Wanderung im Reich der Karakorum-Riesen | Club Alpino Svizzero CAS
Sostieni il CAS Dona ora

Wanderung im Reich der Karakorum-Riesen

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

Julie Diserens, Lutry

Sicher sind diese Berge schön, aber sie sind auch enorm hoch! Durchschnittsmenschen, die sich ihrer Grenzen bewusst sind, werden sich also mit den rings um diese Riesen angelegten Basislagern zufriedengeben. Das nördliche Pakistan ist leicht zu erreichen; drei Wochen genügen reichlich für den Marsch vom Land der Hunza zum Schnee des Nanga Parbat. Der Preis? Dieser heikle Punkt hat seinen Schrecken verloren, allerdings unter der Voraussetzung, dass man einer lokalen Agentur die Organisation überlässt.

Ausgangspunkt Islamabad/Rawalpindi Jede Woche bringt die Swissair einige Touristen nach Karachi, die dort im Morgengrauen etwas verwirrt in der asiatischen Welt des Flughafens landen. Sind die peinlich genauen Einreiseformalitäten erledigt, gilt es, sich gegen einen Schwärm von Gepäckträgern zu behaupten, die sich begierig auf die Koffer stürzen. Eine überraschende, aber interessante Erfahrung, die jedoch alle heil überstehen.

Die zweite Prüfung des Tages: die PIA, die Pakistan International Airways. Die sanfte Stimme der Hostess setzt sofort die Passagiere ins Bild und verkündet, dass die Maschine - falls Allah nichts dagegen hat - auf dem vorgesehenen Flughafen, in diesem Fall Islamabad/Rawalpindi, landen wird.

Rawalpindi, Ausgangsort für Expeditionen in die berühmten nördlichen Gebiete, ist absolut uninteressant, abgesehen vom Hotel Flashman mit ausgezeichneter pakistanischer Küche und mustergültigen Zimmern.

noch frische und unverbrauchte Reisende fürchtet sich auch nicht, wenn ihm anstelle des gebuchten Fluges 18 Stunden Fahrt über die Strasse vorgeschlagen werden. Und er hat Recht, denn das 1000 km lange Asphaltband des Karakorum Highway zieht sich durch eine herrlich abwechslungsreiche Landschaft. Die Erregung erreicht ihren Höhepunkt, wenn an einer Krümmung eines Nebenflusses plötzlich der Indus sichtbar wird. Wenn man in der Region des Hindukusch von der Nacht überrascht wird, ist Ambiance an Bord garantiert. Diese Zone ist weiterhin sehr gefährlich. Bei Nacht ist der KKH beidseits von räuberischen Horden belagert, die darauf aus sind, den Reisenden die Wertsachen abzunehmen. Zahlreiche Militärposten hemmen die Durchfahrt, es gibt ständig Kontrollen. Je nach der Region muss ein einzeln fahrender Wagen andere abwarten, damit ein Konvoi gebildet werden kann.

Schwierig, sich eine eigene Meinung zu bilden. Handelt es sich wirklich um Räuber? Ist nicht die nahe Grenze zu Kashmir ein guter Grund für all diese Kontrollen? Auf jeden Landwirtschaftlich genutzte Felder in Tarshing ( ca. 3000 m ) Fall würzt die Räuberlegende diese lange Nacht, die sonst, von Militärposten zu Militärposten, sicher sehr langsam dahinschlei-chen würde. Schliesslich bricht der Tag an, am Himmel zeichnen sich die Vorberge des Karakorum ab, auch sie schon gewaltig.

Willkommen in Gilgit ( 1454 m ) In einem Kranz von Bergen, deren niedrigster immer noch bis gegen 4000 m hinaufreicht, liegt Gilgit mit seinen entlang des gleichnamigen Flusses verlaufenden, schmutzigen und staubigen Strassen.

Aller Reiz dieser kleinen Stadt liegt in der Atmosphäre des Basars. Er ist der einzige Markt auf Hunderte von Kilometern in der Runde und Treffpunkt von Händlern aus Zentralasien, dem Punjab und dem Sind. Die Vielfalt der Waren in den Auslagen der Verkaufsbuden reicht von Campinggas über mehr oder weniger verrostete Nägel und Edelsteine bis zu schimmernder chinesischer Seide.

Merkwürdig, man sieht in den Verkaufs-strassen nicht eine einzige Frau. Die Pakista-nin, eine strenge Muselmanin, geht tief verschleiert ihren Arbeiten rund ums Haus nach, dicht an den Mauern, bereit, hinter der nächstbesten Tür zu verschwinden, wenn ein männlicher Blick auf ihre gespenstische Gestalt fallen sollte. Eigenartiger Islam, fremde Welt, in der es als Sünde gilt, eine Frau anzusehen, während die Männer nicht aufhören, sich in aller Öffentlichkeit Zärtlichkeiten zu erweisen, die zumindest mehrdeutig sind.

