchers Hans Leu und des Berners Nikiaus Manuel bezeugen.

Eine der ältesten — wenn nicht die älteste — graphischen Darstellungen der Lawine bildet ein Holzschnitt des Hans Leonhard Schäufelein — auch Scheifelen von Nördlingen genannt —, eines Schülers von Albrecht Dürer l ). Seit 1512 verkehrte er mit Kaiser Maximilian I. und lieferte mit andern Augsburger Illustratoren viele Holzschnitte für den « Teurdanck », der 1517 erstmals im Druck erschienen ist. Matthäus Schultes, Drucker in Augsburg, x ) Vgl. Burger und Schmitz, Die deutsche Malerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende der Renaissance, 1919. III, 611.

VII4 DIE LAWINE IN DER KUNST.

sammelte später mit viel Liebe und Verständnis die verloren gegangenen Holzschnitte, säuberte sie von Staub, erlöste sie « von den eingenistelten Wärmen » und brachte den Teuer dank etwas überarbeitet 1679 wieder in Druck und Handel. Dieser Ausgabe ist unsre Abbildung entnommen.

Der Holzschnitt zeigt, dass Schäufelein ein vom Reiter zurückgerissenes, erschrecktes Pferd besser darzustellen wusste als eine Lawine. In Gestalt Lawine.

Holzschnitt in Stumpfs Schweizerchronik.

von Kugeln oder Ballen mit kleinem Gefolge stürzen drei grosse Schneelawinen hintereinander hernieder und bedrohen den auf die Jagd reitenden Kaiser. Nur dieser und sein Ross zeigen Furcht und Abwehr, während die zwei flankierenden Reiter wie auch ihre Pferde nicht die geringste Notiz von der Gefahr nehmen. Immerhin erkennt man, dass der Künstler schon eine Art Lawinenzug dargestellt hat, wenn auch nur nach unklarer Angabe und Vorstellung, was schon aus der Zeichnung der Berge hervorgeht.

Die kugelige Lawine findet man wieder im Holzschnitt eines Unbekannten in Johannes Stumpfs « Gemeiner loblicher Eydgenoschafft Stetten Landen und Völckeren Chronickwürdiger thaaten beschreybung ». Stumpf hatte im August 1544 das Wallis « fleyssig besichtiget », und 1548 erschien seine stattliche und für jene Zeit überaus wertvolle Schweizerchronik. Im 9. Buche derselben berichtet er von den Lepontiern, « von höhe und wilde dess höchsten Alpgebirgs, wie das mit stätem schnee bedeckt ist, auch etwas von dem Firn und Glettscher ». In diesem originellen Abschnitt erscheint ein hand-bemalter Holzschnitt, eine Lawine darstellend l ). Plump stürzt die grosse Kugel, ohne irgendwelche natürliche Beziehung zur Landschaft, vom Felsberg herunter auf einen Saumpfad. Der Luftdruck der mit Steinen und Bäumen reichlich durchsetzten Lawine wirft zwei beladene Saumrosse und einen Säumer nieder, während ein zweiter Säumer schreiend am dritten Tier vorbeiflüchtet.

Zuverlässiger als dieses Lawinenbild sind die Worte dazu. Stumpf hat sich bei seiner Reise ganz gut unterrichten lassen, wenn er sagt: « So das gebirg winterzeyts überschneyet / sind merteils straassen darüber unwandelbar / aussgenommen so der schnee etwan hart gefreurt — mag man darüber wandlen: gefarlich aber ist es und besonders ganz unsicher / so der schnee blutt und weich ist / oder so er im Früling durch warme lüfft und ragen bewegt abgon wil / als denn wirt er leychtlich in der höhe durch ein vogel / oder durch wind / auch etwan durch ein Widerhall bewegt / dass er anfacht ein wenig rysen / und zestund meeret er sich zu einem sölichen hauffen / das er gegen tal laufft / und stosst vor jm hin grund / boden / böum / erdt-rich / velsen / und alles das er begreyfft / also das sölicher schneebruch ein gantzen fläcken oder dorff / so er das begriffe / hinstiesse und verdeckte. Derhalb man an vilen orten / wo man sölicher gfarden wartend ist / nit bedarff nach an die berg bauwen / auss forcht des eynfallenden schnees. Und söliche Schneebruch werdend vom landvolck genennt ein Löwin. So ein söliche Löwin im gebirge anbricht / gibt es ein gethön als ein Donder-klapff oder erdbidem ( Erdbebendass mans weyt hören mag. » Den letzten Satz findet man fast wörtlich wieder in der Kosmographie des Sebastian Münster, gedruckt zu Basel 1598. Sonst weiss dieser gelehrte Verfasser nichts zu sagen, und eine bildliche Darstellung der Lawine schien ihm überflüssig zu sein.

