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Von den Tieren unserer Berge

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

Von A. Lüthi.

« Ein schöner Tag ist aufgegangen, Und gross hat sich die Alpenwelt, Noch eben rings vom Schlaf umfangen, Zum frühen Leben hingestellt. » Wir treten im Wonnemonat Mai frühmorgens auf die Südlaube einer Sennhütte, zupfen Heuhalme aus Haaren und Kleidern, zünden ein Feuerchen an, das kurze Frühstück zuzubereiten. Im Läger um die Hütte grünt es, der nahe Bach braust unter dem Steg durch, jenseits am schattigen Hang liegt noch der Winterschnee. Nirgends ein Lebewesen. Das bewaffnete Auge sucht, die von der Jagd her bekannten Gemswechsel ab. Sie verraten sich deutlich als ausgetretene Weglein im Schnee, am Schatthang entlang ziehend, dann auf himmelwärts strebender felsiger Egg zu einer Scharte im Grat führend, dem « Gäbeli ». Noch summt das Wasser unseres Pfännchens nicht, da piepst ein vertrauter Ton aus dem Hüttengebälk herunter.

Die Alpenbraunelle ist es, welche vertraut in unserer Nähe bleibt. Der rotbraune Unterleib und die weiss-schwarz gesprenkelte Kehle geben dem sonst anspruchlosen Gefieder eine besondere Note. Die Alpenbraunelle ist so recht der « Hüttenvogel ». Zu jeder Jahreszeit leistet sie dem einsamen Wanderer Gesellschaft, wenn er rastend oder vor Unwetter Schutz suchend zur Sennhütte kommt.

Der heisse Tee hat uns gemundet, der Steg ist überschritten, wir ziehen schattseitig langsam bergan. Wie wir auf die nächste grasige Egg kommen, fahren wir zusammen. Ein lautes Blööh wird uns entgegengeschleudert. Ein Gemsbock ist es, der auf diese vollständig ungewohnte Art dagegen protestiert, dass man ihn so früh in seinem Revier störe. Wohl bekannt ist der Schrecklaut des flüchtenden Rehes. Dass die Gemse auch so blöckt, war uns ganz unbekannt. Wir verfolgen den Bock auf seiner Flucht, merken uns die Stelle, wo er in den Felsen sich versteckt, und pirschen ihn von neuem an. Nochmals tönt ungehalten das tiefe Blööh. Kaum haben wir diese Beobachtung getan, entdeckt das Auge wieder etwas Ungewohntes. Auf grasiger Egg schreitet am Boden ein grosser Vogel, die Flügel spreizend. Nicht lange bleibt er dort, doch lange genug, um mit dem Zeiss als Auerhahn angesprochen zu werden.

Noch eine Stunde Marsch, und der Grat ist erreicht. Wir verzichten auf das landläufige Gipfeljauchzen und legen uns auf einen Felskopf, dessen Haupt mit dürrem Gras zur Ruhe einladet. Frei schweift das Auge nach Norden und nach Süden. Plötzlich taucht auf der Südseite weit unter uns ein Lebewesen auf, dann noch eines. Zwei Gemsen sind es, die rasch bergan weiden. Nun haben sie die grasige Einsenkung, den « Zug » erreicht, der zu unserem Felsköpflein heraufführt. Sie erweisen uns den Gefallen, gerade gegen uns heraufzuziehen. Wie sie näher kommen, stellen sie sich vor als währschafte Gemsmutter mit jungem Gitzi. Wie schlecht sieht das Muttertier aus! Sein Kleid ist verwaschen, graubraun. In langen Fotzeln hängt das Winterhaar herunter, teilweise ist es schon ausgefallen und hat dem kurzen Sommerhaar Platz gemacht.

Der Wind ist günstig. Er bläst von den Tieren bergwärts gegen uns. Regungslos liegen wir auf unserem Köpfchen. Näher und näher ziehen die Tiere. Emsig weidend kommt das Muttertier bis auf 30 Meter an uns heran. Sein bester Sinn, die Nase, hilft ihm nichts, der Wind trägt die Witterung der Menschen nordwärts. Das Kitz weidet viel nachlässiger, ist doch die Muttermilch noch seine Hauptnahrung. Es hat wohl eine Bewegung auf dem Felsköpfchen gesehen. Aufmerksam blickt es nach uns hin. Dadurch wird auch die Mutter aufmerksam. Ein paar Sprünge bringen sie talab aus unserem Gesichtskreis.

