Typische Schnee- und Witterungsverhältnisse im Winter in den Alpen | Club Alpino Svizzero CAS
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Typische Schnee- und Witterungsverhältnisse im Winter in den Alpen

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VON GIAN A. GENSLER, ZÜRICH

Mit 2 Bildern ( 118 und 119 ) Wie im vorangehenden Quartalsheft dieser Zeitschrift erläutert, lassen wir hier den Winter im Verlaufe der zweiten Novemberhälfte beginnen. Das Ende fixierten wir in unserem ersten Artikel ( 1. Quartalsheft 1966 ) auf Mitte März, am Ende des sich häufig einstellenden « Märzwinters » der ersten zwei bis drei Märzwochen.

Die Behandlung der Schneeverhältnisse erfordert vorerst einen Hinweis auf die Schneefallwahr-scheinlichkeit in verschiedenen Höhenlagen. Das prozentuale Verhältnis aller Tage mit mindestens 0,3 mm Niederschlag ( fester und flüssiger Art ) zu denjenigen mit ausschliesslich Schneefall, d.h. die relative Schneehäufigkeit in Prozent aller Niederschlagstage, lässt sich für die Periode 1901 bis 1960 wie folgt darstellen, wobei wir die Statistik auf 6 Monate ausdehnen:

Station Höhe ü. M.

November Dezember Januar Februar März April Luzern498 m22 Engelberg 1018 m52 Airolo 1167 m56 Davos 1588 m84 Säntis 2500 m99 42 77 87 98 100 55 54 40 19 % 83 85 73 54 % 92 91 75 40 % 99 99 96 81 % 100 100 100 99 % Eine hundertprozentige Schneefallgarantie können wir in unserem Klima für den Hochwinter erst oberhalb 2000 bis 2200 Meter ü.M. erwarten. Interessant ist noch die Beziehung zwischen der mittleren Monatstemperatur und der relativen Schneefall Wahrscheinlichkeit anhand einiger Gipfelstationen:

SchneefallwahrscheinlichkeitMonatstemperaturSchneefallwahrscheinlichkeitMonatstemperatur inin °Cinin °C 013602>/2 511800 208953 405.1007 Betrachten wir die innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes möglichen Neuschneemengen: Innerhalb von 24 Stunden fallen im Mittel pro Schneefalltag im Höhenbereich zwischen 1500 und 2500 Meter ü.M. nur Mengen zwischen 5 und 10 cm; 50% aller täglichen Neuschneewerte liegen im Bereich zwischen 1 und 15 cm. Fast alljährlich sind einmal Zuwachse von 30 bis 40 cm zu erwarten; solche von über 60 cm pro Tag treten aber nur alle paar Jahre, solche von über 80 cm nicht einmal in jedem Jahrzehnt auf. Als absolute Höchstwerte, die innert 24 Stunden durch Schneefall allein, also ohne zusätzliche Windverfrachtungen, gefallen sind, sind folgende Mengen bekanntgeworden:

StationHöhe M. NeuschneeTag ( Messung am Morgen ) Gotthardpass 2095 m Bedretto 1435 m Linthal-Tierfehd 685 m Zuoz 1750 m Arosa 1865 m Engelberg1018 m Murren1620 m Grimsel-Hospiz1970 m Münster VS1360 m Bern ( zum Vergleich)570 m f 130 cm 12. Februar 1951 \120cm 23.Februar 1914 125 cm 12. Februar 1951 105 cm 21. März 1967 100 cm 21.Januar 1951 \ 96 cm 20. Januar 1910 \ 85 cm O. Januar 1914, 21.Januar 1951 95 cm 12. Februar 1938 95 cm 21. März 1967 95 cm 12.Februar 1951 90 cm 12. Februar 1951 49 cm 9. März 1931 Das Schnee- und Lawinenforschungs-Institut auf Weissfluhjoch/Davos umschreibt den Stärkegrad der 24stündigen Neuschneefälle wie folgt: über 60 cm: ausserordentlich; 25-60 cm: Gross-Schneefall; 6-25 cm: mittlerer; 2,5-5 cm kleiner und bis 2,5 cm: unbedeutender Schneefall. In Airolo fielen allein zwischen 21.30 Uhr des 10. und 07.30 Uhr des 11. Februar 1951 61 cm Neuschnee; während des intensivsten Schneefalles wurden dort und auf dem Gotthardpass 15-20 cm Neuschnee stündlich abgelagert. Bei solch ausserordentlichen Schneefällen findet sich zudem kein Fall, bei dem nicht auch ein Nachbartag Neuschnee gebracht hat; mehrheitlich ist es sogar der Vor- und Nachtag gewesen, wodurch sich enorme Summenwerte ergeben, wie z.B.:

