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Ernährung

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VON HANS THOENEN

Zahlreich sind die Publikationen über Ernährung im Hochgebirge. Klare, vernünftige, ernäh-rungswissenschaftlich wohl fundierte Darlegungen wechseln mit mystischen, zum Teil mit sektie-rerischem Eifer vertretenen Auffassungen.

Bei der Zusammenstellung des Verpflegungsplanes der Andenexpedition gingen wir von der Grundidee aus, uns möglichst auf Lebensmittel zu stützen, an die wir gewohnt sind, die sich auf Touren in den Alpen und auch in ausseralpinen Gebieten bewährt haben. Wohl wurde in grossen Zügen auf eine vernünftige Verteilung auf Kohlehydrate, Fette und Eiweiss geachtet und die nötige Kalorienzahl pro Mann und Tag überschlagsmässig ausgerechnet. Auf eine minutiöse Berechnung wurde bewusst verzichtet, da der Verpflegungsplan nur eine grobe Grundlage für die tatsächliche Ernährung während der Expedition darstellt. Alles Austüffteln ist illusorisch.

Die sorgfältige Zusammenstellung der Nahrungsmittel entscheidet in nicht unwesentlichem Masse über Stimmung und Wohlbefinden der Expeditionsteilnehmer und ist damit ein beeinfluss-barer Faktor, der den Erfolg einer Expedition steuern kann. Auch wenn von einem Expeditionsteilnehmer Anpassungsfähigkeit in jeglicher Beziehung verlangt wird, so ist es sicher falsch, wenn man z.B. dem Fritz jeden Tag Haferbrei vorsetzt, den er von Kindsbeinen an nicht essen konnte. Wenn dann noch andere, unvermeidliche physische und psychische Belastungen dazutreten, so kann diese relative Kleinigkeit zur Explosion führen. Solche Episoden sind auf Expeditionen nicht selten ( bei uns glücklicherweise nicht ), sind aber nicht in den offiziellen Expeditionsberichten zu finden, sondern ergeben sich aus Gesprächen über die inoffiziellen Seiten einer Expedition. Aus diesem Grande war es unser Bestreben, soweit Volumen, Gewicht, Preis und Haltbarkeit der Lebensmittel es erlaubten, auf die Wünsche des einzelnen Rücksicht zu nehmen. Zu Beginn der Vorbereitungen wurde an alle Teilnehmer ein Fragebogen verschickt, auf dem jeder seine Wünsche anbringen konnte.

Aus dieser Grundkonzeption geht klar hervor, dass wir uns von der Auffassung distanzierten, dass für den besonderen Anlass der Expedition auch eine besondere Ernährungsform geschaffen werden müsse. Man versprach sich gelegentlich von einer solchen Umstellung Wunderwirkungen, weil man sich an Ernährungsformen besonders leistungsfähiger und gesunder Naturvölker anlehnte, wobei neben der Wahrheit auch die Dichtung eine bedeutende Rolle spielt. Dass z.B. die Ernährung fast ausschliesslich aus Zerealien, entsprechend den Möglichkeiten der Nahrungsmittel-beschaffung bei diesen Völkern, seine Berechtigung hat, ist unbestritten, wobei aber gerade bei diesen in vieler Augen ideal ernährten Völkern Eiweiss- und Vitaminmangelerscheinungen nicht zu selten sind. Noch vor einigen Jahrzehnten wurde die « urtümliche und gesunde » Ernährung unserer Älpler in allen Tönen gepriesen, bis dann objektive Untersuchungen den Ruf dieser Idealernährung gehörig erschütterten. Mit Vorteil holt man sich heute die Idole aus entfernteren, weniger gut untersuchten Gebieten. Dass nun aber ein Westeuropäer, der während seines Trainings in den Alpen bei gemischter Ernährung sehr leistungsfähig geworden ist, sich plötzlich für eine Expedition umstellen sollte, ist nicht einsehbar. Die Hintergründe zu solchen Entschlüssen sind sehr oft nebelhafte Vorstellungen, die ihren Ursprung in pseudowissenschaftlichen Ernährungszeitschriften finden, die dem Hang des Publikums nach dem Aussergewöhnlichen Rechnung tragen und daraus Kapital schlagen. Das soll nun aber nicht ausschliessen, dass in beschränktem Umfang neue, den meisten Expeditionsteilnehmern unbekannte Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie mitgeführt und ausprobiert werden sollen. Nur für absolute Grossexperimente ist auf einer Expedition kein Raum, da bei einem Misserfolg dann keine Ausweichmöglichkeit mehr besteht. Soweit die allgemeinen Betrachtungen über die Expeditionsernährung.

