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Im Denali National Park

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

Philippe und Claude Hertig-Stuby, Lausanne

Mount McKinley National Park, Alaska USA Eingangsschild des Denali National Park am George Parks Highway zwischen Anchorage und Fairbanks Sieben Uhr morgens, in der Nähe des Savage River. Im unwahrscheinlich klaren Morgenlicht des arktischen Sommers entdecken wir den Denali zum ersten Mal. Seine eisgepanzerte Masse zeichnet sich deutlich ab. Er ist zwar in der Luftlinie noch mehr als 110 km entfernt, überragt aber mit seinen 6194 m alle Gipfel der Alaska Range und beherrscht alles. Die uns umgebende weite Landschaft scheint in ihrer Gliederung darauf angelegt, den mythischen Riesen noch besser zur Geltung zu bringen. Wir haben den begrenzten Schutz der dürftigen Nadelbäume der Taiga verlassen, vor uns dehnt sich der grüne Teppich der Tundra bis zu den grauen und malvenfarbenen Hügeln der Ausläufer der Alaska Range. Dahinter, in einer Welt aus Eis und Schnee, thront der Herrscher mit seinen Trabanten, die er alle um wenigstens 1500 Meter überragt. Ein unvergesslicher Eindruck, ein Anblick, der uns dem Zauber dieses gewaltigen Berges und der ihn umgebenden wunderbaren Landschaft unterwirft.

Unendliche Weiten Denali, der ursprüngliche indianische Name des Mount McKinley, bedeutet ( Der Grosse ) oder ( Derjenige, der hoch ist ). In Alaska wird der Berg in Zukunft mit diesem wunderbar einfachen Namen bezeichnet; auch wir werden ihn für unsern Text übernehmen. Der Denali ist der höchste Gipfel des nach ihm benannten Nationalparks, aber er ist bei weitem nicht sein einziges Juwel! Jeder Schritt, jedes neu entdeckte Stück der Landschaft lässt die Augen staunen, entzückt den, der die Natur liebt, und das in Weiten, die kaum vorstellbar sind.

Der Denali National Park bedeckt eine Fläche von nahezu 25000 km2 ( zum Vergleich: die Schweiz hat 41 000 km2 ). Eine einzige Fahrstrasse führt etwa 140 km hinein, die ungezähmte Natur hat sich dort also alle ihre Rechte bewahren können.

Die Parkverwaltung setzt sich zudem tatkräftig dafür ein, die Einwirkung des modernen Menschen auf diese von der Zeit unberührte Welt so klein wie möglich zu halten.

Savage River. Je nach den Windungen der Strasse verschwindet der Denali, taucht wieder auf, versteckt sich erneut. Seit wir ihn zum ersten Mal entdeckt haben, scheint uns Die beiden Gipfel des Denali: ein flüchtiges Bild ehe die Wolken es verhüllen ( Stony Hill ) in der - gleichwohl herrlichenLandschaft ein entscheidendes Element zu fehlen, sobald er nicht mehr zu sehen ist. Ein wirklich faszinierender Berg, sein erster Eindruck ist so stark, dass er allgegenwärtig bleibt, selbst während der Stunden, in denen der Gipfel hinter den Vorbergen verschwindet oder von den dicken Wolken verhüllt wird, die ihn im Sommer an zwei von drei Tagen umgeben. Wir haben nicht den Ehrgeiz, den Denali zu besteigen. Selbstverständlich lockt ein solcher Berg jeden Alpinisten; doch wir sind - zumindest diesmal - nur als Betrachter da, allerdings als Betrachter voll leidenschaftlicher Liebe zu den nordischen Landschaften. Wir sind ausgezogen, die Schönheiten der unendlichen Weiten Nordwestkanadas und Alaskas zu entdecken, sind von der grossen Ebene von Alberta gekommen, haben die Rocky Mountains überquert, sind durch Yu- Einer der zahllosen Trabanten des Denali kon gezogen und nun in Alaska angekommen. Jetzt geht es langsam durch den Denali National Park, von einer Überraschung zur nächsten, wir kommen aus dem Staunen nicht heraus.

