Im südostanatolischen Hochland zwischen dem Van-See und den Cilo-Ketten | Club Alpino Svizzero CAS
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Im südostanatolischen Hochland zwischen dem Van-See und den Cilo-Ketten

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Mit 1 Bild ( 102Von Mor. M. Blumenthal

( Locarno ) Nach dem Re?ko ( 4170 m ) Mit Erreichen von Hirvata begann die eigentliche Hochtour, deren Talausgangspunkt also schon um die 2000 m lag. Eine vielköpfige, gleich uns mehr oder weniger parasitäre Versammlung hatte sich abends in dem für hiesige Verhältnisse aussergewöhnlich geräumigen Gästehaus von Kerim Aga, dem angesehensten Einheimischen der ganzen Landschaft, eingefunden. Wenn auch türkischer Tee nicht durch sein Aroma dank der unzweckmässigen Zubereitung sich auszeichnet, so war es für die zwei doch etwas ermatteten Fussgänger eine gewisse Erlabung, ein Glas nach dem anderen zu schlürfen und willigst Auskunft zu geben über die Bergabsichten, dabei darauf bauend, für die weitere Organisation tatkräftige Unterstützung herauszulocken. Sie ward denn auch gegeben, reichte aber nicht viel weiter als für den ersten Tag. Langes Palaver und späte Speisereichung zog sich tief in die Nacht hinein.

Noch trennte uns vom Re?ko die erste Vorkette des Kelianu ( Karte C ), von welcher dachgiebelförmig hohe Bergsporne gegen die « Ova»-Ebene zu sich abtrennen; sie zwangen erst zu wenig Höhengewinn bringendem Auf- und Absteigen über kahle Grate und disteln-reiche Graswildnis, ein wenig ansprechendes Vegetationskleid, wie es schon von der Nemrut-Besteigung erwähnt wurde. In Höhen von 2600 m stellten sich die ersten Yaylas ( Sommerweiden, hier zwar kurdisch als Somak bezeichnet ) ein, woselbst die Bauern teils weit entfernter Dörfer mit Hunderten von Schafen und Ziegen in kleinen Hüttenweilern, bedeckt von schwarzbraunen Zeltblachen, den Sommer verbringen und meist jeden Ankömmling gastfreundlich bewirten; Tee, Schafsmilch, Yoghurt und andere, nicht leicht definierbare Dinge wurden zur Stärkung angeboten. Des Verbleibens gab es hier aber noch nicht, denn für die zu folgende Kelianu-Ersteigung musste noch grössere Höhe angestrebt werden. Diese wurde aber nur mehr in bescheidenem Masse erreicht, denn schon in ca. 2800 m wurde das erste Zeltbiwak errichtet, wie es ohne Komfortverschwendung von nun an täglich sich wiederholte. Dazu gehörten ein kleines Pfadfinderzelt, einige Decken und eine meist von Yaylaleuten ausgeborgte Steppdecke, deren lebendiger Inhalt freilich nicht unter die Lupe genommen werden durfte. Der Verköstigung dienten aus der « Kultur » mitgenommene Konserven ( darunter vornehmlich vorgekochte türkische, stark ölhaltige Gemüse ), Dauer-würste, Helva und Marmeladen.

Der folgende erste Gipfeltag ermöglichte von der breiten Gratkuppe des Kelianu ( Photo 2 ), der schon die ansehnliche Höhe von 3650 m erreicht, einen prächtigen Überblick über die gegenüber, d. i. jenseits des Erbüc-Tales, liegende Resko-Kette zu gewinnen ( Photo 4 ). Diese schaut nach Norden mit einer Flucht hoher, praller Felsabstürze, aus denen sich schartig-kühne, bald pyramidale, bald auch breiter gestaltete Gipfelstücke entwickeln. Der fast zu 4200 m aufragende Reçko zeigt etwas plumpere Formen, indem er über mächtigen, an die 600 m hohen Abstürzen ein ruhiges breiteres Scheitelstück aufweist. Ein Erreichen dieses Berges über die südostwärts abfallenden Kammlinien konnte als die gegebene und einfachste Zugangsroute erkannt werden.

