Nordwand der Aiguille d'Argentière | Club Alpino Svizzero CAS
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Nordwand der Aiguille d'Argentière

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Ob's wohl gelingt. Jeder fragt sich still. Und wortlos schreiten wir der gastlichen Trienthütte zu, glücklich über den gelungenen Tag, und freudig erregt beim Gedanken an den kommenden Tag.

Nordwand der Aiguille d' Argentière

Von Hans Schonlau ( Zürich ) 1 Uhr am Morgen. Ein rasselndes Traumungeheuer entpuppt sich als unbarmherziges Weckersignal. Ein Sprung in die Welt der Wirklichkeit. Kurz nach 2 Uhr verlassen wir die Trienthütte. Nacht. Unsere kleine Laterne malt einen runden Kreis auf den harten Schnee. Schweigend eilen wir dem Fenêtre de Saleinaz zu. Schwarz ragen die Aiguilles Dorées zum Himmel, leise flüstert ein warmer Wind sein Lied. Juni. Durch das steile Couloir gewinnen wir den Glacier de Saleinaz, und eine halbe Stunde später stehen wir am Fusse der imposanten Nordseite der Aiguille d' Argentière. Ergriffen von der Wucht, erstaunt über unsere Vermessenheit starren wir hinauf in die hängenden Eisbrüche und versuchen in Gedanken einen Weg zu bestimmen.

Schnell packen wir die Randspalte an der schmälsten Stelle an, und dann stehen wir in der weissen Flanke, die sich 800 Meter über uns hinaufzieht zum silbernen Spitzchen.

Es ist unterdessen 4 Uhr geworden, und ein fahles Licht strahlt über die vielen Zacken und Zinnen. Und dann, blitzartig flammt es auf: der Tag ist angebrochen.

Wir stehen schon hoch über dem Gletscher, als die Sonne den tiefblauen Schatten unserer Körper auf den Schnee wirft. Weiter rechts können wir die Stufen einer früheren Partie erkennen, dann, nach kurzem Verschmelzen der Himmelsleitern, queren wir nach links durch ein sehr steiles Eiscouloir und gewinnen über eine Kante des Eiswulstes die erste Sérac-Terrasse. Unheimlich steil ist diese blanke Stufe, und Nuot sichert gewissenhaft. Die Nervenbelastung ist für ihn beinahe unerträglich, denn leise rascheln feine Eiskristalle, von der jungen Sonne losgelöst, über uns hinweg, und bizarre, grünblaue Türme schweben scheinbar über unseren Köpfen. Ich kratze mir vorsichtig Griffe ins Eis, gelange so über eine senkrechte Stufe auf einen messerscharfen Grat. Im darüberliegenden Firnfeld schlage ich einen Standplatz, und dann steht mein Freund bald neben mir. Über uns legt sich die steile Flanke zurück, und durch eine Einsattlung gelangen wir auf eine breite Terrasse. Eine weitere Eisbarriere versperrt uns den Weg. Wir versuchen zuerst auf der Unken Seite einen Durchstieg zu erzwingen, aber das steile Eiskamin weist uns ab. Unter dem kleinen Felskopf, der so einsam aus dem Eis ragt, gelingt es über den Bruch zu kommen. Der scheinbar firnige Gipfelaufschwung entpuppt sich als glasig-grünes Hindernis, und die Steigeisen scheinen nicht mehr ins Eis zu greifen. So hacken wir abwechselnd mit verbissenem Eifer. Dann endlich, acht Stunden nach der Überschreitung des Bergschrundes, stehen wir in der warmen Mittagssonne auf dem Gipfel. Glücklich sitzen wir nebeneinander und sehen uns satt an dieser strahlenden Umgebung!

Doch die Sonne wandert unbarmherzig nach Westen, und unser vorgesehenes Tagespensum ist noch beachtlich.

Nach kurzer Überlegung entschliessen wir uns, über den Normalweg durch die breite Rinne nach Refuge d' Argentière abzusteigen. Naßschneerutsche im Couloir Barbey nahmen mir die Lust zum Abstieg durch die Ostflanke.

Um 1 Uhr, in glühender Mittagshitze, sind wir dann noch einmal 800 Meter vom Glacier Argentière hinauf zum Col du Chardonnet gestiegen, in unserm Rücken die prachtvolle Kette von Nadeln und Spitzen. Die glänzendweisse Fläche des Mont Blanc im Hintergrund überragt den wilden Grat von der Aiguille de Triolet bis zur Aiguille Verte.

Aufatmend haben wir diesen Col du Chardonnet begrüsst, und eine unfreiwillige Abfahrt durch die steile Rinne auf der andern Seite hat uns rauh aus unserer Schlafwandlerei gerissen. Der verklumpte Schnee zwischen unsern Steigeisenzacken ist uns zum Verhängnis geworden.

Nach kurzer, heftiger Diskussion eilen wir weiter, hinüber zum Fenêtre de Saleinaz, noch einmal die wunderbare Wand der Argentière betrachtend und unsere Spuren verfolgend. Nach Wasser flehen die Gedanken!

Stunden später steigen wir abwärts, dem reizenden Kurörtchen Champex zu, in den blühenden Sommer hinein.

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