Kaukasusfahrt 1958 | Club Alpino Svizzero CAS
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Kaukasusfahrt 1958

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

VON EGBERT EIDHER, WIEN

Mit 1 Skizze und 1 Bild ( 156 ) ULLU-KARA-TAU-NORDWAND 1. Begehung Vom Dschantugan-Gipfel sahen wir sie das erstemal, die Nordwand des Ullu-Kara-Tau, 1400 m steiles Eis, der untere Wandteil mit gewaltigen Eisbrüchen gepanzert, der obere glatt wie ein Brett. Eigentlich stand sie nicht auf unserem Programm. Als nächste Tour nach dem Dschantugan wollten wir die Swjätgar-Tau-Nordwand durchsteigen. Diese wurde uns aber im letzten Moment von der russischen Lagerleitung verboten, da sie zu weit von unserem Hauptlager entfernt war und im Falle eines Unglücks die Rettungsaktion viel zu lang gedauert hätte. In Russland muss man vor jeder Tour eine « Marschroute » ausfüllen. Diese « Marschroute » ist ein sechzehn Seiten umfassendes Formular, in welches die verschiedensten Sachen eingetragen werden müssen. So muss man z.B. von einer Skizze ( Führermaterial gibt es keines ) eine Kopie machen, den Auf- und Abstieg einzeichnen und auf der Rückseite eine Wegbeschreibung wiedergeben. Dann folgt eine Liste, in welche sämtliche Hilfsmittel, wie z.B. Haken, Seile, Zelte, Lebensmittel usw., die auf der Tour mitgeführt werden, eingetragen werden. Da man für jede Tour eine Bewilligung braucht und in Russland nicht jeder nach eigenem Ermessen seine Bergfahrten zusammenstellen kann, sind die Bergsteiger in vier Kategorien eingeteilt,und zwar: Bergsteiger dritter, zweiter und erster Klasse und als besonders Ausgezeichnete « Meister des Sports ». So kann z.B. kein Bergsteiger dritter Klasse Touren, die im Bereich eines « Meistersports » liegen, durchführen. Die verschiedenen Routen sind in fünf Schwierigkeitsgrade eingeteilt, welche mit A und B untergestuft werden, z.B. 4A und 4B, so dass zehn verschiedene Schwierigkeitsgrade zur Verfügung stehen.

5 B ist der höchste Schwierigkeitsgrad, wobei aber nicht nur die technische Schwierigkeit, sondern auch die Länge der Tour bewertet wird. In dieser « Marschroute » werden nun sämtliche Namen und die bergsteigerischen Grade eingetragen. Abschliessend folgt noch die voraussichtlich erforderliche Zeit, und mit dem ganzen Papierkrieg geht es zum bergsteigerischen Leiter des Lagers. Dieser kann dann das Unternehmen bewilligen oder ablehnen. Technisch ist gegen dieses System nichts einzuwenden. Im Falle eines Unfalls oder eines Wettersturzes weiss die Lagerleitung sofort, wer wo ist und wie die Leute ausgerüstet und ob sie den Schwierigkeiten gewachsen sind.

Nach langwierigen Verhandlungen mit dem bergsteigerischen Leiter bekamen wir die Bewilligung für die Ullu-Kara-Tau. Wir erfuhren, dass die Wand noch nie begangen worden war, so dass wir ob der Erlaubnis, sie durchsteigen zu dürfen, besonders zufrieden waren.

Die Russen rechneten mit zwei bis drei Biwaks bei dieser Fahrt. Begleitet von zwei Beobachtern, die nichts anderes zu tun hatten, als uns während der Tour mit Feldstechern zu verfolgen und laufend Berichte ins Tal zu senden, wanderten wir hinauf zum Zelt am « Grünen Biwak ». Lange blickten wir am Abend noch hinauf zur Wand, studierten den Fahrplan der Lawinen und besprachen den günstigsten Durchstieg. Sowjetische Bergsteiger gesellten sich zu uns, darunter der bekannte Alpinist und Meister des Sports Sacharow. Mit Hilfe eines Dolmetschers kam eine recht interessante Unterhaltung zustande. Es war bereits spät geworden, und wir hatten uns längst die Daunenjacken angezogen, doch Sacharow sass noch immer mit nacktem Oberkörper vor dem Zelt und gab uns Tips für morgen. Dann schlüpften wir endlich in die Daunensäcke, um noch einige Stunden zu schlafen.

Um 1 Uhr morgens surrte bereits wieder der Kocher. Unsere kleinen Kletterrucksäcke standen zum Abmarsch bereit. Die beiden Beobachter waren selbstverständlich hellwach und irgendwie nervös. Sie hatten zu unserer hochwertigen Nahrung wenig Vertrauen und wollten uns mit Lebensmitteln ( Selchfleisch und ca. 40 rohen Eiern ) beladen. Ja, sie versuchten sogar, uns den für sie bestimmten Proviant aufzudrängen. In den russischen Alpinlagern kann jeder Bergsteiger ausser der kompletten Ausrüstung auch Lebensmittel im Werte von 20 Rubel, und zwar vom Kaviar angefangen bis zum Dörrobst alle kulinarischen Leckerbissen, fassen. Dies erklärt vielleicht die ungewöhnlich hohe Zahl der Eier!