Taiga und Tundra leben Zwischen Savage River und Sanctuary River sind die Täler und Hügel auf unserm Weg von Tundra bedeckt. Sie wirkt uniform, doch das täuscht. Der Park ist - abgesehen von der schönen Landschaft, die wir dort erleben - ein hervorragender Ort für die Beobachtung der überaus reichen Fauna dieser subarktischen Gebiete. Wir sehen Schneehühner, deren sommerliches Federkleid sich durch seine Färbung als nahezu perfekte Tarnung erweist, wenn sich die Tiere auf den grasigen Flächen der Tundra zwischen den dort verstreuten Felsbrocken aufhalten. Wir können zwei friedlich grasende Karibus ( nordamerikanische Rentiere ) in unsere Photosammlung aufnehmen; zu ihr gehören bereits mehrere ( arktische Eichhörnchen ) ( richtiger: arktische Ziesel ). Im Hintergrund verbergen jetzt ockerfarbene Felsen, auf die das Grün der Tundra übergreift, den Denali. Im Süden zeichnen sich dagegen die vereisten Gipfel der Alaska Range gegen den graublauen Himmel ab. Soweit der Blick reicht, gibt es - abgesehen von der Piste - kein Zeichen menschlichen Wirkens. Schon beginnt das Gefühl, mit der Natur eins zu sein, ein Gefühl, das während unsres ganzen Aufenthalts hier durch die Abgeschiedenheit verstärkt wird.

Nahe des Sanctuary River gibt es dann wieder die dunklen Fichten der Taiga. Wie wir schon mehrfach beobachten konnten, neigen sich auch hier die Bäume in alle möglichen Richtungen, sobald sie auf geneigtem Gelände stehen. Die Amerikaner nennen solche ungeordnet-wirren Wälder drunken forests, betrunkene Wälder. Die Ursache für den merkwürdigen Wuchs bildet der Dauerfrostboden. In diesen Breiten bleibt der Boden in der Tiefe während des ganzen Jahrs gefroren, nur eine mehr oder weniger dicke obere Schicht taut während des Sommers auf. Dieser sogenannte Auftauboden ist mit Wasser gesättigt, es können darum gut Erdrutsche entstehen, die die Bäume mitreissen oder deformieren und damit dieses merkwürdige Bild der ( Trunkenheit ) schaffen.

Ein Stück weiter entdecken wir in einem morastigen Landstreifen ein grasendes kanadisches Eien. Dieses Tier von dem Pferd vergleichbarer Grösse erweckt einen Eindruck von Kraft, der den Beobachter überrascht, den bereits auf den ersten Blick dessen offensichtliche Unförmigkeit verblüfft. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass das Eien in Wirklichkeit seiner Umgebung perfekt angepasst ist. Das kanadische Eien, das zur Gattung der Hirsche gehört, lebt gern im Unterholz der Fichten und durchstreift auf der Nahrungssuche das Gebiet, wo Taiga und Tundra ineinander übergehen. Es ist der grösste Bewohner des Parks, ein männliches Tier kann mehr als 800 kg wiegen. Bei dem Eien, das wir jetzt in ungefähr zehn Metern Entfernung beobachten können, handelt es sich vermutlich um ein junges männliches Tier, denn sein Geweih ist wenig entwickelt. Uns ist der Schutz des Li- nienbusses, in dem wir sitzen, willkommen, denn der wütende Zorn des Eien ist bekannt. Es ist imstande, jeden vermutlichen Gegner brutal anzugreifen. Selbst der Bär hütet sich, ihm in den Weg zu kommen.

Unendlich verästelte Flüsse Teklanika River Campground. Der Linienbus hält einige Minuten, und wir benutzen die Gelegenheit, um auszusteigen und uns zu einer Wanderung den Fluss entlang aufzumachen. Teklanika bedeutet in der Sprache der Athapasken ( Der viel Kies und wenig Wasser hat>. Tatsächlich fliesst jetzt, Ende Juli, nur in den mittleren Rinnen des weiten Flussbettes Wasser. Je nach den Schlamm-, Sand- und Kiesbänken trennen oder vereinigen sich die Arme. Der Teklanika River ist ein sehr gutes Beispiel eines ( verästelten Flusses ). In einzelnen Abschnitten gibt es sogar Rinnen mit Querverbindungen, ein späterer Zustand in der Entwicklung eines solchen Flusses ( gekreuzte, durch stabile Sandbänke getrennte Rinnen ). Bei jeder Änderung des Wasserstandes wechselt das Wasser die Rinne, gibt eine auf, fliesst durch eine andre. Bei Hochwasser, zur Zeit der Schneeschmelze oder nach starken Niederschlägen, kann das Wasser das ganze Flussbett bedecken und sogar den Uferwald erreichen.