207 cm vom 5. bis 7. Februar 1951 Gotthardpass 2095 m Ì280 cm vom 11. bis 13.Februar 1951 |542 cm vom 4. bis 14-Februar 1951 Bedretto 1435 m403 cm vom 4. bis U. Februar 1951 Arosa 1865 m179 cm vom 19. bis 21. Januar 1951 Braunwald 1320 m202 cm vom 25. bis 27. Januar 1968 Engelberg 1018 m136 cm vom 11. bis 13. Februar 1938 Bern 570 m93 cm vom 9. bis 11. März 1931 Anderseits gab es Winter, während welcher auf dem Gotthard kein Tag mehr als 30 cm oder in Engelberg mehr als 15 cm Neuschnee brachte.

Die monatlichen Neuschneesummen betragen in 1500 Meter ü. M. rund 100 cm; einzelne Monate begnügen sich aber mit nur 10-20 cm, andere können 250-350 cm anhäufen. Schmilzt man 1 cm Neuschnee, so erhält man üblicherweise eine Schmelzwasserhöhe von 1 mm. Ein Zentimeter kalter ( —10 bis —20 °C ), flaumiger Schnee gibt jedoch nur 0,2-0,5 mm, 1 cm feuchter Neuschnee dagegen 1,5-2,5 mm Wasserhöhe.

Erfahrungsgemäss setzt sich der Neuschnee sogleich nach seinem Fall und verdichtet sich infolge des Zerfalles seiner Eiskristalle; stark beschleunigt wird dieser Vorgang durch einsetzenden Schmelzprozess, und wiederholtes Erwärmen und Abkühlen verhärtet den Schnee noch weiter. Endlich belasten spätere Neuschneefälle den Altschnee, was ebenfalls zur Dichtezunahme beiträgt. So nimmt im Höhenbereich zwischen 1500 und 2500 Metern die Dichte der Schneedecke von 0,2 bis 0,25 g/cm 3 ( 200-250 kg/m3 ) der Zeitspanne November bis Mitte Januar auf 0,25-0,3 im Februar, rund 0,35 während des März, bis auf rund 0,4 g/cm3 ( 400 kg/m3 ) im April zu. Diese Setzungs- und Verdich-tungsprozesse lassen es verständlich erscheinen, dass die tatsächlichen Schneehöhenwerte nie die Summen der einzelnen Neuschneefälle erreichen können. Hier einige mittlere Monatswerte der auf horizontalen, bezüglich Windeinwirkungen möglichst neutralen Flächen gemessenen Schneehöhen:

Schneehöhen November Dezember Januar Februar März April Gotthardpass [1]Davos [2]

70 15 160 40 180 70 220 90 250 85 260 cm 45 cm Engelberg [3]

25 40 70 50 — cm Beim Weissfluhjoch ob Davos, in 2540 Meter ü.M., ergaben sich für die Periode 1941 bis 1960 folgende Monatswerte der Schneehöhen in Zentimetern [4]:

MonatGesamt- Extreme Monatsmittel Mittleres Maximum Extreme Tageswerte mittelkleinstes grösstes der Tageswertetiefster höchster November 55 Dezember 95 Januar 141 Februar 179 März 201 April 208 6 158 85 0 225 26 202 129 6 237 82 205 169 35 283 92 268 211 87 320 130 314 227 107 366 129 308 234 93 326 Abschliessend noch einige mittlere und extreme Werte der höchsten Schneemächtigkeit pro Winter der Periode 1941/42 bis 1965/66 für einige Messorte des Beobachtungsnetzes vom Schnee- und Lawinenforschungs-Institut Weissfluhjoch:

