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Hochalpine Forschungsstation auf Jungfraujoch

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Von Alfred Kölliker.

Der Schöpfer der Jungfraubahn, Guyer-Zeller, bestimmte freiwillig einen Betrag von Fr. 100,000 für Forschungen auf dem Gebiet der Wissenschaften im Hochgebirge. Damit gab er den Anstoss zur Entwicklung des Gedankens, mit diesem Geld als Grundlage nach und nach grössere Mittel anzulocken, um auf dem Jungfraujoch ein wissenschaftlich weit um sich greifendes Projekt zu verwirklichen.

Der erste, der diesen Gedanken aufnahm, war Alfred de Quervain1 ), dem es das Geschick leider nicht gönnte, den Erfolg seiner mühevollen Arbeit zu erleben. Auf seine Anregung hin wurde durch den schweizerischen Bundesrat aus dem Schosse der « Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft » ein Ausschuss berufen, welchem die Aufgabe gestellt wurde, das Problem eines internationalen Institutes für allgemeine Höhenforschung auf Jungfraujoch gründlich zu studieren. Jahrelanger Arbeit bedurfte es, um zu dem heutigen Projekt zu gelangen. Wissenschaftliche Kreise des In-und Auslandes mussten mobilisiert werden, um es durchführbar zu machen.

Eine erste Stufe ist nun erreicht. Auf Jungfraujoch ersteht eine hochalpine Forschungsstelle, die dem Wissenschaftler fast aller Zweige ermöglicht, neue grundlegende Arbeiten auszuführen. Unter Mithilfe der Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs, Deutschlands hat die Schweiz begonnen, auf ihrem Boden das höchstgelegene Forschungsinstitut Europas zu errichten. Es wird jedem Gelehrten zu jeder Zeit zugänglich sein. Doch das ist nur der Anfang, es ist nur der Grundstein dessen, was auf dem Jungfraujoch durchgeführt werden kann.

Die erste Wissenschaft, welche sich schon vorher in einem von der Jungfraubahn zur Verfügung gestellten Provisorium niederliess und mit Erfolg arbeitete, war die Astronomie. Sie blickt heute auf mehrere Jahre Forschung dort oben zurück und hat bewiesen, dass das Institut auf Jungfraujoch berufen ist, allein schon auf diesem Gebiet ausserordentliche Möglichkeiten zu eröffnen. Ein kurzer Rückblick gebührt ihrem Wirken. Der Drang nach Vervollkommnung früherer Erfahrungen und Beobachtungen löste auch in der Astronomie das Bestreben aus, tiefer in die Verschlossenheit des Weltraumes und seiner Körper einzudringen. Das einzige ihr zur Verfügung stehende Hilfsmittel ist die visuelle Beobachtung. Einen Erfolg aber gewähren nur diejenigen Orte auf unserer Erde, welche den Beobachtungsmöglichkeiten die kleinsten Hindernisse entgegenstellen. So kam es, dass von allen grossen astronomischen Zentralen, je nach der Kraft ihres Geldes und Geistes, ein Wandern nach allen Teilen der Erde begann, eine Jagd nach dem idealen Beobachtungsort. Ob ein solcher überhaupt besteht, ist von vornherein zu bezweifeln. Ohne Zweifel aber hat man schon eine Reihe von Orten gefunden, die für astronomische Beobachtungen hervorragend geeignet sind.

Auch in der Schweiz musste nun dieses Tasten nach diesem Orte auf unserm Heimatboden einsetzen, und wir dürfen heute ruhig behaupten, wenn nicht den besten, so doch sicher einen der besten Orte für die visuelle Beobachtung der Himmelskörper zu besitzen.

Schon 1912 gedachte Emil Schaer, Astronom der Sternwarte in Genf, auf dem Rocher de Naye ein Sonnenspektroskop zur Beobachtung der Sonnen-protuberanzen aufzustellen. Alle Vorbereitungen waren bis ins kleinste getroffen, aber Unvorhergesehenes verhinderte die Ausführung. Im Jahre 1921 nahm Schaer den Gedanken neuerdings auf und stellte in Chésières auf 1250 m Höhe einen 21 cm-Reflektor für allgemeine Beobachtungen auf. Das Ergebnis war infolge der schlechten atmosphärischen Verhältnisse keineswegs günstig.