Auch der Luzerner Stadtschreiber Joh. Leopold Cysat hat für seine « Beschreibung dess Berühmbten Lucerner- oder 4. Waldstätten Sees », 1CC1, die Angaben Stumpfs über die Lawine teilweise wörtlich benützt und bringt kein graphisches Bild.

Eine zweite Enttäuschung bereitet uns die an Kupferstichen so reiche « Physica sacra » des Zürchers Johann Jakob Scheuchzer. Das 1731—1735 zu Augsburg gedruckte sechsbändige Werk enthält eine Fülle von freien alpinen Landschaften. Und man wundert sich, dass Scheuchzer keinem seiner Zeichner den Auftrag gegeben hat, eine Schneelawine im Bilde zu schaffen. Zwar begegnet man im ersten Bande zweimal ( Tafeln 118 und 119 ) einer Art Feuer- und Rauchlawine, die mit grosser Wucht vom Gebirge niederfährt. Und es ist wohl denkbar, dass G. D. Heumann, der das Bild gestochen, einmal eine grosse Lawine hat niedergehen sehen.

Der Vorstellung, eine Lawine habe die Gestalt eines mächtigen Schneeballs, begegnet man in Büchern des 17. und 18. Jahrhunderts immer wieder. So weiss der englische Arzt Edward Brown in seinen « Reisen »* ) aus dem Friaul zu erzählen, « wie viel Picken tieff » hier im Winter der Schnee liege und welch grossen Schaden « ein Schnee-Ball » anrichten könne.

Im Jahre 1765 wurde zu Basel bei Nicolaus Köllner die « Neue und vollständige Topographie der Eydgenoßschaft » gedruckt, die der Zürcher David Herrliberger mit bewundernswertem Fleiss verfasst hatte. Im ersten Band beschreibt und erzählt er in einem besondern Kapitel « Lauwin » alles, was er von Lawinen gelesen und gehört hat. Obgleich er schon von dem Unterschied zwischen Wind- und « Schlag- oder Schlosslawinen » zu berichten weiss, glaubt er selbst an « in grosse Ballen zusammen gerollete Schneeklumpen, welche von denen höchsten gächstotzigen Bergen mit ungestümem und entsetzlichem Krachen und Tossen in die Thäler und Tieffenen herunterstürzen ». Späterspricht er von « ballierendem Schnee » und « rollendem Sprung ».

Dieser falschen Vorstellung entsprechen auch die beigegebenen zwei Kupferstiche nach Gemälden von Dürringer. Von einer solch zackigen Felswildnis wird nie eine Lawine in dieser Gestalt auf ein armseliges Bergnest niederstürzen. Wo übrigens dieser Lawinenball die in ihn verwickelten Tannen, Hütten, Menschen und Tiere zusammengestohlen hat, ist aus dem Bilde unmöglich zu begreifen. Im ersten Stich zeigt Dürringer hochoben den Anfang einer Lawine, die wie eine freie Kugel durch die Luft herunterfällt. Der zweite Stich bringt die Lawine in ihrer mittleren Entfaltung, aber mit ebensowenig innerer Beziehung zur Landschaft.

Stark beeinflusst vom ersten Kupferstich in Herrlibergers Topographie ist die kolorierte Landschaft « Eine Schneelawine » eines ungenannten Graphikers, um 1805 2 ). Trotz aller Schwächen zeigt diese Darstellung schon einen guten Fortschritt. An diese Lawine glaubt man mehr als an die früheren. Zwar ist die Ballform immer noch zu stark betont, und die Un-glücksrequisiten sind ganz traditionell eingefügt. Aber der Ball fällt nicht beziehungslos herunter. Er ist nur ein konzentrierter, in den Vordergrund geschleuderter Klumpen aus einem grossen, deutlich dargestellten Schneesturz, der auch Steinblöcke verschiedener Grosse und Tannen mitführt.

Weniger gut steht es in dieser Hinsicht mit jenem Lawinenbild, das als handkolorierte Lithographie im Haslimuseum zu Meiringen hängt. Hier rollen gleich drei gewaltige Schneekugeln nebeneinander zu Tal und bedrohen Haus und Mensch. Vielleicht wollte der unbekannte Zeichner mit dem dreimaligen Nebeneinander die Wucht und Grosse des Phänomens stärker betonen. Es ist ihm kaum gelungen, sowenig als er die Gebärden der Flucht bei den menschlichen Gestalten gebührend und überzeugend zum Ausdruck gebracht hat.