Hellgelb leuchtet es von den Stirnen der Kalkfelsen. Mehlig bestäubt entfalten die Flühblumen ihre Pracht, mit starkem Duft die Insekten lockend. Entzückend ist es, rote Distelköpfe den typischen Bergschmetterling, den Apollo, tragen zu sehen, während der schwarzsamtene Trauermantel, der bunte Admirai, das farbenfreudige Tagpfauenauge den Wanderer umgaukeln.

Grosses Interesse finden meist die Vögel. Hoch über der Baumgrenze steigt ein einsamer Wanderer bergan. Viele hundert Meter unter ihm liegen die kleinen Mauervierecke der Alphütten, welche die Laui vor Jahren zerstört hat und die immer noch des Wiederaufbaues harren. Plötzlich ein vielstimmiges Zwitschern. Eine weisse Wolke erhebt sich, Schneefinken sind es, die sich vor Winterbeginn zu einem grossen Fluge zusammengetan haben.

Der Pfad wird steiler, ragende Flühe nötigen zum Klettern. Manche schwierige Stelle ist zu überwinden; Auge und Finger suchen nach Griffen im Fels. Da pfeift es hell, dicht über unserem Kopf. Elegant segelt im Winde ein schwarzer Vogel um die Felsen. Am gelben Schnabel und den roten Füssen erkennen wir die Alpendohle. Oft schien sie unser zu spotten, wenn wir mühsam die Felswand erkletterten und sie, befreit von aller Erdenschwere, die stotzigsten Flühe im Augenblick bezwang. Die Alpendohle ernährt sich von den zahlreichen Heuschrecken der sonnigen Wildheuplanken. Um die Mutthornhütte ist eine grosse, kreisförmige Aussparung im Firn. In diesen Firnkessel weht der Wind all die Wildbienen und Schmetterlinge. Die Alpendohle hat dies bemerkt. Am Fuss der Firnkesselwand beinelt und fäckelt sie eifrig der Beute nach. Auch für Nahrungsabfälle ist sie dankbar, sucht die Picknickplätze danach ab, umschwärmt in Scharen die Station Eigergletscher, im Winter die Hotelbalkone in Adelboden. Sie findet sofort die Stelle, wo der Jäger die Gemse ausgeweidet. Mit viel Lärm und Geschrei zankt sie um die leckeren Bissen. Vor Einbruch schlechten Wetters kommt sie oft in Scharen in die tieferen Lagen, patrulliert auf den frischgedüngten Wiesen, erhebt sich zum Spiel in die Lüfte, wo oft ein halbes Hundert in beständigem Spiralflug eine schwarze Säule bilden. Der Bergbauer nennt sie Schneetäfi und schliesst aus ihrem plötzlichen scharenweisen Auftauchen im Mattlande auf bevorstehenden Schneefall. Der Jäger, der sie mit dem Zeiss auf den Eingeweiden der erlegten Gemse betrachtet, sieht sie plötzlich abstreichen. Scheu flieht sie vor einem gewaltigeren, dem « Rapp », im Lauterbrunnental « Plagrapp » genannt, dem Kolkraben der Zoologie. Immer zu zweit jagt der Rapp, mit tiefem « Krop » und rauschendem Flügelschlag sein Kommen meldend. Nach erfolglosem Pirschen hat uns Diana hoch oben im Felsgebirg zwei Gemsböcke beschert. Wir bringen sie nicht mehr vor Beginn der Dunkelheit bis zur Hütte. Unter einen Felsen werden sie gelegt, mit Alpenrosenstauden und Steinen verblendet. Alles unbedeckte Wild nimmt der Rapp als sein Eigentum an. Zwei Jäger hängen erlegte Gemsen mit den Hörnern an einen Felsblock, um höher oben noch das Jagdglück zu versuchen. Die Warnung vor den Rappen, welche der dritte Jäger vorbringt, wird nicht ernst genommen. Nach kurzen Stunden kehren die Jäger zurück. Unwillig verlassen die Rappen den Ort; die ausgehackten Augenhöhlen der Gemsen zeugen von ihrem Hunger.