Zu einem Basar, der etwas auf sich hält, gehören Restaurants. Bei einigen thront in der Auslage, etwas zurückgesetzt, auf Kopfhöhe der Passanten, der Patron zwischen grossen dampfenden Kesseln. Gerupfte, ausgenommene Hühner sind am Hals über der Warenauslage aufgehängt, ihr Fleisch bläht und rötet sich unter dem Einfluss der Wärme und der Sonnenstrahlen. Das ist zwar nicht sehr appetitlich, aber welcher Anblick! Die Schwelle zu überschreiten erfordert etwas Mut. Doch der Führer hat Hunger, er findet das Lokal sehr schick, und die ange-widerte Miene einer verschreckten kleinen Spiessbürgerin scheint wirklich zu lächerlich.

Am Fluss Gilgit, im Hintergrund der Diran Peak ( 7266 m ) In der Regel hat eine Schar gefrässiger Fliegen an der Küche des Patron Geschmack gefunden und sich dort niedergelassen. An den unter dem Tisch herumliegenden Knochen lässt sich feststellen, welche Tiere in den letzten Tagen verspeist wurden. Aber abgesehen von solchen Einzelheiten kann man eine erstaunlich gute Küche entdecken: eine Art Ragout, Reis, heisse und knusprige Tschapatis, dazu der berühmte, stets parfümierte köstliche Tee

Ein pakistanischer Lastwagen in seiner ganzen Pracht Unter absturzbereiten Blöcken Kurz hinter Gilgit führt die Route über die grösste Hängebrücke Asiens und erreicht dann wieder den Karakorum Highway, eine in eine lose, mit Erdreich vermischte und mit riesigen Blöcken gespickte konglomeratar-tige Masse eingeschnittene Fahrbahn. Die eingelagerten Felsbrocken machen einen derart instabilen Eindruck, dass wir, wenn wir unter ihnen hindurchgehen, kaum zu atmen wagen. Über der Strasse ragen wüste und nackte Hänge auf, die nicht einmal 100 mm Regen im Jahr erhalten. Sie führt Bergschultern entlang und an Abgründen vorbei. Und dies noch in einem Gebiet, das als das unsicherste, bebengefährdetste der Welt gilt und in dem man alle drei Minuten einen Erdstoss registriert. Die Chinesen, Verehrer der Statistik, behaupten, der Bau der Strasse habe pro Kilometer ein Menschenleben gekostet. Einige Namen auf Gedenksteinen erinnern den Reisenden an diese traurigen Ereignisse.

Schön wie ein Camion Wer von baktrischen, mit Seide, Gewürzen und Edelsteinen beladenen Kamelkarawanen träumt, wird enttäuscht. Aber er mag sich trösten: Die pakistanischen Camions sind regelrechte Schmuckstücke.Vollkommen mit naiven Gemälden, Holzschnitzereien und verchromtem Metall bedeckt, glänzen sie wie blanke Taler, sind von ihren in sie verliebten Chauffeuren bis hin zur letzten Schraube gepflegt und gehätschelt.

Das milch- und honigfarbene Hunzatal Von der Höhe seiner 7788 m bewacht der strahlend weisse Rakaposhi den Eingang zum Land der Hunza. Das Tal durchquert den Karakorum, ist, überragt vom Ultar und vom Distaghil, ein Fiebertraum aus Granit und Gletschern, deren Zungen bis in die Ebene reichen. Eine ganze Heerschar von schmalen Wasserrinnen, kenntlich durch die sie begleitende Vegetation, kommt über die öden Vorberge herab, verteilt sich dann in den Obstgärten und den Terrassenpflanzungen. Dieser stark gegliederten, geschmeidig und ele- gant wirkenden Landschaft verleihen die Sil-houtten der Pappeln einen Hauch von Anmut und Harmonie.

Lebt es sich gut bei den Hunza? Auf jeden Fall gibt es Honig im Überfluss, und Nüsse, Aprikosen, Pfirsiche, Äpfel, Birnen sind keine Luxusgüter. Das Fehlen sozialer Spannungen und die Ernährung auf Früchtebasis haben den Mythos begründet, dass sich die Menschen hier einer bemerkenswerten Langlebigkeit erfreuen.

