Nachträge und Berichtigungen.
1. Dr. Oskar Erich Meyer in Breslau machte mich kürzlich ( 20. April 1914 ) darauf aufmerksam, daß ich mein im Jahrbuch XLVII, pag. 354, gegebenes Versprechen, ich wolle mehrere 1910 übersehene Tourenberichte über neue Besteigungen in den Schweizer Alpen, die in der Ö.A.Z. von 1911 erschienen waren, im Jahrbuch XLVIII nachholen, in diesem nicht eingelöst habe, und ersuchte mich im Interesse der Vollständigkeit der „ Neuen Bergfahrten in den Schweizeralpen " dies heuer wenigstens zu tun. Aus begreiflichen Gründen konnte ich oben ( pag. 257 ff. ) diese Touren von 1910 nicht wohl unter die von 1912 und 1913 mischen; auch war der bezügliche Abschnitt des heurigen Bandes bei Erhalt von Dr. Meyers Karte schon im Druck überschritten. Ich hole sie daher hier nach. Es sind folgende Neubesteigungen zu erwähnen:
Mur des Bosses ( 2933 m in der Kette Tour Sallière-Buet ), über die Ostwand. 26. August 1910. Dr. O. E. Meyer allein. Die Ostsüdostwand des Berges erhebt sich unmittelbar aus dem Glacier des Rosses. Dieser kann von der Cabane de Barberine auf drei verschiedenen Wegen erreicht werden. 1. Vom Col de Tanneverge ( 2486 m ) über eine breite nordnordöstlich streichende Terrasse zum Beginn des Ostgrates der Pointe des Bosses ( 2967 m ) und damit zum Südende des Gletschers. 2. Aus dem oberen Barberinetal über steilen Fels, durchsetzten Rasen über Felsen und Schrofen gerade zum Gletscher hinauf, der etwas südlich vom Punkt 2446 betreten wird. 3. ( Am besten. ) Durch die „ Fendue ", eine firnerfüllte Schlucht, zum Fuße eines von der Hütte gut sichtbaren Wasserfalls, der links über steilen Rasen umgangen wird ( Punkt 2006 ). Weiter durch die bis Mitte September meist gut gangbare Schlucht bis Punkt 2370 hinauf ( 1 Std. 15 Min. von der Cabane de Barberine ). Hier erweitert sich die Fendue trichterförmig unter dem Col de Tanneverge. Nun nordnordöstlich über Schnee und Schutt auf einen schwach ausgeprägten Rücken, der noch einige Rasenflecken trägt ( 10 Min. ). Über diesen westlich hinauf und die letzten Schritte auf Route 1 zum Glacier des Rosses ( 15 Minuten ).
In der Isohypse nordwärts über den Gletscher bis zum Beginn der nördlichen der beiden ausgeprägten Schneezungen, die in die Wand des Südwestgrates des Mur hinaufziehen. In halber Höhe der Zunge nach rechts vom Schnee auf den Fels ( 30 Min. ), der in leichter Kletterei, immer ein wenig nach rechts, d.h. gegen den Südgipfel des Mur gewandt, zu einer nordwärts ansteigenden Platte führt ( 10 Min. ). Über diese leicht auf den Rücken der nördlichen Begrenzungsrippe, die zu einem der gelben turmartigen Pfeiler leitet, in die hier die Wand gegliedert ist. Unter der glatten Wand des Pfeilers nach links, zu einem schwach ausgeprägten Riß, der zum Beginn eines flachen Felscouloirs führt, das zwischen dem erwähnten Pfeiler und seinem linken Nachbar eingebettet ist. Dieses Felscouloir erlaubt, ein bequemes Band zu erreichen ( 15 Min. ), das sich nordwärts in der Plattenwand unter dem Südgipfel verliert, südwärts über die Köpfe der erwähnten Pfeiler gegen die „ Aiguillette " leitet. Man folgt ihm bis zur fünften Rippe ( 20 Min. ), die einzelne Grasbüschel trägt. Ein paar Meter hinauf, zuletzt über nicht leichte, aber feste Felsen. Ein neues Band führt ansteigend mit wenigen Schritten zum Grat, der in der Scharte, unmittelbar südlich der Aiguillette, erreicht wird. Diese kann überklettert oder auf einer Leiste rechts umgangen werden. Der ( schon mehrfach begangene ) Grat führt in interessanter Kletterei, unterbrochen von Gehterrain, zum Süd- ( 2931 m ) und Nordgipfel ( 2933 m ) des Mur des Rosses. Ö.A.Z. 1911, pag. 10 — 11.
