Klettern in <down under> | Club Alpino Svizzero CAS
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Klettern in <down under>

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Robert Bösch, Wallisellen

Begegnung mit einem Truck auf der Strasse von Adelaide nach Coober Pedy Vielseitiger Arapiles Allerdings, der Arapiles wartet mit einigen Tücken auf, die wir bald eine nach der anderen kennenlernen sollen... So marschieren wir am ersten Tag voller Tatendrang vom Campingplatz los. Aber bereits nach wenigen Grenzenloses Australien Wüste, Wildnis und Weite - grenzenlos -bis hinter den Horizont. Das ist Australien, mindestens zur Hauptsache. Ab und zu ein Hügel oder eine Schlucht, manchmal eine unvermittelt aus der Ebene steil emporragende Felswand; oben ein weites Plateau, unten die schier unendliche Fläche. Es gibt keine steilen Berge nach . Trotzdem wurde ( Down Under », wie die Australier ihr Land gerne nennen, zum begehrten Winterziel der europäischen Kletterszene.Vielversprechende Berichte von herrlichen Klettergebieten, gemütlichem Lagerleben und sommerlichen Temperaturen während unserer Wintermonate locken auch uns in dieses Land auf der ( Unterseite ) der Welt.

Kurz nach Natimuk, einem kleinen, gottverlassenen Dorf, wo es nichts gibt ausser einigen Häusern, einer Tankstelle, einer Bar und dem Drugstore mit dem weltweit besten Milkshake ( wie selbst weitgereiste Kletterer betonen ), beginnt sich ein schwach ausgeprägter Hügel am Horizont abzuzeichnen. Der Arapiles! Das sagenhafte Kletter-Eldorado. Uns beschleicht das Gefühl eines Verhältnis-blödsinns: Der flache Hügel dort vorne soll also das Ziel unserer Reise um die halbe Erdkugel sein? 36 Stunden mit dem Flugzeug und anschliessend noch die lange Autofahrt mit unserem in Melbourne gekauften Camperbus - all das nur für diesen bescheidenen Buckel! Da hat jener, der einen Achttausender ersteigen will, schon ein erhabeneres Bild vor sich, wenn er nach langem Anmarsch irgendwann zu seinem Ziel aufblicken kann. Und doch, dieser Hügel dort vorne hat - wir müssen den Arapiles-Fans recht geben - Ausserordentliches an Klettergenüssen zu bieten. Den meisten Kletterern sogar zuviel. Man kann sich hier ebenso lange wie auf einer Himalaya-Ex-pedition beschäftigen; wem 's beliebt, sogar noch einige Wochen länger.

Schritten stehen wir ratlos vor der verwinkelten, von Schluchten und Vorsprüngen zergliederten Wand, schauen stirnrunzelnd vom Wandfuss zu den höhergelegenen Bändern hinauf und fragen uns, ob die Routen nun unten oder oben oder überhaupt an einem ganz andern Ort zu finden sind. Die Wandflucht erstreckt sich etwa über einen Kilometer und wird gemäss dem Gebietsführer von mehreren hundert Routen durchzogen. Aber das ist auch die einzige Information, die der Führer auf Anhieb preisgibt. Sonst stiften die in ihm enthaltenen Angaben zunächst mehr Verwirrung, ja sie bringen uns in den ersten Tagen manchmal sogar fast an den Rand der Verzweiflung. Dank der Hilfe ortskundiger Kletterer können wir schliesslich die ersten Routen ausfindig machen. Mit diesen Fixpunkten wird eine Orientierung möglich, und der Führer erweist sich jetzt plötzlich als absolut brauchbare und informative Hilfe. Wie bereits erwähnt, ist die Kletterei von einmaliger Vielfalt. Man findet Seillängen, die auf zwanzig bis dreissig Metern alles bieten: Risse, Platten, Löcher und Überhänge. Der eisenfeste, nein: stahlfeste Sandstein erlaubt Routen in jedem Schwierigkeitsgrad, so dass der weniger fortgeschrittene Kletterer keine Abstriche an Schönheit und Vielseitigkeit in Kauf nehmen muss. Denn einige Meter neben einer Neuner-Seillänge trifft man auf die schönste Genusskletterei im vierten oder fünften Schwierigkeitsgrad; im gleich guten Fels, oft aber auch ebenso heikel abzusichern! Abenteuerlich ist die Kletterei allemal, selbst wenn die Wände kaum höher als hundert Meter emporragen und die Routen selten mehr als dreissig Meter Länge aufweisen. Dabei ist die Gewöhnung an die extrem runden Felsformen nur eine der Voraussetzungen, die andere - noch wichtigere - besteht im Erlernen der notwendigen Absicherungstechnik. Man kann getrost behaupten, im Arapiles stecke kein Haken zuviel. Nur in einer einzigen Route stösst man völlig überraschend auf jedem Meter auf mindestens einen, manchmal sogar auf zwei Bohrhaken. Rätselhaft für jedermann. Wohl um dem Kletterer dadurch den sonstigen Mangel an fixen Sicherungsmitteln schmerzlich vor Augen zu führen.

