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Mont Blanc. Erster Übergang mit Ski

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Erster Übergang auf Ski von Courmayeur nach Chamonix,

17.21. April 1924.

Längsfahrten und Überschreitungen auf Ski zu machen, dies ist das höchste Ziel unserer alpinen Skifahrer. Über hochgelegene Pässe, über Bergkuppen hinweg ziehen wir von Tal zu Tal. Diejenigen Wege, die uns im Sommer wenig Abwechslung bieten und die wir daher meiden, werden uns zum grössten Genuss. Schon lange ist es her, dass Wilhelm Paulcke und Viktor v. Beauclair vom akademischen Alpenklub Zürich das Berner Oberland und Robert Helbling das Wallis durchquert haben. Damit waren die grössten schweizerischen Skiunternehmungen ausgeführt. Es folgten kleine, wie Silvretta, Bernina, Clariden, Oberalp, Gotthard, Berner Oberland-West-seite, Schweizer Mont Blanc usw. Anschliessend kamen dann die grössern ausländischen, wie die Grayischen Alpen, die aber verhältnismässig sehr spät ausgeführt wurden. Als letztes und grösstes Problem blieb noch die Überschreitung des Mont Blanc. Als Skiübergang steht er ganz einzig da in den Alpen.

Winterbesteigungen des Mont Blanc sind schon öfters ausgeführt worden, sowohl von Courmayeur als auch von Chamonix aus, doch zogen die betreffenden Bergfahrer stets vor, wieder den gleichen Weg zurückzukehren. Die erste Winterbesteigung erfolgte von Courmayeur aus am 5. Januar 1888 durch Vittorio Sella, W. A. Donkin und H. Fox mit den Führern Hans Fischer, Emil Rey und Daniel Maquignaz; sie überschritten den Berg von der Sellahütte nach den Grands Mulets. Diejenigen, welche eine Überschreitung mit Ski wirklich wagten, mussten ihr Unternehmen zumeist wegen Kälte und Sturm aufgeben. Die besten italienischen Alpinisten beteiligten sich an diesen Versuchen, doch waren ihnen die Verhältnisse nie hold. 1924 wurden zwei Versuche beim Dôme du Goûter abgeschlagen. Während der olympischen Spiele waren Bergsteiger von Chamonix über die Grands Mulets bis dahin vorgedrungen, wurden aber genötigt, wieder zurückzukehren. Eine starke italienische Gesellschaft wagte es Mitte März von Courmayeur aus und hatte soweit Erfolg, dass sie den Dôme du Goûter überschreiten konnte, doch nur unter Zurücklassung der Ski in der Dômehütte; und ohne den Gipfel des Mont Blanc selber zu erreichen, stieg sie sofort zu den Grands Mulets und nach Chamonix ab.

Diese Bergfahrt beschäftigte mich schon lange, und ich beabsichtigte, sie am Neujahr 1924 auszuführen. Ein Unfall im Ortlergebiet verhinderte mich jedoch daran. Sollte mein so lang gehegter Wunsch wirklich in Nichts vergehen? Meine Füsse waren in einem solchen Zustande, dass ich vorläufig noch keine Skifahrten unternehmen konnte, und so musste ich ruhig warten. Mitte März konnte ich wieder losziehen und übte mich mit einer Solofahrt durch die Silvretta, nicht ahnend, dass die Italiener gerade zu dieser Zeit den Mont Blanc versuchten. Es folgten nun Prüfungen, die mich vorläufig vollständig in Anspruch nahmen. Endlich, Mitte April, bekam ich einige freie Tage, denn ein Professor der Eidgenössischen Technischen Hochschule war erkrankt, und daher wurden einige Examina verschoben. Das Wetter war nicht schlecht, und so packte ich sogleich die Gelegenheit, meinen alten Wunsch in Wirklichkeit umzusetzen. Mein Freund Ulrich Wieland und ich fuhren in der Nacht vom 15. April von Zürich ab. Kaum in der Eisenbahn, bereuten wir beinahe unsern Entschluss. Es begann zu regnen und regnete die ganze Nacht. Um 9 Uhr 15 langten wir in Orsières an und wanderten sofort über Praz de Fort nach Ferret hinauf. Halbwegs konnten wir die Ski anziehen. Vollständig durchnässt gelangten wir mittags endlich bei einer kleinen, bewohnten Hütte von Ferret an. Nach einer Tasse warmen Tees zogen wir gegen den Col du Grand Ferret. Wir sanken tief ein, der Schnee war erbärmlich schlecht, also galt es wegen Lawinen scharf aufzupassen. Bald steckten wir im dichten Nebel und waren nun einzig auf den Compass angewiesen. Vorsichtig weiter voran, und mein Freund erledigte die Sache glänzend, denn kaum fünfzig Meter neben der Passhöhe langten wir auf dem Grate an. Der Abstieg gegen Pré de Bar sah aber schaurig aus. Die Dämmerung war schon eingebrochen, ringsum grau in grau. Es kostete uns wahrlich nicht wenig Mühe, da hinunter zu kommen. Der Hang schien ganz lebendig zu sein, und bald waren wir gezwungen, die Ski abzuschnallen und zu Fuss abzusteigen. Einmal im Talgrund, kamen wir besser voran, doch klebten meine Hölzer unheimlich. Langsam klärte sich der Himmel, und einige Sterne wurden sichtbar. In La Vachey türmten sich, plötzlich aus den Wolken hervortretend, die scharfen Zinnen des Peutereygrates gespensterhaft vor uns empor. Der Anblick dieses stolzesten Grates der Alpen ist ganz bezaubernd. Der Himmel wurde immer klarer, und mit erneuter Zuversicht wanderten wir nach Courmayeur hinunter. Um 23 Uhr klopften wir im Hotel Savoie an und wurden freundlich aufgenommen.