Station Höhe ü. M. Maximalwerte der winterlichen Schneehöhen in mMitteltiefsteshöchstes cmcmcm höchstes ausserhalb der Periode [Jahr] Landquart 512 Poschiavo 1014 Engelberg 1018 Klosters 1194 Ulrichen 1345 Andermatt 1440 Davos 1560 Zuoz 1730 BarberineVS 1820 Bernina Suot 2049 Gotthardpass 2095 Jochpass 2215 Säntis ( MZA ) 2340 Weissfluhjoch 2540 Rotondohütte [5] 2575 Riffelberg 2580 50 10 80 115 [1968] 50 5 100 80 32 143 170 [1968] 135 55 225 240 [1968] 155 40 265 165 65 310 125 75 225 85 35 200 190 52'300 130 70 270 245 90 480 670(7251916] 310 160 565 400 210 640 785 [1919] 250 168 366 355 175 545 180 70 250 Über andere Beobachtungsperioden mögen folgende Daten ein Bild zeichnen:

Davos [2] 1891-1937 Gotthard [1] 1900-1940 .f1900-1940 bantIS \1931-1960 r^i11911-1950 Zugspitze [6] 1950-1967 112 44 193 280 155 670 348 200 785 420 210 700 477 180 830 525 290 740 ( Piatti, 2650 m ü. M. ) Im vergangenen Lawinenwinter 1967/68 traten besonders in tieferen und mittelhohen Lagen der Nordalpenkette am 27. Januar oder am 12. März 1968 aussergewöhnliche Schneehöhen auf, so 120 cm in Glarus ( 490 m),263 cm in Linthal-Tierfehd ( 685 m ), 280 cm in Guttannen ( 1058 m ) und 317 cm auf der Schwägalp ( 1290 m ). Als Vergleich soll zum Schluss eine entsprechende Darstellung der Maximalwerte der jährlichen Schneedeckenmächtigkeit aus der Firnregion erfolgen, wobei sich die Werte naturgemäss auf das ganze hydrologische Jahr ( Oktober-September ) beziehen müssen; die Zählung beginnt für die erste der hier wiedergegebenen Perioden jeweils neu mit Null am 1 .Oktober, für die zweite Reihe um Mitte September herum; in Zentimetern:

Ort Höhe ü.M.

Periode Mittel tiefstes höchstes Jungfraufirn

3350 m f 1918-1945 [7] 11946-1966 426 485 205 350 815 770 ( 880 ?) Fallen im Höhenbereich von 2000 bis 2500 Meter ü. M. die Höchstwerte meistens auf die Monate März und April, so kann sich dies bisweilen im Firngebiet bis in den September ausdehnen, d.h. ein « Sommer » ist in der Schneehöhenkurve kaum erkennbar!

Wir beginnen unsere Darlegungen über typische Witterungserscheinungen wiederum mit den windschwachen Lagen, wie sie innerhalb ausgedehnter Hoch- oder Tiefdruckgebiete oder bei flacher Druckverteilung über Mitteleuropa auftreten.

