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Die Tierwelt der Alpen einst und jetzt.

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Die Tierwelt der Alpen einst und jetzt1 ).

Das Bild von der Tierwelt der Berge, das ich biete, trägt nicht die strenge Form und nicht die ernste Farbe der Wissenschaft. Es soll ein leicht-gefügter Bau sein, aufgeführt allerdings auf dem festen Grund von Beobachtung und Erkenntnis. Das Wort eines grossen Forschers soll sich bewähren: Wissenschaft ist die grösste Poesie. Naheliegendes mag in neuem Licht erscheinen, Fernes in die Nähe rücken; zwischen Fern und Nah aber mögen sich durch Zeit und Ort verbindende Fäden knüpfen.

In fremder und eigenartiger Erscheinung tritt dem Laien wie dem Forscher die Tierwelt der Hochalpen entgegen. Über das Firnfeld eilt die flüchtige Gemse; an der Fluh weckt der Pfiff des Murmeltiers das Echo; Wolken gelb-schnäbliger Bergdohlen umflattern wie durchsichtige Schleier den Felszahn, und hoch oben, in der blauen Unendlichkeit, zieht der Adler seine sicheren Kreise. Auf den Blumen wiegen sich der Ebene unbekannte Falter, und im kalten, reissenden Bergbach fristen eigentümliche Milben und Wasserinsekten ihr Leben.

Alle diese ungewohnten Tiergestalten rufen den Anschein hervor, als ob das Gebirge eine hochgelegene Insel darstelle, eine Oase im Meer der Tierwelt des Flachlands, bewohnt von Geschöpfen, die nur der Berg erzeugt.

Doch schwindet wieder der Eindruck des Ungewöhnlichen und der Überraschung, wenn der Blick sich weitet in die Vergangenheit, wenn der Gedanke sich meldet, dass dem Heute ein Gestern vorausging.

Von diesem eben verflossenen Tag der Erdgeschichte, diesem geologischen Gestern und seiner Tierwelt, sprechen beredt die Knochentrümmer der Geschöpfe einer jüngst vergangenen Zeit. Die Überreste, die den Höhlen am Schweizersbild bei Schaffhausen, dem Kesslerloch bei Thayngen, den Grotten von Villeneuve und von Veyrier am Salève, Felsspalten im Jura entstammen, sie lehren: dass vor einer kurzen Zeitspanne, sofern wenigstens die Begriffe kurz und lang mit dem gewaltigen Massstab der Erdgeschichte gemessen werden, echte Alpentiere der Jetztzeit weit hinaus sich verbreiteten über die Vorberge und sogar über das Flachland. Der Steinbock bewohnte die Ebene; er hinterliess die Spuren seiner einstigen Gegenwart bei Basel, im Kaltbrunnental und in der Nähe von Thierstein. Eine enge Kluft am Passwang umschloss neben Gebeinen von Bär, Hirsch und Fuchs den wohlerhaltenen Schädel der klettergewandten Bergziege. Auf den Moränen der grossen vorzeitlichen Gletscher im schweizerischen Mittelland hausten die Kolonien der Murmeltiere, und die 1 ) Diese Studie wurde als Vortrag an der Generalversammlung des S.A.C. am 28. September 1919 in Basel verwendet; sie diente in demselben Jahr als Beilage zum Jahresbericht der Sektion Basel. Die Broschüre erschien bei Helbing & Lichtenhahn, Verlag in Basel.

Gegenüber der ursprünglichen Fassung hat der vorliegende Abdruck eine ganze Reihe formeller und inhaltlicher Abänderungen erfahren. Manche Erweiterungen und Ergänzungen wurden vorgenommen.

Besonderen Dank schulden wir Parkwächter H. Langen in Zernez für die Überlassung einiger Tierbilder.

Gemse durchmass eilig den Raum vom Hochgebirge bis zu den Jurakämmen. Schneehase und Schneehuhn zählen zu den häufigsten Tieren in den Schaffhauser Höhlenfunden. Unzweifelhaft belebten alle diese heutigen Alpenbewohner während des Schlussakts des grossen erdgeschichtlichen Dramas der allgemeinen Vergletscherung eine weitgedehnte Heimat ausserhalb der ragenden Alpenketten. In diesen über das Vorland sich erstreckenden Grenzen aber mischten sie sich mit Geschöpfen, deren Wohnort heute in arktischer Ferne am Eissaum des Nordpols liegt.

Gemse und Moschusochse gingen damals auf dieselbe Weide; der urzeitliche Mensch, der den Steinbock verfolgte, jagte auch die Herden der Renntiere, und in demselben Grab ruhen nebeneinander die Gebeine von Alpenhase und Polarfuchs, von Murmeltier und von Vielfrass.

Die ungeheure Kraft aber, die nordisches und alpines Leben im mitteleuropäischen Flachland und am Rand des Hochgebirgs zu vermengen vermochte und der es gelang, Tiere zu vermischen, die heute ein weiter, unwegsamer Zwischenraum trennt, war die grosse diluviale Vergletscherung. Diese erdgeschichtliche Ursache der fremdartigen Vermengung hat niemand klarer erkannt und niemand packender in Worte gefasst als ein Forscher und Alpenfreund zugleich, Ludwig Rütimeyer. Der von ihm ausgesprochene Satz lautet: « Es war die Erstarrung im Bereich der nördlichen Hemisphäre, welche das Leben von den Grenzen der Eisregion des Polarkreises und der Alpen in niedrigere Breiten und tiefere Zonen verschob. » Rütimeyers Ansicht von der Entstehung der eiszeitlichen Mischfauna besteht heute noch, wenigstens in ihren Grundzügen, zu Recht.

Die Gebirge sandten ihre Gletscher aus, die nordischen Meere ihre Eismassen. Vor den anrückenden starren Mauern floh das Leben vom Pol nach Süden und stieg vom Berg hinab zu Tal. Die Zentren der Vergletscherung aber umfing die Ruhe des Todes. Einzig sehr bewegliche Tiere mögen die Eisfelder mit flüchtigem Huf gequert, mit weittragendem Flügel überflogen haben.

Am Rand der Eisfelder aber blühte die Tier- und Pflanzenwelt wie heute an den Gletscherstirnen Spitzbergens. Stundenweit dehnen sich dort die starren Mauern; vor ihnen liegt ebenes Vorland mit quellenden Schmelzwasser-teichen und flachen, wellenförmigen Granitkuppen. Im kalten Wasser wachsen flutende Moose, und über das trockene Gestein und die Blöcke der Moränen werfen sich die grellbunten Fetzen und Teppiche der Flechten. Der arktische Sommertag schmückt das trostlose Land wie auf einen Zauberschlag mit farbiger Blumenpracht und weckt die Tiere zu kurzem, hastig pulsierendem Leben. Herden von Renntieren ziehen äsend über die lang entbehrte grüne Weide; an den Felsklippen nisten lärmend die Scharen ungezählter Seevögel, und über den zart lilafarbenen Blüten des arktischen Mohns gaukeln Schmetterlinge. Fliegen und Bienen umsummen emsig die Rosen der Silberwurz und die Polster der Alpennelken; sie schwirren über grausilbern schimmernde Zwergwälder von Polarweiden und lassen sich, Nahrung suchend, auf weiss- und rot-blühendem Steinbrech nieder. So bricht am Eissaum des Nordpols siegreich das Leben hervor, und so mag die belebte Schöpfung einst an den Gletscherstirnen Mitteleuropas dem Untergang getrotzt haben.

Nach der früher herrschenden Meinung stellte die Eiszeit ein einheitliches, gewaltiges Phänomen dar, einen siegreichen Vorstoss der Gletscher, einen Stillstand in der Ausbreitung und einen langsamen, aber steten Rückzug vor der allmählich steigenden Temperatur. Heute hat die unermüdliche Arbeit der Naturforscher, der Geologen und auch der Biologen die alten Ansichten gründlich verändert. Wir wissen, dass innerhalb der Periode der grossen Vergletscherung Vordringen und Rückweichen der Eismassen mindestens viermal sich ablösten und dass in den Zwischeneiszeiten jeweilen die Gletscherströme weit zurückfluteten gegen die Firste der Gebirge und gegen den Nordpol der Erde. Jeder Eroberungszug des Eises und jeder Rückfluss vollzog sich wieder in zahlreichen Unterakten, gekennzeichnet durch Steigerung und Verlangsamung der Stromgeschwindigkeit und durch gänzliche Hemmung derselben.

Was der Bergfreund auf seinen Alpenfahrten in kleinem Umfang im Verlauf kurzer Jahre beobachtet, wie der Gletscher beblümte Alpen unter starrem Eis begräbt, Wälder niederlegt und Hütten bedroht und wie er langsam und zögernd wieder zurückweicht und sein nacktes, mit Schliffen und Schrammen bedecktes Felsenbett freigibt, das vollzog sich damals in mehrfachem Wechsel während ungemessenen Jahrtausenden und auf der Strecke von Tausenden von Kilometern. Sommer und Winter folgten sich auch in der Erdgeschichte, und jede dieser Jahreszeiten erstreckte sich über Zeiträume, neben welchen der Massstab der Menschengeschichte verschwindet. Mit dem tausendjährigen Wechsel der Erdjahreszeiten aber verschob sich im Norden wie im Gebirge der Verlauf der Schnee- und Eisgrenzen. Es hob und senkte sich ihre Höhen- und Breitenlage. Das Leben floh zurück vor dem nahenden Erstarrungstod und eroberte wieder die ihm einst durch Vergletscherung entrissenen Räume.

Von den Hauptakten der Vereisungsperiode scheint der vorletzte, die Risszeit, die längste Dauer und die gewaltigste Ausdehnung besessen zu haben. Damals überfluteten die in den Schweizer Alpen entspringenden Gletscherströme die Juraketten; sie berührten den Saum des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb und begruben zum Teil das Zentralplateau Frankreichs. Über der Gegend von Luzern lastete eine Gletschermasse von 1000 Metern Mächtigkeit, über dem St. Galler Rheintal von 1200 Metern; bei Basel türmte sich das Eis noch zu einer Höhe von über 300 Metern auf. Die mittlere Grenze des ewigen Schnees sank auf die Höhenlinie von etwa 1500 Metern.

Es erscheint als ein ziemlich müssiges Unterfangen, die Gesamtdauer der Eiszeit mit einiger Zuverlässigkeit abschätzen zu wollen. Manche Forscher setzen für die ganze Periode der diluvialen Vergletscherung die runde Zahl von 100,000 Jahren ein; andere messen, auf ebenso sorgfältige Erwägungen gestützt, den kalten Zeitraum mit Jahrmillionen. 20,000 bis 30,000 Jahre sollen verflossen sein, seitdem die Gletscher sich endgültig zurückzuziehen begannen und seitdem der Mensch am Eisrand bei Thayngen und am Schweizersbild mit dem Steinbeil bewaffnet zur Renntierjagd auszog. So drängt sich gebieterisch der Eindruck auf, dass die Kälteepoche des Erdballs weiteste Räume in Zeit und Ort umspannte und dass daher ihre Wirkung auf die Lebewesen, auf die festsitzende Pflanze wie auf das flüchtige Tier, ihre biologische Kraft, eine räumlich und zeitlich ungeheure sein musste.

