Österreichische Arktisexpedition 1954 nach Spitzbergen | Club Alpino Svizzero CAS
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Österreichische Arktisexpedition 1954 nach Spitzbergen

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Von Per Vigerust

Mit 3 Bildern und 1 Kartenskizze ( 103-105OsIo Spitzbergen, « Das Land der kalten Küste », wie es in der nordischen Mythologie genannt wird - gilt als das klassische Land der Polarforschung.

Erst ziemlich spät wurde man darauf aufmerksam, was Spitzbergen an alpinen Aufgaben bietet.

Vor dem Kriege waren es meistens englische Studenten, Mitglieder von Expeditionen von Oxford und Cambridge, die hier alpinistisch tätig waren. In vielen Gebieten, wie z.B. im Hornsund, Magdalenefjord und Neu Friesland wurden schon die wichtigsten Gipfel bestiegen. 1950 war eine französische Expedition südöstlich des Wijde-Fjordes und unternahm z.T. schwierige Besteigungen.

Der Plan für eine Expedition entstand in unserm Kreise, als der Leiter, Hans Gsellmann, im Sommer 1935 mit den zwei Schweden Anders Bolinder und Gillis Billing im Gebiet des Königsfjords Besteigungen unternahm. Gsellman, 25 Jahre alt, Bergführer aus Graz, begann Vorbereitungen für eine Expedition zu treffen, und als sein Bergsteigerklub « HG Bergland » die Finanzierung übernahm, war das Unternehmen gesichert.

« Hochalpinistische Gruppe Bergland » ist eine internationale Klettergilde im Öster-reichen Alpenverein. Zu den Mitgliedern zählen viele bekannte Bergsteiger, wie die Franzosen Lachenal, Terray und Rebuffat ( Annapurna 1950 ) und die Deutschen Schliessler und Köllensperger ( Nanga Parbat 1953 ).

Die Teilnehmer unserer Expedition wurden aus vier Nationen zusammengestellt. Ausser Gsellmann und Billing wurden zwei Österreicher ausgewählt, Dr. Helmut Seerainer - Expeditionsarzt - und René Simek. Dazu kamen Hans Wörndl, Deutschland, und ich. Alle waren wir Mitglieder der « HG Bergland ».

Mit seinen 38 Jahren war Gillis Billing der älteste und besass mit 20 Bergsteigerjahren auch die grösste Erfahrung. Unser Benjamin war der 19jährige René Simek.

Nachdem wir die Karten über Spitzbergen studiert hatten, fiel unsere Wahl auf das Gebiet um den Cross-Fjord, wo die Gipfel eine Höhe von 1400-1500 m erreichen. Soweit wir erfahren konnten, waren diese Berge alpinistisch völlig unerforscht.

Da « HG Bergland » für später eine Expedition nach Cordillera Blanca in den Anden plant, war es für uns wichtig, verschiedene Ausrüstungsgegenstände auszuprobieren. Wir hatten verschiedene Typen Perlon- und Nylonseile, Kochapparate, Steigeisen, Zelte usw. mit uns. Einiges davon - und besonders einige neue Patente - erwiesen sich als unbrauchbar.

Am B. Juli 1954 kamen wir nach Neu-Alesund, wo das nördlichste Bergwerk der Welt liegt, am 80. Breitengrad. Am nächsten Tage fuhren wir mit zwei Motorbooten weiter und waren nach zwölf Stunden am Cap Guissez, dem Eingang zum Cross-Fjord. Die See ging so hoch, dass wir schon hier an Land gesetzt werden mussten. Eine weitere Fahrt durch Treibeis und Nebel wäre zu riskant gewesen. Wir hatten ein Ruderboot bei uns und wollten bei Wetterbesserung 10 km weiter in den Fjord hineinrudern, um das Hauptlager dort aufzuschlagen. Auf Cap Guissez fanden wir einen guten Zeltplatz und verbrachten dort einige Tage.

In dieser Zeit unternahmen wir eine Erkundungsfahrt. Gsellmann-Simek-Wörndl-Seerainer gingen über den « 14. Juli-Gletscher » und bestiegen zwei namenlose Berge dort. Billing und ich bestiegen den Mt. Olsen ( 902 m ), die Kletterfahrt führte durch brüchiges Kalkgestein. Auf dieser Erkundigungsfahrt konnten wir feststellen, dass die Verhältnisse für Ski- und Schlittenfahrten ausgezeichnet waren. Der Schnee reichte bis ca. 100 m ü. M.