Oldenhorn, über die ganze Länge des Nordgrates. 17. August 1910. Dr. O. E. Meyer und Georg Zindler. Der Nordgrat des Oldenhorns zerfällt in drei deutlich geschiedene Teile. Der unterste turmbesetzte Abschnitt endet bei P. 2867 ( großer Steinmann ). Hier beginnt ein sanft ansteigender breiter Schuttkamm, in der oberen Hälfte mit Schnee bedeckt ( Wächten ). Darüber schwingt sich der Grat von neuem steil und felsig zum Gipfel auf. Dieses Gratstück gehört der eigentlichen Gipfelpyramide an. Von der Cabane des Diablerets ist nur der unterste der drei Abschnitte sichtbar. Dieser ( vgl. E.d.A.. 1906, Abb. S. 81 ) wurde vorher teilweise, der Schuttkamm ganz, der höchste Abschnitt des Nordkammes gar nicht begangen ( vgl. Dlibi, Berner Alpen I, S. 50 ).
Von der Cabane des Diablerets südöstlich über Schutt und Schnee ansteigend zum Fuße eines Couloirs, das eine glatte helle Wandstufe durchzieht. Dieses Couloir halb hinauf, bis ein bequemes Schuttband nach links hinausführt. Die steilen Schutthänge einer breiten Terrasse leiten weiter links aufwärts zum Beginn des felsigen Nordgrates. Bis hierher ( etwa 30 Min. ) keinerlei Schwierigkeiten. Nun stets auf der Höhe des Grates selbst, obschon die leichteren Felsen und steilen Schuttrinnen der Westflanke die Umgehung einzelner schwieriger Stellen gestattet hätten. Die Höhe des ( von der Hütte gesehen ) markanten zweizackigen Turmes gewannen sie durch einen Kamin in der linken Flanke ( 45 Min. ). Schutthänge und Schrofen leiten zu dem steilen Abbruch unter P. 2867, dessen steile Stufen sie alle direkt erkletterten ( zum Teil schwierig; 30 Min. ). Der folgende Schutt- und Firnkamm leitet bequem zum Fuß der Gipfelpyramide ( 20 Min. ). ( Hier wich die erste Partie in die Westflanke aus, ohne den Grat noch einmal zu berühren; vgl. Dübi, a. a. O. S. 50. ) Schon während dieser Wanderung fällt ein etwa 12 m hoher Kamin auf, der in den Grat leicht eingeschnitten ist. Über Geröll und leichte Felsen zu seinem Fuße, dann ziemlich schwierig durch den Kamin hinauf. Etwas schwieriger ist der nächste höhere Abbruch, den sie ebenfalls direkt erkletterten. Die Höhe des folgenden gewannen sie, zuletzt schwierig, durch einen rechts gelegenen Kamin. Eine kleine Felsstufe mit guten Griffen führt auf den Gipfel ( 50 Min. ). Sie stiegen über den Südwestgrat ab, den sie schon in der kleinen Scharte zwischen dem großen Felsabbruch und der horizontalen Gratschneide verließen, um über die steilen Schneehalden der Südflanke in Glissaden den Glacier de Zanfleuron zu erreichen ( vgl. Dübi, a. a. O. S. 50 ). Ö.A.Z. 1911, pag. 11.
Tour de St. Martin ( Quille du Diable ), von Nordwesten nach Osten überschritten. 16. August 1910. Dr. O. E. Meyer und Georg Zindler. Auf der gewöhnlichen Route, die eine nur kurze, aber schöne mittelschwere Kletterei bietet, zum Gipfel. Nach Osten über leichte Felsen hinab, bis ein Überhang den Weg versperrt, über den sie sich, zuletzt frei durch die Luft, abseilten ( Schlinge ). Damit wird eine Terrasse erreicht, in deren Ostabbruch ein enger Kamin eingeschnitten ist, der sich wohl abwärts frei klettern ließe, den sie aber gleichfalls mit Hülfe des doppelten Seiles überwanden ( Haken mit Schlinge; 20 m Seil genügen für jede der Abseilstellen ). Von hier führen Blöcke unschwierig zum Glacier de Zanfleuron. Ö.A.Z. 1911, pag. 12.
Gabler ( Silvrettagruppe ), ca. 2830 m und 2850 m. 14. September 1911. Herren Dr. Karl Blodig, Dr. Iranz Braun und Karl Powondra. Ab Saarbrückerhütte um 5 Uhr 25 Minuten morgens, an Sattel nordöstlich der Sonntagsspitze ( 2878 m ) 6 Uhr 45 Minuten, an Gabler I um 7 Uhr 45 Minuten, an Gabler II um 8 Uhr 10 Minuten. Aussicht sehr instruktiv auf die Silvrettagruppe. Abstieg nach dem Klostertale 8 Uhr 25 Minuten, Madienerhaus an 11 Uhr vormittags, Gaschurn an 1 Uhr 45 Minuten nachmittags. Für sich allein kaum lohnend, ist die Tour mit Übergang nach dem Madienerhaus oder der Wiesbadenerhütte sehr zu empfehlen. Ö.A.Z. 1911, pag. 329.