Bei solcher Betrachtung steigen berechtigte Zweifel auf, ob das kurzsichtige Menschenauge und das engbegrenzte Menschengedächtnis sich nicht wieder täusche.Vielleicht rüsten sich die kleinen Gletscher, die heute den stolzen Schmuck der Alpen ausmachen, die Zwerge im Vergleich zu den Riesen der Vorzeit und des Nordens, zu neuem Angriff, zu frischem Eroberungszug in das Vorland und über die Ebene.Vielleicht stehen wir, und mit uns die gesamte Tier- und Pflanzenwelt der nördlichen Halbkugel, nur in einem Zwischenakt und nicht am Schluss des erdgeschichtlichen Schauspiels der Eiszeit. In seiner formsicheren Sprache schreibt L. Rütimeyer: « Wir befinden uns in Wahrheit erst in den Nachmittagsstunden dieses kalten Tages unseres Planeten. Wer könnte vergessen, dass ja auf den Hügeln von Thayngen so gut als an den Ufern des Genfersees und an der Stätte der einstigen Seedörfer die Eisperiode aus einer Entfernung von wenigen Stunden von den Gipfeln der Berge herunterschimmert. » Er fährt fort: « Noch jetzt sagen uns sowohl Hintergrund als Kulissen des allerdings nun zum grössten Teil von andern Gestalten bezogenen Schauplatzes, dass das Schauspiel noch nicht zu Ende, dass die Eisperiode noch nicht abgelaufen ist. » Und da die Ursache weiterdauert, lässt sich auch noch ihre Wirkung erkennen. Noch heute verspürt die Tierwelt den Druck der schweren Zeit allgemeiner Vereisung. Diese alte eiszeitliche Last enthüllt sich im Charakter der mitteleuropäischen Fauna, in ihrer Verteilung, in ihrer Zusammensetzung und in ihren Lebensgewohnheiten. Sie steigert sich zu beklemmender Schwere in den Hochalpen selbst. Denn jedes Schneegebirge, und sollte es sich mitten im üppigsten Tropenland erheben, wirkt auf die Geschöpfe wie ein arktischer Nordpol. Es bannt das Leben, zwingt seine Träger zum verzweifelten Kampf gegen die Erstarrung und trennt als unüberwindliche Schranke seine Ströme, so dass ihnen Zusammenfluss und Mischung versagt bleibt.

Die Kraft der Alpen als Scheidewand von Tiergesellschaften und Men-schenstämmen entspringt aus der eisigen Panzerung der Bergflanken, aus der Firnbedeckung der Gipfel und Kämme.

Je höher der einsame Pfad am Abhang emporführt, desto feindseliger tritt die unbelebte Natur der belebten Schöpfung entgegen. Es mindert sich der Luftdruck und zugleich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre. Bei jeder weiteren Steigung von 100 Metern fällt die mittlere Jahrestemperatur im allgemeinen um mehr als 0,5° C, und es kürzt sich der Sommer um 10 bis 11 Tage. Schon lässt jede Nacht den Erdboden gefrieren, immer weniger tief vermag die Sonne den starren Panzer zu lösen, und der Frost spannt dauernd über den kleinen Bergsee seine Decke. Es rieseln wie glitzernder Eisstaub unaufhörlich und ausgiebig die Schneefälle; das Pflanzenleben weicht zurück; die Nahrungsquellen versiegen, und nur diejenigen Tiere trotzen noch der harten Not des langen Hochgebirgswinters, denen die Natur Anpassungsfähigkeit an das arktisch-alpine Klima in reichstem Ausmass verlieh.

Aus der Geschichte der Alpentiere sei heute nur ein kurzer Abschnitt geschildert, wenige Stunden, um beim geologischen Zeitmass zu bleiben, aber Stunden ereignisreich und schicksalsschwer. Ihre Darstellung wird genügen, um zu zeigen, dass das Geschick der Hochgebirgslierwell, wie jeder Fauna, von der Wirkung dreier Faktoren abhängt, die alle der Umwelt entstammen.

Das Schicksal der tierischen Geschöpfe regelt sich historisch durch die Geschichte, Entwicklung und Veränderung des Klimas und des Untergrunds; es wird bedingt durch die Gunst und Ungunst des gegenwärtigen Augenblicks, durch Menge und Art der zu Gebot stehenden Nahrung, durch die Abwesenheit oder das Vorhandensein einer zusagenden Wohnung, eines Unterschlupfs, durch den Mitbewerb anderer Geschöpfe um Luft und Licht, um Speise und Trank. Der erfolgreichste Umformer aber der Tierwelt, ihr schlimmster Feind zugleich und ihr bester Freund, ist der Mensch. Durch seine rücksichtslosen Eingriffe in das Naturgeschehen gestaltet der Herr der Schöpfung die Fauna neu, zerstörend und aufbauend.

Unsere Schilderung hebt an mit dem Augenblick, da die grossen Gletscher unter dem Einfluss eines milderen Klimas, oder vielleicht eines Wechsels in der Art und Menge der Niederschläge, sich zum letztenmal nach Norden zurückzogen und hinauf in die Berge. Sie umfasst die engbegrenzte Zeitspanne bis zum heutigen Tag und damit die Periode, während welcher erst menschlicher Einfluss auf die Tierwelt sich merklich fühlbar machen konnte.

Auf dem verhältnismässig schmalen Gürtel, der in Zentraleuropa eisfrei blieb, mischten sich die Flüchtlinge aus dem Norden mit den aus den Gebirgen Vertriebenen. Sie fanden längs den Gletscherstirnen und vor den gewaltigen Moränendämmen im Herzen des europäischen Flachlandes eine neue Heimat, die etwa das Gepräge der noch heute im borealen Europa und in Nordsibirien sich endlos und einförmig dehnenden Moorsteppe oder Tundra trug.

Über dem feuchten, schwingenden Boden, der an Wasserrinnen und braun schillernden Torfsümpfen reich war, zitterten die lichten Blattkronen der Zwergbirken und Espen. Verkrüppelte Fichten und niedere Weiden und Erlen bildeten kleine Bestände auf dem Ödland. Auf weite Strecken bekleidete sich die von der Last des Eises eben befreite nackte Erde mit Moos und kriechenden Renntierflechten oder mit wucherndem Heidekraut, vermischt mit der Alpenrose und dem üppig gedeihenden Gebüsch der Bärtrauben, der Rausch- und Preisseibeeren. Reichere Nadelholzbänder umsäumten die vor den Gletschern liegenden gewaltigen Schuttwälle. So erhielt das vom Eis verlassene wüste Land seine erste dürftige Pflanzendecke; es bot ein Bild ähnlich wie heute noch manche über der Baumgrenze gelegene, von Torfmooren erfüllte Hochtäler der Alpen.

Mit der Tundra wechselten die gleichförmigen, trockenen Steppen ab, die noch in der Jetztzeit das subarktische Russland und Westsibirien bis in den mittleren Ural landschaftlich kennzeichnen. Sie formten sich besonders auf den in grösserer Entfernung vom Eisrand liegenden Landstreifen.

Tundra und Steppe berührten und durchdrangen sich in Mitteleuropa während langer Zeit. Im Wandel der Jahrhunderte aber und mit dem steten Abschmelzen der Gletscher gewann die Steppe an Ausdehnung auf Kosten der Tundramoore und ihrer nordisch-alpinen Tierbevölkerung und Pflanzenwelt.

Auf solchem wechselreichen Boden gediehen, ausser den alpinen und polaren Geschöpfen der Gegenwart, auch der mächtige eiszeitliche Elefant, der Mammut und das ungeschlachte wollhaarige Nashorn. Beide Tierkolosse waren für ein kühles Klima durch dichte Pelze vortrefflich ausgerüstet; sie besetzten in den Endakten der Vereisung und unmittelbar nach der Gletscherperiode eine weiteste Heimat im nördlichen und mittleren Europa und Asien.

Über die Steppen jagten die Rudel der Wildpferde; in den Brüchen und Sümpfen stampften Urochs und Wisent, und eine Fülle kleiner Nagetiere, Lemminge und Springmäuse, die den Graswuchs und die Heidevegetation versteppter Ebenen lieben, belebten den der Vergletscherung nicht unterworfenen Raum.

Während der Gletscherzeit war das Schicksal der Tierwelt ebenso wechsel-reich wie dasjenige der Eisströme selbst. Jedem siegreichen Vorstoss dieser folgte eine Niederlage der Tiere — Flucht oder Untergang, je nachdem die Lebewesen beweglich waren und sich vor dem drohenden Unheil retten konnten oder, unbeweglich an die Scholle geheftet, den vergeblichen Widerstand gegen die Vereisung mit dem Erstarrungstod bezahlen mussten. Jeder Rückfluss der Gletscher aber brachte den Tieren siegreiche Wiedereroberung der vom Eis sich entblössenden, von Vorfahrengeschlechtern bewohnten Gebiete.

Dem Auge, das imstande wäre, die Jahrtausende der Gletscherzeit in einem Blick zu umfassen, würde sich das wechselvolle Bild sich ablösender Zusammendrängung und Ausbreitung der Tierwelt darbieten. Dem Wechselspiel aber liegt zugrunde der Rhythmus von Vormarsch und Rückzug der arktischen und alpinen Eismauern.

Aus einer Zeit der Wiederbevölkerung verloren gegangener Bezirke, der erfolgreichen Dehnung des Wohngebiets, stammen die Tierreste, die E. Bächler sorgfältig dem Massengrab in der Höhle beim Wildkirchli entnommen hat, und dem Drachenloch hoch über Vättis im Tal der Tamina. Dort lagen neben den Schädeln des gewaltigen Höhlenbären und des Höhlenlöwen die Bruchstücke von Steinbock und Gemse. Auf dieselbe entlegene Epoche, das Intervall zwischen den beiden letzten grossen Vergletscherungen, gehen die Zähne und Knochen des Höhlenbären, das Kieferfragment der Höhlenhyäne zurück, die W. Amrein den Sagenreichen Balmen am Rigi enthob, um sie im Museum des Gletschergartens in Luzern aufzubewahren. Damals begleiteten die grossgehörnten Wildziegen, die Steinböcke und die flinken Berganti-lopen, die Gemsen, die rückweichenden Gletscher in die Gebirge von Appenzell und St. Gallen und in die Voralpen der Urschweiz, und der lockenden Beute folgten naturgemäss die heute längst ausgestorbenen reissenden Tiere.Verfolgte und Verfolger, Räuber und Beutetier, wurden mitten in das auf die Alpen beschränkte Gletschergebiet versetzt. Die erstaunliche Menge der beim Wildkirchli aufgefundenen Knochen spricht für den Reichtum der in der letzten Zwischengletscherzeit am Alpensaum lebenden Tierwelt; 98 % der geborgenen Skelettrümmer gehören dem furchtbaren Räuber, dem riesigen Höhlenbären, an. Auch im Jura lagen die faunistischen Verhältnisse in der letzten Zwischeneiszeit ähnlich. Dafür zeugen die Tierreste aus der Höhle von Cotencher in den Neuenburger Bergen. Sie entstammen der Zeit, da sich die Gletscher zum letzten grossen Vorstoss rüsteten.

Unter der Herrschaft des milder werdenden Klimas und wohl auch unter dem Einfluss der Abnahme der Niederschlagsmengen schmolzen die Gletscher endgültig ab. Die Ströme schwollen an von der Masse der Schmelzwasser; weithin stauten sich in den vom Eis befreiten und von den Querdämmen mächtiger Moränen gesperrten Tälern die Seen, und wo einst die Steppen sich dehnten und auf der trostlosen nordischen Tundra zwischen Sümpfen kümmerliches Buschwerk wuchs, drangen im allmählichen Wechsel der Zeit die Wälder vor; Tannenforste überdeckten das Land, und es rauschte das Blattwerk der Eichen.

