Gornern und Felli, zwei Urner Alptäler | Club Alpino Svizzero CAS
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Gornern und Felli, zwei Urner Alptäler

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zwei Urner Alptäler Von Alfred Bühler und Max Oechslin.

Nachdem in den « Alpen » 1928 eine Abhandlung über den Weiler Porthüsler im Etzlital als « Beitrag zur alpinen Siedelungsforschung » erschienen ist, soll die vorliegende Arbeit als weiteres, vorwiegend Alpsiedlungen umfassendes und vor allem nach der wirtschaftlichen Seite hin ausgeführtes Beispiel zur Mitarbeit an der durch die « Schweiz. Gesellschaft für Volkskunde » ins Leben gerufenen Siedlungsforschung anregen.

Gornern und Felli heissen die in der Gemeinde Gurtnellen gelegenen Viehalpen in den gleichnamigen Seitentälern der Reuss, von denen das erste eine Fläche von 17,5 km2 umfasst und etwas oberhalb der Station Gurtnellen, das zweite mit einem Einzugsgebiet von annähernd 24 km2 eine Viertelstunde weiter unten ins Haupttal ausmündet1 ). Beide sind in das kristalline Aarmassiv eingeschnitten und nach ihrem Verlauf ausgesprochene Quertäler. Während aber das Gornerntal in der Zone der Erstfeldergneise wurzelt und weiter Schiefer und Aaregranite durchschneidet, liegt das Fellital bis an seinen alleruntersten rechten Talhang ganz im Aaregranit, und einzig einige Syenitzüge und Paragneisvorkommen im Talschluss gestalten den geologischen Bau etwas verwickelter. Gerade in diesen Gesteinsschichten am Rienzen-, Bächi-, Federstock und am Schattig Wichel liegen die zahlreichen Mineralienfundorte, die früher mehr als heute das Ziel der einheimischen Strahler waren. So ist als einer der bekanntesten derselben der in weiten Kreisen bekannte « Fellitresch » zu nennen, dessen Behausung im Fellital zu einer C. Clubhütte ausgebaut worden ist.

Johann Josef Tresch wurde um 1840 zu Silenen geboren. Im Stettli, im Silenerboden verlebte er seine Jugendzeit. Er war ein ausserordentlich starker Mensch und wurde deshalb im Volksmund der « Latz » ( später der « Fellilatz » ) genannt, was so viel heissen will wie schwer, breitschultrig. Später zog er ins Etzlital, wo er zuerst im Weiler Porthüsler und dann während einiger Jahre im Rüteli wohnte. In den Neunzigerjahren erwarb er den mittleren Felliberg. 1894 starb seine Frau. Seine drei erwachsenen Töchter waren in die Welt hinausgezogen, und da wurde es dem Latz, der schon jetzt durch seine Eigenheiten im Volke bekannt war, auf dem Felliberg wohl zu weit. Er verkaufte sein Gütchen und erwarb sich dafür im einsamen Fellitalwald die Hütte, wo bisher ein Brenner die im Sommer und Herbst gesammelten Enzianwurzeln gebrannt hatte. Er baute die kleine Behausung etwas mehr aus, richtete auf einem Felsblock in der Nähe mit zugetragener Erde einen Kartoffelgarten ein, schaffte sich einige Ziegen an und begann so sein seltsames Einsiedlerleben. Verdienst fand er als Strahler und Bergführer, und durch die Turisten wurde er weit herum als « Fellitresch » bekannt.

Er war wohl einer der besten Kenner seiner engern Heimat, und der Bristenstock vor allem war sein Lieblingsberg. Dort fand er auch den Tod. Im Spätsommer 1902 wurde er mit Turisten auf dem Gipfel vom Sturm überrascht, und als er allein den Abstieg erkundigen wollte, stürzte er ab. Erst im Herbst 1921 fand man an der Ostflanke des Bristenstockes die Reste des Verunglückten 1 ).

In dem Gebiet der stark geschichteten und verhältnismässig leicht zerstörbaren kristallinen Schiefer besitzt Gornern einen breiten, ungefähr von Hobeng bis Ruppenstafel reichenden, allerdings sehr stark verschütteten Talboden, dafür aber, abgesehen vom Talschluss, wenig imposante Bergformen, während das Fellital wohl enger erscheint, aber in den kühnen und bizarren Gestalten der Rienzenstockkette und vor allem der Wichel-gruppe einen reizvollen Schmuck aufweist. Diese Kletterberge bestehen aus Aaregranit. Kommt in solchen Formen der geologische Bau sehr stark zum Ausdruck, so finden sich doch auch in beiden Tälern viel gemeinsame Züge, die vom Gestein unabhängig sind, und die jenen erst den Charakter hochalpiner Landschaften verleihen. Da ist zunächst der Verlauf der Längsprofile zu nennen. Beide Täler münden mit gewaltigen Stufen von über 500 m Höhe, die vom Bach in wilden, unwegsamen Schluchten zerschnitten worden sind, in das Haupttal aus. Andere Talstufen fehlen in Gornern; Felli dagegen wird durch zwei ausgeprägte Riegel in drei Becken gegliedert. ( Es ist auffällig, dass diese Stufen beide unterhalb der Einmündung eines Seitentales liegen: Wichel- resp. Pörtlital ). Beiden Tälern sind ferner die hoch oben an den Hängen hinziehenden, oft als Schultern bezeichneten Terrassen eigentümlich, von denen überaus steile Flanken zum Talboden abstürzen. Namhafte Geographen haben alle diese für hochalpine Täler charakteristischen Merkmale ( Stufen, Schultern, Becken ) mit der grossen Vergletscherungsperiode der Eiszeit in Zusammenhang gebracht. Das Eis, das damals die Täler bis weit über 2000 m hinauf erfüllte, soll gemeinsam mit dem Schmelzwasser diese seltsamen Formen geschaffen haben. Eine Stütze findet diese Anschauung in der Tatsache, dass heute, wo die grossen Gletscher längst verschwunden sind, die angeführten Formen einer raschen Zerstörung entgegeneilen. Die Becken, die zuerst nach dem Rückzug des Eises wohl Seen bargen, wurden ausgefüllt, und verwildert fliesst z.B. der Fellibach über die sumpfige Aufschüttungsebene von Hinter-Waldi. Die Talstufen werden immer mehr zerschnitten, die Schultern und übersteilen Talflanken von Wildbach- und Lawinenrunsen durchgasst. Bergsturztrümmer, Schutthalden und Schwemmkegel überschütten den Talboden. Noch heute sind diese zerstörenden Kräfte am Werk, zum Schaden der Älpler, deren wertvolles Weideareal dadurch immer mehr eingeengt wird. Unsere beiden Untersuchungsgebiete sind zufolge ihrer Höhe rauhe Alpentäler, die heute keine dauernde Ansiedlung gestatten. Ist Gornern in der Hauptsache südöstlich gerichtet und dadurch vor Nordwinden ziemlich geschützt, aber den sehr kalten Ostwinden geöffnet, so kann das fast nördlich ziehende Felli wohl die mildernde Wirkung des Föhnes in stärkstem Masse geniessen, muss aber dafür auch die volle Gewalt der Nordwinde in Kauf nehmen.