Die am kräftigsten an alpine Bilder gemahnende Note erhält das Gebirge durch die Anteilnahme kleiner Gletscher. Deren grösster liegt uns, vom Kelianu-Gipfel gesehen, Die Alpen - 1954 - Les Alpes17 direkt gegenüber ( Photo 4 ), der eigentliche Resko-Gletscher; dieser, wie auch die übrigen gegen das Avizpi-Tal absteigenden Eiszungen, entwickeln sich allein in Nord- ( NW und ENE ) Position; die Südseite der Hauptkammlinie ist gletscherfrei; kleinere Firnfelder kleben da und dort in karförmigen Nischen. Diese, wenn auch recht bescheidene, « Gletscherwelt » ist auf Tausende von Kilometern die einzige des Taurussystems ( abgesehen von den höchsten, in nicht gleicher Zone liegenden Vulkanen ), so dass wir hier gewissermassen auf einer kleinen « Eisinsel » zwischen alpiner und innerasiatischer Vergletscherung stehen.

Die Umschau vom Kelianu-Gipfel nach den Anzeichen diluvialer Eisbedeckung und deren Wirkung auf den felsigen Untergrund lässt uns da und dort noch solche erkennen. Einmal sind es die in das Felsgerippe wannenförmig eingelassenen Kare ( Photo 2 ), dann die tieferliegenden Moränen, die hier aber anscheinend zu einem grossen Teil wieder weggetragen wurden; nirgends scheinen sie das hier ja noch ansehnlich hohe Vorland erreicht zu haben, so dass die diluviale Schneegrenze wohl um die 3000 m gelegen war und die heutige auf ungefähr 3500-3600 m zurückgewichen sein dürfte. Liebliche kleine Karseen liegen zu unseren Füssen am Kelianu, und die Nähe eines solchen, der Kervan Gölü, diente am kommenden Abend als Biwakort.

Dieses Kervan-Seelein ward aber zu einer nicht ganz unwesentlichen organisatorischen Zäsur in der Gesamtplanung. Mein junger Kollege wurde auf einmal, kaum begonnen, bergsatt, anscheinend unpässlich, und trat mit Mann und Tier den Rückweg an. Doch ein drohendes Verhängnis kam nicht, denn ein langaufgeschossener, freundlicher Kurde aus dem Yaylavolk war willig, sobald aus seinem Heimatdorfe ein Maultier hieher beschafft worden wäre, mich auf der ganzen weiteren Bergfahrt zu begleiten. So ward denn Haut Yaar, wie er sich nannte, zu einer ganz wesentlichen Stütze der Bergfahrt, dies nicht nur wegen seiner guten und weniger guten Qualitäten, sondern auch wegen seiner Kenntnis des Türkischen, die er sich im Militärdienst erworben hatte.

Es war der stattgehabten Umorganisation zuzuschreiben, dass erst gegen Mittag der nahe Kervan Gedik ( Pass ) erreicht wurde und von dort in die tiefe Talrinne des Erbüf Deresi abgestiegen werden konnte. Nunmehr in dem unmittelbaren Fussbezirk des Reko mit seinen kühnen vorgelagerten Felstürmen angelangt, wurde aber erst längs dem klar-munteren Talbach talauswärts gehalten, um so dem Reçko von einem südöstlicheren Punkt, also von seiner « schwachen » Seite, beizukommen. Dabei wurde zuvor ein Tag des Aufenthaltes dem Erbüc-Tale zugestanden, leider zu wenig, denn deren vielfache wären verwendbar gewesen für allerhand Kundschaftungen. Eine derselben galt dem untersten Teil des recht behäbigen R e k o -Gletschers, der mit einer von Längs- und Querspalten zerschrundenen und in Séracs aufgelösten Zunge in ca. 3100 m endigt; nach hinten zu liegt sein ansehnliches Nährgebiet, ein Oval zwischen hohen Felswällen eingeschlossen, ein zur Schneeansammlung ausgezeichnet geeignetes Firnbecken ( Photo 6 ). Die ganze auf ca. 2V2 km Länge sich dehnende Firn- und Eisformation ist, mit alpinen Verhältnissen verglichen, natürlich äusserst bescheiden, wobei aber eben an die Inlandlage und die südliche Lagedem Parallel der nordafrikanischen Küste ) zu denken ist. Vergleicht man die Lage des über einer Felswand liegenden heutigen Gletscherendes mit jenem, wie es die Kartenskizze Bobeks im Jahre 1938 zeigt, so möchte man auch hier auf einen merkbaren Gletscherrückgang ( ca. 100 m ) schliessen. Geht ein solcher Schwund rasch weiter, so gehört das Taurusgebirge in absehbarer Zeit zu den gletscherfreien Hochgebirgen.

