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Etwas über Alpenpflanzen

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Von Rudolf Gsell

Mit 4 Abbildungen im Text.Chur ).

Wenn in unsern Bergen das grosse Blühen von neuem einsetzt, dann verweilt wohl jeder Bergsteiger gerne auf den blumigen Matten und freut sich an der Farbenpracht und dem Duft der Alpenflora, Bald sind es einzelne Pflanzen, die unsern Blick gefangennehmen, bald wieder ganze Blüten-teppiche, deren leuchtende Farben oft alles Grün übertönen. Und dann hebt in uns manchmal das Fragen an, der Drang nach dem Wissen. Eine der ersten Fragen ist wohl stets diejenige nach dem Namen der Pflanzen, und da helfen uns ja die mannigfachen Taschenfloren, die wichtigsten und augenfälligsten Vertreter der Alpenflora kennenzulernen. Dann tauchen andere Fragen auf, so nach Verbreitung, Höhengrenzen, Volksnamen, und mancher mag sich da auch fragen, seit wann diese und jene Pflanze bekannt ist. Denn lange bevor die Alpen von Touristen besucht wurden, führten schon Pfade über die Alpen hinweg, und Wanderer und Säumer, ja ganze Heere zogen über die Berge. Die hatten doch alle schon solche Alpenpflanzen gesehen und wussten davon, zumal ja die Reise damals viel gemächlicher ging als heute und so den Wanderer in einen engen Kontakt mit der Natur bringen musste.

So greifen wir zu Hause nach unsern Büchern Wir möchten gerne in den Schriften vergangener Jahrhunderte stöbern. Aber — schon wird der Pfad beschwerlich — es gab noch keine gedruckten Bücher, nur Handschriften, die ungleich schwerer zugänglich sind als Bücher. Und viele der alten Bücher sind lateinisch geschrieben, und aus den Beschreibungen geht nicht immer mit Sicherheit hervor, welche Pflanze gemeint war. So stellen sich Schrunde und Klippen ein und zwingen oft zu Umwegen oder manchmal gar zur Umkehr.

Lassen wir heute unsere Wanderung in die Vergangenheit dort beenden, wo wir noch Bücher finden, nämlich im 16. Jahrhundert.

Damals nahm die botanische Wissenschaft einen mächtigen Aufschwung. Sie befreite sich von der Kettung an die medizinischen Wissenschaften und wurde selbständig. Es kamen Bücher heraus, welche die Pflanzen beschrieben und auch abbildeten. Erst die Kräuterbücher, die eine Art Lehrbücher der Botanik waren, später auch wissenschaftliche Abhandlungen über einzelne Gebiete.

Und schon vor rund 400 Jahren wurden auch Alpenpflanzen beschrieben und abgebildet.

Simler hat schon 1574 eine kleine Zusammenstellung von rund 50 Alpenpflanzen gemacht. Später hat dann Joh. Jac. Scheuchzer ein gegen 100 Seiten umfassendes Verzeichnis von selteneren Alpenpflanzen, die er anfangs des 18. Jahrhunderts ( nämlich 1702—1711 ) auf seinen Alpenreisen sah, in seinen Reiseberichten veröffentlicht ( 1723 ).

Greifen wir einige Pflanzen heraus.

ETWAS ÜBER ALPENPFLANZEN.

Die Alpenrosen. Sie gehören zu einer Pflanzengattung, die mehrere hundert Arten umfasst. Bei uns kommen nun aber nur zwei Arten vor, nämlich die rostrote Alpenrose ( lat. Rhododendron ferrugineum ), deren Laubblätter auf der Unterseite rostrot gefärbt sind, und die behaarte Alpenrose ( lat. Rhododendron hirsutum ), deren Laubblätter behaart sind. Beide Pflanzen sind Bewohner der Alpen, die schon seit langem bekannt sind. So beschrieb Clusius schon 1583 die beiden Arten, die er Ledum alpinum nannte. Über die behaarte Alpenrose sagt Clusius u.a., dass sie harte, am Rande behaarte Blätter habe, und hängende, nach Art der Glocken gehöhlte Blüten mit fünf Zipfeln, aussen intensiv rot mit silbernen Punkten, innen heller rot. Dann fährt er fort: « Man findet noch eine andere Art, mit weniger Blättern und diese nicht so dicht beisammen-stehend, grösser und härter, so gut wie ohne Adern, länger zugespitzt, am Rande kaum behaart und unterseits gewöhnlich gelb oder rostig schwärzlich; die Blüten sind der obigen ähnlich, doch etwas heller... » Clusius hat also die beiden Arten deutlich unterschieden. Er verweist ferner darauf hin, dass Conrad Gesner in seiner Beschreibung des Pilatus schon 1555 die Alpenrose erwähnte, und fährt fort: « Die Alpenhirten nennen sie Alprosen und Bergrosen,... einige nennen sie Baren-blust, manche Hunerlaub * ) », und endlich sagt er, dass man sie im Pilatusgebiet Rausch nenne. Das sind Namen, die auch heute noch gebräuchlich sind, namentlich Alpenrose und Behaarte Alpenrose ( lat. Rhododendron hirsutum L. ).