Im vorangegangenen Beitrag haben wir erkannt, dass die Hochdrucklagen im Herbst häufiger auftreten als in den übrigen Jahreszeiten. Der Winter - im folgenden beschränken wir uns auf den eigentlichen Hochwinterabschnitt Dezember—Februar - folgt dem Herbst hierin unmittelbar nach, da doch an 20 bis 25 % aller Tage Hochdruckgebiete über Mitteleuropa vorkommen. Im Gebirge prägt sich das Hochdruckwetter im Winter sehr typisch aus: die Höhenluft sinkt bis zu einer Sperr-schicht ab, welche gleichsam den Deckel einer bodennahen Kaltluftschicht darstellt. Je nach der Höhenlage dieser Temperaturinversion liegt nur das Alpenvorland unter einer Nebelschicht mit rund 700 Meter ü. M. Obergrenze, oder die Kaltluft ist mächtiger, und eine Hochnebeldecke erreicht 1200 bis 1400 Meter ü.M. und greift zuweilen in die Alpentäler. Auch ohne Nebel wird diese « Grundschicht » als Dunstmeer deutlich sichtbar gemacht. Nicht nur grossräumig, sondern auch im kleinen bilden sich über jeder nur wenig geneigten Talsohle oder Mulde während der langen, klaren und windschwachen Winternächte solche « Kälteseen » oder « Kältelöcher ». Geringe Höhenänderungen zeigen besonders in den Morgenstunden erhebliche Temperaturdifferenzen, was einige Messungen in der breiten Talfläche des Oberengadin verdeutlichen: Temperatur auf der Schneeoberfläche -36 Grad, in 1/2-2 m darüber -31, am Hangfuss bei den Dorfenden ( Samaden, Bevers ) -27, im Dorf in etwa 25 m über der Talsohle -23 und am Hang 100-150 m über dem.Tal -18 Grad ( Mittel von 4 bis 6 Tagenähnliche Unterschiede liessen sich aber auch im Goms, im Urserental und im Rheinwald usw. finden. Im Hochwinter vermag auch die intensive Bergsonne diese Kaltluftansamm-lungen oft nicht zu beseitigen, besonders wenn noch eine langdauernde Beschattung durch die Berge hinzukommt. Da sich tagsüber die Luft nur kurzzeitig erwärmt, bleiben die Berge, wie meistens schon im Herbst, dauernd wolkenfrei, die Sichtweite ist unbeschränkt, die Luftfeuchtigkeit öfters geradezu wüstenhaft niedrig, und die Winde sind schwach, öfters aus nördlicher oder östlicher Richtung. Unbedeutende Schneefälle können in den Niederungen aus dichter Hochnebelbewölkung fallen. Die Temperatur ist in den Tallagen infolge der kalten Nächte unterdurchschnittlich, auf den Höhen aber bis 3 Grad höher als das gesamte Wintermittel. Dieses Bild ändert sich etwas innerhalb kurzer, nur 1 bis 2 Tage dauernder Zwischenhochphasen ( rasch wandernde Hochs hinter Kaltlufteinbrüchen ), die 1 bis 2 Grad zu kühl sind und entlang dem Nordalpenkamm noch an 20-40 % aller Tage mit abklingenden Schneefällen aufwarten; weiter alpeneinwärts sind sie fast niederschlagsfrei. Eine Nullgradgrenze lässt sich nur im Falle der beständigen, aus subtropischer Warmluft aufgebauten Hochs oberhalb der Bodenkaltluft auf 1200 bis 1400 Meter ü. M. erkennen.

Tiefdruckgebiete finden sich über den Alpen in reiner Form besonders im Winter recht selten. Da in ihnen eine leichte Nordströmung häufiger ist als eine solche aus Süden, sind die nördlichen Alpenketten deutlich benachteiligt, was sich in der hohen Niederschlagsbereitschaft von 70 bis 80 % äussert. Im Alpeninnern sind noch an 40-60 % der tiefdruckbeeinflussten Tage Niederschläge möglich, im Süden liegt der Wert bei 40%. Die Ergiebigkeit ist im Norden mit mehr als 10 mm pro Niederschlagstag hoch. Die starke Bewölkung verhindert weitgehend die Kaltluftbildung in den Tälern, wodurch sie dort nur etwa 1 Grad unternormal ist; auf den Höhen herrscht aber ein Defizit von 2 bis

Das Wetter im WinterAufnahmen ,s>< ,,.>

118Hochdruckbeeinflusste Bisenlage mit einer von Dunst und kleinen Cumulusballen erfüllten Grundschicht mit Obergrenze auf 1800 m ü. M., darüber Absinken. Über den Alpen Hinderniswolken wie « Fohnfische », doch herrschte hier bis in die Stratosphäre hinauf einheitlicher Nordost-, zum Teil Nordwind ( Aufnahme Mitte November., 119Nach fünftägiger Nordstaulage mit 150 cm Neuschnee auf dem Säntis Umwandlung in dicken Bisenhoch-nebel mit Obergrenze 1900-2200 m ü.M., Temperatur in 2500 m am Aufnahmetag ( 20.Februar 1965 ) sechs Grad unternormal. Acht Tage später, nach meist sonnigem Wetter, Schneehöhe am Claridenfirn-pegel, in 2900 m, 324 cm. Links Scherhorn, Mitte Clariden und Hüfifirn

X

*

4 Grad. Die Frostgrenze liegt bei 600 Meter ü. M. Die Winde sind je nach Lage und Form des Tief-druckgebildes in Richtung und Stärke unterschiedlich.

Eine Flachdrucklage kann sich sowohl zwischen zwei Hochdruckzentren ( z.B. Azoren und Osteuropa ) als auch innerhalb flacher Tiefdrucktröge einstellen. Letztere sind im Herbst und Winter etwas häufiger, wodurch in den Nordalpen eine Niederschlagsbereitschaft von rund 40% erzeugt wird; weiter südwärts verbleibt sie aber bei 10-20 %, da auch hier die Trogachse häufiger östlich als westlich von uns liegt und daher eine gewisse Nordströmung überwiegt. Die Temperaturen sind 1 bis 2 Grad tiefer als normal; nur auf der Südseite entsprechen sie dem Saisonmittel.

