Fünf Frauen im unbekannten Nordkarakorum | Club Alpino Svizzero CAS
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Fünf Frauen im unbekannten Nordkarakorum

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Ruth Steinmann, Versam

Blick von den Ghujerab Mountains zu den Siebentausendern der His-par-Mustagh-Berge Sieg der Vernunft Die zottigen, gutmütigen Yaks trotten schwer beladen über die endlose Schwemmebene aus groben Steinen, Sand und Geröll. Farbig hebt sich ihr Gepäck, meist rote und blaue Seesäcke oder naturfarbene gewebte Yakhaarsäcke, von der graubeigen Landschaft ab. Acht Träger, ihr Guide ( Führer ) und fünf Schweizer Frauen streben ebenfalls dem Gletscherauslauf des Braldu Glacier entgegen, wo es dann gilt, den hochgehenden, eiskalten Bach zu überschreiten, um den Anstieg über den 42 Kilometer langen Gletscher in Angriff zu nehmen. Dabei handelt es sich zweifellos um die Schlüsselstelle unserer Trekkingroute! Wenn wir diese nicht bewältigen können, fällt die Querung zum Lukpa La und zum Hispar Glacier dahin.

Steile, gelbgraue, braune und rötliche Sandhänge flankieren das Flussdelta, dahinter sind bis siebentausend Meter aufragende Felszacken und Eiswülste zu sehen. Plötzlich stoppt Shambi, der Guide; die Traversierstelle ist erreicht! , rufen die Träger, halten die duldsamen Tiere an, und schon verlangt Shambi nach dem ( Safety Belt ), unserem Klettergürtel, den wir für den Aufstieg samt Seil und Steigeisen mitgenommen haben. Beim Anblick der eisigen, grauen Wassermassen, die in rasantem Tempo, Strudel und Wirbel formend, an uns vorbeitosen, verstummt jedes Gespräch. Ein mulmiges Gefühl befällt die Magengegend. Inzwischen sitzen Shambi und Churban mit einem Si-cherheitsgürtel am Holzsattel befestigt auf je einem Yak, und schon treiben sie und alle Träger die Tiere mit Stöcken ins Wasser. Aber selbst diesen unerschrockenen Hoch-gebirgsrindern scheinen die Fluten zu tief und unberechenbar. Immer wieder drehen sie ab, wollen zurück ans sichere Ufer, bis schliesslich die Strömung sie doch erfasst und in eilender Fahrt mit sich reisst. Die massigen Körper tauchen unter, nur die Köpfe der Tiere und die Oberkörper der zwei mutigen Reiter sind zu sehen, während sie blitzschnell abwärts getragen werden, um schliesslich hundert Meter weiter unten am gegenüberliegenden Ufer zu landen. Wie gelähmt haben wir das Schauspiel verfolgt. So also müssten wir und unser Gepäck den Zugang zum Gletscher erkämpfen! Nach der ersten Beklemmung sprudelt es gleich mehr-stimmig aus unseren Kehlen: ( Nein, das auf keinen Falb. Zugegeben, mir hätte es riesig Freude gemacht, die fast unbekannte Gletscherwelt am oberen Braldu Glacier noch näher kennenzulernen, habe ich doch in der Hunza- und Shimshalgegend je einen Siebentausender erstiegen und mit einer früheren Trekkinggruppe das Gebiet der Batura-Berge erforscht. Diese gefährliche Fluss-überquerung übersteigt aber die Anforde- rungen, der eine Trekkinggruppe noch ausgesetzt werden darf - und als solche muss man uns bezeichnen. Die Entscheidung ist gefallen, die Karte wird neu studiert, eine andere interessante Route muss gefunden werden!

Shimshal:

Noch lange nicht das Ende der Welt Anforderungsreiche Hinreise Zehn Tage früher hatte unsere aufregende Tour bei Pasu am Karakoram Highway im nördlichen Pakistan begonnen. Mit Traktor und Anhänger wurden wir fünf Frauen, der Guide und etwa zehn Träger, unser Gepäck und noch einige Einheimische über die kaum noch als Fahrweg zu bezeichnende Piste zum Ausgangspunkt unseres Trecks gebracht. Keuchend bewältigte das Vehikel enge, steile Stellen, und selbst sog. gute Teilstücke ähnelten mehr einem aufgeschütteten Schotterwall als einer Strasse. Schliesslich endete aber auch dieses letzte Zeichen zivilisatorischen ( Komforts ), und unser Anstieg durch die berühmte, enge Shimshalschlucht wurde auf Schusters Rappen fortgesetzt. Nach drei Tagen mit unangenehmen Traversen in rutschigen Geröllhängen, auf heiklen, hoch über dem Fluss sich hinziehenden Felspassagen und der Querung eines mächtigen Gletscherauslaufes erreichten wir das Ende der tiefeingeschnittenen Schlucht. Damit betraten wir das auf 3100 m gelegene Hochtal Shimshal mit seiner in flaches, fruchtbares Gelände eingebetteten Streusiedlung. ( Sa-laam Aleikum>, grüssten lachend die Frauen, die als farbige Tupfer die üppig-grünen Felder belebten. Die bunt bestickte Hunzakappe und die beidseitig herabhängenden schwarzen Zöpfe umrahmten fröhliche, von Wind, Sonne und Wetter gegerbte Gesichter. Kinder riefen ihr , Männer grüssten, während wir auf den Rändern der Wasserkanäle zwischen den Feldern unseren Weg suchten.