Wir schrieben den 6. August 1958. 2 Uhr morgens. Mit Stirnlampen ausgerüstet stolperten wir den Moränenhang hinauf. Bis hierher begleitete uns einer der Beobachter, Jura, unser Dolmetscher, der uns schon von Moskau an gute Dienste geleistet hatte. Wir querten über den stark zerklüfteten und mit Schotter bedeckten Baschkara-Gletscher zum der Wand vorgelagerten Steilsockel. In der Gipfelfallinie sperrte ein Serakgürtel den Durchstieg, so dass wir uns rechts gegen die Begrenzungsfelsen hielten und über Schroffen und Gras einen unschwierigen Zugang zu der Gletscherterrasse, direkt am Fusse der Wand, fanden. Ernste Sorgen bereitete uns das Wetter. Typische Zirruswolken zogen um die Kaukasusberge, so dass wir uns fragten, ob das Schönwetter noch bis zum Abend halten werde? Doch entschlossen wir uns für die Durchführung der Fahrt. Hätte die Witterung rasch umgeschlagen, so hätten wir unsere beiden 80-m-Seile mitgehabt, mit welchen ein Rückzug relativ rasch vonstatten gegangen wäre. Wir gaben nochmals das verabredete Lichtsignal zurück zu Jura und Oleg, welche uns bestimmt nicht aus den Augen liessen. Erich Vanis und ich gingen als erste Seilschaft.

Nach kurzem Suchen fand Erich eine Stelle in der Randkluft, über welche wir uns emporarbeiteten. Leicht machte es uns die Wand nicht! Eine Querspalte nach der anderen wurde umgangen oder auf einer mehr oder weniger fraglichen Brücke überstiegen. Oft sah es aus, als ob ein Weiterkommen unmöglich sei; aber es fand sich immer wieder ein Durchschlupf, der ein relativ rasches Vorwärtskommen gestattete. In Lawinengassen, welche oft den einzigen vernünftigen Weg bildeten, um rasch Höhe zu gewinnen, stiegen wir empor. Am Tage zuvor war um 10 Uhr die erste Lawine die Wand heruntergedonnert. Wir gingen auf Tempo, um der Gefahrenzone so rasch als möglich zu entkommen. In der Hauptrinne stiegen wir höher und fanden schliesslich eine abschüssige Rampe durch die Serakwand, über welche wir in einem heiklen Quergang die Firnterrasse unterhalb des Felsenpfeilers erreichten. Hier war der Platz, den uns Sacharow für unser erstes Biwak vorgeschlagen hatte. Es war halb 9 Uhr vormittags.

Unser Weg, den wir zwei Tage vorher im Lager in eine Ansichtskarte für die « Marschroute » eingezeichnet hatten, erwies sich als der einzig mögliche.Von der Gletscherterrasse aus über den linken Eisbruch hinauf und dann Richtung Felspfeiler queren, welche direkt zum Gipfel führt.

Eine halbe Stunde gönnten wir den vom Steigeisengehen schmerzenden Waden Ruhe. Obwohl sich das Wetter neuerlich verschlechtert hatte, gingen wir, in Anbetracht des schon zurückgelegten Wegstückes, weiter. Hier übernahmen Walter Gstrein und Adi Mayer die Führung. Sie konnten sich gleich auf das « letzte Problem » dieser Wand, den Riesenschrund unterhalb des Felspfeilers, stürzen. Ein Stück gingen sie im steilen Eis rechts vom Pfeiler, dann querten sie über eine sehr schlechte Brücke in die Felsen, welche sie aber der Vereisung wegen nach einer Seillänge wieder verliessen.

Rechts von den Felsen türmte sich ein gewaltiger Hängegletscher auf. Die 80 m breite, ca. 50° steile Eisflanke, die zwischen Pfeiler und Hängegletscher lag, erlaubte aber einen Durchstieg zum Gipfel. Auf einer schwach ausgeprägten Firnrippe, mitten in der Eisflanke, stiegen wir höher. Der Schnee wurde immer tiefer, die Sonne brannte durch die Nebelschicht auf uns hernieder, und obwohl wir uns mit den Kameraden andauernd im Spuren ablösten, kamen wir nur langsam dem Gipfel näher. Etwa 10 Seillängen unter dem Grat erreichte die Wand eine Neigung von 60°, und den tiefen Schnee löste blankes Eis ab. Stufenschlagend stiegen wir weiter.

Der Nebel wurde dichter, und es begann zu schneien. Das zähe Eis war mit einer Blätterfirn-auflage bedeckt und nur mühsam zu bearbeiten. Wir hatten pro Seilschaft einen Pickel und ein Eisbeil mitgenommen. Sehr günstig hätte sich hier auch noch ein Hammer bewährt. Mit der Pickelschaufel liessen sich die Stufen besser in das zähe Eis hacken als mit der Haue oder dem Beil. Wenn der erste mit dem Pickel ging, so musste er die Standhaken, die man unbedingt schlagen musste, mit der Pickelquerseite schlagen. Wie gut das geht, brauche ich wohl keinem Bergsteiger zu sagen -ein Hammer hätte gute Dienste geleistet!