Den nächsten Vormittag verbrachten wir mit Einkaufen und Vorbereitungen. Wir hörten da zum erstenmal von der italienischen Unternehmung. Doch die genauem Einzelheiten vernahmen wir erst am Abend durch den Besitzer der Cantine de Visaille. Um 14 Uhr verliessen wir Courmayeur. Schon eine halbe Stunde später konnten wir die Ski anschnallen und stiegen langsam das Val Veni hinan. Das Wetter war glänzend, kein Wölklein am Himmel, aber oben auf den Graten und Gipfeln wütete ein wahnsinniger Sturm. Nach drei Stunden langten wir in der Cantine an und verbrachten daselbst die Nacht.

Am Karfreitag morgens 4 Uhr brachen wir auf und stiegen über grosse Moränenhügel gegen den Miagegletscher empor. Endlos dünkte mich dieser Aufstieg über den beinahe ebenen Gletscher, bis wir am Fuss des Aiguilles Grises-Kammes anlangten. Doch da empfing uns auch schon heftiger Wind und liess uns allerlei Erfreuliches für den nächsten Tag vermuten. Über die steilen, von Lawinen durchfurchten Hänge, die zur Dômehütte hinaufführen, mussten wir die Schneeschuhe tragen und kamen daher nur recht langsam vorwärts. Die Hütte selber zu finden, bereitete uns grosse Mühe, da sie auf der Westseite vollständig verschneit war. Wir stiegen deshalb zu weit empor und waren dann gezwungen, wieder ein Stück abzusteigen. Um 13 Uhr standen wir vor der Hütte. Bald darauf erschienen auch zwei Führer von Courmayeur, um die Ski, die unsere Vorgänger droben gelassen hatten, herunterzuholen. Wir versuchten alsbald ein Feuer zu entfachen und gruben zuerst das Kamin aus einer zwei Meter tiefen Schneeschicht heraus. Nach zwei Stunden vergeblicher Mühe gaben wir den Kochversuch auf und benützten unsern Metakocher.

Die Hütte ist ziemlich gut gegen Wind geschützt, die Mont Blanc-Grate rauchten aber in einem fort. Der schönste Anblick von hier aus ist der Blick auf die Aiguille de Trélatête mit ihren gewaltigen Hängegletschern. Auch der Brouillardgrat ist von hier aus wunderbar.

Bald verliessen uns die schwer beladenen Führer wieder, und von da an waren wir ganz allein bis zu unserm Einzug in Chamonix am Ostermontag 1924.