Grundriss Shimshal-Häuser Dörfliches Leben Shimshal hat, wie alle bewohnten Gegenden des nördlichen Karakorum, ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem. Oft wird das Wasser viele Kilometerweit über Felsterrassen und Steilhänge hergeleitet, um schliesslich stundenweise die einzelnen Felder zu bewässern und damit dem mineralhaltigen Boden das wichtigste Element, das Wasser, beizufügen. Auf diese Weise werden der kargen Erde Korn, Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Gemüse und zuckersüsse Aprikosen entlockt.

Ali Aman, Träger bei meiner früheren Expedition zum Lupghar Sar E hatte mich freudestrahlend und gerührt begrüsst. Hier nun konnte er mir sein Dorf und seine Schule zeigen, von denen er mir 1987 erzählt hatte. Es gibt zwei Unterrichtsstätten im Dorf: die 120 Knaben zählende pakistanische Regierungs- Dachkonstruktion Shimshal-Haus Ablage halbhoch schule und die 70 Mädchen zählende Aga-Khan-Schule, an der Ali Aman tätig ist. Natürlich nicht im Sommer, denn während dieser Zeit werden die Kinder auf dem Land gebraucht, und die Lehrer müssen sich eine andere Arbeit suchen, zum Beispiel als Träger bei einer Expedition oder beim Strassenbau. Das Schulgeld der Aga-Khan-Schule beträgt für die Unterstufe 12 Rupies, für die Mittelstufe 17 und für die Oberstufe 21 Rupies pro Monat. Der Unterricht dauert neun Jahre, doch kann das Studium auf Wunsch der Eltern auch vorzeitig abgebrochen werden.

Karim Aga Khan, das geistige Oberhaupt der Ismaeliten, zu denen die Hunza-Shim-shali gehören, hat aber nicht nur die Mädchenschule und eine Frauenorganisation ins Leben gerufen, sondern auch für die medizinische Betreuung gesorgt. Die Frau des Lambardar ( Bürgermeister ), Asat Begum, ist das Oberhaupt dieser Gruppe, die die landwirtschaftliche Entwicklung zum Ziel hat. Im Hochtal Shimshal wohnen heute ca. 1000 Personen, die in 27 Grossfamilien aufgeteilt sind. Zur Familie zählen Vater, Mutter, samt- Das Dorf Shimshal erreicht man nach drei Tagen Gehzeit durch die enge Schlucht. Es liegt auf 3100 m und hat ca. 1000 Einwohner.

Hunza-Greisin. Man sagt, dass sie 100 Jahre alt ist.

liehe Söhne, unverheirateten Töchter und Schwiegertöchter sowie deren Nachkommen. Obwohl die Umweltbedingungen hart sind, ist die Kleinkindersterblichkeit niedrig:

1989 waren 3 Todesfälle unter 1 Jahr und 1990 sogar kein einziger zu beklagen. Säuglinge werden 23 Monate ( 1 Monat weniger als zwei Jahre ) von der Mutter gestillt. Danach essen die Kleinkinder mit den übrigen Familienmitgliedern Tschapatti ( Brotfladen ), Ghi ( Butter ), Käse, Gemüse, Bohnen, Früchte und trinken Tee.

Die Häuser Die Häuser der Shimshali bestehen aus fensterlosen rechteckigen Steinbauten ohne Mörtel, einstöckig mit flachem Dach, in dem eine Licht- und Rauchöffnung angebracht ist. Die roh gezimmerte Holztür führt in einen Vorgang, der wiederum in den einzigen Wohn- und Schlafraum übergeht. Dieser ist gegliedert in Feuerstelle, Sitz- und nach Geschlechtern getrennte Schlafplätze, Ort für die Gäste oder Musiker sowie Vorratshaltung. Eine ausgeklügelte Konstruktion aus Holzbalken lässt die Rauchluke im Dach sternförmig erscheinen ( vgl. Skizzen S. 142 ).