Mit diesem Wandel des Klimas und der Landschaft brach auch die Schick-salsstunde für die Tierwelt an, die sich, durch die allgemeine Vergletscherung gezwungen, im eisfreien Zentrum Europas aus mancherlei Quellen zusammengefunden hatte. Schrittweise, wie die Veränderung der äusseren Lebensbedingungen, vollzog sich die Umbildung der diesen Bedingungen unterworfenen Fauna. Über den Jahrtausende umfassenden Vorgang geben die Höhlenfunde im Kesslerloch bei Thayngen und besonders die Schichtenfolge und der Schichteninhalt der Ablagerungen am Schweizersbild unweit Schaffhausen wie ein weit aufgeschlagenes, blätterreiches Buch unzweideutige Auskunft. Auf den tiefsten und ältesten Seiten dieser untrüglichen Chronik steht die Geschichte der Tundra und ihrer Lebewesen verzeichnet; die folgenden Blätter erzählen von der subarktischen Steppenfauna, von ihrer allmählichen Verdrängung durch die Waldtiere und von der unbeschränkten Herrschaft dieser letzteren. Das jüngste und letzte Blatt endlich der Urkunde ist erst zum Teil beschrieben. Es berichtet von der fortschreitenden Besiegung der wilden Tiere durch den Menschen und seine zahmen Hausgenossen; die Schilderung bricht mitten in dem Satz ab, der von der Unterwerfung der Tierwelt unter den menschlichen Willen spricht. « Die kleine Station der steinzeitlichen Renntierjäger am Schweizersbild », so schreibt einer ihrer besten Kenner, Th. Studer in Bern, « gibt uns ein Bild von der Umgestaltung unserer Fauna vom Ende der Glazialzeit bis zur Gegenwart; zugleich aber sagt sie, was für ungeheure Zeiträume verflossen sein müssen, innerhalb welcher diese Umgestaltung stattfand. » Es wird angenommen, dass vor ungefähr 20,000 Jahren der Mensch die Gegend des Schweizersbilds sich als Jagdrevier erkor. Noch etwas weiter zurück reicht die Besiedlung des Kesslerlochs durch den Höhlenmenschen. Beide Stationen lagen während der älteren Steinzeit unweit vom Aussenrande des rückweichenden Rheingletschers.

Je nach Körpergrösse, Ansprüchen und Bedürfnissen, Lebensgewohnheit und Grad der Anpassungsfähigkeit an neue Verhältnisse gestaltete sich beim Gletscherrückzug das Geschick der Eiszeitgeschöpfe verschieden.

Die anspruchsvollen grossen Säugetiere, Mammut und Rhinozeros, denen der dichte Wald die Bewegungsfreiheit raubte und deren ungeschlachte Wucht den Anstieg in das Gebirge verbot, gingen rettungslos zugrunde. Am längsten trotzten sie dem Verhängnis im unmittelbaren Alpenvorland, wo die Tundra sich während des Weichens der Eismassen noch geraume Zeit erhielt. Die Trümmer der Vorweltriesen liegen in den Kiesbänken und Mooren der schweizerischen Hochebene begraben und am Jurarand; sie fehlen dem eigentlichen Alpenbezirk.

Längst war der Stamm der grossen eiszeitlichen Räuber — Höhlenbär, Hyäne und Löwe — erloschen; nur in den abgelegensten Winkeln des Jura fand der riesige Bär der Gletscherzeit noch in einer späteren Periode Unterschlupf und kurzdauernde Rettung. Dies bezeugen die Untersuchungen F. Sarasins in den Höhlen des Birstais. Es lichteten sich die Rudel der Wildpferde, denen einst die Steppe ein schrankenloser Tummelplatz war.

Den übrigen an den Gletscherzungen und in der Moorsteppe heimischen Geschöpfen stand ein doppelter Weg offen, die breite, ebene Strasse zum Nordpol und der schmale, steile Pfad hinauf in das Hochgebirge. Einige schlugen die doppelte Richtung ein. So erreichten der Schneehase und das Schneehuhn, die beide zur eisigen Jahreszeit das weisse Kleid des Winters tragen, die Arktis und den Alpenkamm. Die weitentlegenen neuen Heimatbezirke aber, den Norden und die hochragende Bergwelt im Süden, trennt eine ungeheure Landstrecke, der die beiden winterlichen Geschöpfe fremd sind.

Andere fanden nur im Norden oder nur auf den Alpen für ihre besonderen Lebensansprüche zusagende Erfüllung. Das Renntier wandte sich gegen den Pol; denn dort in Sibirien und Lappland blieb sein Wohnort, die sumpfige Tundra mit ihrem Krüppelwald, auf weite Strecken bestehen, während sie in den Hochtälern der Alpen bis auf wenige kümmerliche Moorfetzen verschwand. In die ungelichteten Wälder und in die ödeste Wildnis des Nordens zog sich der Vielfrass zurück; der Moschusochse suchte die ebenen Grastriften des Polarkreises auf, die im Sommer zur nahrungspendenden Weide werden und sich im Winter zur eisigen Wüste verwandeln, und der Eisfuchs floh auf die vom Nordlicht der langen Nacht unsicher erhellten arktischen Schneeflächen. Dort deckt sich für den Räuber während der Sommertage der Tisch überreich mit den brütenden Heeren des Wassergeflügels.

Das Hochgebirge endlich erklommen die Meister in der Kletterkunst, der Steinbock mit seinem stahlharten Huf und die sprungfertige, sehnige Gemse. Zu diesen Grattieren gesellte sich die grosse Schlafmaus, das Murmeltier, das schon während der Eiszeit die Moränen bevölkerte. Auch den Kleinsten und Genügsamsten, den Schneemäusen, boten die kargen Hochalpen und ihr enger Lebensbezirk noch hinreichende Unterkunft und bescheidenes Fortkommen.

So erstarb die Tierwelt der Gletscherzeit durch Untergang und Auflösung. Aus ihr bildeten sich durch Spaltung neue Faunen heraus, Bevölkerungen des hohen Nordens und des ragenden Hochgebirgs, verschieden durch ihre Zusammensetzung und doch wieder verwandt durch gemeinsame Gestalten und eng verknüpft durch historische Bänder.

Die vom Eise befreiten Teile der Alpen belebten sich mit Flüchtlingen, welche der Wandel von Klima und Landschaft aus der Ebene vertrieb, und die den Gletscherrand suchten. Eine Tierwelle flutete bergwärts und brandete an Kamm und Klippe. Neben den Auffälligen und Grossen, den warmblütigen Säugetieren und Vögeln, bestand dieser aufwärts fliessende Strom aus vielen Kleinen und bescheiden Verborgenen.

Die giftige, im Gebirg oft dunkel gekleidete Kreuzotter, die sich vor der Klubhütte auf der heissen Felsplatte sonnt, die braungraue Bergeidechse im Alpenrosengestrüpp, die Forelle im schäumenden Bergbach und im kleinen See, dessen Eisrinde nur für kurze Wochen springt, der schwarze Mohren-salamander, der als unerwünschter Regenprophet plump und hässlich über den nassen Alpweg kriecht: sie alle waren einst im Tal beheimatet und flohen als Kältetiere mit der weichenden Eiszeit hinauf in das Gebirge.

Den eiszeitlichen Ursprung mancher dieser Geschöpfe verrät heute noch deutlich Verbreitung und Lebensweise. Im Osten und Nordosten der Schweiz, seltener im Zentrum und Westen, tritt die Kreuzotter als echte Gebirgsbewohnerin auf1 ). Sie ist im Oberengadin die einzige Schlange und bevölkert in grosser Häufigkeit die Berge von Nordtessin, Graubünden, Uri, Glarus, St. Gallen, Appenzell, Zürich, bis gegen Schaffhausen. Dabei wagt sie sich selten talwärts bis unter die Höhenlinie von 800 Metern, wohl aber kriecht das giftige Reptil bis zu Erhebungen von 2800 Metern empor, um im Blockgewirr und in den letzten Pflanzenpolstern erfolgreiche Jagd auf die Schneemäuse zu machen. Alpenrosendickicht, wucherndes Krummholz, Hochmoore, über denen die weissen Seidenschöpfe der Wollgräser im Bergwind wehen, behagen der Schlange besonders als Aufenthaltsort.

Einen zweiten, über weite Flächen sich dehnenden Wohnraum besiedelt die Kreuzotter im europäischen und asiatischen Norden. Sie fühlt sich wohl im Tiefland von Ost- und Westpreussen, von Pommern, Mecklenburg, Hannover, Schleswig-Holstein und Oldenburg, trotzt dem rauhen Klima und der niederen, mittleren Jahrestemperatur der kalten, skandinavischen Tundra und wagt sich als einzige unter ihren Genossinnen in den unwirtlichen Polarkreis bis nahe an den 70. nördlichen Breitegrad.

Im weiten Zwischenraum zwischen Hochalpen und Norden fehlt die Schlange den sich ausgiebig erwärmenden Niederungen. Dagegen fand sie auf den Höhen vieler deutscher Mittelgebirge das ihr zusagende kühle Bergklima wieder. Solche aus der Ebene sich erhebende, von lichtem Buschwald bestandene Kuppen sind zu letzten, hartbedrängten Zufluchtsburgen der Otter geworden.

Ähnliches gilt für die Begleiterin der Schlange, die bewegliche Bergeidechse. Der Lieblingswohnort des in unscheinbare Farben gekleideten Tierchens liegt in der Hochgebirgszone, am Saum des Bergforsts, im Moder gefallener Stämme, in den Steinhaufen, die der Hirte auf den Alpweiden zusammenwarf, und selbst auf der rings vom Firnschnee umfluteten Schutt-insel, bei Höhenlagen von 2500 bis 3000 Metern. Der kleine Saurier raschelt im Gestrüpp der Heidekräuter und der niederen Beerensträucher; er stürzt sich hungrig der Beute nach in den eisigen Bach und verschläft den harten Bergwinter im Mutterschoss der Erde. In den Talgrund steigt die Eidechse nur selten hinab. Sie lebt etwa auf alten Gletscherbetten der schweizerischen Hochebene, auf dem kalten Sumpfboden von Mooren und Brüchen, die hinter den Hügelzügen vorzeitlicher Moränen sich bildeten, und ist heimisch im Ginstergestrüpp der Sanddünen von Boulogne, auf den Torfmooren Jütlands und auf den einsamen norddeutschen Heiden.

In der Tierwelt der zentraleuropäischen Mittelgebirge dagegen, auf den breitgewölbten Höhen von Schwarzwald und Vogesen, längs den Ketten und in den Hochtälern des Jura von Genf bis Schaffhausen, in gebirgigen Gegenden von England, Schottland und Frankreich tritt die Bergeidechse regelmässig auf. Der strenge Winter jener rauhen Talfalten und Erhebungen scheint ihr zu behagen.

Den weitesten Bezirk aber besetzt das Tier im Norden. Dort sucht es das ebene Flachland auf und dehnt sein Wohngebiet von Skandinavien weithin in die Arktis bis zu den trostlosen Einöden des nördlichen Lappland. Es ist das am weitesten gegen den Pol vordringende Reptil.

Alle diese Heimatsorte der Schlange und der Eidechse, das Hochgebirge und die Kuppe des Mittelgebirgs, das Moor der Ebene, die Düne und die nordische Tundra, trugen in der Vorzeit Eisbedeckung. In ihrem Klima, ihrem Landschaftsbild, dem Pflanzenteppich und in der Tierbevölkerung klingt heute noch das ferne Gedenken an die Herrschaft der grossen Gletscher nach. Die Alpeneidechse und die Kreuzotter verkörpern in unseren Tagen eine an tiefe Temperaturen anpassungsfähige Tierwelt, die es verstand, schmiegsam das Joch der Eiszeit zu tragen.

Zu den wenig zahlreichen Reptilien und Amphibien, die das Hochgebirge erklimmen und zugleich den Polarkreis überschreiten, zählt auch der gewöhnliche, braune Grasfrosch. Er ersteigt auf seinen Sommerreisen Halden und Gipfel, die 2500 Meter überragen, und fristet das Leben in den Schmelzwasser-weihern der arktischen Insel Magerö am Nordkap Europas. Die Gewohnheit, den Laich am ersten sonnigen Frühlingstag zwischen schwimmenden Eisschollen abzulegen, ermöglicht es dem Frosch, die Zeit auszunützen und seine Verwandlung von der wasserbewohnenden Kaulquappe zum fertigen Landtiere auch an Orten zu vollenden, an denen der Sommer nur kurze Wochen dauert. Diese Fähigkeit schenkt dem Grasfrosch das Heimatrecht in den Hochalpen und in der Arktis.