Bei der praktischen Zusammenstellung des Verpflegungsplanes stützten wir uns weitgehend auf die Erfahrungen der Lhotse-Everest-Expedition 1956. Der Bedarf an Lebensmitteln wurde unter der Annahme berechnet, dass wir uns insgesamt drei Monate in Peru aufhalten würden, wovon zwei Monate auf An- und Rückmarsch und in Basislagern und ein Monat am Berg. Für Anmarsch und Basislager stellten wir Menupläne zusammen, wobei die Menge eines jeden Artikels pro Mann und Mahlzeit angesetzt wurde. Die Möglichkeit der Verpflegung aus dem Lande wurde in diese ursprüngliche Berechnung nicht einbezogen, da das nähere Ziel der Expedition zur Zeit der Aufstellung des Verpflegungsplanes noch nicht feststand. Mit der Beschaffung von Kartoffeln und Frischfleisch konnte allerdings nach den verfügbaren Informationen überall gerechnet werden. Da die berechnete Lebensmittelmenge sicher sehr reichlich war, verzichteten wir auf eine spezielle Berücksichtigung des Verbrauches durch die Träger aus unseren Beständen, da vorgesehen war, dass sich die Träger auf dem Anmarsch und im Basislager selbst versorgten, d.h. die ihnen gewohnten Lebensmittel selbst einkauften und dafür eine angemessene Geldentschädigung erhielten. Auf der Expedition wurden dann die Träger in grösserem Umfang aus den mitgeführten Lebensmittel-beständen versorgt, da sich ein immer deutlicher werdender Überschuss an Lebensmittel abzuzeichnen begann. Wir gingen daher auch dazu über, Maultiertransporte nach Möglichkeit in Naturalien zu begleichen.

Die Zusammenstellung des Lebensmittelbedarfes nach Menuplänen hat sich gut bewährt, da damit für Abwechslung und vernünftige Proportionen in den mitgeführten Lebensmittelmengea gesorgt war, obwohl man sich während der Expedition nur sehr selten an ein Menu hielt.

Da wir auf der Expedition in beiden Phasen in zwei Gruppen arbeiteten, ergaben sich gewisse Schwierigkeiten in der Verteilung der Lebensmittel, da diese Zweiteilung erst beschlossen wurde, als die Lebensmittel längst verpackt waren. Um zeitraubende Umpackungsmanöver zu vermeiden, wurden den einzelnen Gruppen vollständige Menus zugeteilt, und die Abwechslung war somit etwas geringer als nach der ursprünglichen Planung vorgesehen. Trotzdem hatten wir nicht den Eindruck einer monotonen Ernährung.

Obgleich wir einen grossen Teil der Lebensmittel in Peru selbst hätten beschaffen können und damit die Transportkosten geringer geworden wären, war auch rückblickend betrachtet der Entschluss richtig, praktisch alle Lebensmittel aus der Schweiz mitzubringen: Wir hatten in Peru keinen Einfuhrzoll zu entrichten, der Grossteil der Lebensmittel konnte in der Schweiz zu reduzierten Preisen oder gar gratis beschafft werden, und damit wurden die Transportkosten wettgemacht. Wir hatten zudem sichere Gewähr für gute Qualität und zweckmässige, sorgfältige Verpackung. Beim Abmarsch oder während der eigentlichen Expedition kauften wir nur Zucker, Mais, zum Teil Teigwaren, Kartoffeln, Eier, Frischfleisch und nach Möglichkeit Früchte. Eine besonders geschätzte Abwechslung war immer das frische Schaffleisch, das in Peru vollständig frei ist von dem bei uns üblichen penetranten Beigeschmack. Zudem war es sehr billig, kostete uns doch ein mittelgrosses Schaf nur 10-15 Franken.

