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Dreimal Schüsselkarspitze-Südwand

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VON KARL LUKAN, WIEN

Es war ein heisser Julitag, als wir von Leutasch zur Südwand der Schüsselkarspitze hinaufwanderten. Es war einer von jenen heissen Sommertagen, an denen die Hitze alles Laute erstickt und schon das Summen einer Fliege, die das schweissnasse Gesicht umkreist, laut in den Ohren klingt wie das Dröhnen von Flugzeugmotoren. Es war einer von jenen heissen Sommertagen, an denen man dauernd mit der Versuchung kämpft, sich unter einen Baum ins schattige Gras zu werfen, und an denen man nur aus dem einen Grund apathisch durch die Gegend weiterstolpert, weil man es sich nun schon einmal in der Morgenkühle vorgenommen hatte, zu diesem oder zu jenem Ziel zu gelangen.

Doch für uns war an diesem Tag alles anders! Wir spürten keine Hitze, und wir verfielen nicht in Apathie! Voll Ungeduld wollten wir schon an jenem Punkt des Weges sein, von dem aus wir die Südwand der Schüsselkarspitze in ihrer ganzen Grosse sehen konnten.

In ihrer ganzen Grosse?

Es gab nur eine grosse Enttäuschung, als wir dann die Wand vor uns sahen und absolut nichts Grosses an ihr entdecken konnten! Das war ein unbedeutender gelbroter Felsabbruch, der in greller Sonne unter gebleichtem Himmel flimmerte und flirrte. Das also war die Südwand der Schüsselkarspitze, das also sollte eine der berühmtesten Wände der Alpen sein? Wir waren enttäuscht! Wir waren so enttäuscht wie irgendein Filmfan, der endlich seinem Idol von der Leinwand gegenübersteht und dabei einen müden Menschen mit einem matten Lächeln kennenlernt...

Ausgangspunkt für die Südwand der Schüsselkarspitze ist die Erinnerungshütte.Von der Erinnerungshütte führt ein schmaler Weg über einen Schuttkamm hinauf zu den Felsen unter der Wangscharte. Auf diesem Weg erlebt man das grosse Wunder um die Schüsselkarspitze-Südwand: je näher man auf diesem Weg der Wand kommt, desto unheimlicher und abenteuerlicher wird der Anblick, den sie bietet. Es ist keine geschlossene Wandflucht, die sich da vor dem Wanderer aufbaut, sondern ein willkürliches Übereinander und Nebeneinander von spiegelglatten Plattenzonen, giftiggelben lotrechten Wandstellen, roten Brüchen, dunklen Felsdächern, eine ungegliederte Wand, durchzogen von Rissen und Kaminen, die im Nichts beginnen und im Nichts enden. In dieser Wand gibt es keinen von der Natur vorgezeichneten Weg - sie scheint ungangbar.

Ungangbar?

Das mochten sich auch die Männer gefragt haben, die dann beschlossen, sich die Antwort auf diese Frage in der Wand selbst zu holen.

Im Jahre 1913 wurde die Südwand der Schüsselkarspitze von O. Herzog und H. Fiechtl zum ersten Male durchstiegen. Damals bezeichnete man diesen Weg als einen der schwierigsten in den Alpen.