Der König der Raubvögel unserer Berge ist zweifellos der Steinadler. Er kommt viel häufiger vor, als man gewöhnlich annimmt. Doch wird er meist nicht erkannt. Am eidgenössischen Skifest in Adelboden wurde am Sprunghügel gearbeitet, bald flott stehend gesprungen, bald auch anders. Eben hatten einige Springer als Skimenschenknäuel unten gelandet, da segelte nahe und stolz über die grosse Versammlung ein Steinadler hinweg, wohl denkend: Menschlein, willst das Fliegen lernen? Bist und bleibst ein StümperAuf flachem Boden aber ist der Adler unbehilflich. Ende Dezember stiess ein einsamer Bergsteiger auf sanft geneigtem Alpboden ganz unerwartet auf einen am Boden sitzenden Adler. Kurze zehn Meter trennten ihn von dem gewaltigen Tier. Heftig erschrocken wollte der Adler abfliegen; das mangelnde Gefäll machte ihm dies schwer, da die langen Schwingen den Boden berührten. Wie ein Känguruh machte der König der Lüfte ein paar schwerfällige Sprünge mit seinen Fängen, bis die Schwingen genug Luft fassen konnten zu eiligem Flug.

Aus der Ferne ist der Adler von andern Raubvögeln gut zu unterscheiden durch weisse Federn in den braunen Schwingen. Stundenweit hängt er ohne Flügelschlag am Himmel, einer langen Bergkette entlangreitend, mit scharfen Augen das Gelände nach Beute abspähend. Auf Gemsen wartend, verbarg sich ein Jäger hoch oben zwischen Felsbrocken. « Hiä, hiä, pülüf » tönte es aus den Lüften. Fünfzig Meter vom Jäger setzte sich der Adler auf den Felskamm. Gross sind die Augen, mächtig der gekrümmte Schnabel, stark die Fänge, welche bis zu den Zehen mit Federn besetzt sind. Der Adler hat einen guten Appetit. Schneehühner und Hasen vertilgt er in Menge, besonders wenn hungrige Jung3 im Horst zu füttern sind. In Mürren hiess es allgemein: wenn man die Hühner zur Weide ausläset, so vergeht keine halbe Stunde, bis der Adler da ist und eines holt. Mit grossen Fernrohren sah man ihn dann am Horst in den Trümmelbachflühen, seine zwei Jungen ätzend. Zuverlässige Jäger berichteten mir, dass wiederholt ein vom Jagdhund gejagter Hase vor dem Hund vom Adler geraubt wurde. Der Fuchs, welcher soeben einen Schneehasen im Genick gefasst, vernimmt ein unheimliches Brausen. Entsetzt lässt er seine Beute fahren, um zu fliehen. Umsonst, bereits graben sich die Krallen der Adlerfänge in seine Flanken, der Hakenschnabel besorgt das übrige. « Hiä, hiä » tönt der Lockruf nach dem Ehegespons, um zu melden, dass Beute für zwei fortzutragen sei. Im Winter ist oft Schmalhans Küchenmeister. Der Hunger treibt den « Gyr » ins Unterland. Vor Jahren raubte er in Thierachern von der Dorfstrasse eine Katze. Auch Aas muss dann als Nahrung dienen. Ein gefallenes Reh wurde im Diemtigtal tagelang angenommen.

Das Nest wird meist an steiler Fluh und fast stets unter überhängendem Felsdach mit groben Ästen gebaut. Wenn reichlich Wild ein sorgenfreies Leben gestattet, zieht der Adler zwei Junge auf. So im Justistal, als es in den neunziger Jahren noch Bannbezirk war. Die Öffnung des Bannes liess das Wild rasch zusammenschrumpfen. Ein befreundeter Senne beobachtete, wie der Adler von zwei gelegten Eiern das eine aus dem Nest warf und nur das zweite ausbrütete. Malthusianismus bei den Vögeln.

Der Adler ist sehr kräftig. Er trägt ein Lamm mit Leichtigkeit stundenweit fort. Eine Walliserin stieg mit einem Lamm auf den Armen vom Lötschenpass herunter und jammerte, wie schrecklich die « Grossvögel » hinter den armen Tierlein her seien. Im Saanenland sah ein Älpler hoch in der Luft zwei Adler miteinander kämpfen. Plötzlich löste sich ein Drittes aus der Gruppe, fiel unweit des Beobachters zur Erde, es war — ein frisches Lamm, welches der Älpler als tertius gaudens sich aneignete.