Leider hatte sich inzwischen das sonst Tag für Tag reine Himmelsgewölbe etwas verfinstert, was die Einsamkeit in diesem verlornen Hochtal noch wirksamer machte. Obwohl ausspähend und « leise tretend », kam mir von den sonst zahlreichen Steinböcken keiner zu Gesicht, und auch das Vorhandensein der hier heimischen Bären zeigte sich nur in den an den Felsrändern gelegenen, saubergeschürten Mulden mit ihren Koträndern, den Ruheplätzen von Meister Petz.

Noch wurde der nächste Biwakort in der Erb üs Yayla nicht zum Ausgangspunkt gewählt, um den Anstieg in das eigentliche Kammgebiet der Hauptkette zu beginnen, denn wenn dies auch durch eine flussrechtsseitige Felsbandstufe möglich gewesen wäre, so erschien es bei der nun notwendigen Selbstbepackung nicht sehr einladend. Nur ungern die erreichte Höhenlage einbüssend, ward deshalb nach glücklich vollzogener Ankunft eines Packmaultiers aus Halits Heimatdorf talabwärts gezogen. Ein wuchtig sich auftürmen-der Kalkberg, der Belkiz Dag, weiss und rot und schwarz gestreift und gefleckt ( Radiolarit-formation !) gebot zum Halt. An dessen Fuss, in der Sergel Yayla, war eben ein Truppe von Yaylaleuten mit ihren Schafherden angekommen und hatte jedweden brauchbaren Platz in dem Steingewirr für einen Biwakplatz in Anspruch genommen. Aber ihre Anwesenheit ermöglichte, dort unser Tier- und Proviantdepot aufzuschlagen. Eine besondere Anziehungskraft - es waren mehr die Schafe als die Menschen - übte der betriebsame Lagerort auch auf einen anderen Alleingänger, der aber der Bärenfamilie des Erbüf-Tales angehörte.Von Neugierde getrieben, sich das nächtliche Lagerleben bei Mondschein zu besehen, war ein solcher fast bis zur Zeltgruppe herangebummelt, büsste dann aber seine Unverfrorenheit mit einem wohlgezielten Nackenschuss des stets gewehrbewaffneten Halit ( Photo 3 ). Es war ein schmutzig-braungrauer Geselle von ca. 2 m Länge, den die Leute ohne jedwede Nutzanwendung oder hygienische Vorsicht auf dem « Schlachtfeld » liegen liessen.

Nunmehr waren wir tief genug - bis ca. 1700 m - südostwärts abgestiegen, um den hohen Cilo-Kamm von dieser Seite her bequem fassen zu können. In der ungefähren zu-vorigen Ankunftsrichtung nun das Seitental der Cevridibi Yayla zurückwandernd, wurde der erste Vormittag zu einer Schindeprozedur ohnegleichen. Da in dem höheren felsigen Gelände Tiertransport nicht mehr gut möglich war, hatten wir uns beide mit Zelt und Provisionen bepackt, und dies für einen Steilaufstieg durch einen Felshang bei glühender Mittagssonne. Statt oben auf einen Grat zu gelangen, lag hinter der ersten niedrigen Kammlinie eine ausgebreitete, allseitig von nach aussen abfallenden Gratlinien umrandete Hochmulde, bedeckt von schönstem Weidegrün. Dieser in einer Höhe von ca. 2900 m liegende Weideplatz, die Hüküdüm Yayla, war wegen ihrer so schwierigen Zugänglichkeit seit Jahren nicht mehr bestossen worden und so zu einer bevorzugten Sommerfrische zahlreicher Bärenfamilien geworden - und für mich nun endlich zu einer wohltuenden Er-labung im grünen Grase mit Blumen. Ein dürftiges Lagerfeuer, zu dessen Nahrung allein struppiges Stechginstergeäst und dessen Wurzeln aufzutreiben waren, sollte uns nachtsüber vor unerwartetem Bärenbesuch schützen. Aber derselbe blieb aus, bis die Frische des Frühmorgens uns zeitig zum Aufstieg nach dem noch recht entfernten Südostanstieg des Reçko weitertrieb.