( Alm)rausch.

" Viel später, nämlich 1723, schreibt Scheuchzer, dass die Alpenrose, die er ebenfalls Ledum alpinum nennt, von den Einheimischen Rafauslen, im Wallis Huenstauden genannt werde, und dass im Urserental und im Wallis, auf jenen Höhen, wo wegen der Dünne der Luft und der Höhe keine höhern Bäume wachsen, man die Pflanze für die Küche und als Brennholz brauche.

Bekanntlich finden wir an unsern Alpenrosen, namentlich an deren Blättern, oft kleine runde Wucherungen, die Alpenrosenäpfeli, welche durch Pilzgallen hervorgerufen werden. In seinem Buche « Pflanzenleben der Alpen » gibt Schröter 1908 eine Abbildung einer solchen Wucherung, allerdings um 90 Grad gedreht, entnommen aus Scheuchzers « Alpenreise » ( 1723 ). In diesem Werke schreibt Scheuchzer, er habe am Splügen solche Knöllchen in Menge gesammelt.

Aber schon bei Clusius findet sich ein solcher Gallapfel abgebildet, und Clusius schreibt dazu:

ETWAS ÜBER ALPENPFLANZEN.

« Bisweilen findet man an ihren Blättern und Zweigen angefügte kleine Knoten, bald von der Grosse einer Haselnuss, bald von Erbsgrösse, die ungleichmässig sind, aussen rötlich oder manchmal gelblich, innen schwammartig, fleischig und die vielleicht Gall-äpfeln entsprechen. » Das Edelweiss gehört zu einer Pflanzengattung, die auf den Steppen und in den Hochgebirgen Asiens zu Hause ist.

Unser Edelweiss ( lat. Leontopodium alpinum ) ist eine weitverbreitete Pflanze, die von den Pyrenäen bis zum Himalaya, bis nach Tibet, China und Japan reicht. Im Himalaya steigt sie bis über 5000 m Höhe hinauf, anderseits werden Fundstellen angegeben, die weit unter 1000 m liegen.

Auch das Edelweiss ist längst bekannt, beschrieben und abgebildet worden. So geben Clusius 1583 und Dodonaeus 1583 gute Abbildungen. Ersterer beschrieb sie als Gnaphalium alpinum, Dodonaeus dagegen als Leontopodium Matthioli. ( Heute verstehen wir unter Gnaphalium unser Katzenpfötchen ( Maiensässblüemli ), eine nahe Verwandte des Edelweiss. ) Clusius führt unter anderem aus, dass die Pflanze behaart „... _. ., und völlig grau sei und dass die Blütenköpflein Edelweiss ( lat. Leontopodiumalpinum Cass).jenen von Gnaphalium glichen. Er erwähnt sodann, dass S imi er in seinen Kommentaren über die Alpen ( 1576 ) die Pflanze Wullblumen nenne. Der Volksname Wullblume bezeichnet heute aber nach Hegi eine andere Pflanze, während der Name Edelweiss nach Hegi zwar ein alter Volksname ist, der schon Ende des 18. Jahrhunderts genannt wird, aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung des Bergsportes allgemein wurde.

Das Männertreu ( lat. Nigritella nigra ) ist wohl allen bekannt, jene Orchidee mit den schwarzroten Köpflein und dem feinen Vanilleduft, derentwegen sie etwa auch Bränderli, Vanilleblüemli und Schokoladeblüemli heisst. Ausserhalb der Alpen kommt sie noch in Skandinavien vor. Auch diese Pflanze wurde schon im 16. Jahrhundert beschrieben und abgebildet.

Im Jahre 1536 bestiegen Joh. Müller von RhellikonJohannes Rhellicanus ) und drei Berner das Stockhorn. Daraufhin verfasste Rhellicanus das Gedicht « Stockhornias », das aus 130 Hexametern besteht und in welchem er auch das Brendlin erwähnt und von ihm rühmt, dass es angenehmer dufte als selbst der Moschus.