Wenn hungrige Adler über einem Gemsrudel kreisen, dann verstecken sich die Jungen unter dem Leib der Alten. Drohend strecken die Gemsen die scharfen Hörner dem Feind entgegen. Am steilen Hang nützt ihnen dies freilich nichts. Mit mächtigem Schlag fegt der Adler das Tier in den Abgrund. Ein tüchtiger Wildhüter hörte auf winterlichem Reviergang den Adler melden, ging dem Ruf nach und fand auf steil abfallender Waldschneise die abwärtsführende Spur einer erwachsenen Gemse. Zu beiden Seiten waren im Schnee die Spuren der Adlerflügel zu sehen. Der Adler sass also auf der zu Tal flüchtenden Gemse. Erst 80 Meter tiefer konnte die Gemse seitwärts in Jungholz flüchten und den schlimmen Reiter abstreifen. Ein Septembermorgen fand uns auf der Schattseite eines Bergtales auf der Schau nach Gemsen. Mehrere Tiere hatten wir gesichtet und genau mit dem Zeiss angesprochen. Ein ausgewachsenes, gutes Tier flüchtete sich vor der höher steigenden Sonne in den Schatten eines Felsgrates. Da nahte sich kreisend ein Adler. Wo die Gemse im Felsschatten verschwunden war, stiess er nieder, die Gemse sprang heraus. Der Adler stieg wieder in die Luft, die Gemse liess sich höher oben erneut im Schatten nieder. Nochmals stösst der Adler auf sie, wieder ohne Erfolg. Merkwürdigerweise verlässt er den Schauplatz erfolglosen Jagens nicht, sondern setzt sich zehn Meter von der wieder im Felsschatten gelagerten Gemse an rasigem Steilhang auf den Boden. Mit höchstem Interesse verfolgt unser bewaffnetes Auge den Verlauf dieser Begegnung. Plötzlich stürzt die Gemse aus ihrem Schattlager hervor. Mit gesenktem Kopf geht sie auf den Adler los, der gezwungen ist, durch schleunige Flucht sich vor den scharfen Hörnern zu retten.

In früheren Zeiten legten die Adlerjäger in der Nähe eines Heuschobers einen Aasplatz an. Mit einer Kette wurde ein umgestandenes Kalb oder dergleichen an gut sichtbarer Stelle niedergelegt. Wurde das Aas vom Adler angenommen, dann suchten die Jäger auf dem Ansitz den König der Lüfte zu erlegen. Früher wurden die jungen Adler oft im Horste ausgenommen. Dr. Biehly-Kandersteg liess sich nach persönlichen Mitteilungen an langem Gletscherseil über die Fluh herunter. Das Gletscherseil erwies sich als zu kurz. Es wurde mit doppeltem Wäscheseil verlängert. Als es immer noch nicht reichte, den Horst zu erlangen, ordnete der kühne Mann an, das Wäscheseil einfach zu nehmen. Zwei lebende Adler wurden erbeutet, eine Zeitlang im Käfig gefüttert und, als dies dem Besitzer zu langweilig wurde, wieder fliegen gelassen.

Im Bergwald ist es nie langweilig. Überall endeckt man etwas Lebendiges. Der kleinste europäische Vogel, das Goldhähnchen, turnt an den langen herabhängenden Tannästchen herum; meist ist es das gelbköpfige. In seiner Gesellschaft findet sich die rasche Tannenmeise, die hübsche Haubenmeise. Neugierig nähern sie sich bis auf Meterdistanz dem unbeweglichen Beobachter. Als grossen Liebhaber der Tannensamen begegnen wir oft den Kreuzschnabel, der, über und über mit Harz beschmiert, geschickt die Tannzapfen beraubt. Plötzlich hören wir laut und rasch durch den Wald trommeln. Vorsichtig pirschen wir uns näher und finden den Schwarzspecht, einen ungefähr 40 cm langen Vogel mit hochroter, eleganter Haube auf dem Kopf, der in dem dürren Holz nach Würmern zimmert, dass die Späne weit herumfliegen. Seine lange, mit Widerhaken versehene Zunge holt den Holzwurm heraus. Als « Holzgüggel » bei den Berglern wohl bekannt, ist er eine Zierde des Bergwaldes.