Kaum haben wir einige zehn Meter zurückgelegt, hören wir die Stimmen der Busrei-senden nicht mehr. Allein die Musik des Wassers und das leise Geräusch des Windes in den Fichten werden uns auf unsrer Wanderung begleiten. Der einzige falsche Ton ist das metallische Klingeln der Schellen, die wir am Gürtel befestigt haben ( ihr Lärm soll die Bären fernhalten !). Die Gegend ist von heiterer Schönheit. Die Taiga säumt beide Flussufer, und das dunkle Grün der Fichten, das sich zu Schwarz wandelt, wenn die Sonne hinter einer Wolke verschwindet, kontrastiert mit dem kristallklaren Türkisblau des Wassers. Die unendlich verästelten Wasserrinnen des Teklanika River leuchten still in der Sonne, die Schlamm- oder Kiesbänke bilden beige-ockrige Flächen mit da und dort verstreuten dunkleren Steinen oder Baumstämmen vom letzten Hochwasser. Auf dem andern Ufer sind die Hänge an ihrem Fuss mit Fichten bestanden, darüber steigt die Tundra weit an den Flanken der Berge hinauf; sie gehören zu einer der Ketten der Wyoming Hills. Heute ist diese Landschaft von einer friedlich stimmenden, fast unwirk- lichen Ruhe. Aber die von den grossen Hochwassern zurückgelassenen Überreste machen es nicht schwer, sich das Toben der wilden, alles auf ihrem Weg mitreissenden Wasser vorzustellen. Die Nadelbäume an den Ufern des Teklanika River bieten hier ideale Bedingungen für das Eien; wir sehen noch einmal vier Tiere. Schliesslich entfernen wir uns vom Bett des Flusses, durchqueren die Fichtenbestände und kommen einige Kilometer von unserm Ausgangspunkt entfernt wieder auf die Fahrstrasse. Sie führt weiter zwischen zwei Bergketten von mittlerer Höhe: Igloo Mountain ( 1448 m ) im Norden, Cathedral Mountain ( 1495 m ) im Süden. An den Hängen leben Dallschafe. Während unsres Aufenthalts sehen wir sie jedoch nur von ferne, verstreute kleine weisse Pünktchen auf den Graten oder im Geröll. Als wir sie mit dem Fernglas beobachten, können wir feststellen, dass ihre Beweglichkeit und Geschicklichkeit derjenigen der Steinböcke in unsern Alpen in nichts nachsteht. Das ist ihr bester Schutz vor ihren Feinden, dem Wolf in erster Linie, aber auch dem Bären, dem Luchs, dem Vielfrass und sogar dem Adler.

Das Reich des Grisly Die Strasse nimmt jetzt eine recht steile Steigung zum Sable Pass ( 1189 m ) in Angriff. Wir verlassen sie kaum in diesem Gebiet: Über eine Länge von 8 km und eine Breite von 1600 m zu beiden Seiten ist dies ein besonders geschätzter Lebensraum der Grislybären. Wir müssen auch nicht lang warten, um - von ferne - einen prächtigen Grisly bewundern zu können. Ein hellzimtfarbener Fleck in der Tundra, frisst er sich, nur etwas mehr als hundert Meter von unsrer Strasse entfernt, an Beeren satt. Selbst aus dieser Entfernung, die uns eine - recht relative - Sicherheit garantiert, ist das Tier sehr eindrucksvoll. Sogar ohne Fernglas ist hinter seinem Kopf der Buckel, in dem ein Teil der Muskeln seiner Vordertatzen konzentiert ist, zu erkennen. Der Grisly nimmt uns absolut nicht zur Kenntnis, ist vollständig mit dem Heidelbeergebüsch und andern Beeren beschäftigt. Die Grislybären des Denali ernähren sich hauptsächlich von Pflanzenkost, das heisst zu 90% von Beeren, Blumen, Wurzeln, Blättern, manchmal sogar Astwerk. Natürlich verschmähen sie auch die arktischen Ziesel, ganz junge Elens und Karibus und selbst Kadaver nicht. Um ein ausgewachsenes Eien anzugreifen sind sie zu klein, auf längeren Strecken zu langsam für ein ausgewachse- nés Karibu im Lauf, und sie klettern im felsigen Gelände nicht gewandt genug, um ein Dalischaf in seinem Bereich zu erwischen. Die wichtigste Grundlage ihrer Ernährung bilden also Beeren. Im Sommer kann ein erwachsenes Tier bis zu 200000 am Tag fressen! Kenner vermuten, dass die recht fleischarme Kost der Grislybären des Denali der Grund für ihre gegenüber ihren Verwandten, den Kondiakbären der Küste von Alaska, um ein Drittel geringere Grösse ist. Die Kodiakbären gehören zwar zur selben Familie, fressen aber Lachs und andere Fische in grosser Menge.