Die Niederschläge sind in beiden Tälern gross. Nach Berechnungen überschreiten sie sozusagen überall im Mittel jährlich 1800 mm. Einzig der untere Teil des im Regenschatten der Spannort-Kröntengruppe gelegenen Gornerntales weist geringere Zahlen auf, während die Regenmenge in den Gebirgsketten selbst auf über 2,5 m steigt. So ist an Feuchtigkeit kein Mangel, und wo eine gut verwitterte Bodenkrume vorhanden ist, bedeckt deshalb wertvolles Weideland weite Flächen. Vor allem gilt dies für die Grundmoränengebiete zwischen Hoberg und Rosti in Gornern und für die Schwemmkegel in der Schieferzone dieses Tales, wo das Gestein rasch verwittert, während die z.T. auf sehr widerstandsfähigem Granit liegenden Weiden von Felli im allgemeinen magerer sind. Anderseits sind aber die starken Niederschläge auch schuld an der Bildung zahlreicher Murgänge und Lawinenzüge, die das fruchtbare Weideland in zunehmendem Masse verganden.

Der Wald reichte früher weit in beide Täler hinein. Heute ist er in Gornern bis auf kleine, von Lawinenzügen durchgasste Fichtenbestände an den Hängen bei Grub abgeholzt oder infolge von Naturkatostrophen verschwunden. Dagegen bedeckt er noch, ebenfalls vorwiegend aus Fichten und an den dem Föhn stark ausgesetzten Hängen aus Föhren zusammengesetzt, die steilen Flanken der Mündungsschlucht bis auf die kleinen ausgeholzten Berggüter von Schyn vollständig. Stärker bewaldet ist noch heute Felli, wo Wald- und Baumgrenzen die höchsten Werte in Uri erreichen. Bis nach Vorder-Waldi ziehen sich auf beiden Talseiten geschlossene Fichtenbestände, auch hier am Talausgang, an den dem Föhn besonders stark ausgesetzten Hängen mit Föhren vermischt, und kleine Parzellen schmücken sogar noch die Alpstaffel Hinter-Waldi. Felli ist auch das einzige Urnertal, wo man noch heute die wegen ihres für Senntengeschirr geschätzten Holzes sonst im Kanton fast völlig ausgerottete Arve in stolzen Exemplaren bewundern kann, und im untersten Talstück tritt bei Hütten sogar die Buche auf.

Wiesen fehlen, abgesehen von den Berggütern auf Felliberg und Schyn, völlig; der ganze vom Walde nicht eingenommene nutzbare Boden ist Weidland.