In der Schüsselkarspitze-Südwand beginnen die Schwierigkeiten bald nach den ersten Metern Fels. Und sehr bald steht man dann vor der ersten Schlüsselstelle der Wand, vor der Plattenver- schneidung. Die Plattenverschneidung ist eine schwere Kletterstelle: etwa zwanzig Meter hoch und glatt, sehr glatt sogar! Ich habe die Plattenverschneidung überwunden, indem ich in dar schmalen Verschneidung immer die Hände zur Faust ballte und mich an den verklemmten Händen höherzog. Man kann die Plattenverschneidung auch mit raffiniertem Spreizen überwinden oder mit Verklemmen der Beine. Aber sie wird immer eine schwere Kletterstelle sein. Dann kommt eine Abseilstelle, dann ein prächtiger rauher Riss und schliesslich die Achtmeterwand. Die Achtmeterwand wird auch noch in der letzten Ausgabe des Wettersteinführers mit Schwierigkeitsgrad VI bewertet -und das ist sehr interessant! Man kann nämlich dieser Wand nicht mehr als den Schwierigkeitsgrad IV zubilligen. Einst war sie wohl eine durch ihre Brüchigkeit gefürchtete Kletterstelle, aber unzählige Begehungen haben nun schon sämtliche brüchigen Griffe und Tritte in die Tiefe befördert. Bleibt nur die grosse Ausgesetztheit. Diese ist freilich ebenso gross wie an den berühmten Stellen in der Nordwand der Grossen Zinne. So eine Ausgesetztheit war man vor etlichen Jahrzehnten noch nicht gewohnt, diese Ausgesetztheit zerrte an den Beinen und an den Nerven, dazu kam nun noch das brüchige Gestein - man bezeichnete damals die Achtmeterwand als die schwerste Stelle der Schüsselkarspitze-Südwand. Wenn fünfzig Menschen behaupten, dass der Abendstern allmählich sein Licht verliere, so wird in der Folge ganz bestimmt der Stern für viele Menschen blässer leuchten. Und jeder Bergsteiger hat es schon oft erlebt: wenn der erste an einer Kletterstelle behauptet, dass diese schwer sei, so wird sich auch der zweite daran schwer tun. Die hohe Schwierigkeitsstufe, mit der die Achtmeterwand im neuen Wettersteinführer aufscheint, ist noch eine kleine Erinnerung an jene Zeiten, in denen die Schüsselkarspitze-Südwand zum Schwersten zählte, was Menschen in den Alpen ersteigen konnten.

Die Achtmeterwand endet unter ungangbaren Abbruchen. Und hier setzt nun der berühmte Pendelquergang an.

Hans Dülfer war der erste gewesen, der mit Hilfe des Seiles den Ausweg nach der Seite suchte, wenn es nach oben nicht mehr weiter ging: 1912 wurde in der Fleischbank-Ostwand der erste Seilquergang gelegt. Ein Jahr darauf schwangen sich die Erstbegeher der Schüsselkarspitze-Südwand an ihrem Seil in wieder kletterbares Gelände. Der Pendelquergang in der Schüsselkarspitze-Süd-wand ist ein kühnes Husarenstück. Er ist im eigentlichen Sinne nicht als schwer anzusprechen: man muss nur nach einem aufregenden Pendeln über der Tiefe mit der linken Hand den entscheidenden Griff erhaschen, um sich dann auf einen kleinen Standplatz zu ziehen. Erhascht man diesen Griff nicht, dann reisst einen das Seil wieder unbarmherzig hinaus ins Leere, und man muss mit einem neuen Pendelschwung trachten, die Sache besserzumachen. Und wenn man dann endlich auf dem kleinen Standplatz Fuss gefasst hat, dann weiss man auch, dass man hier auf alpin-historischem Boden steht ( auch wenn dieser Boden nicht viel grösser ist als eine Zigaretten-schachtel ) dass diese Pendelquerung, dieses klettertechnische Taschenspielerkunststück, eine von jenen Taten war, die tatsächlich eine Wende im Alpinismus herbeiführten. Und wir lächeln ein wenig über die grossaufgezogene « Wende im Alpinismus », die vor wenigen Jahren in einer Dru-Westwand stattgefunden haben sollte, und die eigentlich doch nichts anderes war als nur eine Steigerung in der Entwicklung des extremen Kletterns, die schon vor fast einem Menschenalter ihren Anfang nahm.

Der Pendelquergang ist der Höhepunkt der Herzog-Fiechtl-Route. Mit ihm erkämpft man sich, wie gesagt, ein schmales Leistchen, auf dem man zur Not stehen kann. Gemütlich machen kann man es sich erst einige Seillängen weiter oben in einer kleinen Nische, wo das Wandbuch liegt. Vom Buch weg ist der Weiterweg zum Ausstieg kein Problem mehr.

Mit Befriedigung malten wir unsere Namen in das Buch, mit Befriedigung und mit schweren Fingern. Stundenlang hatten unsere Finger nur Fels, Hanf und Eisen umspannt - jetzt drohten 8 Die Alpen - 1958 - Les Alpes113 sie den zierlichen Damenbleistift zu zerbrechen, den weiss Gott welches Schicksal aus einer parfüm-duftenden Damenhandtasche hierher in die Südwand verschlagen hatte.