Oft allerdings mag während der Verwandlungszeit einbrechendes Unwetter, Trockenheit oder Kälterückfall Tausende der werdenden Frösche vernichten. Die ungeheure Zahl der Nachkommen deckt indessen reichlich den Ausfall und sichert die Fortdauer der Art auf ihren vorgeschobenen Posten. Eine andere biologische und geographische Stellung als Kreuzotter, Bergeidechse und Taufrosch nimmt der pechschwarze Alpensalamander ein. Er fehlt dem Norden; sein Wohngebiet umspannt einzig das Gebirge in dem Höhengürtel von 800 bis weit über 2500 Meter Erhebung.

Schlange, Eidechse und Molch bekunden sich auch in der Vermehrungs-art als Geschöpfe der Kälte, als dem Schneefeld und Eisrand angepasste Lebewesen. Die Mutter spendet den Kindern in der ersten zarten Jugend den nötigen Schutz im eigenen Leib. Alle drei bringen fertige, lebendige Junge zur Welt, gerüstet, den schweren Kampf um das Leben mit den feindlichen Gewalten des Hochgebirgs, mit Frost, Austrocknung und Nahrungs- mangel zu führen, und bereit, ihren Platz am schmal gedeckten Tisch der Schneeregion zu erobern und zu behaupten. Die meisten Schlangen und alle Eidechsen und Salamander der sonnigen Ebene dagegen legen Eier ab, in denen die junge Brut während des langen Flachlandsommers gemächlich heranreift, um endlich das Tageslicht zu erblicken und fast mühelos aus den reichlich fliessenden Nahrungsquellen zu schöpfen.

Das Bild vom nacheiszeitlichen Rückzug der Tierwelt nach Norden und in das Hochgebirge liesse sich in noch weiteren Linien zeichnen, mit noch bunteren Farben belegen. Mit den höher stehenden Geschöpfen, den Wirbeltieren, verliess auch ein beträchtlicher Teil der Kleintierwelt das sich durchwärmende Tal, und wieder lässt sich leicht erkennen, dass die wegflutende Menge in zwei Ströme sich schied, von denen der eine nach dem Nordpol hinfloss, der andere dagegen am Hochgebirge zerschellte. So verstärkt sich die Ähnlichkeit der alpinen Tierwelt mit derjenigen polarer Gebiete.

Über der blühenden Alpenwiese schweben die Falter Lapplands; den obersten Arvenwald unserer Berge bedrohen die Borkenkäfer Nordsibiriens; an den letzten Büschen, nahe der Schneeregion, kriecht die kleine, dickschalige Abart der Strauchschnecke, die einst in der Renntierstation zu Thayngen häufig war und die sich auch in nördlichen Gegenden weit verbreitet. Das widerstandsfähige Tierchen verstand es, allen Fährlichkeiten der Eiszeit zu trotzen. Es lebte schon vor dem ersten Gletschervorstoss in unsern Landen.

Die Spinne, die am Balken der Sennhütte das Netz webt, zieht ihre Fäden auch am Zelt des Lappen; die Kleinkrebse und Milben der eiskalten Bergquellen und der hochgelegenen Seelein, der Flachwurm unter den Gesteinsscherben des Gletscherbachs, der Regenwurm im Boden der Alpweide, sie alle zählen ihre Artgenossen oder nächsten Anverwandten in weiter Ferne, nahe den Eismassen der Nordpolarzone, in den Gewässern Skandinaviens, im harten Erdreich von Grönland.

In den flachen Talgründen erstritten sich inzwischen weitgedehnte, geschlossene Wälder die Herrschaft. Nicht ohne harten Kampf. Im Jahrtausende dauernden Wettstreit zwischen Steppe, Tundra und Forst mag, begünstigt und gehemmt durch Klimaschwankungen, oft genug Sieg und Niederlage zwischen den Kämpfern gewechselt haben. Der Enderfolg blieb dem Wald und seiner Tierwelt. Nun trat der Edelhirsch aus dem Dunkel der Tannen in die Lichtung; im Waldsumpf stampfte das mächtige Elentier und wälzte sich der Eber, und auf der offenen Wiese ging das Reh zur Weide. Am Fluss baute der Biber aus gefällten Stämmen seine Dämme und fischte der Otter; Dachs und Fuchs gruben am besonnten Waldrain ihren Bau. Die grossen Räuber einer vergangenen Zeit erhielten schwächliche Nachfolger in Luchs, Wolf und Bär.

Vom Tal aus erkletterte der Wald in zäher Ausdauer die Flanken der Berge; kein Lawinensturz hielt diesen langsamen Vormarsch auf und kein prasselnder Steinschlag. Mit dem Forst stieg auch seine Tierwelt bis zur Baumgrenze empor; Eichhörnchen, Siebenschläfer und Haselmaus flechten im Bergwald ihr Nest und verschlafen den langen, harten Winter im frostsicheren Versteck. Ihren Fährten folgen die Kleinräuber Marder und Iltis. Und der Alpenforst hallt wider vom Hämmern des Spechts, vom Lied der Drossel und vom Gekreisch des flüchtenden Hähers. Der Auerhahn balzt vom niederen Ast einer alten Kiefer, und höher, in der Gesträuchregion, ruft liebestoll der Birkhahn.

Die neuen Eindringlinge in die Hochregion schoben die alten Flüchtlinge aus der Gletscherzeit vor sich her oder drängten sich keck in ihre Reihe. So zogen sich für die Zufluchtsstätte der Eiszeittiere immer engere Grenzen, und immer unwirtlicher gestalteten nahe Gipfel und Grate für diese Enterbten die Lebensbedingungen. Zwei einander fremde Tierwelten breiten sich seither in den Alpen übereinander aus. Die höchste Zone dient den Überlebenden einer verflossenen Epoche als Zufluchtsburg. Vorwerk um Vorwerk der Festung fällt; immer enger schnürt sich der Wohnbezirk zusammen, und aus der in Eis und Schnee auslaufenden Sackgasse gibt es keinen Ausweg, keine Rückkehr nach milderen Gefilden. Die hartbedrängten Verteidiger der stürzenden Burg aber waren einst die weithin herrschenden Besitzer von Tal und Flachland. Von unten drängt das Heer der Emporkömmlinge und Eindringlinge nach, die mit den grossen Wäldern zur Macht gelangten und zu denen sich später als Gebieter und Zerstörer der schlimmste und unerbittlichste aller Tierfeinde gesellte, der Mensch.

Über die letzte Phase des Kampfes zwischen der Tierwelt der Eiszeit und der Fauna der Wälder berichten die Funde in den Pfahlbauten.

Aus Vorderasien, dem unerschöpflichen Erzeuger und Spender von Menschengeschlechtern und Tierstämmen, wanderten fremde Völker westwärts nach Europa. Sie erreichten in langer Fahrt die Schweizerseen und bauten am Ufersaum, wo das feste Land sich ohne sichere Grenze im Schlammgrund verliert, ihre Pfahldörfer. Vor der überlegenen Kultur der neuen Eindringlinge wich der armselige Jäger und Höhlenbewohner der Eiszeit zurück. Er erlag dem Anprall aus Osten, der ihm Wohngebiet und Jagdgrund raubte. So teilte der altsteinzeitliche Troglodyte untergehend das Geschick der durch den Wald und seine Bewohner besiegten Eiszeitgeschöpfe.

Die Geschichte der Pfahlbauer und der sie umgebenden Tierwelt lässt sich aus den Überresten ihres Haushalts enträtseln und aus den Knochen-trümmern, die sich im Laufe langer Jahrhunderte auf dem Wassergrund unter den Hütten der Seedörfer anhäuften. Sie erstreckt sich, reich an Wandel und in aufsteigender Entwicklung, über lange Zeiträume.

Wie die Renntierstationen vom Schweizersbild und von Thayngen und für eine etwas spätere Zeit des Gletscherrückzugs die Knochenhöhlen am Salève und bei Villeneuve vor dem sehenden Auge ein Tierbild aus der Endphase der grossen Vereisung erstehen lassen, so entwerfen die ältesten Schichten der Pfahlbauablagerungen ein lebendiges Gemälde aus der Epoche, da im Kampf zwischen Wald und Gletscher sich der Sieg schon endgültig auf die Seite des ersteren geneigt hatte.

Längst hatten die Renntierherden und der Moschusochse die Weiden am Alpenrand verlassen und waren, das Gebirge fliehend, über die weiten, ihnen zusagenden Ebenen nach Norden gezogen. Der grossgehörnten Wildziege dagegen, dem Steinbock, dessen ganzer Bau Fels und Schutthalde verlangt, verschloss das Flachland den Weg gegen den Pol. Sie stieg in das Gebirge empor, begleitet von der Bergantilope, der Gemse. Die dürftigen Schädelsplitter und seltenen Hornzapfen beider, die im Schlamm und Torf der Pfahlbauten bei Meilen und anderswo gefunden worden sind, zeigen, dass Gemse und Steinbock schon damals zu Grattieren geworden waren. Einzelne Versprengte und Verirrte mögen etwa am Seeufer dem Menschen zur leichten Beute gefallen sein; vielleicht holte sich auch hin und wieder ein kühner Pfahlbau-jäger einen Bock als begehrenswerte Trophäe von der Felswand und Fluh hinab. Der Alpenhase und das Murmeltier fehlen der Fauna der Pfahlbauten.

Dagegen konnte der Bewohner der vom Wasser umspülten Pfahldörfer seine Jagdlust stillen am gewaltigen Elch, an Reh und Damwild, an Pferd und Wildschwein und an den Rudeln stattlicher Hirsche, Sechszehnender von der Grösse des amerikanischen Wapiti; er konnte seinen Mut messen in der Verfolgung der riesigen Wildrinder, von Urochs und Wisent, und im Kampfe mit Bär und Luchs.

Die Tierwelt der Pfahlbauten verlor, gegenüber früheren Epochen, die nordischen Bestandteile und die alpinen. Beide hatten sich, von der Macht des Klimas getrieben, nach ihren heutigen Wohnsitzen geflüchtet, nach dem Pol und nach dem Hochgebirge. « Dort in den polaren Höhenregionen und in den polaren Breitenzonen », so schreibt Rütimeyer treffend im ersten Jahrbuch des S.A.C., « war immer das letzte Bollwerk der flüchtigen Generationen von Geschöpfen; der Steinbock hier, der Moschusochse dort, scheinen der Grenze ihrer Flucht, und hiermit ihrem sicheren Schicksal, welches früher das Nashorn ereilte, nicht mehr ferne zu sein. » Die Zeit, da die Pfahlbauten in den stillen Seen des Alpenrands sich spiegelten und über den verlandenden Weihern der Hochebene sich erhoben, besitzt für die Tiergeschichte noch eine ganz besondere, in ihren Folgen beinahe unabsehbare Wichtigkeit. Zum erstenmal trat in jenem entlegenen Halbdunkel ein Faktor in deutliche Wirkung, der den Tierbestand, die Zusammensetzung und Verteilung der Fauna ganz anders, schneller und gründlicher beeinflusste als frostige Vereisung und wuchernder Wald. Dieser neue, gewaltige Einfluss ging vom Menschen aus und von seiner keimenden Kultur. Er räumte mit dem Bestehenden in schreckhafter Weise auf, vergeudete leichtsinnig das reiche Vermächtnis der Vergangenheit, schuf aber auch neue tierische Werte und liess unter seiner zielbewussten Herrscherhand ungeahnte Reichtümer entstehen. Durch die rasch wachsende Macht des Menschen formte sich die Tierwelt der Pfahlbauten zuerst allmählich, dann in immer rascherem Schritt und zuletzt in rasender Eile zur Fauna der Jetztzeit um.