Unsere beiden Täler werden urkundlich in alter Zeit kaum erwähnt. Da wohl auch früher keine oder nur ganz unbedeutende Dauersiedlungen in ihnen lagen, ist dies weiter nicht verwunderlich, um so mehr, als sie auch keine Übergänge von grosser wirtschaftlicher Bedeutung aufweisen. Man möchte zwar fast vermuten, dass wenigstens die Fellilücke früher eine grössere Rolle gespielt hat als heute. Nach der Aussage ortskundiger Leute soll sie noch vor wenigen Jahrzehnten zum Vieh-, namentlich zum Schweine-transport von und nach dem Vorderrheintal gedient haben. Auf Vorder-Waldi steht ferner mitten in der Alpregion ein kleines Wohnhaus, das sehr alt sein und an dessen Stelle auch früher ein ähnliches Gebäude gestanden haben soll. Es wäre möglich, dass es einst als ein Rast- und Gasthaus am Weg zur Fellilücke gedient hatte. Nach der Sage befand sich in früheren Zeiten auf Waldi sogar ein prächtiges, ständig bewohntes Berggut, was vielleicht auch auf eine früher grössere Bedeutung der Fellilücke hinweist1 ). Schliesslich weisen eventuell die in der ganzen Gemeinde Gurtnellen häufiger als anderswo in den Reusstälern vorkommenden romanischen Orts- und Flurnamen darauf hin, dass hier einst eine Besiedlung von Graubünden her, vielleicht eben über die Fellilücke erfolgt war. Auch im benachbarten Maderanertal ist die Häufigkeit von romanischen Namen auffällig, und auch hier besteht eine verhältnismässig leicht begehbare Verbindung mit dem Rheintal, der Krüzlipass. « Felli, Fellinen, Fellenen » selbst ist zwar kein romanischer, sondern ein deutscher Ausdruck, entstanden als Sammelbegriff aus dem Verb fallen2 ). Der Urner bezeichnet in seiner Mundart als « Fellti, Fällti » einen hohen natürlichen « Tritt », eine Stufe, gefährliche Stelle, in dem primitiven, holperigen Bergweg, und wie das Längsprofil des Tales zeigt, ist ja an solchen kein Mangel. Die « Felli » heisst speziell der steile Anstieg von der Landstrasse zu den Feilibergen. Auch viele andere Namen im Fellital sind deutschen Ursprunges. So ist « Ronenstäfeli » ( Rhona auf der Siegfriedkarte ) auf das mundartliche « Ronä » = Baumstrunk, Stock zurückzuführen, bedeutet also eine von Wald entblösste Gegend, geradeso wie auch Waldi auf frühere Bewaldung hindeutet. « Peertli » ( Pörtli ) ist wohl auf « Port » = Bord, Steilabhang zu beziehen und Obermatt als die mundartliche Form von « obere Mahd » anzusehen, bedeutet also wohl einen Alpteil, wo gemäht wurde oder wird, einen Wildheuplatz. Wichel endlich ist nichts anderes als das schriftdeutsche Wort Winkel und bedeutet eine aus dem Berghang herausragende Stelle. Rätoromanischen Ursprunges scheint dagegen « Chliser » zu sein ( Klüsergaden, Klüsertal ). Das Grundwort der « Chlis » bezeichnet ein Gehege, einen Pferch für Schafe, Pferde, Rinder. Ob daneben auch die Zurückführung auf Klus = Talenge berechtigt ist, kann hier nicht entschieden werden. Im Gornerntal ist wohl Gornern selbst rätoromanisch ( vgl. Val Cornera im Tavetsch ). Die meisten Alpnamen dagegen sind auch hier deutsch. Diese Tatsache, die auch im Fellital auffällig ist, braucht kein Grund zu sein gegen die Auffassung einer alten romanischen Besiedlung des Reusstales. Alte Bezeichnungen mögen von den spätern deutschen Einwanderern vor allem für die Hauptsiedlungen im Tale übernommen worden sein und weniger für die abgelegenen Weidegebiete. So sind « Resti », ein Aussichtspunkt im Talausgang, und « Rosti », die Hauptstaffel von Gornern, von rasten abzuleiten. In « Spicher » ( Speicher ) stehen die Käsespeicher des Tales. « Gruebä » ( Grub ) ist auf « g'ruhen », ruhen zurückzuführen. Es befindet sich an dieser Stelle in der Tat ein Rastplatz; sonst heissen aber solche Orte in Uri meistens « Ghirmi » oder « Kirmi ». « Rüeppenstaffel » ( Ruppenstafel ) bedeutet den Stafel, d.h. ursprünglich nicht die Weide, sondern die Alphütte des « Rüepp » ( Ruodprecht ) oder aber des Rupp ( Geschlechtsname in Gurt- nellen im 16. Jahrhundert ). Ebenso sind Bissig-, Teiler- und Waltschistafel auf Personennamen zurückzuführen. Bissig ist ein ehemaliges Gurtneller Geschlecht, der Familienname Waltsch kommt im 16. Jahrhundert in Wassen vor, und Teiler ist ursprünglich eine Amtsbezeichnung ( die Teilergenossen-schaften organisierten den Saumverkehr über den Gotthard ), später aber wohl auch zum Geschlechtsnamen geworden. « Siglisfatt » ( Sieglisfad ) ist zusammengesetzt aus der Koseform des deutschen Namens Siegfried oder auch Sigisbert und « Fatt », der in Uri sehr häufigen Bezeichnung für einen Felsabsatz oder ein Felsband ( Mehrzahl « Feeden » ), die vielleicht vom Lateinischen vadum = Durchgang abgeleitet werden kann. Die Namen « Wart-stafel », Wartstein und Wartegg gehen auf warten = beaufsichtigen, spähen zurück. Die Steinstössi scheint ein Ort gewesen zu sein, wo früher das so beliebte Steinstossen geübt wurde, wird aber im Volksmund auch auf einen Bergsturz zurückgeführt. Nichtdeutscher Ursprung lässt sich vermuten bei « Chäserli » ( im Tirol « Kaser » = Alphütte, lat. casa = Hütte ), bei « Schalen » ( Schallen ), ( von lat. scala = Stiege oder von schallen, schellen ?), bei Abrigen ( vgl. Passo d' Aprica aus dem Veltlin ins Camonicatal, ferner aber auch « Abere » = Apern, auftauen, aper = schneefrei ), und bei Balmen ( Balm = Höhe, keltischer Ursprung ?).

Was für eine Menge von Flurnamen in unseren Alpen vorhanden sind, könnten die Weidenamenverzeichnisse der Grossviehalpen von Gornern und Felli zeigen. Wenn man bedenkt, wie stark diese Listen durch Einbeziehen der Kleinviehweiden und Wildheuplanggen vergrössert wurden, so ist wohl zu ermessen, wie viele wertvolle Aufschlüsse für die Siedlungsforschung und die Volkskunde im allgemeinen darin enthalten sein könnten.

Der in einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1287 enthaltene Name « Gornibach » betrifft nicht das Gornerntal, wie W. Oechsli 1 ) annimmt, sondern das Gornerbächli in der Gemeinde Wassen. Dagegen scheint die in Gefällerodeln der Fraumünsterabtei Zürich 1300 bis 1370 erwähnte « Schweig » von Gurtnellen, d.h. eine Alp mit Grossvieh- und Schafzucht, im Fellital gelegen zu haben, wobei dann der früher erwähnte « Chliser » für die Schafe reserviert gewesen wäre.