« Die Einschreiberei hätten wir billiger haben können, wenn wir von oben herab zu dem Büchi gestiegen wären! » sagte mein Freund Hansl und grinste.

« Und was hätten wir davon gehabt? » fauchte ich ihn, wütend über diesen alpinen Ketzer-gedanken, an.

Jetzt war Hansls Gesicht nur mehr eitel Wonne, weil er wieder einmal einen seiner blödsinnigen Witze angebracht hatte. Er liebt diese Witze. Und ich bin einer von denen, die ihm diese Witze immer wieder abkaufen. Darüber ärgerte ich mich. Aber nicht für lange. Dann lehnte ich mich ebenso geniesserisch wie der Hansl zurück und faltete meine Hände über dem Bauch...

In Witzblättern pflegt man so die Hausherren abzubilden. Nun, wir sahen schon ein bisserl anders aus als so ein Witzblatthausherr - aber unser Behagen und unsere Selbstzufriedenheit war die gleiche... da hoch oben in der Schüsselkarspitze-Südwand, wo die Schwierigkeiten zu Ende sind und das erste Lächeln den Ernst der vergangenen Stunden von unserem Antlitz wischte...

Im Jahre 1927 wurde von den Brüdern Spindler mit Gefährten der Plattenschuss im Westteil der Schüsselkarspitze-Südwand durchstiegen. Dieser Weg endet weitab vom Gipfel auf dem Westgrat und ist nur eine spielerische Anwendung der seit der Erstbegehung der Südwand gesteigerten Klettervirtuosität an dem untersten Abbruch des Plattenschusses, « dieser in raffiniertem Zickzack-denken und Zickzackklettern ausgeklügelten Schlüsselstelle », wie Leo Maduschka darüber schreibt. Aber gerade das Erlebnis dieses Weges hat Leo Maduschka auch zu einem seiner schönsten Gedanken geführt: « Tote Materie, chemische Verbindung von Urstoffen - und dennoch wohnt das Abenteuer im Fels. » Das Abenteuer beginnt am Spindlerweg schon nach knapp zwei Seillängen Schrofenkletterei. Hier setzen die wie von einem Riesenhobel geglätteten hellgrauen Platten an, die es nun zu überwinden gilt: zuerst abseilend, dann querend, nochmals etwas absteigend, wieder ein kurzes Stück hinauf, wieder querend... und dann wird es ganz glatt! Hier beginnt der prachtvolle Seilquergang, an dessen letzten Metern man die Hände so unabkömmlich anderswertig vergeben hat, dass nur mehr der an den Fels gepresste Kopf den im Quergangsseil hängenden Körper nach dem rettenden Standplatz weiterzuschieben vermag...

Wirklich: ein grossartiges Abenteuer!

Und nach diesem Abenteuer folgt dann der Genuss: die Kletterei über den Plattenschuss. In den festen, geneigten Platten gibt es kein Rätselraten um einen Ungewissen Weiterweg, keine Spannung, die treibt und einen seillängenlang nur mit dem Gesicht zur Wand klettern lässt - hier bleibt man auch während des Kletterns sehr oft stehen, geniesst den Tiefblick und den Ausblick und folgt mit den Augen dem Seil, das lässig über den grauen Fels hinschlängelnd zu den Gefährten führt. Diese sind in einem eifrigen Standplatzgespräch...