Risskletterei in den Blue Mountains ( in der Nähe von Sydney ) Australische Kletterspezialitäten Es empfiehlt sich, den australischen Kletterern genauestens

dass das Seil nach jedem missglückten Versuch abgezogen werden muss. Allerdings ist es wohl bloss eine Frage der Zeit, bis sich in Australien die Rotpunkt-Kletterregeln ebenfalls durchsetzen werden. Doch ich geb 's zu, dass ich des öftern froh gewesen bin, mich nicht an eine derart strenge Kletterethik halten zu müssen. Einige zusätzliche Adrenalinaus-schüttungen sind mir dadurch erspart geblieben.

So kompliziert die Absicherungstechnik sich gestaltet, so ungewohnt und trickreich präsentiert sich die Kletterei. Viele schwierige Passagen lassen sich nur bewältigen, wenn die erforderlichen Bewegungsabläufe einzeln studiert und ausgearbeitet werden. Ver-zwickte Knie- und Ellbogenklemmer bieten oft eine überraschende Lösungsmöglichkeit und erlauben manchmal sogar einen No-hand-rest in den unglaublichsten Positionen. Als Folge dieses technisch sehr anspruchsvollen Klet-tercharakters und der heiklen Absicherungs-methoden werden Routen in den oberen Schwierigkeitsgraden nur sehr selten . Eine 25 ( 8/8+ nach UIAA ) im

Abendlicher Ausklang Wir haben im Arapiles nicht nur die Benützung des Führers, eine ausgeklügelte Sicherungstechnik und neuartige kennengelernt, sondern auch das ( wie es in Australien genannt wird ), das heisst ein Toast-Eisen, ähnlich dem früheren Brezeleisen. Dieses hat an sich mit Klettern nichts zu tun. Doch sind die gemeinsamen Abende am Feuer ebenso fester Bestandteil eines Klettertages im Arapiles wie das Klettern selbst. Zwei Toastbrote werden in die beiden mit einem Scharnier verbundenen, innen-seitig gehöhlten Eisen gelegt und nach Belieben Käse, Gemüse, Eier oder Fleisch dazwi-schengeklemmt. Man sitzt ums Feuer, dreht regelmässig die mit einem langen Griffarm versehenen Eisen und kontrolliert gelegentlich, ob die Brote bereits goldbraun gebacken sind. Somit bleibt genügend Zeit und Musse, über Geleistetes und Beinahe-Geleistetes zu Felsen am Arapiles berichten, vertrackte Kletterzüge mit spa-stisch anmutenden Bewegungen der Arme und Beine in der Luft zu zeichnen - und bei Gelegenheit zusätzlich noch einen Fisch, ein Stück Fleisch oder einen Maiskolben auf den Grill zu schieben. Ein solcher Klettertag hat in der Tat seine gemütlichen Seiten! Bis auf die schlaflosen Nachtstunden, in denen die Gedanken zur Route zurückwandern, so dass man im Geiste wieder und wieder dieselben paar anspruchsvollen Meter durchklettert. Endlos. Und am nächsten Tag die grenzenlose Anspannung am Einstieg, wenn die Hand zum letzten Mal in den Magnesiabeutel greift, bevor sich die Fingerspitzen im ersten Griff verkrallen. Nur locker bleiben! Sich nicht schon gedanklich mit der Schlüsselstelle befassen, zuerst gilt es überhaupt, dorthin zu gelangen, und zwar mit möglichst minimalem Kraftver-schleiss. Frust und grenzenloses Hochgefühl liegen nahtlos beieinander. Langweilig wird es jedenfalls nie. Höchstens verkrampft.