Am 14. Juli 1954 hörten die stürmischen Winde auf, und es herrschte Windstille. Nach vielem Hin- und Zurückrudern konnten wir unser Hauptlager am « Pr. Fanciulli » aufschlagen. Hier liegt eine alte verfallene Jägerhütte.Von unserm Lager aus unternahmen wir verschiedene Kletterfahrten.

Wir teilten uns in drei Seilschaften. Billing und ich kletterten meistens im Gebiet zwischen dem Koller- und dem Meyergletscher. Diese Landschaft erinnert sehr an Südnorwegen oder gar an die Alpen; aber durch die Gletscher, die direkt im Fjord kalben, sowie die vielen Eisberge wird man daran erinnert, dass man in der Arktis ist.

Das Wetter erlaubte sich manchen Spass mit uns. Am 18. und 19.Juli lagen Billing und ich im Zelt und warteten auf gutes Wetter, um den Mt. Forel ( 1250 m ) zu besteigen. Nach zwanzig Stunden waren wir so durchfroren, dass wir wieder umkehren mussten. Am nächsten Tage stiegen Gsellmann und Simek hinauf, hatten Wetterglück, bestiegen den Mt. Forel und kamen bereits nach 15 Stunden zufrieden zurück.

Am 27. Juli 1954 begann eine lange Schönwetterperiode. Gsellmann-Simek gingen mit Skischlitten und Ausrüstung für zehn Tage in Richtung Wood-Fjord. Wörndl-Seerainer wollen über das « Isachsenplateau » zu den « Drei Kronen ». Billing und ich führten im Gebiet des Kollerfjordes unsere Kletterfahrten durch.

Am Abend des 22. Juli fuhren wir mit dem Ruderboot in den Kollerfjord hinein und fanden am nächsten Tage einen idealen Lagerplatz auf dem Kollergletscher. Das Wetter an den folgenden Tagen war so schön, dass wir kein Zelt aufstellten, sondern draussen schliefen. Bei solchem Wetter braucht man in Spitzbergen zum Schlafen lediglich: eine Luftmatratze, einen Schlafsack und ein schwarzes Band vor den Augen. Die drei nächsten Tage gehörten wohl zu unserer schönsten Zeit in Spitzbergen. Keine Wolke am Himmel, der Schnee hart und immer tragend; ganz selten mussten wir im tiefen Schnee waten. Von den Gipfeln aus, die wir bestiegen, konnten wir weit im Westen und im Norden das Eismeer sehen, und im Osten bewunderten wir das weite, blendendweisse Isachsenplateau. Es waren prächtige Tage in der grossartigen Natur des Nordens.

Am Abend des 3. August waren wir zurück im Hauptlager. In der folgenden Nacht kamen Gsellmann und Simek vom Wood-Fjord zurück. Gsellmann völlig schneeblind und hilflos. Er hatte die Schneebrille verloren, so dass das intensive Licht auf dem Rückmarsch über die Gletscher seinen Augen arg zusetzte. Wir warteten auf Wörndl und Seerainer, die ebenfalls am 3. August 1954 hätten zurückkehren sollen. Die Nacht zum 6. August 1954 HaupHagw PI. Fanciulli Z.

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Nord-Vest-Spitsberge » SunsonlamDie Schiffsfahrt der ExpeditionVorstösse vom Hauptlager brachte einen furchtbaren Wettersturz, mit Nebel und Schneesturm von Nordost. Wir hielten Kriegsrat und beschlossen, noch einen Tag zu warten, um nachher zu viert auf das Plateau aufzusteigen und nach den beiden zu suchen. Wir wussten, dass dies ziemlich hoffnungslos war, denn bei solchem Wetter jemand auf dem Isachsenplateau zu suchen, ist ähnlich der Suche nach der bekannten Nadel im Heuhaufen. Aber am 7. August 1954, morgens 0200 Uhr, zerstreuten sich unsere Besorgnisse: Helmut und Hans kamen zurück, beide völlig erschöpft und mit Erfrierungen an Fingern und Zehen. Sie berichteten:

Während der langen Schönwetterperiode vom 27. Juli bis 4. August 1954 lagen sie in verschiedenen Lagern auf dem Isachsenplateau und bestiegen einige Gipfel dieses Gebietes. Am 4. August 1954 hatten sie nur noch wenig Proviant. Da aber das Wetter sicher schien, beschlossen sie, die 40 km über das Plateau zu den « Drei Kronen » ( 1260 m ) zu gehen.