Auf Grund der Vorarbeiten des erwähnten Ausschusses der « Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft » prüften 1922 Alfred de Quervain aus Zürich, Raoul Gautier aus Genf und Emil Schaer die astronomische Eignung des Jungfraujochs. Im Oktober desselben Jahres wurde ein kleiner 14 cm-Reflektor hinaufgebracht. Die Witterungsverhältnisse waren dem Unternehmen sehr ungünstig. Vier Tage wartete man in dichtem Nebel auf klaren Himmel. Ein einziges Mal gelang es in dieser Zeit, das Fernrohr zu benützen. Allein trotz des mageren Erfolges dieser Tage waren im Jahre 1923 dieselben Männer, begleitet von Blumbach aus Leningrad, vom 1. bis 12. Juli auf dem Jungfraujoch wiederum beisammen. Diesmal waren Wetter und Luft äusserst günstig. Trotz des nur kleinen Instrumentes, eines 21 cm-Spiegels, war das Ergebnis erstaunlich gut. Der richtige Ort schien gefunden zu sein.

Der Bau des Berghauses der Jungfraubahn ermöglichte die Erstellung eines provisorischen Observatoriums im Gebiete des ewigen Eises auf 3450 m. Mit der tatkräftigen Unterstützung der Bahngesellschaft entstand dort oben der höchste astronomische Beobachtungspunkt der Erde. Am 28. Juli 1924 konnten zwei tadellose Instrumente in Tätigkeit treten, und sie blieben es bis zum 25. September. Die Ergebnisse wurden im 7. Band der « Archives des Sciences physiques et naturelles » niedergelegt: « L' opposition de Mars Hochalpines Forschungsinstitut Jungfrau joch, 3457 m Zentralgebäude. Ansicht von Südosten.

en 1924. » In den Jahren 1925—1927 wurden die Beobachtungen regelmässig winters und sommers fortgesetzt. Die Ergebnisse dieser Beobachtungsreihen findet man in einer kleinen Arbeit im 10. Band der oben genannten Archive.

Nachdem nun einwandfrei festgestellt war, dass die Beobachtungsmöglichkeiten auf Jungfraujoch ausserordentlich günstige seien, trat die zweite Aufgabe an uns heran: auf diesem Gelände den Platz zu finden, der bei bequemer Zugänglichkeit alles das in sich vereinigt, was ein Astronom für die Aufstellung seiner Instrumente fordern muss. Es darf nicht unterschätzt werden, dass der Gratkamm Jungfrau-Sphinx-Mönch eine fast 4000 m hohe Balustrade bildet, welche das Berner Alpenmassiv an dieser Stelle gegen das 400 m hohe Unterland abschliesst. Dieser Kamm ist eine Wetterscheide und besitzt als solche alle die unangenehmen Eigenschaften, die ein Ausgleichsgebiet charakterisieren: Vor allem stark bewegte Luftmassen verschiedener Temperaturen. Für die astronomische Beobachtung hat dies zur Folge, dass die im Freien aufgestellten Instrumente starken Luftbewegungen ausgesetzt sind, und dass das unausgeglichene kalt-warme Mischungsverhältnis der Luft die vom Beobachter so viel gefürchteten Oszillationen ( Schwingungen ) in der Atmosphäre hervorruft.

Aufgabe war also, bei der allgemeinen ausserordentlichen Durchsichtigkeit der Luft einen Punkt zu finden, der leicht zugänglich, nach Süden orientiert ist und die erwähnten Nachteile möglichst wenig aufweist. Die Beobachtungen der letzten Jahre haben sich ganz besonders mit der Lösung dieser Frage befasst. Temperaturschwankungen, Bewegungen und andere regelmässige Erscheinungen der Luft wurden zu allen Jahreszeiten perioden-weise mit den praktischen Ergebnissen der visuellen Beobachtung der Himmelskörper verglichen. Der Standort der Beobachtung wurde jeweils neu gewählt, und nur so wurde es möglich, durch die Erfahrung die verwickelte Aufgabe so weit zu lösen, dass heute auf diesem Gebiete des Jungfraujochs einwandfrei ein Platz bestimmt werden konnte, der für astronomische Forschungen ganz ausserordentlich günstig ist. Der Platz befindet sich oberhalb des Ausgangs des Sphinxstollens in der Südostwand des Sphinxabsturzes. Nachdem nun die Platzfrage gelöst war, konnte an eine endgültige Aufstellung der Instrumente gedacht werden.