Ungewohntes Neuland Wohl gilt der Arapiles als das Topgebiet Australiens, doch daneben findet man viele andere Klettermöglichkeiten. Die Grampians in der Nähe des Arapiles zum Beispiel oder die Sea Cliffs und die Blue Mountains bei Sydney oder die Flinders Ranges im Landesinnern. Es lohnt sich, verschiedene Klettergebiete zu besuchen, denn dazwischen liegt viel Sehenswertes. Immer wieder stösst man auf Neues und Ungewohntes, das man zuerst oft nur anhand von Kleinigkeiten realisiert, etwa wenn meine rechte Hand irrtümlicherweise die Gangschaltung am Türgriff sucht. Linksverkehr! Alles ist seitenverkehrt, somit auch die Innenausstattung des Autos. Als Fahrer andauernd bei der falschen Türe einsteigen zu wollen ist sicher noch eine harmlose Sache. Bedeutend gefährlicher wird es bereits, wenn man als Fussgänger zum Überqueren der Strasse in die falsche Richtung blickt. Gegen Ende unserer dreimonatigen Reise haben wir uns aber sogar so sehr daran gewöhnt, dass wir selbst nach unserer Rückkehr in die Schweiz noch in die falsche Richtung blicken. Ungewohnt ist das Fahren auf australischen Strassen aber nicht nur wegen des Linksver-kehrs. Meist ziehen sich die Asphaltstreifen schnurgerade durch die endlosen Wüstenge- biete. Folgen dann aber Kurven, so wird fast jede mit Warntafeln und überrissenen Ge-schwindigkeitsbeschränkungen signalisiert. Schon bald stellen wir fest, dass das doppelte Tempo eher den Verhältnissen angepasst ist -mit ein paar wenigen Ausnahmen allerdings: Auf einige Dutzend Kurven gibt es jeweils eine, die sich in der Tat nicht schneller ( nehmen ) lässt als angegeben. Gefährlich für den, der hier nicht rechtzeitig reagiert. Danach geht es wieder kilometerweit geradeaus. Ab und zu ein totes Känguruh am Strassenrand. Zusammenstösse mit diesen eigenartigen Wü-stenbewohnern haben meist schwere Unfälle zur Folge, weshalb viele Autos mit überdimensionierten Stossstangen ausgerüstet sind.

Australien ist dünn besiedelt. Die überwiegende Mehrzahl der Einwohner lebt in den wenigen an der Küste und zugleich in jenem Klimabereich gelegenen Grossstädten, wo das Klima zwischen tropischen Verhältnissen im Norden und mediterranen Bedingungen im Süden variiert. Ausserhalb der Grossstadtag-glomerationen beginnen die öde, menschenleere Wildnis, Staub und Fliegen - der Outback. Oft trifft man erst nach stundenlanger Fahrt auf eine kleine, in flimmernder Hitze vor sich hinbrütende Siedlung. Ein paar verwitterte und ausgetrocknete Gesichter unter breitkrempigen Farmerhüten. Aber auch viele Bierbäuche. Wovon leben diese Leute? Was hält sie hier zurück? In den Bars ein Anflug von Wildwestatmosphäre. Erstaunlicherweise ziert selbst in den abgelegensten Kneipen gelegentlich ein Schild die Schwingtüren: No shoes, no shirt, no drinks>. Soll versucht werden, einen letzten Hauch von Zivilisation zu retten? Nicht ganz einfach bei 40 Grad Hitze!