Einen farbenprächtigen Anblick bietet auch der Grünspecht mit oliven-grünem Kleid und blutrotem Käppeli. Als halbwüchsiger Junge hatte mein Vater einen Grünspecht gefangen, als der Vogel in einem hohlen Baum verschwunden war. In einer « Hutte » gedachte er, die Beute lebend heimzubringen. Zuverlässige Tücher verschnürten die Hutte. Als die Feldarbeit beendet war, sollte der Triumphzug nach Hause beginnen. Kein Flattern mehr erinnerte an den Gefangenen. Nichts als ein im Huttenholz aus-gezimmertes Loch erinnerte noch an den schönen Gefangenen.

Auf der Nordseite des Berges, zwischen Felsbrocken und kleinen Rasenflächen treffen wir ziemlich oft das Schneehuhn, meist in Ketten von 2—10 Stücken. Es ist ein guter Läufer und geht oft bergan lange zu Fuss vor dem Berggänger her. Im Sommer trägt es ein graubraun-rostgelb gesprenkeltes Kleid; im Herbst mischen sich weisse Federn hinein, im Winter ist es bis auf die schwarzen Schwanzfedern weiss. Am schönsten ist es im Frühjahr. Die Schneedecke, welche den Alpboden deckte, hat Löcher bekommen. Aus ihnen sprudeln reiche Quellen; auf trockenen Inseln blühen wie Seerosen, mit weit geöffneten Blumen die Schneeanemonen. In diesem Blütenmeer bewegt sich ein Vogel, es ist das Schneehuhn im Hochzeitsgewand. Hellrot brennen über den Augen die « Rosen », hahnenkammähnliche kleine Auswüchse. Das Nest des Schneehuhns liegt zwischen Steinen gut versteckt. Die Küchlein sind ausserordentlich beweglich. Bei drohender Gefahr stieben sie auseinander und schlüpfen zwischen die Felstrümmer hinein. Als ich im Frühling 1925 ein Küchlein mit den Händen fing, näherte sich die bekümmerte Mutter bis auf 2 Meter, um dem piepsenden Wesen beizustehen. Als wir es nach eingehender Betrachtung von Henne und Küchlein flüchten liessen, flog die Henne mit schnarrendem Flug 100 Meter weiter herunter. Kaum hatten wir den Abstieg fortgesetzt, flog sie wieder zu den Jungen zurück. Die Ständer des Schneehuhns sind dicht mit Federn besetzt und gestatten das Gehen auf Schnee. Als mein erstes Schneehuhn gebraten auf den Tisch kam, war die Enttäuschung gross. Das Fleisch ist wenig schmackhaft und sehr zähe.