Als wichtigste Strömungslage behandeln wir hier zuerst die Westwindlage. Tiefer Luftdruck im subpolaren Raum ( Island-Norwegen ) ist im Winter am häufigsten; im Wechselspiel mit dem quasi-permanenten Azorenhoch bewirkt er die zweithöchste Westwindhäufigkeit des Jahres über West-und Mitteleuropa, die unser Winterklima erheblich mildert. Nicht nur die aus Südwesten hinter einer Warmfront einströmende subtropische Meeresluft, sondern auch die einer Kaltfront folgende subpolare Kaltluft, die uns aus Westen oder Nordwesten erreicht, ist dank ihres weiten Weges über den golfstromerwärmten Atlantik bei uns weniger kalt als eine Luftmasse, welche sich während mehrerer Tage über dem zum Teil schneebedeckten Landesinnern von Europa aufgehalten hat. Besonders die Aufgleitniederschläge an Warmfronten und Okklusionen ergeben über den Westalpen, dem Wallis und dem Jura namhafte Niederschläge. Entlang der Nordabdachung der Alpen sind es nur die nach Norden vorspringenden Bergzüge, wie die Freiburger Alpen, der Napf, der Alpstein und der Bregenzer Wald, welche mit einer Niederschlagsbereitschaft von 60 bis 80% ebenfalls stark betroffen werden. Nach Süden nimmt dieser Wert deutlich ab: Nord-und Mittelbünden um 50%, Engadin und Nordtessin 30-40 %, Südtessin 10-15 %. Die Westwetterlage, die über Mitteleuropa an gut 25 % aller Tage auftritt, stellt für das südliche Alpenvorland somit eine ausgesprochene Trockenperiode dar! Die Temperatur steigt im nördlichen Alpenvorland um 4-6 Grad über das Mittel, womit die Westlage für die föhnfreien Gegenden die mildeste aller Winterwetterlagen ist ( wiederholtes Abschmelzen der Schneedecke unterhalb 800 bis 1000 Meter ü. M. ). Im Alpeninnern ist der Wärmeüberschuss um 2 Grad geringer, da öfters die leichte Warmluft über die träge, zwischen den Bergflanken gefangene Kaltluft hinwegstreicht und den Talboden nicht bespült. Die Niederungen der Alpensüdseite weisen infolge des vollständigen Westwindschutzes keine Temperaturerhöhung auf. Die Nullgradgrenze liegt im Norden bei 1500 Meter ü.M., d.h. 1000 Meter höherals das Wintermittel aller Wetterlagen ( Klimamittel ), im Innern und im Süden der Alpen bei 1000 bis 1200 Meter ü. M. Auf den Bergen erreichen die Windstärken die höchsten Werte aller Lagen des ganzen Jahres; sie betragen rund das Doppelte der Westwinde im Sommer.

Die Nordlagen sind, wie im Herbst, seltener als in den übrigen Jahreszeiten, jedoch bringen sie der Alpennordseite die grösste Ergiebigkeit an Niederschlägen pro Niederschlagstag des ganzen Jahres, besonders bei anhaltenden Nordwestwinden, nämlich rund 15 mm im Mittel. Wie die einleitend genannten Beispiele aus den Jahren 1951,1967und 1968 zeigen, erreichen einzelneLagen das Vielfache dieses Durchschnittwertes; Lawinenniedergänge und grosse Schneeverfrachtungen sind angesichts der den Westwinden fast ebenbürtigen Windstärken die unvermeidlichen Folgen. Die Wahrscheinlichkeit von Niederschlägen ist östlich der Reuss mit 60-80 % sehr hoch und sinkt erst westlich der Aare auf rund 50 % und weniger. Die Frostgrenze liegt auf 400 bis 600 Meter ü. M., was auch den Tallagen der Voralpen oft einen markanten Schneezuwachs beschert. Südlich der Alpen bringt die Nordlage erfahrungsgemäss einen ganz andern Wettertyp; der Nordföhn bewirkt helle, trockene Tage, und je weiter wir nach Süden gehen, desto unwahrscheinlicher wird Niederschlag auftreten, da dessen Wahrscheinlichkeit von 20 bis 30 % im Engadin, Nordtessin und Wallis auf weniger als 10 % im mitt- 16 Die Alpen - 1968 - Us Alpes241 leren und südlichen Tessin zurückgeht. Die im Winter an 15-20 % aller Tage vorkommenden Nordlagen ergeben somit für den Süden bereits die dritte fast niederschlagsfreie Wetterlage.