Und Conrad Gesner schreibt 1561, dass man die Pflanze ihrer schwarz-purpurnen Farbe wegen Brendli heisse, dass sie gar lieblich dufte und dass der Versuch, sie in Lausanne anzupflanzen, misslungen sei.

In den Schriften des Matthiolus ( 1565 ) steht unter anderem zu lesen: «... wird viel im Schweitzerlandt gefunden... Die Kühe sind gern auff ETWAS ÜBER ALPENPFLANZEN.

der Wiesen, da solche Bluemlein aufwachsen, derwegen sie es daselbst Küh-brendlin oder schlecht Brendlin der schwaertzlichen Färb halben nennen... » Scheuchzer berichtet 1723, dass die Pflanze von etlichen Alpenbewohnern wegen des Geruches Brendle, Brändlin, von andern der Farbe wegen Möhrlin, Mohrenköpflin genannt werde und dass sie nur auf den höchsten Jochen der Alpen allgemein gefunden werde. An einer andern Stelle sagt er, dass er die Pflanze beinahe auf allen Bergen von Glarus, Uri, Rätien und des Wallis gefunden habe.

Die Aurikel ( lat. Primula Auricula ), unser Flühblüemli, wurde ebenfalls schon 1583 von Clusius beschrieben, und zwar unter dem Namen gelbblül ige Bärenaurikel = Auricula ursi luteo flore. Dieser Gelehrte schrieb unter anderem darüber: « Die Blätter sind gleichsam mit feinem Mehl bedeckt... die Blütenstengel sind nackt, ebenfalls mit Mehl bis zu einem gewissen Grade bestäubt. Die Blüten, welche 5 oder 6 Zipfel haben, sind bald gelb, bald blassgelb und innen gegen den Schlund hin mit einem weissen Kreis... » Die Enzianarten. Ich will hier nur wenige Arten kurz streifen. Der gelbe Enzian ( lat. Gentiana lutea ) scheint damals noch sehr verbreitet gewesen zu sein. Fuchs berichtet 1532: « Entzian wechst auff den hohen luefftigen bergen / auch in den schattechten un wässerigen tälern / und ist seer gemein in unserm Teütschen land... », und von den Wurzeln sagt er: « Seind ein treffenliche artzney für allerley gifft / und bekommen seer wol dem schwachen magen. » Fuchs erwähnt auch, dass der Name Enzian von dem König Gentius abzuleiten sei1 ).

Der rote Enzian ( lat. Gentiana purpurea ) hiess damals Grosser roter Enzian ( oder Gentiana major purpurea ), während der punktierte Enzian ( lat. Gentiana punctata ) etwa genannt wurde: der Grosse Enzian mit getüpfelter Blüte ( Gentiana major flore punctata ), so bei Bauhin, oder Gentiana major pallido punctis distincta bei Cl u s i u s, der 1583 berichtet, es sei in Schlesien von Achilles Cromerus ein Enzian gefunden worden, der, wie er aus den ihm zugesandten getrockneten Exemplaren ersehen könne, etwas kleinere Blüten habe ( als der gelbe Enzian ), von bleicherer Farbe oder, wie ihm geschrieben worden sei, von hellerem Gelb mit sehr vielen schwarzenFlüe Punkten innen und aussen. Clusius erwähnt ( |at. Primula Auricula L. ).

ETWAS ÜBER ALPENPFLANZEN.

sodann auch den pannonischen Enzian, eine ostalpine Art, die für die Schweiz nur im Churfirstengebiet angegeben wird. Vom kurzstieligen Enzian ( lat. Gentiana Clusii ) erwähnt derselbe Forscher unter anderem: « Stengel so lang wie eine Daumendicke, mitunter etwas länger, kantig, mit 4 oder mehr stets gegenständigen Blättern und mit einer einzigen, im Verhältnis zur ganzen Pflanze grossen Blüte, die nach Art eines Napfes oder einer Glocke hohl ist und länglich, und die in 5 Zipfeln endet... und von der schönsten und lebhaftesten himmelblauen Farbe. » Clusius kannte auch mehrere alpine Hahnenfussarten. Eine scheint der Alpenhahnenfuss ( lat. Ranunculus alpestris ) gewesen zu sein. Ein anderer, welchen er als Alpenhahnenfuss I andere Art beschrieb, war offenbar der Gletscherhahnenfuss ( lat. Ranunculus glacialis ), « dessen Blätter in drei tiefe Zipfel geteilt sind, welche ihrerseits mehrfach eingeschnitten sind... Beide Arten kommen auf den höchsten Bergrücken des Schneeberg und der benachbarten Alpen vor auf rauhem Boden und beinahe in den Spalten der Felsen selbst ». Scheuchzer schildert den Gletscherhahnenfuss 1703 als den roten Alpenhahnenfuss des Felix Plater mit dem zottigen Kelch, und zwar von den schneereichen Bergen des Septimers und später auch vom obern Tessin.