Bis in eine Höhe von über 3200 m begleitete uns noch die distelreiche Pflanzendecke, durchsetzt von Felsbuckeln und kleinen Rinnsalen, ein richtiger Tummelplatz für das Hochwild. Nicht weniger als sechs Vertreter aus der Bärenfamilie kreuzten gemütlich bummelnd unseren Weg. Ein plumper, dicker Geselle kam, bergaufwärts gehend auf uns zugeschritten, während wir hinter einem Felsblock in Deckung blieben. Natürlich war Halit bereit, loszudrücken, als ich, zeissbewehrt, hinter dem Felsblock hervortrat und den Mutz unter das optische Visier nahm; dies gefiel ihm nicht, und flinker als zu erwarten trabte er bergaufwärts und uns entgegen eilig weiter und verschwand in einer Geländerunse. Man sieht, das Bärenvolk gehört hier nicht zum wilden und angriffslustigen Getier, solches ist mehr unter der kleinen und allerkleinsten Fauna zu finden.

Im Hintergrund der Hüküdüm-Hochmulde war nach einem Anstieg über leicht zu begehende Felsbuckel und Plattenschüsse der scharfe Grat, der im Süden den Reko-Glet-scher begrenzt, erreicht worden. Hier wie auch im westlicheren späteren Abstieg sind ganze Partien des massigen Oberkreidekalkes intensiv durchsetzt von Knollen, Linsen und Schnüren bunten Hornsteins ( Radiolarit ), was dem Gestein ein fast drolliges, pockenkrankes Aussehen gibt und den Schuhen ordentlich zusetzt. Der in ca. 3500 m erreichte Standpunkt in der Gletscherumrahmung gehörte zu jenen Punkten, die durch den sich plötzlich bietenden Aus- und Tief blick eine ganze lange Bergreise verlohnen, dank der Wucht und Eindringlichkeit der neuen Szenerie. Unter uns lag das weite Firnbecken des Resko-Gletschers, und südlich an dasselbe anschliessend türmten sich die mächtigen Abstürze des Gipfelgrates. Ein durch Radiolarite und begleitende Schiefer gezeichnetes Band, in diese Abbruche hinausführend, könnte einen Felsakrobaten zu seiner Verfolgung verleiten. Wir hielten uns natürlich an den Grat und kamen nach einer guten Stunde und über einige schmal zugespitzte Gratpartien auf die ziemlich breite, aber beidseitig absturzbegrenzte Gipfelkuppe. Auffällig war es, in diesem absturzbegrenzten Gipfelschild eine grosse, man möchte fast sagen schussartig und senkrecht in den Felskörper hineingreifende, tiefe Höhle vorzufinden; es ist eine Bildung karstförmiger Verwitterung, wie sie im Kalkgebirge nicht ungewöhnlich ist, die aber hier durch die Isoliertheit auf hoher Gratkuppe, wo nur während beschränkter Zeit Schneewasser gesteinslösend wirkt, wohl aus einem Anlagestadium datiert, wo diese Bergpartie eher noch grössere Breitenentwicklung besass. Unschwer dehnt sich von hier das Gipfelstück zum Kulminationspunkt ', woselbst eine kleine Blechfahne mit dem türkischen Halbmond und Stern von den Vorgängern Zeugnis gab.

Der Recko-Tag war in der Reihe der Monate dauernden regenlosen Schönwetterperiode ein strahlender Glanztag. Vielleicht gerade deshalb zerflossen aber die grösseren Fernen im zarten Dunst, und kaum war die Stelle des Van-Sees zu erraten. Besonders eindruckweckend war die grössere Nähe mit ihren Tief blicken und ihrer Lockung zu einer weiteren Gratpartie, die freilich zu einer perfekten Klettertour würde, insbesondere, wenn man sie bis zum nächsten Viertausender, einem spitz zugeschnittenen Gipfelzacken, dem Supandurik, ausdehen wollte. Wenn einmal nach alpinem Muster für Unterkunft in grösserer Höhe gesorgt sein wird, so öffnet sich hier der türkischen Berggilde ein wunderbares Betätigungsfeld.