Die Ostlage ( Bise ) ist mit 10-15 % aller Tage häufiger als im Herbst, aber seltener als im Frühjahr. Sie ist mit einem Wärmedefizit von 7 bis 10 Grad die kälteste aller Lagen. Hauptsächlich auf der Alpennordseite und über dem Mittelland stellt sich verbreitet eine Hochnebeldecke ein, welche durch die Bise auch in die inneren Alpentäler hineingetrieben wird. Dieser Bisenhochnebel entwickelt sich oft aus einer abklingenden Nordstaulage infolge Winddrehung auf Ost und des dadurch meistens zunehmenden Hochdruckeinflusses, welcher die Obergrenze der auf 4000 bis 5000 Meter hoch liegenden Staubewölkung allmählich auf 2500 bis 2000 Meter ü.M. hinunterdrückt. Starke Rauhreif bildungen, die besonders an den Wäldern gut sichtbar sind, zeigen bei weiterem Absinken der Hochnebelobergrenze auf 1500 Meter die ursprüngliche Ausdehnung der Wolkendecke zu Beginn der Bisenlage. Da im Winter die Tiefdruckgebiete über dem Mittelmeer oft südlicher liegen als im Herbst, ist ihr zyklonaler Einfluss geringer, so dass die Niederschlagsbereitschaft 30 % kaum überschreitet; im Alpeninnern und im Süden liegt sie bei 20%. Ist der Hochdruckeinfluss in der Ostströmung vorherrschend, so verringern sich diese Werte auf mindestens die Hälfte, im Süden sogar auf unter 5 %, wo aber boraartige Kaltluftzufuhr ebenfalls die Temperatur unter dem jahreszeitlichen Sollwert hält, jedoch weniger extrem als nördlich der Alpen.

Die Südlagen umfassen zwar nur rund 10 % aller Wetterlagen des Winters, doch ergibt sich zu dieser Zeit infolge des Aufgleitens feuchtwarmer Mittelmeerluft ein überaus intensiver Südstau, dessen Ergiebigkeit am Alpensüdfuss mit 15-20 mm pro Südstautag diejenige bei Nordstau an der Alpen-nordabdachung übertrifft; die Bereitschaft zu Niederschlag liegt bei 60-70%. Im Oberengadin, im Gotthardraum, im Goms und in den Walliser Hochalpen sind noch mehr als 50 % zu erwarten, dann jedoch trocknet die Südströmung rasch aus, so dass Nord- und Mittelbünden, die Alpennordseite und das Zentralwallis nur noch an 20-30 % aller Südlagen bzw. Föhnlagen Niederschläge gewärtigen müssen. Die Frostgrenze steigt im Föhn auf 1800 Meter ü. M.; in den föhnfreien Tälern und im Alpenvorland kann aber eine zähe Kaltluftschicht bis auf 800 oder 1000 Meter ü.M. liegenbleiben und die vorangegangene Frostperiode noch so lange verlängern, bis der auf Föhn meistens folgende Westeinbruch auch mit ihr aufräumt und Tauwetter bringt. Im Föhnbereich sind Übertemperaturen von 4 bis 6 Grad gegenüber der Winternorm üblich; an tiefgelegenen Orten wie im Räume Altdorf und Glarus können 10 Grad Überschuss vorkommen. Im Südstaugebiet sind kaum Abweichungen vom Wintermittel ersichtlich; bei Südostwinden sind sie eher etwas zu tief, bei Südwinden höchstens 1-2 Grad zu hoch, weil keine direkte Warmluftzufuhr vom Mittelmeer in die Täler der Alpensüdseite möglich ist. Der Grund liegt darin, dass sich über der Poebene vielfach eine träge, kühl-feuchte Luftmasse bis auf 1200 oder 1500 Meter ü.M- hinauf hält, eingeschlossen durch den Alpenbogen und den Apennin. Die Windstärken sind besonders auf den Pässen erheblich und können bekanntlich gleiche Sturmstärken erreichen wie bei West- oder Nordlagen.