Grisly frisst immer noch Beeren, ohne einen Blick in unsre Richtung. Wir hüten uns wohl, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Der Grislybär ist unbestreitbar das gefährlichste wilde Tier Nordamerikas. Er greift mit absoluter Sicherheit an, wenn er seine Jungen, sein Nahrungsgebiet oder sich selbst bedroht fühlt. Sein etwas tolpatschi-ges Aussehen täuscht: Er kann eine Spitzen-geschwindigkeit von 70 km/h errreichen und mit einer einfachen Streckung in mehr als 5 m Höhe zuschlagen. Wer einmal eine Abbildung seiner mächtigen Tatzen gesehen Richtung Fairbanks I*« hat, verliert jede Lust, sie aus der Nähe kennenzulernen! Wir halten uns also an die Grundregel für den Fall einer Begegnung mit einem Grisly, selbst wenn eine Distanz dazwischenliegt, vermeiden absolut jede Bewegung und warten, dass er davonzieht. Aber wir verpassen nichts von dem Schauspiel, dass uns dieser Herrscher der Tundra bietet. Von einem Busch zum andern entfernt er sich langsam von unserm Standort; als das Motorengeräusch des vom Sable Pass herunterkommenden Linienbusses die Stille durchbricht, verschwindet er im Trab. Später, als wir die Strasse im Bus hinunterfahren, sehen wir noch einmal zwei Grislybären. Sie tauchen am Ende einer Kurve direkt vor dem Wagen auf und verschwinden schleunigst zwischen den Felsen und Büschen am Strassenrand; wir haben nicht einmal Zeit, sie zu photographieren. Das Gebiet ist wirklich ideal, um diese Tiere zu beobachten. Zahlreiche Zoologen kommen jedes Jahr, um sie hier zu studieren. Alaska ist der hauptsächliche Lebensraum dieser Bären-gattung, deren Gesamtbestand auf ungefähr Schematische Karte des Denali National Park mit den im Text erwähnten Gebieten und Örtlichkeiten Berge D Denali ( Mount McKinley ), 6194 m M Igloo Mountain, 1448 m C Cathedral Mountain, 1495 m P Polychrome Mountain, 1765 m Gebirgsketten AR Alaska Range KH Kantishna Hills WH Wyoming Hills Örtlichkeiten und Flüsse in der Nähe der Parkstrasse 1Riley Creek ( Parkeingang, ungefähr 500 m ü.M. ) 2Savage River, 845 m 3Sanctuary River 4Teklanika River, 786 m 5Sable Pass, 1189 m 6Toklat River East Fork ( Ostarm ) 7Toklat River 8Polychrome Pass, 1067 m 9Highway Pass, 1213 m 10Stony Hill 11Eielson Visitor Center ( Informationszentrum ) 12 Muldrow Glacier ( Endzone der Zunge; ungefähre Höhe der Front: 530 m ) 13Wonder Lake, 630 m 14Kantishna, 533 m Weitere Flüsse 15 McKinley River 16Nenana River ( Nebenfluss des Tanana River ) George Parks Highway _ Richtung Denali paxson Highway 20000 Individuen geschätzt wird. In den nördlichen und westlichen Staaten der USA leben weniger als tausend Braunbären - die Grislybären bilden eine Untergruppe-, die meisten in den Rocky Mountains, die übrigen Grislybären verteilen sich auf den Nordwesten Kanadas und Alaska. Im Denali National Park sind es zwischen zwei- und dreihundert, zu denen noch etwa vierhundert Schwarzbären oder Baribals kommen. Der Grisly hat die grossen Vereisungen des Quartärs überstanden, weil er ein Allesfresser ist und dadurch Schwierigkeiten umgehen konnte, vor die sich spezialisiertere Tierarten gestellt sahen. Man kann nur hoffen, dass dieses herrliche Tier vor Wilderern und andern Gefahren der Zivilisation bewahrt bleibt und als wertvoller Zeuge der Vielfalt des Lebens auf unserm Planeten weiter besteht.

Ein Bergriese, ein Fluss und scheue Tiere Wir kommen an die Senke des Sable Pass, und hier tauchen die beiden Gipfel des Denali wieder auf. Er ist zwar noch 85 km entfernt, aber ausserordentlich imposant. Schwere Wolken ballen sich um den Südgipfel und hüllen bald darauf das ganze Massiv ein. Die Landschaft ist von grossartiger Schönheit und wird, je weiter wir nach We- Polychrome Mountain. Die Tundra des Gebiets in der Nähe des Sable Pass, von wo die Aufnahme gemacht wurde, ist das Reich der Grislybären.

Photo: Puippe und Claude Heftig sten vorankommen, immer fesselnder. Der Strasse folgend steigen wir in das Tal des Ostarms des Toklat River ab. Wie sein Nachbar, der Teklanika River, besitzt auch er eine Unzahl verästelter Flussrinnen in seinem Bett. Doch statt der Fichten, die an den Ufern des Teklanika River wachsen, breitet sich hier die Tundra mit all ihren Grüntönen aus. In diesem weiten Tal ist es möglich, Wölfe zu entdecken. In den vierziger Jahren hat der amerikanische Biologe Murie sich drei Jahre lang in diesem Gebiet aufgehalten, um sie zu beobachten. Er hat seine Erkenntnisse in einem Buch niedergelegt, das noch heute als Standardwerk gilt. Wölfe wie auch Luchse und Biber bleiben diesmal unsichtbar. Doch wir werden bald in solchem Mass entschädigt, dass wir schnell diese allzu scheuen Tiere vergessen. Wir sind an das Ufer des Toklat River gekommen, dessen Wasser heute sehr ruhig dahinfliessen. Eine Brücke führt über den Fluss, und die Strasse beginnt, zum Polychrome Pass hinanzusteigen.