An die Stelle der freiwaltenden Natur tritt die vom Menschengeist gewollte und von Menschenhand geleitete Kultur. Sie wandelt die Waldgründe zum wohlbebauten und dichtbevölkerten Garten und erobert sich die entlegensten Alpentäler, die unwirtlichsten Höhen. Heute kann sie sich eines fast zu Ende geführten Werks rühmen; ein gegenüber der jüngsten Vorzeit verändertes Bild enthüllt sich dem staunenden Auge.

Den Siegesmarsch der Kultur und die Wirkung der durch sie gekennzeichneten Periode auf die wildlebende Tierwelt verstand keiner besser zu schildern als Friedrich von Tschudi. Er schreibt in der ersten Einleitung zum « Tierleben der Alpenwelt »: « Die Vorberge, die mittlern und obern Thäler sind mit Weilern und Höfen bedeckt; bis hoch und tief in den Schoss der Alpen dringt eroberungslustig das rührige Volk mit seinen Herden und überzieht im Sommer wie eine Kulturarmee die ganze kolossale Gebirgskette, soweit sie ihm Raum und Schutz für eine Hütte und seinen Thieren noch einen kümmerlichen Weideplatz bietet. » An anderer Stelle stehen die nur allzu berechtigten Worte: « Überall schreitet die Kultur mit siegender Macht vorwärts. Wie gelichtet und stets begangen sind unsere Wälder; wie rücken die Fluthen der Menschen immer weiter in die Ödungen und Wildnisse... Und wo der Mensch hinkommt mit seiner Qual, da hört nicht nur die Natur auf, neue Tierformen zu erzeugen; die längst erzeugten verschwinden teils, teils schmelzen sie in hohem Grade zusammen. » In den Höhlen von Thayngen und am Schweizersbild fristete der Mensch als Renntierjäger ein elendes Dasein, stets bedroht von der Laune der Naturgewalten und von Zahn und Kralle des reissenden Tiers. Fern lag noch die zukünftige Zeit, in der der Acker reiche Ernte bringen sollte und es dem Menschen als Herrn der Schöpfung gegeben ward, sich mit Freunden, Dienern und Sklaven aus dem Tierreich zu umgeben. Viele Tiere überboten den späteren Herrscher an roher Kraft und an starker Bewaffnung. Doch verstand es schon damals weniger der mit der Steinaxt und mit Pfeil und Bogen bewaffnete Arm als die List des Menschen, in bitterer Notwehr auch die gewaltigsten Feinde zu fällen. Die aufglimmende Intelligenz errang in dem ungleichen Kampf die ersten Triumphe.

Ganz anders gestaltete sich die Weiterentwicklung zur Zeit der Seedörfer. Aus ihrer fernen Urheimat im Osten brachten die Pfahlbauer die ersten Ansätze, die frühesten fruchtbaren Keime zum Aufblühen einer Kultur an den Alpenrand mit. Sie leben in festen Siedelungen vereinigt und beginnen mit starker, zielbewusster Hand in das Walten der Natur einzugreifen. Der Pfahlbauer erhebt zum erstenmal Anspruch auf die Herrschaft und ringt nicht nur um Duldung, sondern um seine Unabhängigkeit von den stärkeren Mitgeschöpfen und vom unbeschränkten Wirken feindlicher Naturkräfte. Seine Wandergefährten sind manche Haustiere, die sich bereits in der alten ersten Heimat willig und schmiegsam dem Joch der Kultur beugten. Nun bewacht der treue Hund die Herden und begleitet seinen Herrn als Jagd-gehilfe. Unter dem Beil fallen die Stämme der Urwaldriesen; der Acker trägt goldene Frucht, und das gezähmte Tier spendet als Nahrung Milch und Fleisch. Nicht blosse, bittere Notwehr drängt zum Verteidigungskampf gegen das Wild; eigennützige Selbstsucht ruft zur Verfolgung und schärft unausgesetzt die Verderben bringenden Waffen.

Das Tier der Wildnis aber weicht zurück oder geht unter. Auf die Dauer vermögen dem Einfluss des Menschen weder die mächtigsten noch die verborgensten oder listigsten Geschöpfe Widerstand zu leisten. Sie räumen das mit den Leichen der Unterlegenen bedeckte Schlachtfeld dem Sieger und den dem Überwinder gehorsamen Herden der Haustiere.

Für die Tiere des Hochgebirgs vor allem bedeuteten die selbstbewussten Forderungen des Menschen eines der wichtigsten und folgenschwersten Ereig- nisse. Die Alpentierwelt bekam den Verdrängungswillen und die Zerstörungswut, aber auch den Schöpfungsdrang des neuen Gebieters in vollstem Ausmass und in ihren bittersten Folgen zu kosten.

Denn die vom Menschen verstossenen und gejagten Tiere, den Räuber und das Nutzwild, erwartete, wie einst die Zeitgenossen der grossen Gletscher, ein doppeltes Schicksal, Untergang oder Flucht in das Gebirge. Die engen Talspalten der Alpen und die schneebedeckten Höhen öffneten den Flüchtlingen die einzige Rückzugsstrasse vor dem nachdrängenden Feind. Manche betraten den Weg, alle ohne zu ahnen, dass die gangbare Strasse gar bald zum schmalen Pfad sich wandeln sollte, der sich ohne rettenden Ausgang in der Felsenöde verliert und im eisigen Firnfeld.

Anderen, den gewaltigen Büffeln und dem Urweltriesen, dem Elch, fehlten im Hochgebirge Nahrung und Raum und der heimatliche, an sumpfigen Brüchen reiche Urwald. Sie trotzten noch eine kurze Zeitspanne dem andringenden, sicheren Tod.

Unwillig und zögernd wichen die starken Räuber Luchs und Bär aus dem Besitztum ihrer Vorfahren in die unwegsamen Schluchten und dunkeln Forste des Hochgebirgs zurück. Sie wurden so, der schweren Not gehorchend, unfreiwillig zu Alpentieren und fanden eine neue Heimat, die ihren Neigungen und ihrem Körperbau nur wenig entsprach. Immerhin, die Unzugänglichkeit versteckter Schlupfwinkel, die lange Dauer des Bergwinters, die Seltenheit des gefährlichsten Feindes, des Menschen, und die Fülle wilder und zahmer Beute: sie schützten die reissenden Tiere in den Hochalpen noch längere Zeit vor der gänzlichen Ausrottung.

Bis gegen das Jahr 1840 weisen die Abschusslisten aus Graubünden fast regelmässig mehrere erlegte Luchse auf. Der letzte fiel 1872 unter der Kugel eines Jägers aus Sent im Val d' Uina, das sich unterhalb Schuls als wildes Waldtal in das Unterengadin öffnet. Einige Jahre früher, 1867, kam ein Luchs im Eringertal im Wallis zur Strecke.

Viel rascher und williger als die Räuber fanden die berggewohnten und dem Berg entsprungenen Kletterer und Pflanzenfresser, Steinbock und Gemse, den Weg aus dem Vorgebirge zurück in die Hochalpen. Sie suchten vor dem Menschen Zuflucht in ihrer ursprünglichen Heimat.

Die Vorfahren der Gemse waren vor langen Zeiträumen, bevor die Gletscher zu Tal stiegen, nicht mit den arktischen Eismassen, sondern wohl aus den Bergen des zentralen und südöstlichen Asiens auf westlich gerichteter Wanderung in die Alpen gelangt. Sie hatten sich während der Eiszeit im Flachland angesiedelt und gaben nun ihre letzten Heimatsrechte in den niederen Vorketten vollends auf. Der Bergantilope boten die höchsten Erhebungen des weitverzweigten Alpensystems Zuflucht; das leichtfüssige Tier erklomm den Apennin, die Karpathen und Pyrenäen und die einsamen Gebirgsmassive des Kaukasus und des kleinasiatischen Taurus. Höchst selten steigt sie, von der Jagd versprengt, verirrt oder vom Hunger getrieben, von den Hochzinnen zu Tal und durcheilt mit flüchtigem Huf ihr einstiges Wohngebiet, das Vorgebirge und die Ebene bis zu den Felsgräten des Jura.

DIE TIERWELT DER ALPEN EINST UND JETZT.

Nichts wirft auf die überstürzte Flucht der Grosstiere in die Bergeinsamkeit ein grelleres Licht als einige Zahlen und Daten. Sie betreffen zwei einst Mächtige, heute Besiegte und Entthronte, das königliche Jagdwild, den Steinbock, und den Feind der Herden, den muskelstarken Bären, den in der Tier; fabel ein Schein tölpelhafter Gutmütigkeit und derben Humors umgibt. Beide sind in den Schweizer Alpen ganz oder fast ganz vertilgt. Ein gutes Stück Bergromantik ist damit verschwunden. Nur im Wirtshausschild lädt Bär und Steinbock noch den Wanderer zu kühlem Trunk, und als Wappen-halter von Städten und Kantonen fristen die beiden mit anderen Fabel-gestalten neben Drachen, Basilisken und Greifen ein ungefährdetes Dasein. Es brauchte die Flucht ins Wirtshaus und in die heraldische Sagenwelt, um Der Steinbock. ( Aus Stumpfs Chronik 1548 .) dem Herrn der Schöpfung Respekt zu gebieten und seiner blinden Verfolgungs-wut ein Ziel zu setzen.

Das frühe Geschick des Steinbocks bis zur Zeit der Pfahlbauten fand bereits seine Darstellung. Um das Jahr 1000 nach Christi Geburt füllt das prächtige Tier, zusammen mit Urochs, Wisent und Pferd, die Speisekammern des Klosters St. Gallen mit hochgeschätztem Wildbret. Noch im 15. Jahrhundert dürfte der Steinbock in den Schweizeralpen eine ziemlich weite Verbreitung besessen haben. 1574 begehrt Erzherzog Ferdinand von Österreich von seinem Vogt zu Kasteis und der acht Gerichte im Prättigau lebende Steinböcke, wie sie schon früher aus jenem Gebiet geliefert worden seien.

Doch nun meldet sich der rasche Niedergang des schönen und für den Jäger so begehrenswerten Alpenwilds. 1550 fällt der letzte Steinbock am Glärnisch und 1583 in Uri. Auch die strengen Gesetze, die 1612 und 1633 in Graubünden den Steinbockfrevler mit Geldbusse und Leibesstrafe belegten, vermochten die Ausrottung nicht zu verzögern, geschweige denn zu unterbinden.

Gehetzt vom Jäger um des Ruhmes und der mächtigen, schön geschwungenen Horntrophäe willen, verfolgt vom Aberglauben, der im Harn des Bockes, in seinem Blut und in seinen Hörnern unfehlbare Heilmittel gegen mancherlei Krankheit suchte, zog sich die sprunggewandte Gebirgsziege in eiliger Flucht von den äusseren Ketten der Alpen in die zentralen Erhebungen, vom tieferen Gürtel in die Grenze der Schneeregion zurück. Schon Conrad Gessner kennt ihre Standorte nur noch aus den höchsten und einsamsten Massiven. In Graubünden mögen die entlegenen Berge von Vals, die Felsschroffen des Bergells und die Gebirgshochburgen des Rheinwalds und des Oberengadins dem Flüchtling die letzte Freistätte geboten haben. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts verstummen alle Verordnungen und schweigen alle Archive über das Vorkommen des Wappentiers im Lande Graubünden. Von vergangener Zeit, da der Steinbock noch in Alt Fry Rhätien wohnte, berichten indessen die Schädelreste, auf die der Wanderer etwa im hochgehäuften Moder der obersten Waldzone stösst. Solche Funde bezeugen besonders, dass der heutige Nationalpark im Ofenberggebiet einst ein reiches Steinbockrevier war.