1810 erschien im Neujahrsblatt der « Zürcherischen Hülfsgesellschaft » ein von J. H. Meyer radiertes Kupfer « Die Schneelawine im Schächental » nach einer Originalzeichnung von Franz Xaver Triner 1 ). Der 1766 in Arth geborene und später meist in Uri lebende Künstler schuf das Bild um 1809. Es ist keine charakteristische Erfassung des Themas. Mehr ein sorgfältig festgehaltener Blick ins Schächental, gesehen etwas vorderhalb des Kirchleins von Unterschächen. Die Lawine ist zweiarmig niedergegangen und wäre im Stiche kaum ordentlich zu erkennen, wenn nicht ganz vorne eine rührende Szene von Verunglückten und einige Hüttentrümmer zu sehen wären. Natur-dramen darzustellen, war dem das Idyll bevorzugenden Triner nicht gegeben.

Ein wuchtigeres Lawinenbild zeichnete um die gleiche Zeit der französische Landschaftsmaler Louis Albert Bacler d' Albe 2 ). Hier zeigt sich schon das klare Streben, die Dynamik des Naturphänomens mit dem einfachen Mittel einer geschickten Linienführung herauszubringen. Ob ihm das auch in Farben gelungen wäre, ist eine andere Frage. Bei Triner und Bacler ist « der drohende Ball » verschwunden. Beide kannten das Gebirge aus eigenem Erlebnis und eigener Anschauung.

Das 19. Jahrhundert, das den Alpinismus zu voller Blüte brachte, schuf eine ganze Anzahl Lawinenbilder, es sind zumeist Zeichnungen für Buchillustrationen. So begegnen wir einer Lawine in höchster Aktion in dem 1857 in Genf erschienenen Werk « Die malerische Schweiz » von Ch. Schaub und E. H. Gaullieur; ebenso in Friedrich v. Tschudis « Tierleben der Alpenwelt », 1853. Bei H. A. Berlepsch « Die Alpen in Natur- und Lebensbildern », 1861, bringt der Tondruck « Lauinen-Ausgrabung », nach einer dramatisch wirksamen Zeichnung von Emil Rittmeyer, nicht mehr die Lawine als Hauptthema, sondern die Ausgrabung verschütteter Fuhrleute und Pferde durch herbeigeeilte Dörfler. Ähnlich ist das Thema « Une avalanche » eines nicht genannten Zeichners um 1860. Es zeigt die Gegend unterhalb des Hospizes auf dem Grossen St. Bernhard. Eine riesige Laue ist niedergefahren und hat Passgänger verschüttet. Ein Bernhardinerhund hat eben einen Verunglückten entdeckt, und hilfreiche Mönche eilen herbei. Und für August Feierabends Werk « Die schweizerische Alpenwelt » ( 1873 ) hat E. Heyn einen « Lawinensturz auf eine Alpenstrasse » als kräftiges, farbiges Tonbild geschaffen. Die Löwin überfällt eine Bergpost, schlägt vier Pferde nieder, kippt den Wagen und wirft den Postillon auf den Rücken. Ein scheuer Vogel fliegt vorüber, Felsblöcke und Holzsplitter stürzen zur Tiefe, die Telegraphenleitung ist zerrissen. Noch wuchtiger ist das Bild « Lauwinensturz », erschienen in Osenbrüggens Prachtwerk « Das Hochgebirge der Schweiz ». Es ist eine in Stahl radierte sorgfältige Zeichnung von C. Huber. Mit verheerender Kraft schlägt die riesige Staublaue den Bergwald nieder. Aber wenn mächtige Tannen stürzen, sollten Mensch und Hund nebendran nicht stehen bleiben.

Nur die Lawine als ein eigenes Wesen, ohne irgendwelche Beziehung zum Menschen, stellte der Lenzburger J. L. Rüdisühli dar. Man findet den Stahlstich in Jakob Freys « Schweizerland in Wort und Bild », 1868. Noch erinnern die kugeligen und eiförmigen Gebilde ein wenig an die Tradition, aber Bahn und Sturz und Gestalt der Lawine sind doch schon recht glaubhaft und kräftig dargestellt. Und die Ausnützung des Raumes lässt auf ein geübtes Auge schliessen.

Weniger künstlerisch, aber recht anschaulich und interessant ist Ernst Buss, Pfarrer in Glarus, die Bleistiftzeichnung « Staublawine am Glärnisch » gelungen 1 ). Das Bild dient mehr der Wissenschaft als der Kunst, darf aber an dieser Stelle ganz wohl genannt werden.