Nach einer Skitour von sieben Stunden waren sie am Fusse des Berges und nach weitern zwei Stunden hatten sie den Gipfel erobert. Auf dem Rückmarsch traf dann der Schneesturm die beiden mit voller Wucht. Tag und Nacht hindurch kämpften sie sich zu ihrem Lager durch. Zweimal stürzte Hans Wörndl in eine Gletscherspalte, doch mit viel Glück konnte ihn Helmut Seerainer herausziehen. Dabei zogen sich die beiden Erfrierungen zu. Nach einigen Stunden Schlaf im Zelt traten sie den Rückmarsch zum Basislager an. Sie hatten keinen Proviant mehr, und ihre Kräfte gingen rasch zur Neige. Auf dem Tynairc-Gletscher hatte Hans erneut das Pech, in eine Spalte zu fallen, und nur mit letzter Kraft konnte ihn Seerainer ihr entreissen. Die Erfrierungen waren zum Glück ziemlich harmlos, doch waren die beiden für die nächsten zehn Tage zu weiteren Besteigungen unfähig. Hans Wörndl, bekannt durch seine erste Winterbegehung der westlichen Zinne Nord-Wand in den Dolomiten, meinte, er sei noch nie « so fertig » gewesen wie oben auf dem Isachsenplateau.

Während dieser Schlechtwetterperiode hatten Billing und ich uns gut erholt, und als Wörndl und Seerainer wohl zurück waren, konnten wir schon am Abend des 7. August 1954 unsere geplante Schlittentour antreten. Diesmal wollten wir des Nachts marschieren und am Tag schlafen, um möglichst gute Schneeverhältnisse zu haben. Unser Ziel war, den Monaco- und den Friedrichgletscher bis zum Bock-Fjord zu überqueren, um dort einige schwefelhaltige, warme Quellen zu untersuchen. Ein Marsch von drei Tagen brachte uns dorthin, und nach langem Suchen fanden wir auch zwei Quellen, die nur an ihren Gips-und Schwefelablagerungen sichtbar waren. Die Temperatur des Wassers betrug ca. 30° C.

Die Landschaft beim Bock-Fjord ist sehr öde und verlassen: feuerrote Sandsteinberge ohne Spuren von Vegetation. Einige Vögel waren die einzigen Lebewesen, die wir sahen. Bald liessen wir diese öde Stätte hinter uns und waren froh, als wir oben auf dem Friedrich-Gletscher unsern Schlitten wieder erreichten. Die zwei letzten Tage unternahmen wir eine reine Skibesteigung auf den Mt.Wergeland ( 1350 m ).

An einem stürmischen Tage sahen wir plötzlich durch eine Nebelwand die Kollerbucht auftauchen. An unserm « privaten Bootplatz » mussten wir zu unserm Schrecken feststellen, dass das Boot verschwunden war. Die Stirnwand des Kollergletschers hatte gekalbt, und die so entstandene Flutwelle hatte das Boot weggeschleudert. Nach langem Suchen mit dem Fernglas entdeckten wir das völlig unbeschädigte Boot in ca. 2 km Entfernung. So bedeutete das kleine Intermezzo lediglich einen gewaltigen Schreck!

Am Abend des 14. August waren wir wieder im Basislager und fielen todmüde in unsere Schlafsäcke. Nach zwei Stunden Schlaf wurden wir geweckt. Unsere Freunde von Ny-Aale-sund kamen mit zwei Motorbooten, um uns zu holen. In Ny-Aalesund konnten wir uns so weit erholen, dass wir die anschliessende, viertägige Schiffsreise trotz Seekrankheit leidlich gut überstanden. Diese Seereise war das Ende unserer Expedition. Wir trennten uns zur Heimreise. Ich traf wohlbehalten am 24. August 1954 in Oslo ein.

Abschliessend glaube ich sagen zu können, dass wir in unsern Erwartungen nicht enttäuscht wurden. Viele der von uns bestiegenen Gipfel fordern saubere und zum Teil schwierige Kletterarbeit. Die Anmarschwege über die weiten Gletscher verlangen eine gute körperliche Verfassung sowie eine entsprechende Ausrüstung.

Äusserlich werden unsere dreissig Erstbesteigungen das Hauptergebnis der Expedition sein. Für uns Teilnehmer bedeutet es aber viel mehr. Erinnerungen an eine glückliche Zeit unter der Mitternachtssonne in Schnee, Eis und Fels, inmitten einer Landschaft, die durch ihre Weite beeindruckt und lockt.

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