Der Abstieg aus den Hochteilen des Gebirges vollzog sich vorerst wieder nach Osten und dann nach Süden zu. Grüne Landschaft mit ihren Früchten, Menschen und ihren Siedlungen hatten nach der Wildheit des Hochgebirges eine gewisse Anziehungskraft. Dies alles ward durch Halit in seiner naheliegenden Heimat versprochen, also ging vorerst der Kurs dorthin Die südwärts absteigenden Täler erreichen hier, ähnlich den alpinen Verhältnissen, schnell grosse Tiefen, das Gebirge türmt sich in ihren Flanken zu hohen Felsfluchten auf, und erst nur zaghaft auftretende Einzelgruppen von Nadelholz ( Pinusarten ) und niedrige Eichenbestände geben alsbald der Landschaft einen warmen Ton. Schon der zweite abendliche Zeltplatz war in Veyaba auf dem Dache eines Kurdenhauses errichtet worden; und davor lagen gutbewässerte Maisfelder, und rankende Weinreben ( Höhe ca. 1300 m ) beglückten uns mit reichem Früchtesegen. Wir waren im Quertale des Rudbar hin angelangt, der 7 Wir bezeichnen diesen höchsten Punkt entsprechend den Erkundigungen als den Resko und nicht als Gelyasin, wie dies seit solcher Zubenennung durch Bobeck in einzelnen Veröffentlichungen geschieht. Als Gelyasin ist nur eine weiter südöstlich in der Kette des Kelianu gelegene Yayla bekannt.

Wolken 1. Cirrus-Federwolken. Feine, seidenartig glänzende Wolken, aus Eisnadeln bestehend 103 - Aufnahme Dir. J. Lugeon, Zürich 2. Cirrostratus mit Halo 104 Aufnahme Dr. A. Mttetholzer. Unterkulm Ein feiner Schleier von Eisnadeln bedeckt den Himmel. Durch Brechung der Sonnenstrahlen entsteht der Sonnenring, Halo genannt. Typisches Anzeichen des bevorstehenden Warmlufteinbruches.

3. Dünner Altostratus Eine graue, gleichmässige Schicht bedeckt den Himmel. Die Sonne ist wie durch eine Mattscheibe sichtbar. Typisches Anzeichen für aufgleitende Warmluft 105 - Aufnahme Dr. Th. Zings, Davos sich durch wilde Erosionsschluchten dem nun ganz nahen Irak zuwendet ( Photo 4 ). Ein kurzer Rasttag mit freundlichster Bewirtung wurde in Or amar verbracht, der Heimat des begleitenden Kurden, woselbst wir schon am Fusse der benachbarten Sat Daglar angelangt waren - neue Lockungen zu weiterem Verbleib. Doch es wurde Kehrtsignal gegeben. Durch enge Schluchten, dann wieder sich öffnende Hochweiden und Passlücken kam am fünften Tage nach dem schönen Reçko-Tage das so fremdartig in die Berglandschaft eingebettete und teils moorige Flachland der Yüksekova wieder in Sicht, eine Strecke, die wenig Unterhaltung bot; doch sie musste durchgangen werden, um nun von anderer Seite her unsern Depotort, also Hirvata, wieder zu erreichen.

Damit war die engere Cilo-Visite zu einem guten Abschluss gelangt, und ein weiter Rückweg nach Van lag vor uns. Eingangs wurde schon der westlichere Zugangsweg zu den Cilo-Ketten, der über den Vilayets-Hauptort Hakkari führt, namhaft gemacht. Da dieser Reiseweg noch schöne Einblicke in das nördliche Bergland und die tiefen Schluchten des Büyük Zap vermitteln konnte, wurde dieser kleine Umweg angetreten. Nicht unerwähnt mag bleiben, dass in diesem Vorland eine bemerkenswerte Gleichartigkeit in der morphologischen Gestaltung der Landschaft und in der Art der Gesteinsvergesellschaftung mit einer Bündnerschiefer-Region zu erkennen ist.

Nach zweitägigem Auf und Ab entrannen wir den wilden Schieferschluchten des genannten Bergflusses und stiegen hinauf in das Maiensässgelände der südöstlichsten türkischen « Hauptstadt ». Diesen Titel bekommt das in 1650 m gelegene Örtchen Hakkari, das durch neue Verwaltungsgebäude und Militäranlagen etwas verwandelt erscheint, als ob man einen ortsständigen, echten Kurden in banal-dürftigen Kulturdrill gesteckt hätte. Hier wie auch auf der Herreise in Baçkale erfuhr der fremde Wanderer eine hervorragend gastliche Aufnahme bei Behörde, Lehrern und Militärpersonen. Nicht uninteressant wäre es auch gewesen, zuzuwarten, bis Hakkari im Winterkleid in seiner alpinen Umgebung sich gezeigt hätte. Seine für Wintersport - besonders sein Skigelände - sehr geeignete Position könnte einmal aus diesem kurdischen Winkel eine alpine Wintersportkonkurrenz hervorzaubern. Vorläufig ist der Ski hier aber noch fast unbekannt und haben sich höchstens etwelche Garnisonsoffiziere zu einer zaghaften Sondierung verstiegen.