Die Fahrt wird manchmal zur Tortur. Viele Strassen im Outback sind sogenannte Gravel-roads, das heisst harte, nicht asphaltierte Sandpisten, meist mit Wellblechstruktur. Nur wer hier sein Fahrzeug so stark beschleunigt, dass die Räder über die Rippel springen, kann die Vibrationen auf ein einigermassen erträgliches Mass beschränken. Dazu kommt noch der Staub, der durch jede Ritze eindringt und alles mit einem weissen Film bedeckt. Zu einer Art Naturschauspiel entwickelt sich auf einer solchen Piste das Kreuzen mit einem Truck. Schon über Kilometer lässt sich eine gewaltige Staubwolke ausmachen. Jetzt gibt es nur eines: Anhalten, Fenster schliessen, warten, bis das Ungetüm vorbeigedonnert ist, und be- ten, dass kein Stein in die Frontscheibe knallt. Danach muss in einem milchig-düsteren Zwielicht gewartet werden, bis der Staub sich wieder gesetzt hat.

Zur Opalgräberstadt Coober Pedy Auf unserer Reise, die sich auf den Südosten dieses riesigen Kontinents beschränkt, beeindruckt uns der Outback, die kaum bewohnten Wüstengebiete, am stärksten. Trotz ihrer Eintönigkeit kommt bei unserer Fahrt ins Landesinnere nie Langweile auf, nicht zuletzt, weil der zur Besiedlung dieser Einöde notwendige Abenteuergeist der Pionierepoche manchmal noch zu spüren ist und auch uns in seinen Bann schlägt. Trotzdem kehren wir um, bevor wir den Ayers Rock, das eigentlich absolute sowohl für Touristen als auch für Australier, erreichen. Praktisch haben wir erst die halbe Wegstrecke geschafft, als unsere ( Kilometerfresslust ) in der Opalgräberstadt Coober Pedy erlahmt. Coober Pedy ist einmalig, ein Ort, wie aus einem Science-Fic-tion-Film. Schon Kilometer vor der Siedlung führt die Strasse durch endlose Opalfelder. Hunderte, nein Tausende von überdimensionierten, spitzkegeligen Maulwurfshügeln geben Zeugnis von der Wühllust besessener Opalsucher. Hier gräbt jeder: lebenslängliche Opalsucher, Gelegenheitsschürfer, Lehrer, Ehemänner von Lehrerinnen und viele andere. Die einen sind besessen von der Hoffnung auf den grossen Fund, andere haben einfach diesen Job gewählt, ohne Ambitionen auf das grosse Geld. Wer genügend Kubikmeter Gestein ans Tageslicht befördert, darf auch mit einer gewissen Opalausbeute und einem entsprechenden Einkommen rechnen. Nebst den profimässigen Schürfern wird das Graben nach Opal aber auch als Hobby betrieben. Was nicht erstaunt, ist es doch zum Fussballspielen eindeutig zu heiss. Unter Tag hingegen herrschen angenehme Temperaturen, und das Gestein ist relativ leicht abbaubar. Aus denselben Gründen werden die meisten Wohnungen auch unter der Erdoberfläche angelegt, ebenso Kirchen, Museen und andere Gebäude. Berichte über traumhaft grosse Opalfunde gehören der Vergangenheit an.

Allein am Arapiles Photo: Robert Bosch Vielleicht, weil keine mehr gemacht werden, vielleicht aber auch, weil die glücklichen Finder auf die früher bei solchen Gelegenheiten üblichen Partys verzichten, um ihren Erfolg vor der Steuerbehörde zu verheimlichen. Wer weiss da schon Genaueres? Die Opalvorkom-men scheinen allerdings noch lange nicht erschöpft zu sein, und so wird fleissig weiterge-wühlt. Für ein paar Dollars gibt es ein Grundstück zum Buddeln. Einzige Bedingung: Es muss gegraben werden. Der Erdhaufen neben dem zehn- bis zwanzig Meter tiefen Schacht muss kontinuierlich wachsen, sonst bekommt der Nächste den Flecken Wüste - mit der Chance, vielleicht den grössten Opalfund der letzten hundert Jahre zu machen.

Wir haben die Hände von Pickel, Schaufel und Sprengstoff gelassen und den Highway gegen Süden, Richtung Arapiles, unter die Räder genommen. Zurück zu Felsen, Bäumen, und Milkshakes.

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