Wenn auch die Hunza Ismaeliten sind, also der fortschrittlichsten Sekte des Islam angehören, so verehren sie doch Feen. Frauen scheinen, verglichen mit ihren Schwestern in andern Tälern, grössere Freiheiten zu geniessen. Sie spazieren unverschleiert in traditionellen Gewändern von lebhafter Farbe, wechseln gern einige Worte mit Fremden und laufen nicht Gefahr, deswegen von ihren Angehörigen gelyncht zu werden.

Trashing, ein anderes Tal und andere Sitten Die Freunde des Galliers Asterix werden in Tarshing manche Ähnlichkeit mit dem ihnen so gut bekannten kleinen normannischen Dorf entdecken. Die Ruhe, die am Fuss des Nanga Parbat herrscht, wird tatsächlich etwas gestört, wenn Touristen-Legionen erscheinen. Ohne auf einen Schild gehoben zu werden, ist der auch hier in einer recht unsichern Position. In seiner Verantwortung liegt die Wahl der Träger, und zwischen den glücklichen Auserwählten und den leer Ausgegangenen können dann bemerkenswerte Auseinandersetzungen, bei denen oft Stockschläge niedersausen, ent-brennen.

Wenn man den Nanga Parbat westlich umgeht, ist es möglich, in drei oder vier Tagen zum Mazino-Pass auf 5300 m aufzusteigen. Bewohnte Täler, Gletscherzungen an den Hängen, kleine, von unzähligen winzigen Fröschen bevölkerte Seen mit eisigem Wasser. Pferde-, Yak-, Ziegen- und Schafherden leben glücklich auf den ausgedehnten Weiden; wenn der Abend kommt, werden sie zurückgeholt in feste Ställe, um sie vor den Wölfen, die noch in diesen Berge leben, in Sicherheit zu bringen.

Geheimnisvolle Geräusche - Krachen der Gletscher, niederstürzendes Gestein, wie Tiger brüllende Yaks - erfüllen die Nächte.

Einige Kiefernwälder versuchen zu überleben, aber die Fresslust der Ziegen und die Gedankenlosigkeit der Menschen, die mit Photo: Willy Schnyder voller Gleichgültigkeit gegenüber der Zukunft die Wälder abholzen, lassen zur Zeit dem Tal nicht die geringste Chance, der Verödung zu entgehen.

In einer Höhe um 4000 m wird in einer Landschaft hoher Berge, Moränen und Gletscher Vegetation immer seltener. Am Morgen steht man besser früh auf, ehe der launische Nanga Parbat seinen Gipfel hinter dicken Wolken verbirgt und ihn erst bei Einbruch der Nacht wieder entschleiert.

Der Braunbär Das Plateau des Deosai kulminiert auf etwa 5000 m. Wenn sehr schönes Wetter herrscht, zeichnet sich der Nanga Parbat in makelloser Weisse vor dem Horizont ab und enthüllt seine ganze Grossartigkeit. Das recht hügelige Plateau wird von zahlreichen Flüssen durchzogen, im Juli und August ist es kilometerweit von einem regelrechten Blumenteppich bedeckt. In allen Pakistan-Führern heisst es, in dieser schönen und wilden Region lebten unter anderem noch Bären, Schneeleoparden und Pamirschafe. Tatsächlich ist uns ausser einigen neugierigen und wenig scheuen Murmeltieren nichts der- artiges begegnet. Offensichtlich hat das Auftreten der Feuerwaffen diesen edlen Tieren das Leben gekostet.

Am andern Ende des Deosai führt die Route hinunter zum Salpara-See, einem kleinen blauen Paradies in einer Felswüste. Eine Stunde später: Skardu und sein Motel.

Skardu und Umgebung Ausser dem Ruf, die staubigste Stadt Asiens zu sein, hat Skardu, die Hauptstadt von Baltistan, nicht viel zu bieten.

Die Dünenlandschaft von Skardu Dagegen ist ein zweitägiger Abstecher nach Khapulu sehr zu empfehlen. Dieser Landstrich gilt als der schönste von Baltistan. Einige Kilometer von dem Dorf Khapulu entfernt ist es möglich, den Shyock auf Flössen zu überqueren, die früher aus luftgefüllten, eigentlich für den Flüssigkeitstransport bestimmten Ziegenhautschläuchen gebaut wurden, heute dienen dazu Schläuche von Camionreifen. Es wird sehr geschätzt, wenn man die fürstliche Familie, die im Dorf lebt, begrüsst. Geht man noch ein oder zwei Lahore Zurück in Skardu, um nach Rawalpindi zu fliegen, und wieder beginnt die bekannte Geschichte vom Wetter und dem Flugzeug. Bei Tagesanbruch versammeln sich alle Passagiere vor den Baracken, die als Flughafengebäude dienen. Die Ungewissheit beginnt, aber diesmal drohen nicht 18, sondern 27 Stunden nonstop im Jeep! Die Wetten sind offen. Kommt die Maschine, kommt sie nicht?