Eine Landschaft von unerhörter Schönheit Je höher wir am Hang des Polychrome Mountain hinaufsteigen, um so weiter wird die Landschaft um uns. Nicht die eher massige Steigung lässt unsre Herzen schneller schlagen, sondern das Gefühl, ein einzigartiges Schauspiel vor uns zu haben, einen jener Anblicke, den man seit langem erwartet, dessen baldiges Erscheinen man ahnt und der dann nicht nur die Augen packt, sondern alle Sinne, den ganzen Menschen.

Polychrome Pass. Worte reichen nicht für die Schönheit der uns umgebenden Landschaft. Nur ein Dichter könnte vielleicht die der Verzauberung, die Augen und Seele ergreift, angemssene Form finden. Versuchen wir in aller Bescheidenheit zu beschreiben, was selbst Photos nicht zeigen können. Der Blick senkt sich in ein riesiges Tal, dessen tausend Bäche in der Sonne glänzen. Die Berge der Alaska Range, an deren Flanken die sich hinunterziehenden Gletscher schimmern, begrenzen den Horizont. Es sind bescheidene Satelliten des Denali, aber an diesem Ort sind sie an einem idealen Platz in der Landschaft. Dem intensiven Grün der Tundra antworten die Ocker- und Rottöne einiger Felsspitzen, das Weiss von Gletschern oder einem entlegenen Firnfeld, die wie Sterne glitzernden Reflexe der Sonne auf den zahllosen Armen des Flusses. Kleine Seen von ständig wechselndem Blau sind über die Tundra verstreut, gleichen strahlendem Schmuck in einem unwirklichen Schrein. Und wenn die Sonne mit einigen vereinzelten Wolken spielt, wechseln Skala und Intensität des Lichts mit jeder Veränderung der Beleuchtung. Wechselnd gedämpfte oder hell leuchtende Sonnenstrahlen lassen unvermutete Einzelheiten hervortreten.

Und die Stille! Eine gewaltige, greifbare Stille, in der nur der leichte Atem des Windes und das Murmeln der Wildbäche zu vernehmen sind. Wir sind von soviel Schönheit wie betäubt und erleben einen unvergesslichen Augenblick der Ewigkeit. Hat es Sinn, davon zu sprechen? Wir haben vor uns sicher eine der schönsten Landschaften, die wir je gesehen haben, wir würden sie am liebsten nicht verlassen, möchten sehen, wie sie sich im Verlauf der Jahreszeiten oder bei wechselndem Wetter wandelt. Aber wir wissen, dass unser Aufenthalt dafür zu kurz sein wird. So sitzen wir lange Seite an Seite auf einem Felsblock über dem Tal. Worte sind nicht nötig, sie würden nur die Stille stören, die einen wesentlichen Teil des Zaubers am Polychrome Pass ausmacht. Wir nehmen nur alle diese Bilder in uns auf, die wir mit uns heimtragen wollen, um uns jedesmal, wenn wir Sehnsucht danach haben, ihre unaus- sprechliche Schönheit wieder bewusst werden zu lassen.

Die Ankunft des Linienbusses auf dem Platz einige Meter über uns unterbricht kurz unsre Meditation. Aber der Zauber ist nicht zerstört. Auch die Passagiere, ergriffen von der Herrlichkeit dessen, was sie erblicken, verstummen. Erst nach einigen Minuten folgen Ausrufe, dann Fragen. Welche Naturkräfte haben diese wunderbare Landschaft geschaffen?

Der Zusammenstoss zweier tektonischer Platten hat zur Entstehung der Alaska Range geführt. Die weiterdauernden Bewegungen haben im Lauf einer Folge von komplexen geologischen Ereignissen zu einem mehr als 1000 km langen mächtigen Bruch, dem De-nali-Graben, und zur Entstehung der Se-kundärketten am Rand der Alaska Range geführt. Diese gigantischen Kräfte haben während Millionen Jahren das Gestein gehoben, gefaltet, gesprengt und umgewandelt. Gletscher und Wildbäche haben anschliessend dieser geologischen Grundmasse ihre Spuren aufgeprägt und ihr die heutige Gestalt gegeben. Nach ihrem letzten grossen Vorstoss begannen die Gletscher vor rund 10000 Jahren, sich zurückzuziehen. Dabei liessen sie Steine in grossen Mengen zurück. So entstanden die chaotischen Gebiete, in denen Felsblöcke jeder Grösse, Kies, Sand, Schlamm und Ton wechseln, und überall dazwischen vom aktiven Gletscher getrennte Eispartien, die nach und nach schmelzen. Die Wasser zahlreicher aus den Gletschern abfliessender Wildbäche haben all dies Material verändert und verschoben. Sie sind durch ihre wechselnde Wasserführung für die verschiedene Höhe der Terrassen, die man in dem mächtigen Tal unterhalb des Polychrome Pass entdeckt, verantwortlich. So liegen in dieser prachtvollen Landschaft ganz verschiedene, durch die Erdstruktur, Gletscher, Gletscherströme, Gletscherseen oder auch Flüsse bedingte Formen Seite an Seite, vermischen sich und schaffen ein Bild, über dessen Schönheit man das komplexe Spiel ihrer Wechselwirkungen vergisst.