Eine teils als Piste, teils als konstruierter Fahrweg über die Berge leitende Verbindung knüpft Hakkari an das ca. 120 km nördlicher liegende Van. Diese Route - Höhen von 3250 m werden am Karadag von der Strasse erreicht - wurde per Camion unser Rückweg. Die Bergtour setzte aber unserem Vehikel allzusehr zu, der Schnauf ging ihm aus, und ben-zinlos sass der vielköpfige Menscheninhalt in der kahlen Einöde bei Gürpinar für zwei Tage fest, bis von Van die Rettung kam.

Der Suphan Dag ( 4434 m ) Der behäbig breitschultrige Wächter auf der Nordseite des Van Gölü, der Vulkankegel des Suphan Dag ( auch als Süphan D. geschrieben ), wurde dem Leser schon auf der Herreise vorgestellt. Als zweithöchster Berg Kleinasiens betont er, besonders auf weiteren Abstand gesehen, seine beherrschende Stellung; je näher man aber in den Bereich seines sich verflachenden Fußstückes gelangt, um so mehr verliert er von seiner Würde, dies gilt zum mindesten für die Bergsicht vom Schiffsdeck, also von SE her. Nichtsdestoweniger durfte dieser orographische Fixpunkt Ostanatoliens auch in einem kurzgefassten Bergprogramm nicht übergangen werden; ein Seitensprung von drei Tagen von dem auf der nordwärts gerichteten Rückreiseroute gelegenen Er eis konnte voraussichtlich genügen.

Der zwischen alten Burgruinen malerisch gelegene Ort Adilcevaz am Nordufer des Van-Sees war der zweckmässigste Ausgangspunkt. Hier gestaltet sich der sonst eintönige Bergfuss etwas lebendiger und abwechslungsreicher. Weisse Kalkfelsen überragen vulkanischen Hang, wo dunkle Lavalagen eine spärliche braune Vegetationsdecke tragen; als Erosionsrelikte aus diesem vulkanischen Material aufragend, zeigen diese kleinen neogenen Kalkberge an, dass sie älter als der Aufbau des Vulkanberges sind, dieser somit in jung-bis postneogener Zeit auf seiner Unterlage sich aufschichtete. Heute ist dieser « Feuerberg » aber vollkommen erloschen.

Solche im Grundriss gewaltig ausgedehnte vulkanische Kegelberge - jener des Suphan Dag bedeckt mit den ihm angegliederten Vorbergen die Oberfläche des Kantons Unterwaiden - sind für den Touristen, besonders im Fußstück, eine eher zähe Angelegenheit; aus diesem Grunde wurde der Pferdesattel nicht verschmäht, und so konnte nach einigen Stunden Suchaktion mit einem Reittier, einem Packtier und einem braven Ibrahim als Begleiter gleichentags von Adilcevaz bis zur obersten und einzigen, ärmlichen Dorfsiedlung vorgestossen werden. Das war der Ort Nurçincik in ungefähr 2200 m Höhe, woselbst erst die Nähe offenbarte, dass es dort auch niedrige Steinhütten und einige bessere kubische Steinhäuser gab, denn alles, was sich auf Abstand als solche ausnehmen konnte, waren die in allen kurdischen Dörfern zu teils hohen Pyramiden aufgeschichteten Futtergras- und Getreidevorräte, die in Wind und Wetter zu überwintern haben. Zwischendurch lag des MuhtarsDorfvorsteher ) Steinhaus, der es sich nicht nehmen liess, uns in seinem Stil zu bewirten und tags darauf mit Decken für den harten und breiten PackReit- ) Sattel zu versehen.