Sprachen Die Sprache Shimshals ist Wachi, während im nahen ehemaligen Königreich Hunza Buruschäski gesprochen wird. Wachi wird von Volksgruppen des afghanischen Hindukusch über den russischen bis hin zum pakistanischen Pamir gesprochen.

Shuurt, die Alpregion von Shimshal Wer bis Shimshal vorgedrungen ist, glaubt sich am Ende der Welt angelangt, und nur ganz vereinzelt wagt sich jemand in weiteren vier Tagesmärschen mit ausgesetzten und anstrengenden Auf- und Abstiegen durch Schluchten, über Kämme und Pässe in die abgelegene Region des pakistanischen Pa- mir. Über den Shimshal-Pass ( 4735 m ), vorbei an zwei malerischen Bergseen, erreichten wir Shuurt ( 4380 m ), wo die Shimshali ihre Yak-, Schaf- und Ziegenalpen besitzen, von denen gesagt wird, dass sie von ca. 1000 Yaks und gegen 10000 Kleintieren bestossen werden. Die kargen Hochweiden scheinen jedenfalls intensiv genutzt. Hier regieren die Frauen, was man gleich bei der Ankunft im Dorf merkt. Sie sind es, die die Tiere melken, Käse und Joghurt herstellen, das Kleinvieh und die Kleinkinder betreuen, während ihre Männer auswärts Geld verdienen, sei es auf Expeditionen, Trecks oder gar im fernen Rawalpindi. Ghi ( Butter ) und Käse wird als Vorrat für die langen Wintermonate vorbereitet und gelagert. Während der Käse in kleinen Klumpen auf dem Dach getrocknet wird, wird die Butter im kühlen Boden vergraben und mit einer Ziegenhaut abgedeckt. Auf diese Art gelagerte Butter bleibt bis drei Jahre frisch und geniessbar! Zahlreiche Frauen und Kinder verbringen die Sommermonate in den Alpregionen des Pamir'und der Ghujerab-Gegend, anschliessend kehren sie zu ihren Familien nach Shimshal zurück. Nur eine kleine Zahl von Hirten bleibt im Gebiet und übernimmt die Haltung der im Herbst in tiefer gelegene Weideregionen gebrachten Tiere, die nun hier den harten, kalten Winter ohne Stallungen im Freien zu überstehen haben.

Zu Gast im Göttin-Tal Unsere - nach der gescheiterten Fluss-überquerung - geänderte Route führt uns jetzt wieder zurück über den Shimshal-Pass nach Ambarpurin, wo wir vom bekannten Weg Richtung Norden abbiegen. Während der endlosen Traversen hoch oben auf den rutschigen Steilhängen beginnt es zu regnen. Nicht stark, auch ist es nicht eigentlich kalt, doch die nasskalte Feuchtigkeit durchdringt alles und kriecht selbst unter die Haut. Endlich erkennen wir Hütten und Steinum-friedungen der Sommerweide Mai Dur ( Göt-tin-Tal ), und schon bald kommt uns ein Mädchen über die steile Moräne entgegenge-rannt. Keuchend vor Anstrengung streckt es uns die Hand entgegen, , sagt es 1 Als Pamir wird in diesem Fall ein ausgedehntes Alpgebiet entlang des Pamir Rang River, der später in den Shimshal River mündet, bezeichnet.

2 Die offizielle, auf Karten verwendete Bezeichnung ist Shipedin-Pass, die Einheimischen sagen Spadin-Pass; Spadin heisst in ihrer Sprache Rhabarber.