Im Lauf unsres Aufenthalts im Denali National Park kommen wir viermal über den Polychrome Pass. Jedesmal überrascht und begeistert uns die weite, einzigartige Landschaft. Die erste Begegnung ist ein Schock, jede folgende eine Gelegenheit für neue Entdeckungen: ein unvermutetes Detail, eine unerwartete Beleuchtung, eine durch den Wind oder seine Richtung bedingte Stille, in der wir mehr oder weniger deutlich das Geräusch der Wildbäche wahrnehmen. Bei unserm letzten Besuch spielt ein ganz junges Ziesel in den Gräsern am Rand des Felsens, der unser Beobachtungsposten geworden ist. Dieses kleine Tier fügt eine rührende Note bei, und die schmerzliche Sehnsucht ( die uns ganz entschieden packt ) wird etwas leichter.

Die Welt der Tundra Bei der Abfahrt des Linienbusses, der vorhin die Stille gestört hat, sind auch wir an Bord. Die Fahrt geht abwärts durch das Tal, in dem der Hauptarm des Toklat River fliesst. Wir bemerken mehrere Karibus, die ganz nah bei der Strasse die Tundragräser abfressen. Beim Anstieg zum Highway Pass ( 1213 m ), dem höchsten Punkt, den die Parkstrasse erreicht, haben wir das Glück, eine Grislybärin mit zwei Jungen beobachten zu können, wenn auch aus mehr als hundert Metern Entfernung. Nach ihrer Grösse zu schliessen, sind sie wohl in diesem Jahr zur Welt gekommen. Ungeschickt versuchen sie, die buschbewachsene Böschung am Ufer eines Nebenflusses des Toklat River hinaufzuklettern. Das Schauspiel ist mit Worten nicht wiederzugeben. Die Bärenmutter beobachtet während dieser Zeit wachsam unsern Wagen. Diesmal sind wir durch die Distanz, die uns von dem Trio trennt, und durch die Nähe des Wagens besser gesichert als damals, als wir unsern ersten Grisly sahen. Die drei Bären werden von Büschen verdeckt, tauchen auf einem kleinen Grat wieder auf, hinter dem sie dann endgültig verschwinden. Nun entschliesst sich der Chauffeur zur Weiterfahrt.

Das Band der Piste zieht sich durch die Tundra, die allein von jetzt an Teile des Geländes bedeckt. Wir sind seit langem über die Höhe hinausgelangt, bis zu der in diesen Breiten die Koniferen der Taiga wachsen können ( 800 bis 850 m ). Hinter dem Highway Bären, im Begriff Gefahr zu wittern Pass fällt und steigt die Route sanft, führt entlang von Hügeln mit von der Erosion zerfressenen Flanken und erreicht Stony Hill, wo der Blick auf den Denali - sein Gipfel ist noch immer 60 km in der Luftlinie entfernt -wunderbar ist. Wir sehen ihn von Stony Hill aus nur einen ganz kleinen Augenblick: Die schweren Wolken, die seit einigen Stunden um den Riesen treiben, haben sich plötzlich zusammengezogen und sind dabei, den Denali durch einen dichten Vorhang zu verhüllen. Der Anblick ist faszinierend. Während einiger Minuten steht der Doppelgipfel in einem Wolkenrahmen, dann verschwindet er endgültig.