Aber auch kleinere Alpenpflanzen waren schon im 16. Jahrhundert bekannt, so die Soldanellen. Bei uns kommen zwei Arten vor, nämlich Soldanella alpina mit tief geschlitzter Blüte und Soldanella pusilla mit kaum eingeschnittener und mehr geschlossener Blütenkrone Erstere wird schon 1593 von Clusius als Soldanella alpina angeführt und eine « sehr zierliche Pflanze » genannt, die man allgemein Soldanella nenne, « mit 2, 3 oder mehr Blüten, bald dunkelpurpurn, bald heller, geruchlos, glockenartig, nach abwärts schauend und hängend, und aus einem einzigen Blatt mit 5 tiefen Zipfeln bestehend... Wächst reichlich in den österreichischen und steirischen Alpen gegen den ewigen Schnee hin. » Dann erwähnt Clusius noch eine zweite Art, womit er vielleicht Soldanella pusilla meint. Clusius sagt, er habe weder von Alpenhirten noch von Jägern einen Volksnamen für Soldanella erfahren können. Den Namen Soldanella gab er der Pflanze, weil « ihre Blätter jenen der Soldanella marina glichen », also einer Winde ( heute Convolvulus Soldanella L ).

In einem Innsbrucker Herbar, das im Anfang des 17. Jahrhunderts angelegt wurde, scheint die Pflanze Soldanella montana oder Bergmöhrkhel genannt worden zu sein.

Heute trägt sie auch den Namen Alpen-(lat. Soldanella alpina L.). glöcklein.

Selbst recht unscheinbare Alpenpflanzen entgingen den Forschern jener Zeit nicht, ja manche Pflanze, die sie damals kannten, wurde in spätem Zeiten wieder übersehen und erst neuerdings wieder zu Ehren gezogen. Selbst unsere Zwergorchis ( lat. Chamaeorchis alpina ) war schon im 16. Jahrhundert bekannt, ein oft nur 5—7 cm hohes Pflänzlein mit grasartigen Blättern und kleinen, grünlichen Blüten, das gerne an Bergkanten wächst und bis 2700 m hinaufsteigt.

Aus dem bunten Strausse von Alpenblumen, die schon in jener Zeit beschrieben wurden, nenne ich nur noch den gelben Fingerhut ( lat. Digitalis lutea ), die Mondraute ( lat. Botrychium Lunaria ), den Türkenbund ( lat. Lilium Martagon ), die Hauswurz ( lat. Sempervivum ) und viele andere mehr.

So wurde denn, lange bevor die ersten Touristen die Alpen durchstiegen, die Flora der Alpen, namentlich der Ostalpen, erforscht, und vieles von dem, was uns heute darüber bekannt ist, hat man schon damals gewusst, zu einer Zeit, da man noch ohne Eisenbahn und andere Verkehrserleichterungen, ohne bequeme Absteigequartiere und ohne die heutigen Hilfsmittel der Wissenschaft, wie Handbücher, Taschenfloren, Photoapparat und anderes mehr, sich dem Studium der Alpenpflanzen widmete.

Zum Schlüsse möge mir gestattet sein, eine Stelle aus Scheuchzers Beschreibungen vom Jahre 1702 zu zitieren, welche die Tierwelt betrifft: «... es sein die Gemse sehr forchtsame Thier / und allezeit in der Flucht / worzu sie ein jedes rauschendes Blatt bewegen kan / aller Ohrten ist man ihnen aufsätzig / sie sein nirgends / auch nicht auf den höchsten / bald unersteiglichen / Felsen vor den Jägeren listigen / und doch mühesamsten / Nachstellungen sicher. In der ganzen Schweiz ist bald ihr einiges Flucht-hauss der Freyberg im Glarnerland / nebst dem Wiggis/Wyggis/Weiggis / welcher auch zu einem Freyberg gemachet worden An. 1663 im Monat Majo. Es hat die Landleuhte von dem Glarner Canton nebst dem Nutzen / der auf das ganze Land sich erstreket / veranlaset / den Freyberg zu einer Fluchtstatt der Gemsthieren zu machen. » Anmerkung. Irrtümer in der Übersetzung von Zitaten aus dem Lateinischen vorbehalten. Entnommen aus Clusius, 1583.

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