Zusammenfassend erkennen wir, dass der Winter mit seiner Dominanz der Westlagen vor allem die Westalpen und die nördlichen Voralpen mit ergiebigen Aufgleitniederschlägen versorgt. Die Niederschlagsmengen sind besonders im Winter stark relief bedingt: den feuchten Stauflanken folgen unmittelbar im Lee der Strömung trockenere Gebirgskammern. Je weiter wir ostwärts gehen, desto trockener werden diese inneralpinen Becken und Talregionen, und bereits östlich des Gotthard finden wir Gebiete, die während des Winters nur ein Drittel der Niederschlagsmengen der oben erwähnten Staugebiete aufweisen. Die aufsummierte Häufigkeit von West- und Nordlagen einerseits und der Hochdrucklagen anderseits beträgt rund 70 % aller Tage, welche südlich des Alpenkammes als ausgesprochen trockene Lagen zu gelten haben. Auch im Winter 1967/68 zog sich im Tessin eine Trockenzeit über mehr als zwei Monate dahin, und einige Leser mögen sich wohl noch an die wiederholten Aufrufe erinnern, welche die Waldbrandgefahr dort bannen sollten.

Die Hochdruck- und Ostlagen stellen das Gegenstück zu den maritimen West- und Nordlagen dar und könnten als « Wintermonsunphasen » bezeichnet werden. Je nach der Dominanz der maritimen oder kontinentalen Witterungstypen wird der Charakter unserer mitteleuropäischen Winter bestimmt. Auch zu dieser Jahreszeit lassen sich gewisse Häufungspunkte der Hauptwetterlagen erkennen; einige Termine aus diesem « Witterungskalender » sollen auch hier die Betrachtung über die einzelnen Jahreszeiten abschliessen:

1. Hochdruckbeeinflusste Perioden ain den Nordalpen höchstens 40 % Niederschlagsbereitschaft: 15.20. und 25.30. November, 20. Januar bis 5. Februar, 20.25. Februar und 20.30. März; bin den Südalpen höchstens 30% Niederschlagsbereitschaft: 25.November bis 5.Dezember, 25.30. Dezember, 5.15. und 20.25. Januar, 1.5. Februar und 15.25. März.

2. Tiefdruckbeeinflusste Perioden ain den Nordalpen mindestens 50 % Niederschlagsbereitschaft: 1.15. Dezember, 25. Dezember bis 20. Januar, 5.20. Februar und 15.20. März; bin den Südalpen mehr als 40% Niederschlagsbereitschaft: 5.15.Dezember, 1.5.Januar, 10.15. Februar und ab 25. März.

Weststürme sind nördlich der Alpen besonders häufig in den letzten Novembertagen und im ersten Dezemberdrittel, am Jahresende, um Mitte Januar und während der ersten Februarhälfte. Zähe Hochnebel halten sich gerne an die Zeiten vom 15. bis 25. November, vom 15. bis 25. Dezember, vom 15. bis 25. Januar und abgeschwächt noch vom 15. bis 25. Februar.

Literaturangabe [1] E. Ambühl: Die Schneedecke auf Gotthardhospiz. « Die Alpen », XVIII, Nr. 3, Bern 1942.

[2] O. Eckel: Über die Schneeverhältnisse von Davos. Jahresbericht d. Naturf. Ges. Graubündens, V. Band, Chur 1938.

[3] A. Roshardt: Der Winter in der Innerschweiz. Mitteilungen d. Naturf. Ges. Luzern, Heft XV, Luzern und Stans 1946.

[4] Th.Zingg: Beitrag zum Klima von Weissfluhjoch. Winterberichte des Eidg. Inst, für Schnee- und Lawinenforschung Weissfluhjoch/Davos, Winter 1959/60, Davos 1961.

[5] E. Ambühl: 25 Jahre Schneepegel bei der Rotondohütte SAC ( 2575 m, 1940-1965 ). « Die Alpen », 2. Quartalheft, Bern 1966.

[6] H. Hauer: Klima und Wetter der Zugspitze. Berichte des Deutschen Wetterdienstes in der US-Zone, Nr. 16, Bad Kissingen 1950.

[7] E. Ambühl: Hochsommer in den Bergen. Alpwirtschaftl. Monatsblätter, September und Oktober 1950, Langnau i.E. 1950 ( vgl. auch März- und Aprilheft über Winter und Frühling sowie November 1950 über Herbst und Einschneien ).

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