Noch schöner als das Schneehuhn ist der Birkhahn oder Spielhahn. Er ist der Kavalier unter den Bergvögeln. Wir treffen ihn an der obern Grenze des Holzwuchses. Heidelbeeren, Alpenrosenbüsche, auch nasses Gelände, Birken liebt er sehr. Der ausgewachsene Hahn trägt einen leierförmigen Schwanz, die Grundfarbe des Gefieders ist ein glänzendes, metallenes Dunkelblau. Weisse Federn finden sich in den Schwingen und unter dem Stoss. Die Rosen über den Augen sind im Frühling gewaltig gross, berühren sich fast in der Mitte. Die Henne ist viel kleiner, trägt ein rostfarbenes, gesprenkeltes Gefieder, das sie im Gelände gut verbirgt. Was den Spielhahn vor allen auszeichnet, ist sein galantes Minnespiel. Im April und Mai, lange vor Beginn des Tages, marschiert er meist zu Fuss vom Schlafplatz auf den Balzplatz, firnigen Schnee oder eine aussichtsreiche Egg im Gelände. Lange prüft er aufmerksam das Gelände, dann meldet dem frosterstarrten Beobachter ein leises Tschiuhui, dass die Vorstellung beginnen wird. Bleibt alles still, dann beginnt er zu rucksen wie ein Täuberich, weithin vernehmbar. Allmählich wird es heller, benachbarte Hähne fangen auch zu spielen an; sie blähen das Gefieder, lassen die Flügel hangen, bücken den Kopf zur Erde, springen meterhoch auf und sind in streitsüchtigster Laune. Wie der Balzplatz von andern Hähnen betreten wird, geht der Kampf los. Einmal sah ich zwei am Hals verbissene Hähne ein ganzes Stück den schneeigen Hang herunterrollen. Trotzdem bleibt Ritter Birkhahn sehr aufmerksam. Der pirschende Mensch oder Fuchs wird meist wahrgenommen. Wird der Tag heller und heller, dann verlassen die balzenden Hähne den Boden und setzen auf dem Gipfel einer Tanne ihr Spiel als « Sonnenbalz » fort. Oft schweigen sie lange ohne ersichtlichen Grund. Der Jäger sagt, der Hahn hält sein « Morgengebet ». Mit dem Zeiss beobachtete ich wiederholt den schweigenden Hahn, wie er Tannadeln zum Frühstück abrupft — fürwahr ein mageres Futter für einen Hochzyter. Die Henne lockt gewöhnlich aus dem Erlen- oder Tannendickicht mit ga-ga-ga-gwäh, ga-ga-ga-gwäh. Oft streicht der balzende Hahn zu ihr ab, oft ist er auch ungalant und lässt sie schmachten. Wenn viele Hähne sind, streiten ihrer vier um eine einzige Henne. Diese legt das Nest am Boden an, oft in der Nähe eines Baumstrunkes, und sitzt sehr fest. So wird sie oft die Beute von Raubtieren, und das ganze Geleg ist verloren. Einmal ausgeschlüpft, sind die Jungen sehr gewandt, nutzen vorzüglich jede Deckung aus, um sich zu flüchten. In Bayern steht der Spielhahn in hohem Ansehen. Der Tanz der Bergbauern, das anmutige « Schuhplattln », ist an die Spielhahnbalz angelehnt. Auch nach diesen soll es oft blutige Köpfe geben.

Ein Bodenbrüter ist auch der grössere Verwandte des Birkhahns, der Auerhahn. Während der Spielhahn bei uns an der obern Baumgrenze lebt, zieht der Urhahn den lichten Hochwald vor. Reichliche Heidelbeer- und Preiselbeerhalden liefern ihm mit Früchten und Knospen geeignete Nahrung. In Jägerkreisen ist der Urhahn wegen seiner Balz bekannt. Die einzig weidmännische Jagd ist die Jagd im Frühjahr. Im April, anfangs Mai, lange vor Tag, beginnt der grosse Hahn im Hochwald sein anspruchloses Gsatzerl aufzusagen, ein leises Klopfen, rasch stärker werdend bis zum lautesten Hauptschlag, an den sich ein Schleifen anschliesst, ähnlich dem Zwitschern der Vögel oder dem Wetzen einer Sense. Meist balzt der urige Vogel auf einem Ast, in höhern Regionen mit Vorliebe auf dem Boden. Im weichen Schnee fanden wir seine Spur; dann setzt sie einen Meter weit aus, der Schnee zeigt die Zeichen seiner Schwingenspitzen. Hier war der Hahn in die Luft gesprungen, ähnlich seinem Verwandten, dem Spielhahn. Einst sah ich einem Urhahn zu, der auf freiem Tannast stehend, sich vom rosiggefärbten Morgenhimmel wunderbar abhob. Er spazierte auf dem Aste hin und her, schlug den Schwanz zum Rad, ähnlich wie der Truthahn, senkte die ausgebreiteten Schwingen, sträubte die Kehlfedern, öffnete den Schnabel. Beim Balzen bewegte sich der Schlund wie derjenige eines trinkenden Pferdes. Während des Schleifens hört und sieht der Urhahn nichts. Der erfahrene Jäger nutzt diese kurze Spanne Zeit, um einen oder zwei Schritte näher zu schleichen.

Zwischenherein heisst es vollständig still stehen, wenn man nicht die Balz stören will. Der Urhahn ist ein mutiger Geselle und kämpft andere Hähne blutig ab. Solche von den Balzplätzen vertriebene Hähne, welche nicht wissen, « wohin mit der Freud », nähern sich oft menschlichen Ansiedelungen. Vor Jahren fiel ein junger Auerhahn im Homahd bei Thun in einen Hühner-hof, wohl durch das Gegacker der Hühner angelockt. Durch den Knüppel des Besitzers fand er einen unrühmlichen Tod. Während mehrerer Jahre griff ein Urhahn immer an der gleichen Stelle die Lokomotive der Mürrenbahn an. Der Zugführer musste oft anhalten, um den eifersüchtigen Kämpen nicht zu verletzen. Endlich schlug auch seine Stunde. In einem benachbarten Hotel ist er noch heute zu sehen.