und seine Augen lächeln. , antworten wir und wenden damit unsere bescheidenen Sprachkenntnisse an. Drüben am andern Ufer des Baches werden wir von der Mutter des Mädchens aufmerksam und neugierig betrachtet. Bevor wir aber bei ihr eintreffen, steht uns die Bachdurchquerung bevor. Wir wollen es erst nicht wahrhaben, suchen nach Steinen, die uns trockenen Fusses hinüberbringen sollten, müssen dann aber schliesslich einsehen, dass es nur eines gibt: Schuhe und Socken ausziehen, Hosen hochkrempeln und ins eisige Wasser steigen. Mit zumindest gut durchbluteten Fussen, aber nass vom Regen treffen wir bei der Wachi-Frau ein, die uns herzlich in die winzige Hütte bittet, wo sie bereits Feuer für uns gemacht hat. Wir treten ein. Die Steinhütte ist klein, etwa 1,70 Meter hoch und schwarz von Russ. Die Luft ist rauchgeschwängert und brennt uns in den Augen. Bald sitzen wir eng gedrängt auf den Steinplatten, die nassen Windjacken hinter uns an Stöcken zum Trocknen aufgehängt. Die fürsorgliche Hirtin bringt heissen Tee mit Milch und Salz, ein sehr durstlöschendes Getränk, das uns von innen wärmt und unsere klammen Finger an der Tasse auftauen lässt. Wir fühlen uns wohl, geborgen, beschützt in diesem winzigen Raum ohne Fenster und mit nur einer schmalen Türöffnung. Glücklicher als im schönsten Palast sitzen wir um das Feuer aus Yakdung und Wurzeln, hören dem Regen zu und wischen unsere vom Rauch tränenden Augen. Lange noch trommelt der Regen aufdie inzwischen aufgestellten Schlafzelte und die zwei hingekauerten Steinhütten. Dann hüllt die Nacht, begleitet von Feuchtigkeit, Nebel und Kälte den ( Platz der Göttin ) ein.

Über den Spadin-Pass2 ( 5150 m ) Shambi, der Führer, wollte einmal mehr sein Jagdglück erproben und ist daher schon sehr früh aufgebrochen. Wir fünf Frauen folgen seinen teils nur schwach sichtbaren Spuren über Steilhänge und Schutthalden, deren Aussehen an Eisenbahnschotter erinnert, die aber, da steiler, noch weit unange- nehmer zu begehen sind. Die acht Träger, die zuerst noch unsere Habseligkeiten gepackt hatten, holen uns nun angeregt plaudernd ein. Nach fünf Übergängen mit Höhen über viertausend Meter erklimmen wir heute den ersten Pass, der die Fünftausend-Meter-Grenze übersteigt. Unsere Akklimatisation hat sich in den letzten zwei Wochen beträchtlich verbessert, so dass uns das Gehen bis 4500 m wenig Mühe mehr bereitet. Aber der Spadin-Pass ( 5150 m ) scheint noch hoch über uns aufzuragen, ausserdem bläst ein kalter Wind, und bald hüllt auch Nebel den weiteren Aufstiegsweg ein. Angetan mit Windjacke, Kapuze und Handschuhen erreichen wir endlich den Sattel und sind augenblicklich vom nordseitigen Panorama fasziniert und verblüfft. Hinter uns pfeifender Wind und dahineilende Wolkenfetzen, vor uns eine faszinierende Bergwelt wie sie ähnlich Chamonix in Frankreich zu bieten hat — nur dass sie hier andere Höhen erreicht! Da gibt es Eiswülste,bruche,rinnen, gekrönt von Felszacken und -türmen, die steil in den Namenlose Fünf- und Sechstausender der Ghujerab-Berge blauen Himmel streben. Freilich gehören sie nicht zu den Sieben- und Achttausendern des Karakorum, sondern erreichen lediglich Höhen von fünf- und sechstausend Metern, was Shambi die müde Äusserung entlockt, dass sie keine Namen hätten.

Alles Schauen und Staunen hat einmal ein Ende, und so müssen wir die hier als Abstieg dienende, wenig einladende, teils vereiste Steilrinne in Angriff nehmen. Zwei Stunden später erreichen wir Spadin House, achthundert Meter tiefer, am Fluss, wo wilder Rhabarber üppig wächst und damit Berg und Alp den Namen gegeben hat.

Ewige Faszination 4 Uhr Tagwache. Eine Stunde später beginnt der Aufstieg zum Chapcingol-Pass ( 5150 m ). Unglaublich steil - zum wievielten Mal auf diesem Treckmühen wir uns über Felsbrocken, Geröll und Schutt bergauf, wobei uns der instabile Untergrund manchen Schritt wieder zurückrutschen lässt. Entsprechend viel Kraft benötigen wir, um diese 1000 Höhenmeter hinter uns zu bringen. Vorsichtig Fuss über Fuss setzend, um ja nicht das lose Gestein ins Rollen zu bringen oder mit einer abgleitenden Platte die Nachfolgenden zu gefährden, klimmen wir höher. Der Tiefblick ist beeindruckend. Man glaubt, beinahe senkrecht von oben auf unseren letzten Lagerplatz am Bach hinabzusehen. Über uns türmen sich immer noch Schutt, Blöcke, Gestein, das wie altes Papier zerfällt, wenn man darauf tritt. Der Anstieg weckt in mir Erinnerungen an eine viele Jahre zurückliegende Besteigung: 1971 und 1973 im afghanischen Hindukusch am Koh E Urgunt und Noshaque, meine ersten Siebentausender, wo wir uns mit Geröllhalden aus ebenso faulem Gestein herumschlugen. Man wundert sich nur, dass sich so steile Schutthänge überhaupt bilden und halten können und nicht einfach abrutschen, bis nach und nach vom Berg nichts mehr übrigbleibt.