Der lange Anstieg über des Berges südlichen, erst im höheren Abschnitt etwas steileren Hang gab reichlich Musse, das allmähliche Herauswachsen aus der Umgebung und die Änderung in der Vegetation zu beobachten. Tiefer und tiefer liegend und an Fläche anwachsend, zog der Van Gölü um den Bergfuss seine im Morgenlicht glitzernde Fläche. Einem baumlosen, braun-verdorrten und stachligen Vegetationsgürtel entschwand man allmählich, um für einen kurzen Anstieg eine lieblichere, von Blütensternen geschmückte Gras-und Polsterzone zu durchsetzen; grobblockiges vulkanisches Material folgte, und nach vierstündigem Anstieg boten sich in ca. 4100 m eine Bergkante und ein Einschnitt, um jenseits in ein engbegrenztes Kompartiment des Kraters hinein- und hinabzusteigen. Wir waren in der für ein Biwak wie gemacht günstigen Mulde des Kirklar Gölü gelangt, wo allererst für den Abend vorgesorgt wurde durch Errichten des Zeltes. Hier konnten die Pferde sich selbst überlassen werden, so sehr glich diese vulkanisch bedingte Geländewanne, die von einem kleinen Seelein belebt wird, einem wettergeschützten natürlichen Versteck. Bevor von diesem Kirklar-Seelein aus das Gipfelstück in Angriff genommen sei, ist es am Platze, über die vulkanisch-morphologische Gestaltung, wie sie sich aus den gemachten Beobachtungen ergab, eine kurze Erläuterung einzuflechten.

Wie dies schon für den Nemrut Dag angeführt wurde, so enthält auch der Suphan Dag im Gipfelgebiet eine ältere Caldera, innerhalb welcher sich die jüngere vulkanische Tätigkeit abgespielt hat, die im vorliegenden Falle dem Berg sein eigentliches Gesicht gegeben hat. Die einzelnen Bauteile sind hier aber etwas anders gestaltet als beim Nemrut Dag. Der Caldera-Rand, zu dem wir über den äusseren Vulkanmantel angestiegen sind, bricht im Suphan Dag nicht zu einer so weitgespannten inneren Depression mit Seefüllung ab, sondern an deren Stelle erhebt sich ein neuer, hoher Berg, der eigentliche Gipfelkomplex ( Photo 5 ). Gleich wie der tätige Gipfelkegel des Vesuvs innerhalb der Somma-Umwallung aufragt, so findet sich das Suphan-Gipfelstück als ein noch grösser dimensionierter Berg-im- Berg innerhalb des äusseren, älteren Kraterrandes, der Caldera. Haben wir aber im Vesuv einen noch tätigen, relativ kleinen Schichtvulkan vor uns, so ist der innere Suphan Dag ein massiver, mächtiger Klotz, ein innerhalb der älteren Umwallung emporgetriebener, in die Höhe gewachsener Lavapfropfen grösster Dimension. Seine zäh-viskose und saurere Lava hielt gewissermassen zusammen, erstarrte und quoll weiterhin nach oben. Es wuchs bei seinem Werden der Suphan-Pfropfen in der alten Caldera in die Höhe und überwältigte den alten umgebenden Rand. So kommt es, dass auf drei Viertel des Umkreises der alte Caldera-Rand unter dem Material des zentralen Pfropfens verschwindet und dessen Lava wohl Nahrung für die Lavaströme der Nord- und Ostseite des Gesamtberges abgegeben hat.

Wir erkennen somit im Gipfelstück zwei verschiedenaltrige und ineinandergeschachtelte Vulkanformen, ein Unterschied, der sich auch in der Verschiedenheit der Lava bzw. des daraus erstarrten Gesteins zu kennen gibt. Während in der äusseren Umwallung, die wir als Kirklar Dag bezeichnen wollen, dunkle, an vulkanischem Glas reiche Gesteine, schichtförmig übereinander liegend, vorwiegen, schlägt man im zentralen Gipfelberg ein helles saureres Gestein an, in welchem die hellen Kristalle von Natronfeldspat als Einsprengunge hervortreten. Beide Gesteinstypen gehören in die Familie der Trachyte mit reichlich Plagioklasgehalt und viel Glassubstanz in der Grundmasse. Das Hauptgestein der äusseren Umwallung ( Kirklar Dag ) kann zufolge seiner dunklen Bestandteile als Py-roxentrachyt bezeichnet werden, während jenes des Gipfelpfropfens einen p l a g i o k l a s-reichen porphyrischen Trachyt darstellt a. Der Lavatypus des gipfelaufbauenden Pfropfens hat auch in grösserer Hangtiefe den äusseren Vulkanmantel durchbrochen und bildet dort eine Reihe parasitärer kleiner Berge, längs welchen wir nördlich Nurincik hinangestiegen waren.