Kurz darauf erreichen wir das Eielson Visitor Center. Wolken verbergen den Denali, doch einige seiner Trabanten, darunter beachtliche Viertausender, können wir bewundern. Wir benutzen unsern Besuch in Eielson, um an einer durch einen Ranger geführten Exkursion teilzunehmen. Dabei haben wir Gelegenheit, die erstaunliche Artenvielfalt zu entdecken und vor allem ihre Anpassung an die in dieser subarktischen Region herr- sehenden unerhört harten klimatischen Bedingungen. An die Stelle der ( normalem Baumarten sind hier Zwergformen von Birken und Weiden getreten, Büsche aus der Familie der Heidekrautgewächse lösen die andern Straucharten ab. Je nach der Exposition der Hänge und dem Schutz vor den Hauptwinden wirkt die Landschaft mehr oder weniger dürr und trocken. Moose und Flechten, Gräser, Seggen und Blumen - so zum Beispiel bestimmte Arten von Weidenröschen, Hirschwurz, lappländischem Rhododendron und arktischer Lupine - sind der sehr kurzen Vegetationsperiode angepasst. Dank ihrer geringen Höhe können sie die verhältnismässige Wärme des Bodens während des kurzen arktischen Sommers ausnutzen und sind zugleich vor der kalten Luft geschützt; die Pflanzen blühen so in sehr kurzer Zeit.

Vom Eielson Visitor Center führt die Strasse noch rund dreissig Kilometerweiter und endet am Wonder Lake ( auf einer Privatstrasse ist das Kantishna-Gebiet zu erreichen, in dem unter gewissen Bedingungen eine Genehmigung zur Jagd und zur Ausbeutung von Erzadern erhältlich ist ). Dieser Strassenabschnitt verläuft in dem weiten Tal des aus dem Denali-Massiv kommenden Muldrow Glacier.

Ein Gletscher, anders als die andern Der 48 km lange Muldrow Glacier ist für seine Surges bekannt, plötzliche und spektakuläre Vorstösse.1 Ausser seinen für Europäer ungewöhnlichen Dimensionen bietet er uns noch ein weiteres, bis dahin niemals beobachtetes Phänomen: Er ist zum Teil bewachsen! Am Zungenende ist der Muldrow Glacier von Felstrümmern in grossen Mengen bedeckt. Das wäre nichts Besonderes und kommt in den Alpen häufig vor ( zum Beispiel beim Zmuttgletscher bei Zermatt ). Aber hier ist die Zunge nur schwer von den sie umgebenden eisfreien und mit Tundra bedeckten Zonen zu unterscheiden. Tatsächlich ist es der Tundra gelungen, auf dem Moränenschutt Fuss zu fassen; sie entwickelt sich also auf dem Zungenende eines noch 1 Vgl. den Beitrag von Jürg Alean im QH 1/87, S.30ff. Die Red.

immer aktiven Gletschers! Wenn wir auch schon Bodenbildung oder das Auftreten einiger Pionierpflanzen auf von der Front eines aktiven Gletschers abgesprengten Toteis-stücken beobachten konnten, haben wir hier doch zum ersten Mal die Möglichkeit, diese Erscheinung in so grossem Massstab kennenzulernen. Schätzungsweise die letzten zwei oder drei Kilometer der Gletscherzunge sind von Tundra bedeckt. Wieder einmal kann man die erstaunliche Anpassungsfähigkeit dieser Pflanzenarten bewundern; wahrscheinlich wurden ihre Samen vom Wind auf den Gletscher getragen.

Entlang der Piste, die uns zum Wonder Lake bringt, liegen zahllose Teiche in der Tundra verstreut. Der Blick verliert sich in der gewaltigen Zone vor dem Eis des Muldrow Glacier, die vom McKinley River durchzogen wird, der zunächst nach Westen, dann nach Norden fliesst und schliesslich ausserhalb des Parks in den Tanana River mündet.

Als wir am Wonder Lake ankommen, ändert sich das Wetter abrupt. Wolken verdecken die Sonne, heftiger Wind kommt auf, an den Kantishna Hills hängen Nebelschwaden und ziehen sich bis zu den Spitzen einiger Fichten am Ufer des Sees. Die bis dahin ungewöhnlich stille und dank der Allgegenwart sämtlicher Grüntöne der Tundra und Taiga beruhigende Landschaft wird von einem Augenblick zum andern schwarz, hart, eisig. Unnötig zu betonen, dass wir die Spiegelung des gewaltigen Denali in den Wassern des Wonder Lake nicht zu sehen bekommen! Jetzt zeigt sich das andere Gesicht dieser faszinierenden Region und erinnert den Besucher daran, dass er sich in der subarktischen Zone befindet. Ehrlich gesagt, wir haben während unsres Aufenthalts sehr viel Glück mit dem Wetter gehabt. Wenn man den Aufzeichnungen der meteorologischen Station von Eielson glauben darf, so sind wir in den Genuss von weit über dem Durchschnitt liegenden guten Wetterbedingungen gekommen.