« Ist diese Kletterei nicht ein herrliches Vergnügen? Und da glauben so manche Leute, dass nur das ein Vergnügen ist, was viel kostet! » « Nun, ein billiges Vergnügen ist die Bergsteigerei gerade auch nicht! Wenn du mich nach diesem Urlaub auf den Kopf stellst, so garantiere ich dir, dass trotzdem kein Groschen aus meinen Hosentaschen fällt! » Nein, ein billiges Vergnügen ist die Bergsteigerei nicht! Da sind ein Paar Kletterschuhe, die zum Schuster müssen, weil sich die Zehen unbeschwert von materiellen Problemen einen Ausweg zur frischen Bergluft gebohrt haben. Von den an der Schulterschlinge baumelnden Mauerhaken sind mehr als die Hälfte phantastisch verdrehte Korkenzieher. Und das hatten wir uns auch schon fest vorgenommen nach den spartanischen Zucker-, Zitronen- und Konserventagen wollten wir jeder einmal an einem gedeckten Tisch für zehn Personen essen! Ein billiges Vergnügen ist die Bergsteigerei nicht. Man glaubt nur, dass es so ist, weil man dabei so viel für sein Geld bekommt.

Der Plattenschussweg wurde zum ersten Male begangen in einer Zeit, die man vielleicht die goldene Zeit des Felskletterns nennen sollte. Man hatte in dieser Zeit ganz bestimmt schon das technische Können, um etwa eine Nordwand der Westlichen Zinne zu durchsteigen - aber man tat es nicht, weil man mehr auf Genuss eingestellt war. Man wendete lieber alle technischen Feinheiten und alles Können dafür auf, um einen Plattenschuss zu erreichen, der ein Kletterparadies in leichtem, festem Fels verhiess. Man sah in den Schwierigkeiten nur eine Art Griessbreiberg vor dem Schlaraffenland, und man frass sich durch den Griessbrei, weil man die Spanferkel und Brathühner wollte. Erst heute gibt man sich mit dem Griessbrei allein zufrieden...

Etliche Jahre bevor ich selbst den Spindlerweg durchstieg, hat mir auf der Oberraintalhütte ein Münchner Kletterer begeistert von diesem Weg erzählt. Es war schon ein älterer Jahrgang, und seine Art, zu erzählen, war sehr plastisch, so plastisch, dass der Erzähler manchmal dabei unter den Hüttentisch verschwand, manchmal hoch aufgereckt auf der Bank stand, um die einzelnen Kletterstellen zu demonstrieren.

Damals haben wir über diesen Mann gelächelt. Jetzt muss ich wieder an ihn denken. Jede seiner Bewegungen sehe ich heute noch vor mir: ausgeglichene Bewegungen, behutsame Bewegungen -so wie man nach etwas Kostbarem greift...

Künstler beschreiben in dieser Art ihre Werke.

Als der Spindlerweg zum ersten Male begangen wurde, sah man in der Kletterei noch fast etwas Ähnliches wie eine künstlerische Tätigkeit.

Im Jahre 1934, also ein Jahr später, nachdem in den Dolomiten die Nordwand der Grossen Zinne erobert wurde, fiel auch die Südostwand der Schüsselkarspitze; und mit der Nordwand der Grossen Zinne wird die Südostwand der Schüsselkarspitze immer wieder verglichen. Manche Bergsteiger sagen allerdings, dass die Südostwand infolge ihrer kraftraubenden Risse schwerer sei. Im Wettersteinführer wird sie mit VI + bewertet. In der Südostwand findet der eine Schwierigkeitsgrad seinen Ausdruck, den die Entwicklung der Klettertechnik seit der ersten Ersteigung der Schüsselkarspitze von Süden nahm. Im Wettersteinführer wird für diese Wand eine Kletterzeit von 6-12 Stunden angegeben. Diese Zeitangabe sagt mehr über die heutige Situation des extremen Alpinismus, als es beim oberflächlichen Lesen scheint.

Im extremen Alpinismus sind heute nämlich Zeit und Schwierigkeitsbegriffe bereits aufgehoben! Wer heute eine Seilschaft von Spitzengehern in schwerstem Gelände beobachtet, wird aus dem Staunen nicht herauskommen über die Leichtigkeit, mit der diese über die schwersten Stellen hinweggeht. Ein siebenter Schwierigkeitsgrad ist nicht mehr möglich - darum konzentriert sich die ganze Kraft der heutigen Jugend auf den sechsten Schwierigkeitsgrad. In viereinhalb Stunden stieg bereits eine Zweierseilschaft durch die Südostwand. Und im Alleingang wurde sie auch schon bezwungen.

Wer in viereinhalb Stunden durch die Südostwand steigt, der darf sich allerdings keine solchen Extratouren leisten wie wir...