Die Auerhenne ist kleiner als der Hahn. Mit ihrem rostbraunen, gesprenkelten Gefieder gleicht sie durchaus der Henne des Spielhahns. Oft rettet sie dem Hahn das Leben, indem sie den anspringenden Jäger wahrnimmt, abstreicht und so den Hahnen warnt. Auf dem Boden brütend, ist sie von allen Seiten bedroht. Wiesel, Marder, Iltis, Fuchs sind Liebhaber für Henne und Gelege. Der weidgerechte Jäger schiesst nur den Hahn. Ein Nest, das er auf seinen Gängen trifft, umrahmt er mit einem alten Fassreifen, um das Raubzeug abzuhalten.

Zwischen Urhahn und Birkhahn entstehen selten Bastarde, die Stackel-hähne, welche in Grösse und Gefieder die Mitte zwischen beiden halten.

In der gleichen Höhe wie der Urhahn lebt auch das scheue Haselhuhn. Die Hähne kämpfen im Frühjahr erbittert miteinander, lassen sich durch Nachahmung des Balzrufes anlocken. Im Herbst stösst man oft zufällig auf das elegante Tierchen. Sein Wildbret zeichnet sich durch grosse Zartheit aus.

Während der Urhahnbalz suchen wir mit gespannten Sinnen den Balzplatz im lichten Hochwald — nirgends eine Spur von dem grossen Hahn. Nur die Phantasie und das glucksende Wasser täuschen uns oft den Balz-gesang vor. Da fängt es drosselähnlich laut zu rufen an. Die Ringamsel begrüsst vom Tannenwipfel das erwachende Tagesgestirn. Das bewaffnete Auge erkennt das braunschwarze Gefieder und den halbmondförmigen weissen Fleck auf der Brust des anspruchslosen Sängers. Immer mehr Vogelstimmen vernimmt nun das geniessende Ohr. Auf der Wanderung nähern wir uns drei Lerchen, zwei Männchen, die heftig um ein Weibchen streiten, das züchtig auf dem gefrorenen Schnee sitzt und den Ausgang des Kampfes abwartet. Da streicht ein rascher Sperber heran, packt mit raschen Fängen das überraschte Weibchen und verschwindet eiligen Fluges. Längst hat es unter den Schnabelhieben des Räubers sein unschuldiges Leben gelassen — noch immer kämpfen federstiebend die beiden Rivalen, ohne den Verlust des Kampfpreises beachtet zu haben.

Wenn, man im arvenbestandenen, lichten Bergwald auf leere Arvenzapfen stösst, dann ist sicher ein hübscher Vogel hier heimisch, der Tannenhäher, von der Grösse des Eichelhähers, mit kräftigem Schnabel, schwarzem Gefieder, über und über mit weissen Tupfen besprengt und so dem Star gleichend. Weithin ist sein Ruf vernehmbar. Er raubt alle Arvennüsschen, deren er habhaft werden kann, und verdient meines Erachtens nicht, unter die geschützten Vögel eingereiht worden zu sein. In den Arvenwäldern auf Riffelalp streicht er in ganzen Flügen umher. Wohl stehen hier gesunde alte und mittelalterliche Arven, dagegen keine jungen. Der Samen landete ausschliesslich im Magen unseres Vogels. Die Walliser nennen den Vogel treffend « Zäpferägg ».

Von den Bergvögeln möchte ich nicht Abschied nehmen, ohne des Alpenmauerläufers zu gedenken. Er ist ziemlich selten, mäusegrau, rot und schwarz gefärbt. Das Volk nennt ihn « Fluhspecht » und dies mit Recht. Er klettert unaufhörlich an den Flühen herum, mit langem, gebogenem Schnabel Insektenlarven aus den Ritzen hervorziehend. Der Flug ist ganz charakteristisch, fast fledermausartig. Im Winter wandert er weit herum. Wir sahen ihn an den Nagelflühen des Pfannenbaches bei Gunten. Auch in Bern und sogar in Basel wurde er gesichtet.Schluss folgt. )

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