Alle Siedlungen der beiden Täler sind heute Nebensiedlungen, d.h. sie bestehen aus Gebäuden, die nur während eines Teiles des Jahres benützt werden. In der Hauptsache sind es « Berg- » und Alpsiedlungen. Unter « Berg » versteht man in Uri ein hochgelegenes Eigengut, auf dem im Frühjahr und Herbst das Vieh zur Weide getrieben, im Sommer geheut und im Spätherbst und Frühwinter der Ertrag des Sommers aufgehirtet wird. Die ganze Familie oder wenigstens ein Teil derselben wohnt während dieser Zeit auf dem « Berg ». So ist verständlich, dass hier neben einem oder mehreren Ställen immer auch ein mehr oder weniger komfortables Wohnhaus steht. In den meisten Fällen ist es ein einfaches Urnerhaus, ein Holzblockbau, bei dem nur die Keller und etwa die Rückwand der Küche, wo der Herd liegt, aus Steinmauern bestehen, und das im Innern Küche, Stube, Kammer und Oberkammer enthält. Auch die Ställe sind Holzblockbauten und besitzen alle ein Obergeschoss zum Speichern des Heus. Gegenwärtig liegen über die Mündungsstufe des Fellitales zerstreut eine ganze Anzahl solcher Siedlungen, zusammengefasst unter dem Namen Felliberge. Sie werden noch regelmässig bezogen und gehören vier Bauern, deren Hauptwohnplätze Riedmatt und Ried südlich Amsteg sowie Gurtnellen-Berg sind. In Gornern wird bloss noch das hoch oben am rechten Talausgang gelegene Berggut Schyn benützt. Es gehört einem Bauern von Gurtnellen-Berg; der obere Stall der Siedlung ist zerfallen. Bis in die Neunzigerjahre soll auf Speicher ein « Berg » bestanden haben. Das Wohnhaus wurde später in einen Käsespeicher umgebaut, den im Jahre 1917 eine Lawine zerstört hat. Auch in Grub lag bis um 1895 ein « Berg ». Heute ist aus dem Wohngebäude ein Werk- und Wächterhaus entstanden. ( Der Gornernbach ist bei Grub gestaut und gefasst worden für das Kraftwerk der früheren Karbidfabrik Gurtnellen, heute Unterwerk des Elektrizitätswerkes Altdorf. ) Die Alpsiedlungen sind weit zahlreicher als die « Berge », da ja in beiden Tälern der grösste Teil des nutzbaren Landes Weide ist. Auf jeder Gross-viehstaffel befindet sich zum mindesten eine Sennhütte, meistens ein ein-oder zweiräumiges Gebäude, dessen vorderer Teil als Arbeits-, Wohn- und Schlafraum dient, und dessen hinteres Abteil als Milchkeller benützt wird. Die Sennhütten wurden in Gornern fast durchwegs aus Stein-, meistens sogar aus Trockenmauern aufgebaut, während die im waldreicheren Felli häufig etwas komfortabler aus Holz hergestellt sind. Die Schindeldächer sind überall mit Steinen beschwert.

Der grössere Waldreichtum des Fellitales prägt sich vielleicht auch in der bedeutend grösseren Zahl von Alpställen aus. Felli besitzt deren 19, die alle, abgesehen von neuen Steinbauten, aus Holz erstellt sind. In Gornern stehen bloss auf Rosti zwei gemauerte Ställe mit Holzoberbau; die zehn weiteren Stallbauten in Grub und Speicher liegen alle unterhalb des eigentlichen Alpgebietes. Es handelt sich hier z.T. um noch erhaltene Gebäude der ehemaligen Bergsiedlungen und z.T. um Wildheuerhütten, die heute allerdings auch mit Alpvieh bezogen werden. Grub ist ein sogenannter « Wichstafel » auf den bei schlechtem Wetter von den höher gelegenen Weideplätzen « gewichen », abgefahren wird. Ferner bleibt hier oft noch Vieh nach der offiziellen Alpabfahrt zur Weidung.

Auf Hinter-Waldi im Fellital liegt ein interessanter, heute nicht mehr benützter Milchkeller, der in einer natürlichen, durch Bergsturztrümmer gebildeten Höhlung angelegt worden war.

Zu den Alpsiedlungen in weiterem Sinne gehören auch die Käsespeicher. Sie liegen am Talausgang. Jeden Tag bringt der Senne die frischen Käse von der Alp dorthin und reinigt und salzt zugleich die ältern Laibe. Im Herbst nach der Alpabfahrt findet hier die Verteilung des Ertrages statt. Felli besitzt entsprechend seiner zwei Alpen zwei Speicher, Gornern nur einen. Aber auch hier steht noch die Ruine eines zweiten, der einer früher vorhandenen zweiten Alp dieses Tales zugehörte. Die Speicher sind kleine, sehr sorgfältig erstellte Holzblockbauten ohne Fenster, aber mit Luft-löchern versehen.

Ausserordentlich interessant sind die Besitzverhältnisse auf den Alpen unserer beiden Täler. Es kann vorkommen, dass einzelne Bauern ihren eigenen Stall besitzen, z.B. in Gornern auf Grub. Meistens aber vereinigen sich die Leute, die der gleichen Alpgenossenschaft angehören, um den Bau von Sennhütten, Ställen und Speichern gemeinsam zu finanzieren und durchzuführen. So haben z.B. an einem Stallbau in Waldi zwölf Bauern mitgeholfen. Jeder von ihnen besitzt also an diesem Gebäude einen Zwölftel-Anteil. Manchmal kommen dann durch Kauf oder Erbteilung mehrere solcher Anteile in eine Hand. Ein kürzlich erfolgter, die Alp Felli-Hütten betreffender « Alprustigverkauf », wie solche Geschäfte in Uri heissen, ergab folgendes Bild: Es wurden verkauft 1/8 Anteil am Käsespeicher, 78 Anteil an Alphütte und Schweinestall zu Hütten, 1/8 Anteil an Alphütte und Schweinestall zu Hinter-Waldi, 1/5 Anteil am Stall zu Hinterwaldi, 1/8 Anteil an Alphütte und Milchkeller in Vorder-Obermatt, 1/6 Anteil am Stall in Vorder-Obermatt, 1/8 Anteil an Alphütte und Schweinestall im Wichel, 1 Eigenstall in Hütten.

Die Alpgenossenschaft erwarb diese Anteile und veräusserte sie wieder, ohne den baufälligen Eigenstall, an einen Korporationsbürger von Uri, der dadurch vollberechtigter Alpgenosse zu Felli-Hütten wurde, mit je 1/8 Miteigentumsrecht an allen erwähnten Gebäulichkeiten. Unter Umständen, wenn sich z.B. viele Alpgenossen auf einer Alp finden, oder infolge Erbteilungen, sind die Anteilrechte entsprechend kleiner. So wurde laut Urner Amtsblatt 1928, Nr. 1, u.a. das « Miteigentum zu 1/35 Bruchteil » am Speicher im Gornerntal verkauft.