Der Hang legte sich zurück - und wir wühlten uns die letzten beiden Seillängen durch sehr tiefen, abbruchbereiten Naßschnee hinauf zur Wächte, stiessen diese durch und standen um 18 Uhr 30 auf dem Gipfel, 4302 m.

Die Ullu-Kara-Tau-Nordwand war durchstiegen!

Rasch schnittten wir eine Dose Kondensmilch auf, verzehrten gierig ihren Inhalt und machten uns fertig, um noch einige hundert Höhenmeter abzusteigen. Beim Beginn der Felsen bezogen wir ein Biwak, kochten heisse Ovomaltine, bedeckten uns mit den Biwaksäcken und schliefen, den Verhältnissen angepasst, leidlich gut.

Am Morgen merkten wir, dass es während der Nacht stark geschneit hatte. Nach einer Skizze und einer Beschreibung, die uns allerdings wenig half, da sie russisch abgefasst war, suchten wir den Abstieg. Als wir vor einem riesigen Abgrund standen, war unsere Kunst zu Ende! Der Stein, den wir, um die Tiefe zu schätzen, hinunterwarfen, verschwand lautlos im dichten Nebelmeer. Trotz unserer überlangen « Edelweißseile » wollten wir uns nicht ins Ungewisse abseilen. Da geschah das Wunder! Der Nebel riss für Sekunden auseinander und wir blickten über den höchstens 40 m tiefen « Abgrund » hinunter auf den Gletscher. Dort waren unsere Steine lautlos im Neuschnee versunken. Mit Abseilen waren wir rasch am Kaschcha-Pass und wanderten dem Kaschcha-Glet-scher und die endlos lange Moräne hinaus zum Lager « Dschantugan ». Bereits mittags hatten wir dieses erreicht und nahmen die Einladung des Lagerleiters für ein Mittagessen erfreut an. Die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Russen war wahrlich keine Phrase. Erst im letzten Dämmerlicht wanderten wir die letzten 5 km talaus zu unserem Stützpunkt zurück.

ELBRUS Wir wollten natürlich auch auf den höchsten Gipfel des Kaukasus unseren Fuss setzen und fuhren deshalb schon nach einem Rasttag hinauf zur sogenannten « Eisbasis ». Der Anmarsch ist am Elbrus sehr bequem geworden. Wo die Erstbegeher noch durch riesige Rhododendronhaine gingen und am Terskolrücken in Höhlen biwakierten, fährt man jetzt mit dem Lastauto bis auf eine Höhe von ca. 3800 m hinauf. Unsere Maschine ( so wird in Russland, vom Kugelschreiber angefangen bis zum Auto, alles bezeichnet ) brachte uns zuerst durch das Baksantal hinauf, bis nach Terskol. Hier stiegen wir auf ein mit Vierradantrieb versehenes Auto um, welches uns auf einer Naturpiste höherbrachte. In den Kurven musste der Fahrer oft mehrmals hin und her fahren, um herumzukommen, wobei das Heck des Wagens oft über den Abgrund hinausragte. Es war eine « Nerven-säge ». Von der « Eisbasis » ( 3800 m ) an geht man ungefähr in einer Stunde hinauf zur Schutzhütte, die auf 4200 m steht. Sie ist wie ein Bunker gebaut, sieht von aussen etwas ungewohnt aus, ist aber innen sehr schön eingerichtet.

Die Kameraden, die während unserer Ullu-Kara-Besteigung den Iriktschak ( 4030 m ) bestiegen hatten, waren hier einen Tag früher angekommen und hatten bereits den Ostgipfel ( 5595 m ) bestiegen. Sie führten den Aufstieg bis zur Scharte zwischen den beiden Elbrusgipfeln mittels Ski durch und gingen von dort zu Fuss bis zum Gipfel. Obwohl der Elbrus überhaupt keine technischen Schwierigkeiten bietet, ist er nicht zu unterschätzen. Erstens spürt man, wenn man vom Tal kommt, doch irgendwie die Höhe, und zweitens ermüden die endlosen Wegstrecken, die man zurücklegen muss, durch ihre Eintönigkeit. Ausserdem ist es am Elbrus furchtbar kalt. Die Russen behaupten, die Sechstausender des Pamirs seien leichter zu besteigen als dieser Berg. Es wundert mich, dass trotzdem viele Massenbesteigungen auf diesem Gipfel durchgeführt werden. In Russland werden zu bestimmten Anlässen sogenannte « Alpiniaden » durchgeführt. In grossen Gruppen werden die Leute hinaufgeführt und durch den gleichmässigen Gehrhythmus werden sie zu einem Marschtempo gezwungen, das direkt suggestiv auf sie einwirkt. Wir sahen selbst eine solche « Alpiniade »

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