Manchmal hatten wir bei den Vorbereitungsarbeiten das Gefühl, die reichliche Dotation mit Fruchtjus, Gemüsekonserven und Büchsencremen übersteige das zulässige Mass für Expeditionäre, die zu einfacher, spartanischer Lebensweise fähig sein sollten. Auch hier waren wir durch alte Expeditionsfüchse gut beraten, die noch und noch bewiesen haben, dass sie die nötige Härte besitzen und Entbehrungen auf sich nehmen können, aber gleichzeitig auch den Mut besitzen, dazu zu stehen, dass wir bei der Auffüllung unserer Kraftreserven im Basislager unsere durch die Zivilisation geprägten Gewohnheiten nicht verleugnen können. Das Resultat ist sicher besser, als wenn wir falsche Tatsachen vorspiegeln. Gar mancher, der das Ideal des entbehrungsreich, einfach lebenden Naturmenschen predigt, zieht mit finsterer Miene für ein Wochenende oder wenn es hoch kommt für eine Woche mit spartanischer Wegzehrung in die Berge, um sich dann hinter Mutters Suppen-töpfen in herkömmlicher Weise um so gütlicher zu tun.

Für die Tage am Berg und in den Hochlagern stellten wir drei verschiedene « Angriffspackungen » zusammen, die die gleiche Grundzusammensetzung aufwiesen, in ihren Variationen aber den Wünschen der verschiedenen Teilnehmer Rechnung trugen. Sie enthielten Nahrungsmittel und notwendigste Gebrauchsgegenstände für 2 Mann/1 Tag. Als Beispiel sei Angriffspackung A angeführt: Vorgekochte Haferschleimsuppe 100 g, Fleischsuppenwürfel 4 Stück, Darvida 250 g, Waffeln 200 g, Nuxostengel 200 g, Traubenzuckerpulver 150 g, Traubenzucker geliert 150 g, Ovosport oder Caoforce 2 Pakete, Thon 200 g, Corned-beef 250 g, Schokolade 100 g, Bonbons 80 g, Milchpulver gezuckert 80 g, Tee 25 g, Kaugummi 20 g, kandierte Früchte 200 g, Salz 50 g, Würfelzucker 150 g, Nescafe 2 Tuben, Perly-Limonade 2 Stück, Sicherheitszündhölzer, WC-Papier, Poly-äthylensäcklein. Zu je 10 Angriffspackungen eine Zusatzpackung mit 1 kg Büchsenbutter und 1 kg Honig. Die Angriffspackungen enthielten vor allem Lebensmittel, die man auch bei grossen Anstrengungen noch gerne geniesst, gleichzeitig sollte es aber auch möglich sein, in Biwaks und Hochlagern einfache warme Mahlzeiten herzurichten.

Rückblickend betrachtet, nahmen wir zu reichlich Angriffspackungen mit, da wir weniger lange Zeit in Hochlagern zubrachten als vorgesehen. Das war auf die günstigen Verhältnisse zurückzuführen und auf die bei uns übliche Gangart, dass die Seilschaften wechselweise vom Basislager oder einem Hochlager aus die Aufstiegsrouten präparierten und die Gipfel dann gewissermassen im « Handstreich » genommen werden konnten ( Herr Oechslin möge mir die Ausdrucksweise verzeihen ). So kam es, dass wir für gleiche und analoge Besteigungen weniger Hochlager brauchten als Expeditionen vor uns, und somit war auch die Dotation mit vorbereiteten Verpflegungseinheiten zu hoch. Man könnte sich diese für Besteigungen in den Anden überhaupt ersparen, da nur selten Hochlager für längere Zeit besetzt werden und sich nicht die Notwendigkeit, wie etwa bei der Besteigung von Achttausendern, ergibt, eine leicht kontrollierbare Übersicht zu haben, für wie lange Zeit und wieviel Mann Verpflegung in den einzelnen Lagern vorhanden ist.

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