Ausser den « Bergen » und den Alpsiedlungen liegen noch einige anderen Zwecken dienende Gebäude in unsern Tälern. Da sind vorerst die auch als Unterstand und Rastplatz dienende Wegkapelle bei Mittel-Felliberg und am Ausgang des Gornerntales die Stäubenkapelle zu nennen. Diese letztere geniesst im Volke grosses Ansehen, da in ihr vorgebrachte Bitten besondere Aussicht auf Erhörung haben. Hier stand einst eine Föhre, an der ein Marienbild befestigt war, ein « Helgen- » oder « Muttergottesbaum ». Als dieser infolge Altersschwäche dürr zu werden begann, wurde anno 1910 die kleine Kapelle um den Stock herum erbaut, der also noch heute den Altar bildet und das Marienbild trägt.

Weiter gibt es ausser den schon erwähnten Bauten von Grub auch am Ausgang des Fellitales « in den bockigen Planken » einen Stall, der heute ebenfalls nur noch den Wildheuern und etwa den Jägern als Unterschlupf dient. Zur Wildheuspeicherung und hin und wieder als Geissställe werden auch die beiden heute fast ganz verschwundenen Bauten von Schallen im Gornern-Tobel benützt worden sein. Die Clubhütte des S.A.C. am Rhonastutz und das Werkhaus in Grub wurden schon erwähnt, ebenso das Alphaus von Vorder-Waldi, das im Urnerhausstil erbaut ist und heute dem Alppersonal, Jägern usw. als Unterschlupf dient.

Alle Siedlungen der beiden Täler lassen in deutlichster Weise das Bestreben erkennen, sich vor Naturkatastrophen zu schützen. Wegen Überschwemmungsgefahr wurden in Gornern vor allem die zahlreichen Schwemmkegel besiedelt, während im reicher gegliederten Fellital hauptsächlich die Terrassen und Stufen und von den Talbecken nur die Ränder beansprucht wurden. Lawinen und Steinschlag hält der Wald am besten ab, und wo dieser noch vorhanden ist, liegen deshalb die Siedlungen in seinem Schutze. Wo er aber fehlt, ist es oft sehr schwierig, erfolgreiche Abwehrmassnahmen zu treffen. Zuweilen findet sich ein mächtiger Felsblock, in dessen Schutz eine Hütte oder ein Stall angelegt werden kann; meistens aber versucht man durch Eingraben der Bauten in den Hang die Angriffspunkte für die Lawinen zu vermindern. An dem Werkhaus in Grub ist eine Spaltecke errichtet worden, welche die Lawine teilen und auf beiden Seiten des Baues vorbeileiten soll. Trotz allen diesen natürlichen und künstlichen Abwehrvorrichtungen sind Katastrophen je und je recht häufig gewesen. Von ältern ist heute keine Kunde mehr erhalten, von jüngeren seien nur zwei herausgegriffen. 1917 wurde ein mit staatlicher Unterstützung errichteter schöner Stall auf Hinter-Waldi nebst fünf andern Bauten kurze Zeit nach seiner Errichtung durch Lawinen zerstört. Im gleichen berüchtigten Lawinenjahr fielen in Speicher im Gornerntal drei Ställe, ein ehemaliges Wohnhaus und zwei Speicher einer Laue zum Opfer.

Wie viele andere Alpentäler leiden auch Felli und Gornern, trotzdem sie nur periodisch besiedelt sind, unter dem Rückgang der Siedlungen. Zwar ist dieser nicht so ausgeprägt, wie etwa der Vergleich zweier verschieden alter Siegfriedblätter unserer Gebiete vermuten liesse. Es ist ganz ausgeschlossen, dass sich überall so viele Gebäude vorfanden, wie die alten Karten angeben. Wahrscheinlich wurden von den betreffenden Topographen auch Grundmauern als Hütten aufgenommen, in der Meinung, es handle sich hier wie anderorts um die Gewohnheit, die Dächer der Alphütten und Ställe über den Winter jeweils abzudecken, um sie vor Schneedruck-und anderen Beschädigungen zu schützen. Dies ist aber hier nicht üblich. Vielleicht sind auch die primitiven, nur ganz kurze Zeit bestehenden Unter-schlupfhütten von Wildheuern unter diese Bauten aufgenommen worden, ebenso Schutzdächer für Waldstreue. Aber auch die wirklich vorhandenen Ruinen oder die zuverlässig bestimmbaren, wenn auch keine Spuren mehr aufweisenden Plätze früherer Gebäulichkeiten ( Ödungen ) lassen nicht immer den Schluss auf Siedlungsrückgang zu. Oft werden von baufälligen Hütten oder Ställen nur die wertvollen Teile weggenommen und in der Nähe neue Bauten errichtet, ohne dass die alten ganz verschwunden wären. Dasselbe ist bei Zerstörungen durch Lawinen der Fall, wo für den Neubau ein sicherer scheinender Platz gesucht wird, die alten Reste aber als Wüstung sichtbar bleiben. So erklärt sich wohl ein grosser Teil der Ruinen und Ödungen auf Rosti und Speicher in Gornern, sowie auf Waldi in Felli. Wirklicher Sied-lungsrückgang hängt in den meisten Fällen mit der Aufgabe von Alpstaffeln zusammen; die Gründe, die zum Verlassen solcher Weidegebiete zwangen und später erwähnt werden sollen, sind also auch für die Aufgabe der Sied- lungen massgebend. Im Fellital sind heute alle hochgelegenen Sennhütten ( Murmetsbühl, Ober-Wichel, Hinter-Pörtli ), sowie sämtliche Bauten im Klüsertal zerfallen, in Gornern die ebenfalls sehr hoch gelegenen Hütten auf Abrigen und Siglisfad. Hin und wieder finden sich auch Ruinen von sogenannten Stümpelerbetrieben ( unter Stümpeler versteht man einen auf eigene Faust, ausserhalb der Genossenschaft alpenden Bauern ). Hierher gehören Balmen in Gornern und sehr wahrscheinlich auch die Ödungen von Rhona in Felli.