Alle bisher benützten Instrumente sind von Emil Scha er in Vésenaz sowie vom Observatorium Genf zur Verfügung gestellt worden. Schaer hat seine kostbare Zeit, seine ausserordentlichen Kenntnisse und Erfahrungen in der selbstlosesten Weise zur Verfügung gestellt und somit ermöglicht, dass in sieben Jahre langer Arbeit auf unserem Schweizerboden ein Aufstellungs-platz gefunden wurde, der ohne weiteres jedem Observatorium der Erde die Stirne bieten kann. Es dürfte vielleicht manchen Leser interessieren, dass die auf Jungfraujoch verwendeten optischen Stücke bei Reflektoren und Refraktoren aus der Eigenwerkstätte von Emil Schaer stammten. Astronom Schaer darf wohl als einer der ersten Fachmänner auf dem Gebiete der Spiegel-schleiferei für astronomische Zwecke gelten. Als ganz besondere Leistung muss der 1,22 m-Spiegel angesehen werden, der vor kurzem von Schaer geschaffen wurde und sich im Besitze des Ingenieurs Maceoce in Basel befindet. Es ist noch nicht bestimmt, wo dieses Prachtstück seine Aufstellung finden soll, und es wäre ausserordentlich zu bedauern, wenn dieses Meisterstück schweizerischer Arbeit ins Ausland wandern müsste. Im Jahre 1921 war es ein 21 cm-Spiegel, der uns zur Verfügung stand, dann einer von 60 cm während der Marsopposition 1924. Im Jahre 1925 wurde sogar ein 1 m-Spiegel aufgestellt, nicht nur für 3500 m Höhe, sondern schon für das Tiefland eine hervorragende Ausrüstung. Neben diesen grossen Hauptwaffen verfügten wir noch über eine grössere Zahl von kleinern Reflektoren, Refraktoren, Spektro-skopen, photographischen Aggregaten usw.

Dass Beförderung, Zusammensetzung und Aufstellung all dieser Instrumente in kleinem Raume oder gar im Freien bei schneidender Kälte oft grosse Schwierigkeiten bereitete, ist begreiflich. Aber auch hier hat man durch die Erfahrung sehr viel gelernt. Gleitflächen, Zahnräder und alle beweglichen Teile ändern ihr Verhalten ganz beträchtlich, wenn sie lange dem Froste ausgesetzt werden. Die Anpassung, welche diesen Erfahrungen folgte, führte zu neuen Methoden der Aufstellung und Bewegung.

Es war eine siebenjährige Lehrzeit. Eigenschaften der Lufthülle, Verhalten der Instrumente und Anpassung des Beobachters, alles forderte ein eigenes Studium, welches heute die kostbare Grundlage bietet, auf welcher das Observatorium nun gebaut werden soll. Ausserordentliches hat die Astrophysik vom Jungfraujoch zu erwarten.

Die Erfolge der ausgedehnten Vorarbeiten auf astronomischem Gebiete haben nun zum Entschlüsse geführt, eine richtige Sternwarte oberhalb des Sphinxstollenausganges zu errichten. Es ist wiederum die Sternwarte Genf, die dank der unermüdlichen Tätigkeit der Professoren Raoul Gautier und Georges Thiercy ans Werk geht und mit der geldlichen Hilfe von Gönnern in allernächster Zeit den Bau des Observatoriums beginnen wird. Für dessen Ausstattung sind bereits eine Reihe ausserordentlich kostbarer Instrumente geschenkt worden.

Auch die Meteorologie ist schon seit längerer Zeit auf Jungfraujoch heimisch. Sie erhielt im Jahre 1925 in Gestalt des Geophysikalischen Pavillons, welches durch die meteorologische Zentralanstalt erstellt wurde, ihr erstes festes Heim, und hat seither dem allgemeinen Wetterdienst grosse Dienste geleistet. Auch die meteorologischen Erfahrungen auf Jungfraujoch lassen darauf schliessen, dass diese Wissenschaft erfolgreich ausgebaut werden kann. Darum wurde beschlossen, auf dem Gipfel der Sphinx ein meteorologisches Gebäude zu errichten.