Auch wissenschaftlich, doch nicht ohne malerische Qualitäten, ist das Ölbild « L' avalanche » des Genfers Albert Gos, gemalt 1905 beim Pont de Nant am Fusse des Grand Muveran. Es stellt die ruhende, abschmelzende Lawine, das in seiner Verwesung noch mächtige Ungeheuer, dar, ohne ganz zwingender Natur zu sein. Gos erhielt dafür den Calamepreis.

Ganz anders ergriff Ferdinand Hodler das Lawinenthema. Schon vor ihm hatte der Neuenburger Charles Girardet ( 1813—1871 ) ein Bild « Chute dans la crevasse » gemalt, in Erinnerung an das Unglück des Dr. Hamel am Mont Blanc, 1820, wobei drei seiner Führer durch eine Oberlawine in eine riesige Gletscherspalte geworfen wurden. Es besteht kaum ein Zweifel, dass Girardet von dem genialen französischen Illustrator Gustave Doret Einflüsse empfangen hat. Warum auch nicht! Dorets « La Chute » stellt den Absturz am Matterhorn bei dessen erster Besteigung 1865 dar. Hodlers « Absturz », den er 1894 für die Weltausstellung in Antwerpen als Gegenstück zum « Aufstieg » geschaffen hatte, ist eine gewaltige Komposition, der als Vorlage Dorets « Chute » gedient haben mag. Aber die Dynamik des Absturzes und die innere Relation zur dämonischen Landschaft ist derart gesteigert und malerisch verschieden, dass von einer Motivleihe, aber nicht von einer Nachahmung gesprochen werden kann. Ich möchte sagen, Dorets Bild ist eine fast wissenschaftliche Darstellung des menschlichen Sichverhaltens, wie es auch der Münchener Ernst Platz bei seinem Gouache « In der Lawine », 1904, gehalten hat. Übrigens stürzen bei Doret die vier Männer aus Missgeschick über eine Felswand zur Tiefe; bei Hodler ist die Ursache eine Lawine, deren brausende Schneewirbel der Beschauer zu spüren vermeint. In diesen Wirbeln erkennen wir das Leben der Lawine. Schon 1887 hatte Hodler eine Lawine gemalt, am Wetterhorn bei Grindelwald. Das Bild hängt im Museum zu Solothurn und ist wohl die eigenartigste malerische Darstellung einer Lawine. Man glaubt zuerst das Phänomen in der hellen Winterlandschaft gar nicht richtig zu erkennen. Hat man aber einmal die lebendige Kraft dieser farbigen voranjagenden Wirbel erfasst und die Absicht des Malers erkannt, dann fühlt man, dass Hodler auch als Lawinenbildner eine oberste Grenze bedeutet.

Wer würde glauben, dass die Lawine auch ein Motiv für den Bildhauer sein könnte! Und doch ist es sicher zweimal schon geschehen, wenigstens in der Schweiz. So hat der begabte Berner Rodo von Niederhäusern, der wie sein Landsmann Hodler mehr in Genf und Paris daheim war, eine Skulptur « Lawine » um 1890 geformt und etwas vorher einen « Wildbach ». Es waren nicht ausgereifte Werke, sagt C. A. Loosli. aber sie waren so leidenschaftlich, so durchdrungen von einer Begeisterung für die Schönheit der Bewegung, so durch und durch temperamentvoll, dasssie nicht unbeachtet bleiben durften. Leider war es mir unmöglich, eine Aufnahme dieser wohl allerersten Lawinen-skulptur zu erhalten.

Die zweite mir bekannte plastische Darstellung der Lawine stammt von dem genialisch veranlagten Basler Carl Burckhardt. Es ist ein Belici zum Gedächtnis an den 1915 auf der Furka verunglückten Militärarzt und Skifahrcr Richard Weber. Die Lösung des Themas ist schlicht und tief: Die Lawinen-frau deckt mit ihrem faltigen Schneemantel den zu Tode brechenden Jüngling zu. Wuchtig und gütig zugleich ist ihre Gebärde, als wollte sie sagen: ich habe dich lieb..Mit dieser Skizze ist das Thema nicht erschöpft. Ich wollte nur andeuten, wie die Kunst auch auf einem scheinbar abgelegenen und steinigen Acker wertvolle Früchte geerntet hat und wie sich im Wandel der Themaerfassung und künstlerischen Gestaltung gewissermassen die geschichtliche Entwicklung des Alpensinns ausspricht. Dasselbe könnte auch auf dem Gebiete der Lawinendichtung nachgewiesen werden.

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