Die in Gornern alpenden Bauern sind fast ausschliesslich in der Gemeinde Gurtnellen, in Gurtnellen-Berg und in Wiler niedergelassen. Im Sommer 1928 waren es 35 Alpberechtigte, von denen bloss drei ausserhalb und zwar in der Gemeinde Wassen wohnten. Gornern ist, wie die Mehrzahl der Weiden zwischen Schellenen und Urnersee, Eigentum der Bürgerkorporation Uri. Es hat somit grundsätzlich jeder im Kanton niedergelassene Korporationsbürger das Recht, sein Vieh auf dieser Alp zu sömmern, vorausgesetzt, dass er durch die Korporationsgemeinde ein sogenanntes Hüttenrecht erworben hat. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich aber mehr oder weniger in ganz Uri die Bürgerfamilien auf gewisse Alpen festgelegt, auf denen sie Generationen hindurch bleiben, weil die einmal auf Grund der Hüttenrechte errichteten Bauten Familien besitz waren, unterhalten und nach dem Zerfall jeweils wieder neu errichtet wurden, damit das einmal erworbene Recht nicht wieder verloren ging.

In Gornern haben sich die alpberechtigten Bauern zu einer freien, nicht juristisch festgelegten Genossenschaft vereinigt. Durch mündliches « Aufrufen » werden deren Mitglieder ordentlicherweise jährlich zweimal, vor der Alpfahrt und nach der Talfahrt, zusammengeladen. Diese Versammlung wählt jeweils auf zwei Jahre den « Alpvogt », also den Alpverwalter, der gegenüber den Behörden, namentlich gegenüber den Korporationsorganen, offizieller Vertreter ist, den Viehauflag 1 ) einzieht und Kontrolle über die Alp führt. Er verwaltet auch den von den Alpgenossen festgesetzten, meistens ein bis zwei Franken, oft aber auch bis zehn Franken pro Stück Vieh betragenden « Schwendbatzen » und sorgt für dessen zweckmässige Verwendung ( Steinräumungen, Wegunterhalt usw. ). Er besorgt schliesslich die Alpkosten-teilung, das ist die Verrechnung der Kosten für Viehaufsicht und Milchverwertung, sowie allfälliger anderer Ausgaben auf den einzelnen Alpgenossen.

Im besondern richtet sich die Viehsömmerung nach einer speziellen Alpordnung, die folgenden Wortlaut besitzt:

« 1. Auf je zwei Kuhessen2 ) soll ein Tag geschönet werden. Für diejenigen Alpgenossen, welche Vieh auftreiben, aber nicht selbst schönen oder schönen lassen, wie es sie trifft, soll auf ihre Kosten geschönet werden.

Es wird ein Taggeld von 3 1/2 Fr. verrechnet, und haben die Säumigen dieses sofort zu bezahlen. Geschönet muss allgemein vor der Alpfahrt werden.

2. Alles Vieh ist miteinander zu und von der Weide ( Planggen ) zu treiben. Sennten und Stümpeler haben das Gras miteinander zu nutzen, und letztere haben der Mehrheit Folge zu leisten.

3. Es soll kein fremdes Vieh in die Alpen gelassen werden. Unter fremdem Vieh ist solches verstanden, dessen Eigentümer kein Hüttenrecht zu Gornern haben. Ist die Mehrheit zufrieden und wird die Alp nicht übertrieben, so kann ein Alpgenosse einige Kühe an Zins nehmen, jedoch nur auf Einwilligung der Mehrheit der Alpgenossen.

4. Für galte Kühe und Zeitrinder zahlt man 7 Fr., Maisrinder 6 Fr. und Kälber 3 Fr. Alpkosten.

5. Für einen Stier hat der Alpvogt zu sorgen, der bezügliche Zins soll von dem Vieh bezahlt werden, für welches der Stier gebraucht wird. Der Alpvogt ist auch berechtigt, einen Stier zu kaufen, anstatt um Zins zu nehmen.

6. Für Beaufsichtigung der Alp ist der Alpvogt bestellt, wie er auch die Alpverbesserungsarbeiten anzuordnen und zu beaufsichtigen hat. Für diese Arbeiten werden 3 Fr. Taggeld verabfolgt.

7. Beim Schönen werden Leute unter 16 Jahren nicht angenommen.

8. Dem Alpvogt ist für die Versäumnis, wegen der Eidesleistung nach Altdorf zu gehen, ein Taggeld von 5 Fr. zu geben, das auf sämtliche Kühe verrechnet wird.