Überlegungen für eine Rückkehr Wir werden nicht weit über den Wonder Lake hinausgehen. Dieser erste Besuch des Denali National Park hat uns Gelegenheit gegeben, einiges von seinen Schönheiten zu entdecken, und in uns den unwiderstehlichen Wunsch geweckt, für sehr viel längere Zeit als diesmal zurückzukehren. Wir verlassen den Wonder Lake mit seinem düstern Aussehen und kehren langsam zum Eingang des Parks in Riley Creek zurück. Mehrfach unterbrechen wir die Reise für Wanderungen, während derer wir das Privileg geniessen, allein in der gewaltigen Weite zu sein. Die vertrauten Etappen auf dem Rückweg sind ebensoviele Gelegenheiten, liebgewordene Gebiete wiederzusehen und sie unter verändertem Licht neu zu entdecken. Das Tal des Muldrow Glacier, Eielson, Stony Hill, Tol-kat River, der unvergleichliche Polychrome Pass, Teklanika River mit seiner Heiterkeit, Savage River... Kurz vor dem Polychrome Pass reissen für ein oder zwei Minuten die Wolken auf, und wir sehen noch einmal den Denali, nur ganz kurz, aber der Anblick ist im eigenartigen Gegenlicht des Spätnachmittags prachtvoll.

Nun sind wir wieder in Riley Creek und bereits am Ende unsres Aufenthalts im Denali National Park. Wir haben uns an Einsamkeit und Stille gewöhnt. Jetzt geraten wir wieder ins Menschengedränge. Alaska Railroad, Souvenirläden, Verkehr, Lärm, die sinnlose Hast der Menge: ein scharfer Kontrast, eine harte Rückkehr zur ( Realität ). Und wenn die wahren Werte nicht dort lägen, wo die meisten Menschen sie sehen? Welcher Bergsteiger, welcher von den weiten Räumen Ange-tane hat sich diese Frage nicht schon bei der Rückkehr von einer Bergtour, einem Abenteuer auf See, in der Wüste oder anderswo gestellt?

Was wir im Denali National Park gesehen haben, ist eine unvergleichliche Lehre vom Leben: 155 Vogelarten, 37 Säugetierarten, mehr als 450 verschiedene Pflanzen sind dort gezählt worden, und das, obgleich die in diesen Breiten herrschenden klimatischen Bedingungen an Härte nur noch von denen der Polarzone übertroffen werden. Die am Anfang unsres Jahrhunderts von einer Handvoll Männer vertretenen Grundsätze haben es ermöglicht, den Park zu gründen und die so einzigartig reichen Weiten zu schützen. Möge der Park- und mit ihm alle andern hervorragenden Orte der Welt - allen, die ihn besuchen, Achtung vor der Natur einflössen und sie überzeugen, dass alles unternommen werden muss, um ihr Gleichgewicht wiederherzustellen und zu bewahren.

Einige praktische Ratschläge für Besucher des Denali National Park Der Zugang zum Park ist einfach. Der Eingang befindet sich am George Parks Highway, der die beiden grössten Städte Alaskas verbindet. Der Park liegt 385 km nördlich von Anchorage und 195 km südlich von Fairbanks.

Der Park wird von zahlreichen der in Alaska organisierten touristischen Rundfahrten berührt. Fast immer sind aber nur einige Stunden für seinen Besuch vorgesehen, was nicht genügt, um seine Schönheiten zu geniessen. Es ist darum vorzuziehen, ihn unabhängig von einer Gruppe zu besuchen.

Der private Fahrverkehr ist ausschliesslich und strikt auf die Parkstrasse beschränkt. Unserer Meinung nach ist das richtigste, den Gratis-Linienbus der Parkverwaltung zu benutzen, den man jederzeit für eine Wanderung verlassen kann. Wanderungen sind eindeutig die beste Möglichkeit, den Park, seine Fauna und Flora zu entdecken.

Selbst im Sommer muss man unbedingt mit warmer Kleidung und einem Regenschutz ausgerüstet sein.

Die Stationen der Ranger sind zugleich Erste-Hilfe-Posten und Informationsstellen, das Personal ist äusserst liebenswürdig und kompetent. Die Ranger organisieren Unternehmungen aller Art und führen Wanderungen mit verschiedenen Themen ( Pflanzen, Tiere ) im Park durch.

Ihrer eigenen Sicherheit zuliebe müssen die Besucher sich an die Anweisungen des Parkpersonals halten, mögen sie sich auf Ortswechsel, Übernachtungen im Gelände, Nahrung, Wasser, Verhalten bei Begegnungen mit Tieren usw. beziehen.

Ausserhalb der Grenzen des Parks, entlang des George Parks Highway, gibt es kleine Lebensmittelläden, mehrere private Campingplätze, Hotels und Motels.

Im Park bestehen einige Campingplätze, die meisten sind nicht mit einem Privatwagen erreichbar. Bei allen gilt die Regel

Für alle Auskünfte wende man sich an: Denali National Park and Preserve, P. O. Box 9, Denali Park, Alaska 99755 Aus dem französischsprachigen Teil, übersetzt von Roswitha Beyer, Bern.

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