Da standen wir unter einem mächtigen Überhang. Der Überhang sah nicht nur mächtig, sondern auch unmöglich aus. An seiner äussersten Kante steckte ein einsamer Mauerhaken.

« So verrückt möchte ich nie in meinem Leben sein, dass ich so einen Überhang freiwillig hinauf-klettere! » sagte ich.

« Dieser Zauberer, der den Mauerhaken da oben geschlagen hat, muss seine Augen mit Kuh-dreck verpickt gehabt haben! » sagte der Freund. Das war zwar sehr drastisch ausgedrückt, aber angesichts der einladenden Hakengalerie, die links von dem Überhang höherführte, war diese drastische Ausdrucksweise immerhin berechtigt.

Nun - wir hatten unsere Augen offen! Und darum begann ich mich über die einladende Hakengalerie höherzukarabinern. Dickes Seil - Zug! Dünn nachlassen... gut fünfzehn Meter ging es in dieser Tonart hinauf... dann musste ich erkennen, welcher sonderbaren Einladung ich da gefolgt war!

Über mir steckte ein verdächtig nach abwärts gebogener Haken mit einem rostigen Karabiner darin. Und nach diesem Haken kam keiner mehr! Über diesem Haken war ein klettertechnisches Nichts, ein zu Stein gewordenes Unmöglich - eine spiegelglatte Platte, ohne Griffe, ohne Tritte, ohne Hakenloch...

Der richtige Weg ging rechts über den mächtigen Überhang hinauf! Und ich musste mich nun die Hakengalerie wieder hinunterkarabinern ( einladend hatte ich sie vor zehn Minuten noch genannt - jetzt bekam sie von mir alle Namen, die der Duden schamhaft verschweigt und die ihn darum nur als ein unvollkommenes Wörterbuch der deutschen Sprache erscheinen lassen !).

Und dann stand ich wieder unter dem mächtigen Überhang und sah hinauf zu dem einsamen Mauerhaken Wie hatte ich noch vor nicht allzu langer Zeit gesagt? « So verrückt möchte ich nie in meinem Leben sein, dass ich so einen Überhang freiwillig hinaufklettere! » Jetzt war es so weit!

Der Mensch hat auch als Bergsteiger seine gewissen Grundsätze. Ich steige - ausser auf Hausberge - nur selten auf einen Berg zweimal hinauf. Ich mag die Spannung des Unbekannten, und mich locken jene Berge viel mehr, die ich noch nicht kenne - es sind ihrer sowieso viel zu viele für dieses kurze Leben! Die Schüsselkarspitze, die wir an drei einander folgenden Tagen über die Südwand erstiegen, war eine Ausnahme, eine berechtigte Ausnahme sogar, denn jeder einzelne ihrer Durchstiege ist so ganz anders als die anderen. Man sagt, dass beim Verspeisen eines Truthahnes der Geschmack von sieben verschiedenen Fleischsorten zu erkennen wäre. So ähnlich ist das auch mit der Schüsselkarspitze-Südwand: auf jedem dieser Durchstiege ist der Fels anders und wird ein anderer Kletterstil notwendig; es scheint so, als seien mehrere Wände zu dieser einen Wand zusammengeschmolzen. Als der schönste Durchstieg durch die Wand schien uns die Herzog-Fiechtl-Route - ihre abenteuerliche Wegführung bereitete uns mehr Freude als die vielgerühmte Himmelsleiter an der Schleierkante.

Als wir von der Erinnerungshütte wieder zu Tal stiegen, hatte die Hitzewelle noch immer nicht nachgelassen. Unsere Körper waren braun und ausgebrannt von Durst und Hitze in der Südwand. Unsere Gedanken kreisten jetzt nur mehr um ein kühles Bad und um ein standesgemässes Mittagessen in einem schattigen Garten, um ein Mittagessen mit viel grünem Salat und mit einem Glas voll schäumenden Biers dazu...

Wir nahmen Abschied von der Südwand der Schüsselkarspitze an jener Stelle, von der aus wir sie beim Aufstieg zum ersten Male in ihrer ganzen Grosse gesehen hatten.

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