Auch die Geldkräfte für diese Abteilung der hochalpinen Forschungsstation konnten dank der Opferwilligkeit verständnisvoller Kreise gesichert werden. Besonders erfreulich ist es, dass der Schweizer Alpenclub willens ist, sich in Form eines Beitrages an dieses Gebäude, in welchem der Hauptarbeits-raum als Stiftung des Schweizerischen Alpenclubs gedacht ist, ein bleibendes Denkmal zu setzen. Es wird hiermit in dem allgemeinen Wetterdienst im Interesse der Schweiz, der internationalen Wettervoraussage und des schweizerischen Flugwesens ein wichtiger Schritt getan.

Es würde zu weit führen, alle die Möglichkeiten aufzuzählen, welche die Lösung einer Unzahl von Problemen der verschiedenen wissenschaftlichen Zweige durch das Höhenforschungsinstitut zu erwarten haben. Gar vieles beschäftigt die moderne Wissenschaft stark, besonders die Aerophysik, die Strahlenforschung, die Biologie, die Physiologie. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit an die Umfrage, die seinerzeit an eine Reihe hervorragender Gelehrter gerichtet wurde und deren Antwort einmütig bekundete, dass die Durchführung des Projektes zur Förderung jeder Wissenschaft beitragen werde, und dass die Errichtung einer modernen, stets zugänglichen Arbeits-stätte auf solcher Höhe von kaum einzuschätzender Bedeutung sei.

Aber nicht nur das Interesse der einzelnen Wissenschaften als solche, sondern auch die Tatsache der internationalen Zusammenarbeit der einzelnen Forschungszweige, für welche das Institut ja in erster Linie errichtet wird, gibt ihm eine weit über alles hinausragende Bedeutung. Internationale Zusammenarbeit ist internationale Kulturförderung. Die Erläuterung der verschiedenen Probleme im Geiste verschiedener Rassen, die Lösung allgemein wissenschaftlicher Aufgaben durch das Zusammenwirken internationalen Könnens: das ist es, was die Bedeutung des Institutes auf eine so hervorragende Stufe stellt. Die Station wird hierdurch zum Ausgangspunkt jenes Fortschrittes sein, von dem alle Menschen über jede Grenzen hinaus unendlich viel gewinnen werden. Die Schweiz darf mit Recht stolz sein, auf ihrem Boden diese hervorragende Keimzelle, die für die allgemeine Förderung der Wissenschaft bahnbrechend ist, zu besitzen. Dass diese Überlegung auch in andern Ländern sofort mitempfunden wurde, beweist die Tatsache, dass eine ganze Reihe von Ländern alsbald ihre Hilfe zugesagt und mit tatkräftiger Unterstützung zum Gelingen des Werks beigetragen haben. Deutschland, Frankreich, die Vereinigten Staaten haben ihre Mithilfe bereits durchgeführt. Eine Reihe anderer Länder werden unter die Namen der Stifter dieses grossen Unternehmens treten. Mit besonderer Freude begrüssen wir die Hilfe schweizerischer Unternehmungen und Gönner, die alle ihre Hilfe zusagten im Bewusstsein, dass diese Tat der Schweiz zur Ehre gereiche und zum Besten der Entwicklung allgemeinen Wissens diene. Als Guyer-Zeller im Jahre 1893 die Jungfraubahn in Angriff nahm, ahnte sein genialer Geist, dass dort oben im Jungfraujoch nicht nur technisch ein Werk entstehen werde, das seiner Zeit um Jahre vorauseilte, sondern dass der Forschergeist in jener Höhe unendlich grosses Wissen schöpfen könne zum Besten der Menschheit. Das überzeugte Vertrauen, das er vor 35 Jahren in das Gelingen dieses Werkes setzte, setzen nun auch wir in das Gelingen unseres Vorhabens. Wir zweifeln nicht daran, dass unser Vertrauen Widerhall finden wird in allen denen, welche die Bedeutung des Unternehmens erfassen können. Ebenso zweifeln wir nicht daran, dass eine ganze Reihe anderer Länder Europas sich am Werke beteiligen werden, und hoffen, dass das Land, auf dessen Boden eine neue Stätte der Wissenschaft entsteht, stets vom Bestreben erfüllt sein werde, selber an erster Stelle zu stehen, eingedenk des Grundsatzes: « Die edelste Förderung des Guten ist die Tat. »

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