Um Mitternacht war Tagwacht, und um halb zwei Uhr ward aufgebrochen. Ein steiler Hang, über den wir die Ski tragen mussten, brachte uns zum Dômegletscher hinüber. Die Nacht war sehr klar, und wir konnten gut ohne Laterne vorwärts kommen. Wir schnallten die Bretter an und stiegen nun langsam gegen den Kamm der Aiguilles Grises empor. Mächtige Schründe und steile Hänge zwangen uns zu grossen Umwegen. Unsere Ausrüstung klappte gar nicht; bald riss da ein Riemen, dort eine Bindung, es war aufregend. Nach einer längern Querfahrt in der Richtung des Col du Dôme schnitten wir unglücklicherweise eine Lawine an, und der ganze Hang begann zu rutschen. In der Dunkelheit bemerkten wir die grosse Gefahr nicht und wurden umgerissen. Der Rutsch kam jedoch bald zum Stehen, und wir konnten uns herausarbeiten. Vor 8 Uhr langten wir gerade unter dem Aiguilles Grises-Kamm an und vertauschten hier die Ski mit den Steigeisen. Schon im obersten Gletscherbecken unterhalb des Grates hatte es gehörig gepfiffen, und als wir auf dem Kamm anlangten, warf uns der Sturm beinahe um. Wir waren unglücklicherweise auch noch angeseilt und kamen so nicht vorwärts. Kaum zehn Minuten waren wir da oben, so sahen wir die Unmöglichkeit, weiter vorzudringen, klar vor Augen und beschlossen, wieder abzusteigen. Wir waren in ziemlich gedrückter Stimmung, als wir den gleichen Weg hinunterfuhren. Mittags langten wir in der Dômehütte an, wo wir vor 11 Stunden so voll Zuversicht aufgebrochen waren. Weiter oben heulte immer noch der Sturm, und der Mont Blanc war in drohenden Wolken versteckt. Den Nachmittag verbrachten wir mit Schlafen, Essen und Trocknen unserer Kleider. Vorrat hatten wir aber nur noch sehr wenig und mussten tüchtig sparen.

Kurz nach Mitternacht verliessen wir abermals die Hütte. Diesmal kamen wir schneller vorwärts, alles klappte gut, und auch das Seil hinderte uns nicht, da es brav im Rucksack lag. Schon um 4 Uhr langten wir auf dem Aiguilles Grises-Grate an und stiegen sofort weiter dem Dôme du Goûter zu. Ich trug meine Ski unter dem Arm, während mein Freund die seinen hinten nachzog. Immer noch war der Wind recht heftig, aber doch bedeutend weniger als am Tage vorher. Bald stiessen wir auf Blankeis, nur auf der Gratkante selber fanden wir noch ein bisschen harten Schnee. In grossen Abständen, so dass wir uns oft gar nicht sahen, stiegen wir gemütlich hinauf. Bald aber waren wir in dichtem Nebel, und der Sturm begann zu toben. Die Ski meines Freundes wurden durch die Wucht des Windes zweimal über die Gratkante hinausgeschmissen. Das Wetter verschlechterte sich zusehends, doch von zurück wollte keiner etwas wissen. Schon glaubten wir auf dem Dom zu sein, doch es war nur eine Vorkuppe, und weiter ging die Fahrt ins Ungewisse. Unsere wollenen Mützen waren vollständig vereist, und lange Eisbärte hingen bis auf unsere Brust hinunter. Die Augen konnten wir kaum öffnen, da die Lider auch mit Eis überdeckt waren. Endlich, endlich langten wir auf dem wirklichen Dôme an, und da heiterte der Himmel ein wenig auf.

Sollten wir direkt nach Chamonix abfahren und den Gipfel des Mont Blanc aufgeben? Der Sturm hatte uns so unheimlich hergenommen, dass wir uns beinahe dazu entschlossen hätten; wir mussten unsere ganze Energie zusammennehmen, um den Wünschen des faulen Körpers nicht nachzugeben. Im Col du Dôme steckten wir die Ski in den Schnee und stiegen gegen die Vallothütte empor. Wir wollten dort vor dem Wind etwas Schutz suchen. Doch gaben wir diese Hoffnung bald auf, als wir näher hinzu kamen, denn das Refuge war vollständig weiss, eine Eismauer vor dem Eingang versperrte jeglichen Eintritt. Wir waren glücklich, eine andere geschützte Stelle zu finden, wo wir einen Augenblick ausschnaufen konnten. Doch wir hielten 's auch da nicht lange aus. Das Wetter hatte sich bedeutend gebessert, und der weitere Aufstieg zum Gipfel lag klar vor uns. In grossen Abständen stiegen wir über den Tourmettegrat zum Gipfel empor. So viel als möglich benutzten wir die Westseite des Grates, um vor dem Sturme geschützt zu sein. Weiter oben waren wir aber gezwungen, auf der Kante selber emporzusteigen, und da hiess es immer scharf aufpassen, wenn wir nicht umgeschleudert werden wollten. Kurz unter dem Gipfel kam mir mein Freund entgegen, der schon bis zum höchsten Punkt vorgedrungen war, nun aber schnell einen geschützten Platz weiter unten aufsuchen wollte. Gegen drei Stunden nach unserer Rast auf dem Col du Dôme langte ich auf der höchsten Kuppe an. Ich verweilte jedoch kaum droben, so machte ich sofort rechtsumkehrt und jagte im Laufschritte Wieland nach, den ich an einem feinen, vollständig windgeschützten Plätzchen traf. Das Wetter hatte sich prächtig geändert, trotz des heftigen Windes schien die Sonne, und eine wohlige Wärme überrieselte den zitternden Leib...