2. In seiner Besprechung der Bände 46 und 47 des Jahrbuchs S.A.C. im „ Annuaire de la Société des Touristes du Dauphiné " N° 38, 1912, das aber erst 1913 erschienen ist, bemerkt M. Jules Bonjat zu dem Artikel von H. Correvon: Alpes Cottiennes et Vallées Vaudoises du Piémont ( XLVII, pag. 79 ): „ Deux erreurs à signaler: Passion, le sommet bien connu qui domine la vallée du Cluson est nommé dans l' article Albergion au lieu de Albergian; pag. 86, note 1, la Nobla Leiczon est donné comme datant de 1100: elle n' a pu être composée que vers la fin du 14e siècle, la démonstration de M. de Stefano ( La Noble Leçon des Vaudois de Piémont, édition critique, Paris, Champion, 1909, pag. LXXIV—VIII ), est tout à fait convaincante. "
3. In bezug auf die oben ( S. 304/5 ) aus dem Alpine Journal auch in das Jahrbuch S.A.C. übergegangene Kritik von Dr. Guido Mayer, wonach der „ Dauphiné-führer " von Coolidge, Duhamel und Perrin und die dazugehörige Karte von Duhamel über die Topographie und Nomenklatur der AilefroideSüdwand und über den „ Pain de Sucre " unrichtige Angaben enthalten sollten, beharrt Dr. Coolidge, den ich um eine Meinungsäußerung angegangen habe, nachdem ich seine Bemerkungen in der Revue Alpine 1914, pag. 142, gelesen hatte, auf seinen dort ausgesprochenen Sätzen. Er anerkennt von der Kritik Mayers nur den „ Nebenumstand " ( vgl. A.J. 1913, Bilder, pag. 438—39 ), daß Duhamels Karte irrt, wenn sie den Nordgrat den Westgipfel, anstatt des Mittelgipfels, der Ailefroide erreichen läßt. Aber diesen Irrtum teilt sie mit allen Karten, amtlichen und privaten, des Dauphiné, welche vor dem 30. Juni 1913, Datum von Dr. Mayers Besteigung, erschienen sind. Der „ Führer " seinerseits erwähnt niemals den Nordgrat, welcher vor dem 30. Juni 1913 nie auch nur versucht wurde ( siehe die deutsche Ausgabe des Ö. A. K., pag. 201 ). Alle bisherigen Versuche wurden über die Nordwestflanke gemacht. In der „ Revue Alpine " konstatiert Dr. Coolidge folgendes: „ Auf Punkt 3925 ( Mittelgipfel der Ailefroide ) angekommen, hatte die Partie Dr. Mayers den Glacier de 1'Ailefroide der Karte und des „ Führers " zu ihren Füßen in dem, was er „ eine große vom Tale durch unpassierbare Séracs getrennte Eiszunge " nennt. Der Name „ Glacier de l' Ailefroide " ist keineswegs, wie Dr. Mayer will, eingeschränkt auf dessen westlichen, zwischen dem Westgipfel ( 3959 m ) der Ailefroide und der Pointe des Frères Chamois eingeschränkten Arm, sondern die Hauptmasse des Glacier de l' Ailefroide ist begrenzt von dem Westgipfel ( 3959 m ) und dem Ostgipfel ( 3854 m ). Dies ist nicht nur auf der Karte und im „ Führer " ausdrücklich so angegeben, sondern ist auch sehr schön sichtbar auf der im A.J., pag. 489, reproduzierten Photographie von V. Sella, auf welcher die Route Mayers mit Punkten eingezeichnet ist. Endlich hat sich Dr. Mayer, auf dem oberen Teile des Glacier de l' Ailefroide angekommen, nach Westen gewendet, um den Fuß des Westgipfels der Ailefroide zu gewinnen, verirrte sich und mußte biwakieren. Nach dem formellen Text des Führers ( Supplément français von 1890, pag. 27—28, englische Ausgabe von 1892, pag. 87-—88, von'1905, pag. 121, deutsche Ausgabe von 1913, pag. 199 ), welcher den Abstieg- vom Mittelgipfel beschreibt, hätte er sieh nach Osten wenden müssen, um bald auf den Glacier du Sélé abzusteigen. "
Über diese Dinge, sowie über die Lage des „ Pain de Sucre " behalten sich Dr. Coolidge und M. Duhamel vor, noch weitere Aufklärungen zu geben. Der erstere bezeugte mir auch, daß eine italienische Übersetzung und Ausgabe des Dauphineführers im Werke sei, deren Ausführung aber um einige Monate habe hinausgeschoben werden müssen.Redaktion.