Zuletzt blieb dem flüchtigen Wild nur noch der enge Wohnbezirk in den grajischen und penninischen Alpen. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wechselten etwa noch Steinbockrudel aus dem Piemont über die Gletscherwildnis in die Schweiz hinüber. Der letzte der kühnen Hornträger soll im Wallis 1809 gefallen sein; heute lebt die Erinnerung an das Tier noch in Bergbezeichnungen — Bocktschingel, Dents des bouquetins — weiter.

Die Einsicht und der weidmännische Sinn der Könige von Italien schuf den Verfolgten seit 1858 ein Asyl im Gebirgsstock des Gran Paradiso. Dort blühte vor dem Weltkrieg eine zahlreiche Kolonie des Steinbocks in den Tälern von Cogne und Valsavaranche; leider fielen die schützenden Grenzen dieser letzten Zufluchtsburg in den jüngst verflossenen Jahren.

Der Steinbock ward zum Opfer der blinden Vernichtungswut des Menschen. Er erlag nicht der Unbill und Kargheit des Hochgebirgs. Denn dem rauhen Fels und dem klirrenden Eis passt sich der sehnige Bau und der eiserne Huf des sprungbereiten Kletterers an. Der Berg mit seinen Klüften und Trümmerhalden verwirklicht seine Lebensbedürfnisse.

Ein kaum minder tragisches Schicksal bereitete der Mensch dem Bären in der Schweiz. Schon die streitbaren ersten alemannischen Ansiedler zogen gerne aus zur Bärenjagd und betrachteten die Erlegung des Räubers als eine tapfere Tat. Doch genoss bis um das Jahr 1600 ungefähr, so erzählt auf sorgfältig gesichtete Urkunden sich stützend K. Bretscher, der plumpe Sohlengänger, der tierischer wie pflanzlicher Kost huldigt, in unserm Lande allgemeine Verbreitung. Ihm ward die fortschreitende Rodung der endlosen Wälder zum Verhängnis, ebenso der Schaden, den er durch Überfall der Herden anrichtete, und der hohe Preis, den sein Fleisch und Fell abwarfen.

Von 1600 bis 1900 dauert der hartnäckige, doch ungleiche Kampf, der zum Verschwinden des Bären auf Schweizerboden führt. Murrend und widerwillig weicht der für das Gebirge nicht geschaffene Meister Petz in die Wildnis der Alpentäler zurück. Doch noch lange wissen Chroniken und Kalender zu berichten, wie im Jura Bären zur Strecke gebracht wurden und wie sogar im Flachland ganze Dörfer, Hunderte von Jägern und Treibern mit Trommeln und Pauken zur Jagd auszogen, wie die erlegte Bestie als Trophäe im Triumph dem ganzen Land gezeigt wurde und wie die tapferen Nimrode als Belohnung für den harten Strauss Geldspenden erhielten und Ehrenkleider. Oft genug ward die mannhafte Bärenjagd zur blossen Bärenhetze, und die Heldentat nahm mehr den Anstrich einer Volksbelustigung an. Im Jahr 1705, so berichtet M. Oechslin, vereinigten sich auf dem Urnerboden 200 Glarner und 150 Urner zur Erlegung eines Bären, und ein Dutzend Schützen teilten sich in den Ruhm, dem Tier den Gnadenschuss gegeben zu haben.

Es mutet heute eigentümlich an, wenn der Rat von Basel im Jahre 1653 seinen Untertanen im Farnsburgeramt verbot, andere Tiere zu fangen als Wölfe, Bären und Luchse, oder wenn wir von einer Bärenjagd lesen, die sich 1688 auf dem Egerkingerberg abspielte. Erst 1803 wurde der letzte Bär im Basler Jura bei Reigoldswil geschossen. Überhaupt boten die Waldschluchten und dunkeln Forste des nordschweizerischen Mittelgebirges dem verfolgten Raubtier lange Zeit sicheres Versteck. Aus den Gorges de l' Areuse und vom Creux du Van bei Neuenburg verzeichnen die Schusslisten von 1652 bis 1745 29 erfolgreiche Bärenjagden. Bis in die neuere Zeit leistete der von allen Seiten Bedrängte Widerstand im einsamen Hochjura des Waadtlandes; so fiel ein Bär 1835 in der Nähe von Orbe bei Romainmôtier, 1843 einer an der Dôle bei St. Cergues und 1851 sogar einer unweit von Genf.

Über die schrittweise Flucht des Räubers, den Rückzug in das Hochgebirge und in den Jura geben die folgenden Daten vielsagende Auskunft. Die letzten Bären wurden erlegt oder unzweideutig gesichtet bei Zürich 1565, in Unterwaiden 1664, in Freiburg 1698, nachdem seit 1507 38 Stück zur Strecke gebracht worden waren, in Solothurn 1737. St. Gallen und Appenzell sahen zum letztenmal Bären etwa um das Jahr 1800, das Baselbiet 18031 ), Schwyz 1804. Dann folgt Bern mit der Jahreszahl 1815, Glarus 1816, Waadt 1843, Neuenburg 1855, Wallis 1860 und Uri 1898.

Die einsamen Täler des Wallis, besonders das Einfisch- und Eringertal, beherbergten den Bären geraume Weile; sie waren eine willkommene Zufluchtsstätte, von der aus das nach Trauben lüsterne Tier zur Herbstzeit Ausflüge bis in die warmen Rebhalden hinab wagen durfte. Noch im Jahre 1853 überwältigte ein Bär im Val d' Hérémence den ihn angreifenden Jäger.

Auch aus den entlegenen Tessiner Alpentälern, in denen er zähe standhielt, scheint der grosse Räuber seit einigen Jahrzehnten endgültig gewichen zu sein.

So blieben denn dem Tier von seinem weiten Jagdbezirk in der Schweiz noch einige abgelegene Winkel in Graubünden. Jahr für Jahr wurde im ausgedehnten Alpengebiet des Hochgebirgskantons im Durchschnitt ein halbes Dutzend Bären oft genug in gefahrvoller Jagd erschossen; 1857 und 1861 waren es acht. Besonders bärenreich scheint der Jahrgang 1893 gewesen zu sein, und bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts verstummen die Berichte über Bärenjagden und Bärenjäger nicht. Aus dem Bergeil und Misox, von Davos und aus dem Unterengadin kommt heute noch hin und wieder Kunde von frischen Bärenspuren, von Herden, die der Räuber zersprengte und von Pferderudeln, die er ängstigte. Noch stehen am Ofenberg die alten Bärenfallen; vor kurzer Zeit noch hingen Bärenköpfe als Beutestücke an den Bündner Rathäusern, und kaum sind die Feuer auf den Alpen verglimmt und die Böllerschüsse verhallt, die den nächtlich schleichenden Räuber von den Herden vertreiben sollten.

Der letzte Bär wurde in Graubünden im Jahr 1904 erlegt. Doch sichteten durchaus zuverlässige Zeugen am 19. August 1919 im Val Lavirum, einem nördlichen Seitenast des Camogaskertals, bei 2800 Meter Höhe, nahe der Grenze von Livigno, eine gemächlich ausschreitende Bärin mit zwei Jungen.

Heute gehört der Graubündner Bär vielleicht der Vergangenheit an; vielleicht aber durchstreift der braune Geselle noch hin und wieder in weitausholendem, geruhsamem Schritt die einsamen, unwegsamen Alpentäler des grossen, reichgegliederten Berglandes. Dann ist auch das verständnisvolle Lächeln verfrüht, das regelmässig den « Saisonbären » empfängt, wenn er jeden Sommer im Juli oder August in den Spalten der Zeitungen Berggänger erschreckt, Ziegen zerreisst, Rinder über die Felsen sprengt und den Schafen hoch über die Krummholzregion bis auf den dürftig bewachsenen Grat nachsteigt.

Mit dem Bären hat die Alpentierwelt eine kraftvolle Charaktergestalt eingebüsst, der Mensch aber verlor in ihm einen gefährlichen Gegner, der, ungleich dem Feigling Wolf, furchtlos und ohne Hinterhalt den Feind zum nur von handfesten Männern zu bestehenden Zweikampf herausforderte. Zugleich ist aus dem Hochgebirge ein fast sagenhafter Schimmer gewichen.

Der Verlust für die Tierwelt wiegt um so schwerer, als er nicht vereinzelt dasteht. Wie Steinbock und Bär, so mussten sich eine grosse Zahl anderer Geschöpfe, die einst der Fauna ihr Gepräge verliehen, vor der anschwellenden Kultur des Menschen nach den Höhen flüchten, um dort langsamer, doch unabwendbarer Vernichtung entgegenzugehen. Manches Tier, das der Pfeil des Pfahlbauers vom Seespiegel aus erlegte oder das die Lanze im Dickicht der Talmulde fällte, fasste im Hochgebirge noch einmal Fuss vor dem endlichen Untergang.

Im Alpenforst hausen die letzten Hirsche, die Nachkommen jener zahlreichen Rudel, die der Pfahlbauerfamilie alles zum Leben Nötige lieferten: Fleisch und Fell, die Sehne für den Bogen, die Handhabe für die Steinaxt, die Knochennadel und den Meissel. Unter dem überhängenden Fels, in wohlgeborgener Nische horstet noch der Adler. Er hebt seine mächtigen Schwingen, um in königlichem Flug über das Flachland, das Herrschaftsgebiet von ehedem, dahinzugleiten bis zur fernen, steilen Fluh des Jura, an der er noch vor weniger als einem Jahrhundert seine Horste baute1 ). Am Gletscherrand, im Dunkel der letzten Tannen fristet der grosse Nachtraubvogel, der Uhu, sein Einsiedlerdasein. Trotzdem die Nacht seinen Beutezug mit ihrem Schatten deckt, entgeht der von allen Verfolgte nicht dem Geschick, das den Räuber des Tags, den Lämmergeier, in den Alpen vor kurzer Frist ereilte. Noch im 18. Jahrhundert lagen die Nistplätze des Geiers da und dort in den niederen Ketten der Voralpen. Die Hochburgen von Bern, Wallis, Tessin und Graubünden hielt der Vogel am zähesten besetzt. Doch gehören die Zeiten der Vergangenheit an, da der wehrbare Pfarrer von Gadmen in seinem Garten das eigene Kind vor dem Angriff eines Lämmergeiers schützen musste und den frechen Angreifer erschoss. Im Oberhasli überfällt der gefürchtete Räuber noch im Jahre 1870 einen Knaben. 1869 fiel das letzte Exemplar des Geiers im Maggiatal lebend in die Hand des Menschen. Ein altes Weibchen des Vogels überlebte noch jahrelang als Letzte ihres erlöschenden Stammes im unwirtlichen Bietschhornmassiv das untergehende Geschlecht einstiger Herrscher. Die altersgraue, ehrwürdige Matrone, die auf ihren Jagdzügen das Lötschen-, Baltschieder- und Saasertal durchstreifte und mit besonderer Vorliebe die Katzen wegfing, fand 1886 bei Visp durch den Füchsen gelegtes Gift ein unrühmliches Ende. Damit verlor auch das Wallis den Bartgeier als Standvogel. Den letzten Lämmergeier des Oberengadins beobachtete im Sommer 1887 Saratz wiederholt im Rosegtal. Es war ein mächtiges Tier, das weidende Gemsen überfiel und mit gewaltigem Flügelschlag in den Abgrund zu stürzen suchte. Auch die entlegene Bergeinsamkeit von Vrin im obersten Abschnitt des Lugnetz schützte den Bartgeier längere Zeit vor der gänzlichen Ausrottung. Noch in den Jahren 1884 und 1885 beobachtete Ch. Solèr dort zwei Paare des mächtigen Raubvogels.

Seither ertönten hin und wieder unbestimmte Berichte aus dem Berner Oberland, aus Wallis und Graubünden von Lämmergeiern, die in eiligem Flug Täler und Bergkuppen querten oder an steiler Wand sich zu kurzer Rast niederliessen. Alle diese Nachrichten über den Verschollenen blieben legenden-haft; sie fanden nie sichere Bestätigung.