Uns gegenüber befand sich die Trélatête, die uns von der Hütte aus so sehr imponiert hatte. Jetzt lag sie da, 900 Meter unter uns, und verschwand als unbedeutende Gestalt im übrigen Gipfelmeer. In weiter Ferne erblickten wir die schneebedeckten Hänge des Paradiso, über die unsere Ski vor Jahresfrist geglitten waren...

Vom Col du Dôme trugen wir unsere Bretter ein Stück weit hinunter gegen das Grand Plateau und schnallten sie dann an. Der Schnee war hier grossartig, und in flotter Fahrt flogen wir zu den Grands Mulets hinunter.

Hier waren wir vom Winde vollständig geschützt und konnten die Abfahrt voll und ganz geniessen. Unsere eisigen Kopfbedeckungen schmolzen ab, und unsere Westen verschwanden im Rucksack. Kurz ob den Grands Mulets hatte ich das Pech, einen Ski zu zerbrechen. Trotzdem standen wir um 16 Uhr auf der Jonction und seilten uns hier zum erstenmal an. Über den weitern Winterabstieg waren wir gar nicht unterrichtet, und so wagten wir nun unglücklicherweise den Abstieg über die Montagne de la Côte. Bis zum Mont Corbeau ging alles gut, und wir kamen, obwohl die Steigung so gross war, dass wir die Ski wieder tragen mussten, flott vorwärts. Wir versuchten nun vorerst auf der Chamonixseite der Montagne de la Côte abzusteigen, mussten aber wegen den steilen Abstürzen umkehren und waren um 19 Uhr wieder beim Mont Corbeau. Dann begann das Suchen auf der andern Seite, doch ebenso erfolglos. Um 21 Uhr 30 entschlossen wir uns, alle weitern Versuche aufzugeben und zu biwakieren. Wir waren nun schon zwanzig Stunden unterwegs und hatten unbedingt Ruhe nötig. An einem trockenen, vom Winde geschützten Plätzchen verbrachten wir die Nacht, ohne allzusehr zu frieren. Tief unten winkten die Lichter von Chamonix, wo wir normalerweise schon lange hätten eintreffen sollen. Aber uns Führerlosen passiert dies oft: in den obern und schwierigem Stellen sind wir vorsichtig und erkundigen uns über die Route im voraus; den Abstieg von der Hütte jedoch glaubt man sowieso zu finden und geht daher oft fehl. Übrigens hatten wir uns vorher nicht allzusehr erkundigen wollen, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. So mussten wir nun die uns eingebrockte Suppe ausessen und uns darein schicken. Eine etwas lange Nacht...

Wir hatten fast keinen Vorrat mehr, und als wir uns um 5 Uhr zum Aufbruch vorbereiteten, bestand das Morgenessen aus etwas lauwarmem Tee und Zucker. Der Schnee war erbärmlich, nur unter grossen Mühen und öfterem An- und Abschnallen der Ski langten wir nach drei Stunden endlich bei der Jonction an. Wir querten den Bossonsgletscher bis zum Fuss der Aiguille du Midi und stiegen dann auf seiner Nordseite zur Pierre à l' Echelle hinunter. Die Querung zur Station Pierre pointue hinüber gestaltete sich sehr unangenehm, wir mussten scharf aufpassen; denn der Weg war noch vollständig verschneit und der Schnee steinhart. Nur ganz langsam kamen wir vorwärts, in der einen Hand den Pickel bereit zum Verankern und mit der andern die Ski auf der Achsel balancierend. Es war das unangenehmste Stück des ganzen Abstieges, und wir atmeten auf, als wir endlich in Pierre pointue anlangten. Wie wir später vernahmen, wäre es besser gewesen, am Fusse der Aiguille du Midi entlang weiter hinüber zu queren und dann unmittelbar in der Fallirne nach Chamonix abzusteigen. Bald fing es an zu schneien und regnen, doch das störte uns nicht mehr, da der Schlussabstieg klar vor Augen lag. Tief sanken wir ein und hatten noch manchen Ärger, bis wir endlich die Bobbahn ob Chamonix erreichten. Kurz nach 14 Uhr langten wir im Hotel de la Gare an und stürzten uns sofort auf ein wohlverdientes Mittagessen.

Die Überschreitung des Mont Blanc auf Ski in umgekehrter Richtung ist unbedingt abzuraten, hauptsächlich wegen dem meist vereisten Aiguilles

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