9. Die Alpgenossen haben innert der durch den Alpvogt zu bestimmenden und durch Ausrufen bekanntgegebenen Zeit die Zahl des Viehes, das sie aufzutreiben gedenken, dem Alpvogt anzugeben. Die Kälber sind von der Anmeldepflicht enthoben. Alles nicht angemeldete Vieh darf nicht aufgetrieben werden. » Diese Ordnung ist das Ergebnis jahrhundertelanger Tradition. In erster Linie wird darin als wichtigste Arbeit das « Schönen » genannt, d.h. das Ablesen der Steine, die nach etwas altväterlicher Weise noch heute alljährlich zu Haufen geworfen und dann im darauffolgenden Winter von den Lawinen wieder zerstreut werden. Erst im Herbst 1928 ist auf Rosti und Ruppenstafel mit einer vom Kulturamt Uri entworfenen planmässigen Steinräumung und Entwässerung begonnen worden. Es ist ferner zu beachten, dass in der Ordnung die Sennten genannt werden. Heute besteht in Gornern nur ein Sennten, d.h. die Alpgenossen lassen alle ihr Vieh zusammen weiden und beaufsichtigen. Früher aber waren es deren zwei, die wohl zusammen weideten, deren Milch aber getrennt verarbeitet wurde. Deshalb stehen noch heute auf Bissig- und Ruppenstafel je zwei Sennhütten, die jetzt allerdings von dem einen Sennten benützt werden; und nach der Überlieferung sollen noch früher auch die Weidegebiete in ein Vorder- und ein Hinterteil getrennt gewesen sein. Nach korporativem Recht steht es übrigens noch jetzt jedem Bürger mit Hüttenrecht frei, in Gornern für sich zu alpen. Sollte er z.B. von der dortigen Genossenschaft nicht aufgenommen werden, so könnte er mit andern Bürgern ein zweites Sennten auftreiben, oder aber als « Stümpeler », d.h. als der am Stumpen, der zuletzt Kommende, sein Vieh allein sömmern und seine Milch in eigener Sennhütte verarbeiten. Die ordentliche Sömmerung dauert ungefähr vom 20. Juni bis 10. September, also etwa 82 Tage. Da das Weidegebiet viel zu gross ist, um von einer zentral gelegenen Sennhütte aus benützt zu werden, ist es in fünf Staffeln eingeteilt. Dabei wird dieselbe Staffel wiederholt befahren, so dass in normalen Sommern nicht weniger als elfmal gewechselt wird. In schlechten Sommern, namentlich bei Schneefall, erhöht sich diese Zahl oft bedeutend. Meistens wird dann aus den höheren Lagen vorübergehend nach Grub abgefahren, das einen typischen « Wich- » oder « Schneefluchtstafel » darstellt, der normalerweise nicht benützt wird. Auf den einzelnen Staffeln werden dann wechselweise die verschiedenen, je nach Grösse und Lage als Tag-, Morgen- oder Abendweiden bezeichneten Plätze befahren.

Die ganze Viehsömmerung wird von vier von den Alpgenossen angestellten Alpknechten besorgt. Diese tragen gemeinsam die Verantwortung für das Vieh. Der Senn besorgt im besondern die Verarbeitung der Milch zu Fettkäse und Zieger sowie die Speicherung der Käse in Speicher, wohin die Laibe jeden Tag getragen werden. Der Zusenn oder « Dinner»Diener oder auch im Volksmund der, welcher das « Dünner », d.h. das Schlechtere zu tun hat ), ist vor allem dem Sennen bei seiner Arbeit behilflich. Er muss für Feuermaterial sorgen, was auf den höhern Staffeln eine recht mühsame Arbeit ist, er übernimmt die Reinigungsarbeiten in der Hütte und hat auch sonst überall einzuspringen, wo es notwendig ist. Der Hirt hat die spezielle Aufsicht über das Vieh und ist für möglichste Ausnützung des Weidebodens verantwortlich. Der Zuhirt oder « Handknapp » ( Handknabe ), meistens ein kaum der Schule entlassener Bursche, hilft ihm dabei.

Nach der offiziellen Talfahrt bleibt noch ein Teil des Galtviehs, d.h. Kälber und Maisrinder, ausnahmeweise auch einzelne Kühe, zum Nach-ätzen oder zum Nachalpen auf der Alp. Jeder Bauer weidet dann sein Vieh auf eigene Faust für etwa 14 Tage auf der Staffel, die ihm am besten behagt, nach vorheriger mündlicher Vereinbarung. Das Vieh wird dabei meistens « gestallt » und zum Grünfutter der Weide wird noch Wildheu zugegeben. Die Älpler, welche Ställe oder Stallanteile besitzen, sind also während dieser Nachalpung stark im Vorteil. Nach der endgültigen Talfahrt lassen die Bauern zu Wiler ihr Vieh noch auf der Heimkuhweide Wilerplangge an der Gotthardstrasse weiden. Die Alpgenossen von Gurtnellen-Berg benützen zu diesem Zwecke ihr Eigenland, wobei mit den am höchsten gelegenen Wiesen begonnen und langsam tiefer herunter geweidet wird bis zur endgültigen Winterstallung ( durchschnittlich Ende Oktober ).

Die Ertragsbestimmung der Viehsömmerung für den einzelnen Alpgenossen erfolgt durch die Milchmessungen, von denen die erste drei bis fünf Tage nach der Alpfahrt, die andern fünf und zehn Wochen später durchgeführt werden. Dabei wird die Milch jeder Kuh mit der Stangen-wage gewogen. Etwa drei Wochen nach der Talfahrt erfolgt die Verteilung des Alpnutzens. Dabei werden die bis zur dritten Messung erzeugten Käse nach dem mittleren Ergebnis der beiden ersten Messungen verteilt, die später erhaltenen, besonders gespeicherten Laibe aber nur nach dem Ergebnis der dritten Messung. Der Zieger wird schon während der Sömmerung nach Massgabe der Milchmengen verteilt.

Wie der Ertrag werden auch die Auslagen ( Lohn für Alpknechte usw. ) nach der Zahl des aufgetriebenen Viehes verteilt. In den letzten Jahren betrug dieser « Alpkosten » durchschnittlich Fr. 7. pro Kalb, Fr. 12. pro Mais- und Zeitrind und Fr. 17. pro Kuh.

Über den in Zins genommenen Alpstier führt der Hirte besondere Kontrolle. Er notiert das « z'Rindergah » desselben und verrechnet dafür dem betreffenden Viehbesitzer Fr. 3.. Reichen diese Einnahmen nicht aus, so wird der Rest der Kosten im Verhältnis zur Zahl der Kühe auf deren Besitzer verteilt.