Mit den Namen von Hirsch und Luchs, von Steinadler und Bartgeier erschöpft sich die Liste der Toten oder Sterbenden bei weitem nicht; noch findet das Schuldregister des Menschen, die laute Anklage gegen seinen Ver-nichtungswillen und seine Herrschsucht nicht den Abschluss.

Zu den Gehetzten und Gejagten gesellen sich im Hochgebirge die Ver-drängten und Verstossenen, denen im Tal neben dem unduldsamen Gebieter der Erde der Raum zu eng wurde oder die Nahrung zu karg. Aus den wohl durchforsteten und gepflegten Wäldern der Ebene fliehen die Waldtiere in die urwüchsige Wildnis der Gebirgsforste. Die Tierwelt der zur einförmigen « Kultursteppe » verwandelten Talflächen und niederen Hänge verarmt. Das bunte Steinhuhn verlässt die Rebenhügel des Alpenvorlandes, und der Birkhahn steigt bis in das Krummholz der Baumgrenze empor. Frosch, Kröte und Molch, deren Brutstätten, Sümpfe, Weiher und seichte Teiche, der Mensch trocken legt, der Fisch, dessen Wohngewässer die Industrie vergiftet und das Stauwehr einengt, suchen eine letzte Zuflucht im Alpensee, im schäumenden Bergbach und im Eistümpel. Sie kämpfen den schweren, fast aussichts- losen Verzweiflungskampf gegen den kurzen Alpensommer und gegen die bittere Nahrungsnot des langen Hochgebirgswinters. Gar oft reichen die rasch verfliessenden warmen Wochen nicht hin, um die Brut der Flüchtlinge gedeihen zu lassen. Der Winter schliesst mit seinem Eis den Tümpel, bevor Frosch und Salamander nach Ablauf des Larvenlebens das sichere, feste Erdreich zu betreten vermögen. Vor dem schlimmsten Feind aber, dem rücksichtslos vernichtenden Menschen, stellt das Hochgebirge gar manche flüchtige Kreatur für eine geraume Zeitspanne wenigstens sicher. Ein vortrefflicher Kenner der schweizerischen Tiere, der 1925 verstorbene Hermann Fischer in Zofingen, weist darauf hin, dass die Frösche und Kröten der Hochalpen weit älter und grösser werden als ihre Vettern am Teich des Flachlands und am Weiher der Vorberge. Die riesigen braunen Frösche auf den einsamen Torfwiesen der Alpen und im undurchdringlichen Gestrüpp von Zwergweiden und schattigen Erlen mögen das patriarchalische Alter von zehn bis zwölf Jahren erreichen. In der Ebene sorgen die Unvernunft und der leckere Gaumen des Menschen dafür, dass dem Leben des Frosches spätestens im dritten Jahr ein Ende gesetzt wird.

Wie einst die Veränderung des Klimas und der sich dehnende Urwald die Eiszeittiere in die Alpen emporfliehen liess, so drängte später der Mensch mit der Waffe in der Hand, dem Speer, der Axt und dem Pflug, eine neue Tierwelle hinauf nach den eisigen Höhen. Und wieder ward das Hochgebirge zum letzten, sich stetig einengenden Rastort einer ersterbenden Schöpfung. Für kurze Frist nur; denn von unten aus dem Tal droht den Geflohenen die unersättliche Kultur, von oben, vom Joch und Grat, das unerbittliche Walten elementarer Naturkräfte. Dem Bund beider wird der Sieg verbleiben. Die Vertriebenen stehen im Hochgebirgsgürtel an der äussersten Grenze der Lebensmöglichkeit; nur steter Kampf und verdoppelte Klugheit vermögen den Untergang der doppelt Bedrohten noch aufzuschieben.

Dass bei solcher Flucht nach den Höhen jede noch so enge Wohnung besetzt wird und jede noch so schwach fliessende Nahrungsquelle ausgenützt, bedarf keiner Erwähnung. An Bescheidenheit der Ansprüche an die Mutter Natur vermag kaum ein warmblütiges Geschöpf mit der Schneemaus zu wetteifern. Der kleine Nager lebt im ewigen Winter der von Eis umgürteten Hochgipfel und findet seine kärgliche Kost in der fahlen Grasnarbe unter meterhoher Schneedecke.

Bei solcher Betrachtung der Zerstörerrolle des Menschen drängt sich die bange Frage auf die Lippen, ob dem Gebieter der Erde nicht auch die schönere Aufgabe zufiel, frisches Leben zu schaffen, die Tierwelt des ihm unterworfenen Hochgebirgs um neue Gestalten zu bereichern.

Mit dem Menschen zogen seine Haus- und Hofgenossen zu Berg, ungebetene, lästige Gäste zum Teil, zum Teil Vertraute und Freunde. Unter dem Dach nistet die Schwalbe und das Rotschwänzchen; die Fledermaus hängt sich an die Sparren, und als unzertrennliche Begleiter menschlicher Wirtschaft balgen sich die Spatzen vor der Türe der Sennhütte. Aus dem Jauche-tümpel lässt die Unke noch hoch im Gebirge ihren schwermütigen Ruf in eintöniger Folge erschallen.

In ganz anders wirkungsvoller Weise aber als durch die ungewollte Einfuhr kleiner Freunde, zweifelhafter Begleiter und lästiger Schmarotzer bereicherte der Mensch durch einen grosszügigen, seit der Pfahlbautenzeit sich vollziehenden Prozess die Alpentierwelt, durch die Schaffung der Haustiere.

Die Epoche, in der der Pfahlbauer seine feste Wohnung über der bewegten und doch so sicheren Fläche der Seen aufschlug, bedeutet für die Schweiz zugleich die Jugendzeit der Haustiere und die Vorblüte der Kulturpflanzen. In den Knochenhöhlen der letzten Zwischengletscherzeit, beim Wildkirchli und im Neuenburger Jura bei Cotencher, sowie in den postglazialen Fundstätten vom Schweizersbild und von Thayngen fehlt jede Spur gezähmter Tiere Dagegen schart sich die Grosszahl der Haustiere, die uns heute noch umgeben und der Kultur dienen, in primitiven, feingliedrigen Rassen bereits um den Bewohner der ältesten, noch im Steinzeitalter stehenden Pfahldörfer. Von jenem Abschnitt der Prähistorie spricht Rütimeyer als von der Zeit der « primitiven Haustierrassen ». Noch überwog in den ersten Pfahlbauten das Jagdwild an Zahl und an Bedeutung für den menschlichen Haushalt. Doch stand schon jetzt dem hartbedrängten Geschöpf der Wildnis nicht nur der verhängnisvolle Doppelweg Flucht oder Untergang offen; es führte ein weiterer Pfad zu neuer Bestimmung: die Zähmung, die Fügung unter das Joch des frisch aufstrebenden Herrschers.

Der Mensch zog die Haustiere nicht in der vom Urwald überwucherten Wildnis des Alpenrandes heran. Er brachte sie zum besten Teil gezähmt, als kostbarstes Kulturgut, auf langer, vielbewegter Wanderung aus seiner vorderasiatischen oder nordafrikanischen Heimat an die Hochgebirgsseen mit. Auf einen Schlag erscheinen im Besitz des Erbauers und Bewohners der Seedörfer Hund und Rind, Ziege, Schaf und Schwein. Die Insel Kreta mag bei der Zuwanderung die Rolle eines Brückenkopfs gespielt haben.

Dem Pfahlbauerhaushalt gehört allerdings das Pferd noch nicht an. Das edle Tier erscheint als Gefährte und Diener des Menschen erst in den jüngeren Seesiedelungen, als die Bronzeaxt das Steinbeil längst verdrängt hatte und an die Stelle von Schleuder und Pfeil das eherne Schwert getreten war. Noch viel später, im historischen Mittelalter, hielt die schmeichlerische Katze ihren Einzug in Europa, und auch die Geflügelzucht reicht nicht in vorgeschichtliche Zeiten zurück. Den ältesten Hausgenossen, den Hund, besass der Pfahlbauer in der Form des feingebauten « Torfspitz »; es standen ihm kleine, schmächtige Urformen von Ziege, Schaf und Schwein zu Gebot, besonders aber zwei wohlgetrennte Rassen der Rinder. Die eine Gestalt, die kleine, schlanke und schmalköpfige « Torfkuh », reicht in ihrem Ursprung weit zurück bis in den Beginn der Pfahlbautenepoche. Sie erhielt sich in stets erneuter und verbesserter Zucht durch den Wandel der Jahrtausende und weidet in den letzten Nachkommen, den prächtigen Herden des Braun- und Grauviehs, auf den Triften der Hochalpentäler.

Später tauchen in den Trümmern der Pfahlbauten die Überreste einer schweren, kraftvollen Rinderform auf. Über ihren Ursprung und ihre Beziehung zu den Rindern der Gegenwart gehen die Ansichten der Fachmänner noch auseinander. Nach den klassischen Arbeiten Rütimeyers und den sorg- fältigen Untersuchungen Th. Studers entstammt das grosse Hausrind der jüngeren Pfahlbauzeit dem gewaltigen Urochsen ( Bos primigenius ), der noch in der frühen Blütezeit des Klosters St. Gallen, um das Jahr 1000 der christlichen Zeitrechnung, von beherzten Männern in den Waldgründen und Mooren am Alpenfuss als hochgeschätztes Tafelwild gejagt wurde.

Der gewaltige Ur unterwarf sich dem siegreichen Menschen. Aus ihm ging, nach der Ansicht der genannten Autoren, die grosse Rinderform der Pfahlbauten unmittelbar hervor. Die letzten Nachkommen aber des gezähmten Wildstiers sollen heute noch in verschiedenen zahmen Rassen weiterleben, nicht zuletzt in den herrlichen Zuchtstämmen der gefleckten Berner und Freiburger Rinder. Eine mächtige Tierform der Vergangenheit begehrte somit Schutz und Pflege des Menschen; sie half dafür ihrem Herrn das Alpengebiet für die Kultur erobern, wie das gezähmte Renntier seinem Herrn die Polarregion erschloss.

Den eben entwickelten Ansichten über die Zähmung des Urs, über die rassenreine Weiterzucht dieses Wildrindes und seine Beziehungen zum Fleckvieh der neuern Zeit steht C. Keller skeptisch gegenüber. Er hat jüngst die Ergebnisse seiner langjährigen Studien über die Haustierwelt der Schweiz in klarer Zusammenfassung veröffentlicht und neigt der Annahme zu, dass in den Pfahlbauten allerdings Kreuzung von Urochs und Torfkuh sich vollzog, dass aber eine Reinzucht des Urs kaum Anklang fand. « Primigeniusblut war schon im Mittelalter gar nicht mehr vorhanden. » Über der Herkunft des Fleckviehs würde somit noch ungeklärtes Dunkel liegen.

Die Haustiere verketteten ihr Schicksal mit dem Geschick ihres Herrn. Sie folgten seinen Wanderungen über den ganzen Erdball, enthoben ihn der drückenden Nahrungssorgen und gaben ihm Freiheit und Reife zu kultureller Arbeit.

Mit dem Menschen erklommen seine Freunde und Knechte aus dem Tierreich die Alpen, die gebirgsgewohnte Ziege, das Schwein, das am Felsgrat kletternde Schaf, die Stämme der Rinder. Ihnen, den Gezähmten und Untergebenen, gehört heute die sonnige Alpenweide, und hundertfaches Herdengeläute ertönt, wo früher der Steinbock König war und in dunkelm Wald-versteck das Raubtier sich barg.