Einmal angekommen in der durch den zentralen Gipfelkegel bzw. die Pfropfmasse auf eine schmale Rinne reduzierten Caldera ( Photo 5 ), also beim Kirklar Gölü, war die Kulmination des Berges noch gleichentags leicht zu erklimmen; sie musste natürlich irgendwo im Dache des Pfropf Berges zu suchen sein, welcher sich noch ca. 400 m über dem Biwakort erhob. Über ein wildes Blockwerk war ohne Schwierigkeit auf das Dach der Kuppe zu gelangen, woselbst aber freilich ein dominierender Gipfelpunkt sich nirgends abhob. Eine Kratereintiefung bestand hier natürlich auch nicht. Statt dessen bestand ein Gewirre kleinerer, blockig-rauher, warzenförmiger Kleinberge und Felsrücken und nirgends gab es mehr eine Spur vulkanischer Aktivität; alpine Ruhe allüberall, diese noch unterstrichen durch die ansehnlichen Flächen von firnartigem Schnee, der in schattigen Partien der Caldera in kleine Eiskerne überleitet.

Obwohl kein Tadel an der Wettergunst des Himmels vorzubringen war, blieb das Panorama doch innerhalb bescheidener Grenzen, weil eben keine Nachbarschaft vorhanden war. In graublauem Dunst verlor sich das gelbbraune Umland, in das allein die mächtige Wasserfläche des Van-Sees etwas Abwechslung brachte. Nur als ganz zarte Umrisslinie hoben sich im SE die besuchten Berge von Hakkari ab. Dagegen aber meldete sich ein Bergriese im entfernten NE in seiner beklemmenden Einsamkeit. Es war der auf 160 km von uns abliegende Vulkan des Ararat, der als höchster Gipfel Vorderasiens seine ungleich-seitige Kegelspitze am fernen Horizonte abzeichnete. Der auf diese weite Sicht recht steil erscheinende Bergkegel führt eine fast 1000 m hinabreichende Schnee- und Eishaube. Fühlbar wirkte seine Anziehungskraft, zumal wir über jene Gegend auch die Rückreise nach Zentralanatolien einzuschlagen gedachten. Dermassen späterhin in relative Nähe gelangt, 8 Der Verfasser verdankt Hrn. Dr. G. van der Kaadan in Ankara die petrographische Durchsicht einiger Suphan- und Cilo-Gesteine; von einem weiteren Eingehen wird hier aber abgesehen.

waren verschiedene Vorbereitungen für dieses hohe Bergziel auch geglückt, doch der « behördliche Stacheldraht », der diesen an der russischen Grenze gelegenen Fünftausender umgibt, brachte unsere Absichten zum Scheitern.

Lange Abendschatten fielen schon auf den Steilhang der Suphan-Gipfelkuppe, herrührend von der Caldera-Umrandung, als wir noch auf diesen dunkel getönten Bergteil, den Kirklar Dag, zur besseren Übersicht über die Gesamtheit, anstiegen; dann aber ging es eilig hinunter nach dem Zeltbiwak, das in ca. 4000 m Höhe eine eher kalte Nacht erwarten liess. Wenn auch ein forcierter Abstieg bis zu den Menschen noch durchführbar gewesen wäre, so zog ich es schon wegen der noch auszuführenden Beobachtungen vor, in der Caldera bei den Bären zu nächtigen, die auch, wie dies morgens die Spuren zeigten, um das Zelt neugierig herumspaziert waren.

Der Suphan Dag war die letzte Bergfahrt meiner Ostreise. Das Warnsignal zum Antritt für andere Unternehmungen klang mir schon in den Ohren. Aber ungestümes Vorwärtsdrängen beschert in Anatolien erst recht Verzögerung. Also übergab ich mich noch mit einem weiten Bogen über den benachbarten Norden der nicht zu vermeidenden West-flucht. Durch die Provinz des Ararat, altes Armenierland, ward der Endpunkt der Schnell-zugsverbindung nach manchen hundert Kilometern einer schüttelnden und staubreichen Autofahrt, die Stadt Erzurum, erreicht. Es entschwand der herbe Osten mit seinen unendlich weiten Räumen, durchfurcht von seinen kahlen Bergen, die gerade in ihrer beruhigenden Einsamkeit das richtige Reagens auf das gehetzte Stadtleben sind.

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