In Gornern wurden im Jahre 1928 40 Kühe, 26 Zeitrinder, 51 Mais-rinder und 36 Kälber aufgetrieben, das sind 103 1/2 Kuhessen. Die heutige Schätzung oder Stuhlung der Alp beträgt aber nur 94 Kuhessen. Die Alp ist also überstossen. Früher hätte Gornern eine solche Viehherde mit Leichtigkeit ertragen. Infolge der schon erwähnten, sehr starken Verwilderung ist aber das Weideland qualitativ und quantitativ sehr stark zurückgegangen. Eine ganze Anzahl von Staffeln ist innerhalb der letzten sechzig Jahre aufgegeben worden, so Abrigen infolge Felssturzes, Schweinboden besonders wegen schlechter Wegverhältnisse, die Läuchernalp schon in den achtziger Jahren, Sass um 1870, wahrscheinlich wegen des vorstossenden Firnes, der den Graswuchs beeinträchtigte, und wegen schlechter Wegverhältnisse. Siglisfad wurde früher von Gornern aus bestossen, heute ist die Weide z.T. verlassen, z.T. wird sie von der Intschialp als Oberstaffel benützt. Alle diese aufgegebenen Grossvieh-Weideplätze sind seither zusehends vergandet und von Zwergsträuchern überwuchert worden. Teile von ihnen werden etwa noch als Wildheuplanggen benützt, das übrige ist zur Schaf- und Ziegenweide geworden. 1896 sömmerten in Gornern 150 Ziegen und 400 Schafe, 1928 73 Ziegen und 329 Schafe.

Während Gornern sozusagen ausschliesslich von Gurtneller Bauern bewirtschaftet wird, sömmern im Fellital neben Anwohnern der Gemeinde Gurtnellen ( vorwiegend Wiler und Unter-Gurtnellen ) etwa gleichviel Leute aus der Gemeinde Silenen, besonders aus Ried südlich Amsteg, ihr Vieh. Die Bauern haben sich zu den zwei Genossenschaften von Felli-Waldi und Felli-Hütten vereinigt, von denen die erste elf, die zweite zehn Mitglieder zählt. Auch diese Alpen sind Korporationseigentum, und auch sie besitzen besondere Alpordnungen mit ähnlichen Bestimmungen wie Gornern. Felli-Waldi ist in fünf, Felli-Hütten in vier Staffeln gegliedert. Die Staffel Wichel wurde bis 1927 von den beiden Sennten in einem Turnus von sechs Jahren abwechslungsweise bestossen. Seither ist sie endgültig Waldi zugeteilt worden. Entsprechend der geringeren Staffelzahl sind auch die Wanderungen während eines Sommers weniger verwickelt. Die Auffahrt erfolgt auf Felli-Waldi meistens zwischen 15. und 20. Juni, auf Felli-Hütten etwa am 22. Juni, die Talfahrt durchschnittlich zwischen 15. und 20. September. Die Sömmerungszeit beträgt also in Waldi etwa 90 Tage, in Hütten etwa 80 Tage oder annähernd gleichviel wie in Gornern. Der Besatz beider Sennten zusammen betrug 1928 45 Kühe, 14 Zeitrinder, 35 Maisrinder und 29 Kälber. Daneben wurden wie in Gornern einige Schweine gemästet. Auf die Kleinviehweiden wurden 207 Schafe und 105 Ziegen aufgetrieben. Auch hier besorgen angestellte Alpknechte die Viehsömmerung, während die Besitzer mit ihren Familien im Talgute bleiben und dort vor allem die Heuernte erledigen.

Felli ist wie Gornern überstossen. Der Grasertrag ist ungenügend für das aufgetriebene Vieh, weil viele Staffeln und Weideplätze wegen zunehmender Verwilderung aufgegeben wurden. So befanden sich im Klüsertal früher zwei Staffeln, heute ist das ganze Gebiet Kleinviehweide. Ebenso sind die Staffeln Murmetsbühl und Diedenberg aufgegeben worden. Die erste wird noch als Tagweide von Obermatt aus bestossen, die zweite ist wegen der sehr beschwerlichen Zugänge ganz verlassen worden. Auch Hinter-Wichel und Hinter-Pörtli sind keine selbständigen Staffeln mehr, sondern zu Tagweiden der niedriger gelegenen Staffeln herabgesunken, und Bächen ist ganz aufgegeben worden. Das Kleinvieh benützt heute diese Gebiete, und mehr als in Gornern wird in Felli auch noch Wildheu gesammelt.

Mit wenigen Ausnahmen vollzieht sich die Sömmerung des Grossviehs in Gornern und Felli noch heute nach uralter Tradition. An besonders hervorstechenden Beispielen wurde dies zu zeigen versucht, und ohne Schwierigkeiten könnten weitere dafür zeugende Merkmale angeführt werden. Der Urner Älpler ist eben im allgemeinen Neuerungen abhold. Er hängt vielmehr, allzusehr vielleicht in mancher Beziehung, an den überlieferten Wirtschaftsmethoden, ohne dass dann freilich der Erfolg immer dem Kraftaufwand entspricht. Diese in den Familien fortlebende Tradition und die Liebe zur engsten Heimat sind aber auch schuld daran, dass sich hin und wieder Gestalten finden, die in unwandelbarer Treue ihr ganzes Leben hindurch am gleichen Orte wirken. Ein solcher Mann, der unsere Bewunderung verdient, war Josef Baumann, der « Miseli », 1836 in Gurtnellen-Berg geboren und 1922 ebendort gestorben. Drei Jahre war er Hirte und volle fünzig Jahre Senn auf der Gornernalp, wo er gewiss oft seinen ganzen goldenen Humor und eine Kraftnatur ohnegleichen brauchte, um die vielen rauhen und unwirtlichen Tage ohne Schaden zu überdauern. Zu seinem Andenken haben ihm die Angehörigen beim Wartstein in der Gornernalp ein Denkmal gesetzt. Ein italienischer Steinhauer hat dort in ihrem Auftrag in seinem Halbdeutsch, das so heimelig klingt, die Personalien des Verstorbenen in den Fels gehauen:

Jos. Baumann, Misäli 3. jar Hirta u. 50 jar Sänn Gr. Alp G. 1922 86 Jahr. a.

( « Jos. Baumann, ab der Miseli, drei Jahre Hirt und 50 Jahre Senn, Gornernalp, gestorben 1922, 86 Jahre alt. » )

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