In den Alpen stossen die beiden Stämme der Rinder, die zur Zeit der Pfahlbauten aus vollständig getrennten Wurzeln emporwuchsen, unvermittelt und hart aufeinander. Eine Wanderung von wenigen Stunden über die breiten Passsättel des Rawil und des Sanetsch, von der Simme oder Saane nach dem Walliser Rhonetal, lässt die Rassenverschiedenheit zwischen Braunvieh und Fleckvieh, zwischen den schmächtigen Nachkommen des Torfrinds und des wehrhaften Urs, ganz besonders grell hervortreten. In den Talmulden der Lenk und bei Gsteig und an den höher liegenden Alphalden weiden grosse, schwere Rinder, geführt vom gewaltigen Stier. Ihre breite Stirn trägt kräftige, gewundene Hörner, die breit ausladen, und über das weissgelbe Fell streuen sich umfangreiche rotbraune oder schwarze Flecke unregelmässig aus.

Der Saumweg klettert steil über Felssätze und Wände zur flach gestreckten Sattelhöhe empor. Hunderte von Herdenglocken begrüssen klingend und DIE TIERWELT DER ALPEN EINST UND JETZT.

schallend den Wanderer. Der ganze weite Weidegrund ist belebt von den Scharen zierlicher, schlanker Kühe, mit schmaler, fast hirschartiger Stirn. Sogar der Leitstier erreicht kaum die Brusthöhe des Hirten. Auf dem einfarbigen dunkelbraunen oder tiefschwarzen Fell glänzt das Sonnenlicht, und die kurzen, gedrungenen Hörner schimmern wie blankes Silber. Die Hunderte klettern sicherer als berggewohnte Schafe hinauf zum höchsten Grat, zur schärfsten Schneide und steigen wieder, äsend, von einem gemeinsamen Trieb geleitet, hinunter zum Bach, zu der aus Steintrümmern roh geschichteten Hütte, vor der ein wetterbrauner Senn die Herde erwartet.

Es formt sich ein packendes Bild aus weit entlegener, vorgeschichtlicher Vergangenheit. Nirgends erhielt sich im Wandel der Jahrtausende die Gestalt des Torfrindes unvermischter als in den Walliser Hochtälern, und nirgends blieben die Sennhütte und ihr Bewohner ursprünglicher. Das f eingliedrige, doch sehnenstarke und kampflustige Vieh aus dem Eringertal gilt mit Recht als der am reinsten überlieferte Nachkommenzweig der Pfahlbaurinder.

Auch die übrigen altertümlichen Haustierformen aus der Zeit der Seedörfer dauern nicht etwa am Ort ihres ersten Auftretens, an den Seen der Voralpen und im Flachland, weiter. Längst traten in dieser an der Landstrasse des Lebens liegenden frühen Heimat neuere Arten und zum Teil moderne Rassen an die Stelle der Vorfahren. Diese bilden in fast unveränderter Erscheinung das Besitztum des Bewohners entlegener Hochalpentäler. Im « Sennenhund » der Schweiz fliesst vielleicht etwas vom Blut des « Torfspitz », der den Pfahlbauer zur Jagd begleitete, weiter.

Lange Zeit gelang es den Primitivrassen von Schaf und Schwein in der ebenen Schweiz der sich vervielfältigenden Kultur zu trotzen. Erst im Lauf des Mittelalters weicht das Torfschaf in das Gebirge; seiner Spur folgt etwas später das Torfschwein.

Im Bündneroberland, im Val Nalps, sah Rütimeyer noch 1862 die Herden der kleinen, ziegenhörnigen Torfschafe weiden. Heute scheinen die schmächtigen, silberweissen und eisengrauen Tiere auch am letzten alpinen Zufluchtsort ausgestorben zu sein. Doch wälzt sich im Morast vor den Alphütten in der Gegend von Disentis, in einigen Walliser Tälern und in entlegenen Bergwinkeln des Kantons Uri noch das Torfschwein der Pfahlbauer. Auch ihm droht für die nächste Zukunft das Schicksal der von der Kultur überholten Rassen, der endgültige Untergang.

Der konservative Sinn der Bergbewohner und der Erhalter von Tierformen vergangener Zeiten, das Gebirge, bereiteten auch den ältesten Haustieren eine Freistätte an demselben Ort, wo einst die Eiszeitgeschöpfe kurze Ruhe suchten und die grossen Räuber ein letztes Asyl vor den Verfolgungen des Menschen fanden.

Der Alpenkamm mag uns erscheinen wie ein hochgetürmter Wall, an dem die Tierwellen emporfluten und sich brechen, seien sie erzeugt in tausendjährigem, ruhevollem Geschehen durch den Wechsel des Klimas und des Untergrunds oder hervorgebracht in kurzer Frist durch Gunst und Ungunst des Augenblicks oder durch das hastige Treiben des Menschen. Er formt aber zugleich ein Asyl und eine zeitweise Ruhestätte entschwindender Genera- tionen. « Je höher der Wanderer emporsteigt in die Freiheit der Berge, » so schreibt Rütimeyer in anschaulicher Schilderung, « desto tiefer in die Vergangenheit dringt er ein, von desto älteren Schöpfungen sieht er sich umgeben. » Wanderung und Rast, Flucht und Ruhe zugleich beherrscht seit grauer Vorzeit das Tierleben der Alpen. Im Hochgebirge liegt für die Lebewesen der sichere Hort der Erhaltung und des Widerstands, aber auch der Schauplatz des Verzweiflungskampfs und des Untergangs. Dem sehenden Auge und dem überlegenden Verstand enthüllt der Berg jedes Jahr in der unverbrüchlichen Folge von Sommer und Winter ein engumrahmtes Spiegelbild längst zum Stillstand gekommener Tierwanderungen, die Jahrtausende umspannten.

So oft im Jahreslauf der Winter seine Schneelasten über die Alpen wirft und damit für kurze Monate nur die Eiszeit in kleinem Umfang wiederkehrt, schicken sich die Tiere des Hochgebirgs zum Abstieg in das mildere Tal an. Dann fliegt der bunte Mauerläufer, der sonst an den Alpenfelsen flattert wie ein schönfarbiger Schmetterling, hinaus bis nach St. Gallen und Zürich und bis nach Basel an die Kiesterrassen des Rheins und an die Felswand des Jura. Der Schneefink bittet um Körner auf dem Futterbrett vor der Behausung des Menschen und auf den Strassen der Stadt in Gesellschaft von Sperling und Meise; das Schneehuhn sucht die Passwege auf und die nahrungspendende Nähe der Hospize. Der tieferliegende Bergwald bietet der Gemse Winterquartier und dem Fuchs, und zu ihnen gesellt sich, sobald der Frost die weisse Decke härtet, der in sein Schneegewand gekleidete Gebirgshase. Längst ist die Fledermaus zu Tal geflattert, und schon hat das Murmeltier den hochgelegenen Sommerbau mit dem Winterquartier an der tiefen, sonnenreichen Bergflanke vertauscht. Ein besonders harter Winter treibt Reh und Hirsch bettelnd in die verschneiten Dörfer und Weiler.

Sobald aber Schnee und Eis weichen, laden der föhnmilde Lenz und der warme Sommer die Tierwelt zum Aufstieg, zur Alpfahrt auf Kamm und Fels ein; denn die schöne Jahreszeit hat den Tisch des Hochgebirgs mit jeder Art Nahrung von neuem reich bestellt.

Was der Klimawechsel der Eiszeiten in grösstem Ausmass erzeugte, Flucht der Tiere vor den anschwellenden Gletschern und wieder siegreichen Vorstoss, das wiederholt der Wechsel von Frühling und Herbst jährlich in engstem Rahmen.

Mit der Schilderung der jährlichen Vertikalwanderungen der Alpentiere stehen wir mitten in der alltäglichen Gegenwart, hart an der Schwelle der Zukunft. Diese kommende Zeit erhellt für die Tierwelt des Hochgebirgs ein hoffnungsfreudiger Lichtblick.

Noch einmal greift der Mensch mit eigenwilliger Hand in das Geschick der ihn umgebenden Wildtiere ein, doch diesmal nicht als Zerstörer und Ver-dränger, der die Natur ausbeutet und beraubt, sondern als Schützer und Wiederhersteller, mit dem Willen, zu hegen und Gaben zu spenden.

Zuerst spielt der Gebieter die neue Rolle aus wohlverstandenem, selbst-süchtigem Interesse; er versucht, den Ertrag des Eigentums zu steigern und verlorenes Gut zu retten. Er hebt Fischerei und Jagd, bevölkert die höchsten Gletscherseen mit rotflossigen Forellen und versteht es, den zügellosen, un- fruchtbaren Bergbach zum Nahrungsspender zu verwandeln; er schliesst die Freiberge, vervielfacht den Wildstand und öffnet den Schonbezirk wieder und überliefert die Herden der Gemsen der mörderischen Kugel.

Dann aber erwachen edlere Regungen, das Schuldbewusstsein, ein heiliges Erbe leichtsinnig verschwendet zu haben, die Freude an der frei waltenden und schaffenden Natur. Sie treiben den Menschen zum Versuch, das frevelhaft gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen, die der Tierwelt geschlagenen Wunden zu heilen. Und erst jetzt drängt sich dem selbstbewussten Herrn der Schöpfung die demütigende und furchtbare Erkenntnis auf, wie leicht die Zerstörung fällt, wie schwer der Wiederaufbau. Die Natur hält ihren Besitz zähe fest; das ihr durch Menschenhand Entrissene aber nimmt sie nur zögernd und ungern, als ob es entweiht sei, aus der Hand des Räubers wieder zurück 1 ).

Nur genaueste Kenntnis der Bedürfnisse und der Lebensgewohnheiten des einzubürgernden Wilds, sorgfältigste Auswahl des zu bevölkernden Gebiets und begeisterte Hingabe an das schöne Ziel, der Natur Verlorenes zu schenken, verheissen guten Erfolg. Solche Bedingungen trafen zusammen, als die Berg-und Tierfreunde in St. Gallen, unterstützt von der Einsicht der Behörden, daran gingen, aus dem Park Peter und Paul blutreines Steinwild in die Hochalpen zu verpflanzen. Heute blühen im Freiberg bei Weisstannen und am Piz d' Aela oberhalb Bergün die Steinbockbestände auf, und das königliche Tier hat auch in seinem altangestammten Gebiet, im Nationalpark im Unterengadin, von neuem festen Fuss gefasst 2 ).

In den Dienst der Erhaltung und des Wiederaufbaues, der Sorge für die Zukunft und für die kommenden Geschlechter stellt sich heute selbstlos der machtvolle Gedanke des Naturschutzes.

Ein Stück Alpenland gehört wieder dem ungestörten Wirken der Natur. Über dem Park am jungen Inn zieht der Adler seine stillen Kreise, der stolze Hirsch tritt in die Waldlichtung, und auf blumenbunten Wiesen äsen hundertköpfig die Herden der Gemsen. Der blinkende Firn, der Wildbach von Arven beschattet, das in freier Sicherheit weidende Tier, sie fügen sich zum Gemälde zusammen, unerreicht an Gleichmass und Schönheit und wert der höchsten Hingabe.

1 ) Schutzbestrebungen zugunsten des aussterbenden Wildes reichen besonders in den Bergkantonen weit in das ausgehende Mittelalter zurück. Graubünden erliess im 16. Jahrhundert Bestimmungen zur Erhaltung des Steinbocks; Uri schützte früh die verfolgten Murmeltiere und gründete Kolonien für dieselben im Urserental. Im Jahre 1613 ward der erste grössere Bannbezirk an der Glarner Grenze geschaffen, der dem Wild vollständigen Schutz gewähren sollte ( nach Oechslin ). Glarus besitzt seit Jahrhunderten seinen Freiberg am Kärpfstock.

2 ) Bei Weisstannen wurden Steinböcke im Jahre 1911 ausgesetzt, bei Bergün 1914, 1915 und 1918, im Nationalpark wiederholt in den letzten Jahren. Auch im Harder bei Interlaken und am Schwarzen Mönch bei Lauterbrunnen sind Wiedereinsetzungsversuche gelungen.

Fritz Zschokke.

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