Wenn die Weisheit der Götter den Flug erlaubt, gilt der letzte Blick dem Nanga Parbat, der, herrlicher als je zuvor, die Himalaya-und die Karakorumkette beherrscht.

Rawalpindi ist kaum interessanter als zu Beginn der Reise. Wie schade wäre es also, dort Zeit zu verlieren, wenn Lahore doch auf dem Luftweg so nah ist.

Für den Besuch der klassichen Monumente genügt ein halber Tag, die restliche Zeit ist also frei für den Basar. Der frisch aus dem Hochgebirge kommende Tourist sieht sich, inmitten üppiger, vielfältiger Gerüche, während einiger Stunden einer Unzahl bunter Bilder ausgesetzt.

In den von hohen schmalen Häusern gesäumten Gassen wimmelt es von einer ungleichartigen, aber überwiegend ärmlich aussehenden Menge. Ein nachlässig vor eine Metzgerei geworfener Hammelkopf blickt auf die Vorbeiziehenden. Etwas weiter thront in einem Alkoven ein dicker, durchaus lebendiger aus Fleisch und Blut und meditiert in der Lotus-Geste. Überall trifft man Bettler in beklagenswertem Zustand; ihre Armut kontrastiert mit den Auslagen der Tuch-händler, den Geschäften mit leuchtend-buntfarbigen Stoffen und den zahllosen von Gold und Edelsteinen überquellenden Läden und Werkstätten.

Im Herzen dieses Tohuwabohu verkehren in dicht aufwirbelndem Staub, in Auspuffga-sen, Gehupe und Geschrei alle seit Erfindung des Rades denkbaren Fahrzeuge und Transportmittel. Autos, Busse, Camions, Velos, Töffs schlängeln sich zwischen Pferden, Eseln, Dromedaren und Ochsen hindurch, die haushohe Wagen ziehen. Abgesehen von den motorisierten Fahrzeugen hat man wirklich den Eindruck, ins Mittelalter geraten zu sein. Auf den ersten Blick scheint sich seit Jahrhunderten nichts verändert zu haben, und nichts lässt vermuten, dass sich eines Tages etwas ändern könnte. Um die Mo- scheen ist die Freistätte der Bettler und der Gauner; käme Quasimodo vom Minarett herab, wäre niemand überrascht.

Praktische Hinweise Trecks im Hunzatal Von Karimabad aus sind verschiedene Trecks möglich. Ein ungefähr dreistündiger Aufstieg führt an den Fuss des Ultar zu den Sommerweiden und den Hütten der Hirten. Ein Hinweis an die besonders Interessierten: Der 7288 m hohe Ultar und der Granitsporn des Lady's Finger sind noch nicht bezwungen.

Der zweite Ausgangspunkt für Trecks ist Gulmit, ungefähr drei Fahrstunden im Jeep von Karimabad entfernt. Man steigt zu Fuss ein ziemlich luftiges Tal am Rand des Gulmit-Gletschers hinauf, von wo man sehr gut die andere Seite des Ultar und den Saruchit Sar ( 6100 m ) sieht. Ein andrer klassischer Treck ist die Besteigung des Ghulkin-Gletschers. Um den Passu-Gletscher oder den Baltura-Gletscher zu besteigen, muss man ungefähr drei oder vier Tage rechnen.

Es ist ratsam, zu diesen Trecks in Pakistan sehr früh am Morgen aufzubrechen. Die Temperatur kann im September gegen 11 Uhr leicht 40° C erreichen.

Ein Treck um den Nanga Parbat Tarshing ist der Ausgangspunkt für Trecks um den Südhang des Nanga Parbat ( Rupal ). Um von Hunza nach Tarshing zu kommen, sind zwei Tage Jeepfahrt nötig.

Womit man Freude bereiten kann Den Kindern mit Kugelschreibern, den Frauen mit kleinen Schmuckstücken, den Männern mit Messern, Taschenlampen, Feuerzeugen und Feldflaschen.

Bibliographie Pakistan, aux sources de la civilisation de l' Indus, Les guides Olizane Pakistan, Guide Arthau Pervez Ahmad Khan: Karakoram, Editions André Delcourt Aus dem Französischen übersetzt von Roswitha Beyer, Bern

I

Feedback