Hindukusch, Pamir, Karakorum, Himalaya, alles Gebirge, von denen eine unglaubliche Anziehungskraft ausgeht - schon bei meinen ersten Siebentausender-Besteigungen bin ich ihrer rauhen Schönheit erlegen. Was haben sie mir aber schon alles abverlangt! Vor Anstrengung haben sie mich schwitzen und keuchen, mit vor Kälte zugeklebten Nasen-flügeln haben sie mich frieren lassen und auf ihren Eis- und Schneefeldern der unbarmherzigen Sonne preisgegeben. Dann wieder die Angst vor dem Erfrieren der Zehen, die man zwar immer in Bewegung hält und trotzdem zeitweise nicht mehr spürt, Atempro-bleme - Damoklesschwert Lungenödem -und trotz allem, Faszination dieser unendlichen Bergwelt! Was bringt sie, im Vergleich mit einem träge dahinplätschernden Leben in den sorglosen Stufen des Wohlstandes? -Abenteuer, Herausforderung, Erfahrung seiner eigenen Möglichkeiten - Leben.

Wir sind auf dem Chapcingol-Pass ( 5151 m ) neben dem Steinmann, fallen uns fröhlich in die Arme. Bekannte wie namenlose Bergriesen grüssen von Süden: Kanjut Sar, Yukshin Gardan, Yazghil Domes, Distaghil Sar und Malangutti Sar. Der Lupghar Sar E ( 7200 m ), mein erster, zusammen mit Edi Furrer er- stiegener Gipfel, versteckt sich beharrlich hinter einem Vorberg. Dann die vielen unbekannten Traumberge, alles lockende Ziele in einem ebensowenig bekannten Gebiet. Allerdings darf man dabei die Zustiege über endlose Geröllhalden nicht scheuen und muss die Einsamkeit lieben, denn hier ist nicht der Rummelplatz Baltoro, wo Expeditionen und Trekker sich kreuzen. Hier gehört die Bergwelt noch dem Suchenden.

Namenlose Berge und alte Königreiche Die Ghujerab Mountains, die nördlichsten Ausläufer des gewaltigen Karakorum-Gebir-ges, ziehen sich nördlich des Shimshal-Flus-ses vom westlichen Khunjerab-Fluss bis zum östlichen Braldu-Fluss. Im Norden werden sie an der Grenze nach China vom Uprang Jilga begrenzt. Sie weisen nur noch einen einzigen Siebentausender, den Karun Kho ( 7164 m ), auf. Daneben bietet dieses Gebiet zahlreiche Möglichkeiten, einen der namenlosen Sechstausender zu besteigen, von denen die meisten noch nie von einem Menschen betreten wurden. Shimshal und die nördlichen Berge gehören zu den offenen Zonen im pakistanischen ( Rules and Regulation>-Heft. Es ist Vorschrift, einen offiziellen Guide mitzunehmen. Träger gibt es genügend, nur müssen sie nach Vorschrift eingekleidet und versichert werden.

Wer sich auf der Rückfahrt über den Karakoram Highway etwas mehr Zeit lassen kann, für den liegt mit dem ehemaligen Königreich Hunza noch ein sehr attraktives Gebiet am Weg. Hoch oben über dem Dorf Karimabad thront das wuchtige Schloss, das zweifellos der buddhistischen Kultur entstammt. Ebenfalls auf luftigem Aussichtsposten klebt die Burg Altit aus dem 8. Jahrhundert. Das Dorf selber ist von zahlreichen die Vegetation fördernden Bewässerungsgräben durchzogen und wirkt daher sehr grün. Es liegt über der tief eingefressenen Hunzaschlucht, durch die es vom Königreich Nagir getrennt ist. Jahrhundertealte Fehden und der gelegentliche Raub einer Prinzessin aus Nagir sorgten früher für Aufregung und wechselhafte Geschichte. Die letzte Prinzessin aus Nagir heiratete im Jahr 1934 den Mir ( König ) von Hunza. Sie heiratete freiwillig, und ihre Mit-gift betrug 60 Yaks, 300 Schafe, 100 Klumpen Butter und Mehl für die Tschapatti ( Brot ) der ganzen Hochzeitsgesellschaft.

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