Nachwort
Mancher Leser erwartet zum Schluss noch einige Angaben über die Entstehung der vorliegenden Arbeit, dem im folgenden kurz Rechnung getragen werden soll.
Bei Anlass der Studien zu der 1914 erschienenen Monographie « Sonnige Halden am Lötschberg » lernte ich auch die interessanten, historischen Verhältnisse der auf der andern Talseite gelegenen Rarner Schattenberge kennen, die in alter Zeit unter derselben Oberhoheit standen und bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts in Raron kirchgenössig waren. Damals schon hegte ich den Wunsch, auch diese Berggegend kennen zu lernen. Inzwischen kamen aber die unheilvollen Weltereignisse. So kam ich erst 1917 an diesen Berg. Ich fand in Unterbäch, in dem von Visperterminen gebürtigen Pfarrer Robert Studer(f 1920 ), einen Ratgeber, der es sich angelegen sein liess, mich in das Leben dieses Bergvolkes einzuführen.
Im Herbst des gleichen Jahres erhielt ich dann von dem Zentralkomitee des S.A.C. in Genf das Ansuchen, als Beilage zum 52. Jahrbuch eine neue Walliser Monographie zu schreiben. Da die begonnene Arbeit aber damals noch nicht über die Vorstudien hinaus war, so konnte ich dem Gesuche leider nicht entsprechen, erklärte mich aber bereit, den Auftrag das folgende Jahr in Ausführung zu bringen. Zu diesem Zwecke setzte ich die Studien das nächste Jahr fort und dehnte dieselben auch auf die Vispertaler Sonnenberge aus.
So wanderte ich am 31. Mai 1918 von Visp den Berg hinauf, in der Absicht, von Zeneggen aus die Erhebungen auf die benachbarten Dorfschaften östlich des Augstbordhorns zu erweitern. Kaum war ich einige Wochen behaglich im Zenegger Pfarrhause eingerichtet, als im ganzen Umkreis die Grippe ausbrach. Um den Eintritt des bösen Gastes zu verhüten, wurde die Gemeinde abgeschlossen. Unten und oben an der Gemeindegrenze wurde vom Gewalthaber eine Verbottafel angeschlagen:
« Das Betreten der Gemeinde Zeneggen ist Untersagt. Weggen der Krankheit. Strafe 100 Franken.
Die Gemeindeverwaltung. » So war ich gleichsam interniert, blieb den ganzen Sommer in meinem Standquartier und nahm erst am 18. Oktober Abschied von den mir inzwischen lieb gewordenen Menschen und Bergen. Den Sommer über machte ich Notizen, photographierte, botanisierte, klopfte Steine, ging jede Woche zwei- bis dreimal auf die Voralpen, wiederholt besuchte ich die Hochalpen, stieg hinab in die Weinberge, zu den Arbeitern in den Bergflachsgruben, lief die Wasserleitungen ab, suchte die Bauern auf dem Felde auf und machte die Feste des Volkes mit. Auf diese Weise lernte ich Land und Volk allseitig kennen und wäre nun in der Lage gewesen, die Arbeit niederzuschreiben. Bei den schwierigen Zeitverhältnissen konnte aber an eine Veröffentlichung nicht gedacht werden.
So vergingen zwei, drei Jahre, ohne dass das Projekt zur Ausführung gelangte. Inzwischen hielt ich über das Gebiet mehrere Vorträge, setzte die Erhebungen fort und war seither jeden Sommer in diesen Höhen. Abwechselnd hatte ich das Standquartier in Zeneggen und in Törbel. Insgesamt hielt ich mich rund 24 Monate dort auf; mancher Schweisstropfen rann dabei über die Stime des Verfassers. Letzten Winter endlich entschloss ich mich, die Arbeit endgültig niederzuschreiben und dieselbe auf die Vispertaler Sonnenberge zu beschränken. Der Anregung der Sektion Uto gelang es, den Schweizer Alpenclub für die Sache zu interessieren. Das Zentralkomitee des S.A.C. in Aarau beschloss dann im Januar 1922, die Monographie, wie die frühern Studien « Ob den Heidenreben », « Das Goms und die Gomser » und « Sonnige Halden », dem Jahrbuch 56 als separates Heft beizugeben. Auf den nachträglichen Wunsch des Komitees erscheint dieselbe nun aber im Jahrbuch selbst. Zur Illustration sind dann dem Verfasser drei Inkavotafeln zur Verfügung gestellt worden. Der Grossteil der Bilder musste aber mit dem Text gedruckt werden. Sämtliche Bilder sind Aufnahmen vom Verfasser.
Der aufmerksame Leser stösst beim Studium auf manche Schilderungen, die in der Literatur neu sind. So sind die altertümlichen Verhältnisse bei der Bewässerung hier zum erstenmal beschrieben. Recht eigenartige Einrichtungen und Betriebsweisen findet der Leser dann in den Kapiteln über die Alpwirtschaft, Feldbebauung, Wein- und Obstbau und Wald und Wild verzeichnet. Die Beschreibungen der Wohnhäuser, das Leben und Schaffen der Menschen und das Denken und die Sprache liefern ein Bild über das innere Wesen der Leute. Auch die zahlreichen, in den Text eingestreuten, kleinen Episoden, Erzählungen, Anschauungen, Sagen und Sprüche dienen zur Charakterisierung der Volksseele. Ich habe sie ohne weitere Ausschmückung tunlichst sinngetreu wiedergegeben, wie ich sie gehört habe.
Wenn ich nun auch diesen neuen Beitrag zur Erforschung unseres Alpenlandes der Öffentlichkeit übergebe, so darf ich nicht unterlassen, allen denen den Dank auszusprechen, die mich hierbei unterstützt haben. Gleichzeitig bitte ich aber die Klubgenossen um wohlwollende Aufnahme der Arbeit.
Törbel im Mai 1922.
Der Verfasser.
Inhalt.Seite
Die Vispertaler Sonnenberge1 Von Visp nach Zeneggen3 Zeneggen 6 Die Hellelen9 Von Zeneggen nach Törbe113 Törbe119 Die Gemeinde Emd21 Das Wohnhaus24 Caspar Dilger31 Die Voralpen35 Die Hochalpen38 Die Oberaaralp48 Viehstand und Futter50 Feldbau — Korn und Brot58 Die Bewässerung67 Wasserleitungen70 Die Augstbordwasserleitung71 Das Ginanzwasser74 Die Springerin und die Felderin76 Das Sonntagwasser81 Die Emder Wasserleitungen und die Staldnerin82 Die Wässerregeln und Wässerarbeiten83 Die Weinreben und der Wein84 Das Obst und die wildwachsenden Nutzpflanzen89 Wald und Wild95 Das Volk, wie es schafft und lebt102 Geld und Gut109 Gemeinde und Familie113 Das religiöse Leben120 Das Volk, wie es denkt und spricht126 Fremdenverkehr und Ausflugsziele134 Nachwort142