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Zehn Tage im Vanoise-Massiv

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im Vanoise-Massiv

Claude Défago, Monthey

Bilder 24 bis 30 Die Vanoise! Ein bis zum Erscheinen der « Cents plus belles courses » wenig bekanntes Bergmassiv. Es geisterte allerdings schon durch unsere Träume und war auch schon ein Bestandteil unserer Pläne, bevor diese herrliche Sammlung von Charles Marly die Druckerei verliess.

Die JO der Gruppe Monthey pflegt jeden Sommer ein Lager in einem ausländischen Gebiet zu organisieren. So hat uns der Gran Paradiso schöne Erinnerungen beschert, und bald wird das Oisans an die Reihe kommen. Viele Jungen brennen darauf, selbst zu entdecken, was sie in der alpinen Literatur auf dem Papier gelesen haben, und die Berggipfel, von denen man hört und liest, werden für die Teilnehmer während dieser Wochen zu etwas noch viel Schönerem und Bedeutsamerem, als es die Berichte vermuten lassen.

1976 war das Jahr der Vanoise.Von Pralognan aus gibt es zahlreiche und vielseitige Möglichkeiten, von der Felsroute in bescheidener Höhe bis zur grossen Eistour; da wird einem die ganze Skala quasi auf dem Tablett serviert.

ig.August: Die vierzehn Mann starke Gruppe bricht in Monthey nach « Pralo » auf. Zweihundert Kilometer bis zu unserem Camping, das uns als Basislager dienen soll. In kurzer Zeit schon sind die Zelte aufgeschlagen, ist die Küche eingerichtet, das Material sortiert, und die ersten Touren werden besprochen. Die Wetterlage scheint stabil, und das verspricht auch die Meteo. Bald ist man unterwegs, während im Basislager wieder Ruhe einkehrt.

20.August: Erste Hütte. Der Aufstieg vollzieht sich gemächlich, und da der Weg dem Terrain angepasst ist, kommen wir gut voran, so dass wir den Nachmittag bereits auf der Valette-Hütte beim Dolcefarniente verbringen, was uns fast ein wenig enttäuscht. Einzig der Gedanke an den 24 Blick auf Glière, Epéna und Grande Casse ( die Wand der Grossen Couloirs ) 25 Valette-Hütte 26 Grand Marchet: Ostpfeiler nächtlichen Aufstieg vom kommenden Morgen bringt etwas Unruhe in unsere Gemüter. Aber die heilsame Ruhe dauert nur bis zum Abend, denn die 25plätzige Hütte nimmt schlecht und recht an die 70 Bergsteiger auf, von denen jeder eine Mini-Schlafstelle zu erhaschen hofft - selbst am Boden oder auf einer Bank. Wir als die ersten haben ein Anrecht auf die besten Plätze - Schulter an Schulter.

21. August: 02.00 Uhr. Gottlob Zeit zum Aufstehen! Im Schlafsaal aber bricht alsbald ein offener Kampf um unsere leergewordenen Plätze aus. Als Schweizer halten wir uns jedoch an die Neutralität und nehmen nicht Partei in diesem Konflikt; er wird ohnehin erst beendet sein, wenn wir schon auf den Moränen sind zu den Dômes de la Vanoise, die wir überschreiten wollen.

Der Aufstieg bis zum Glacier des Sonnailles ist eher monoton und wird nur unterbrochen durch den Anseilhalt und das Anschnallen der Steigeisen. Die eigentliche Tour beginnt erst beim Betreten dieses herrlichen Plateaus.

Die Nacht ist kalt und sternenklar; der Gletscher steigt bis zum Dôme des Nants sanft an. Allmählich werden die Stirnlampen gelöscht. Bei gespanntem Seil istjeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, während unsere Spur sich im Himmel zu verlieren scheint. Eine aussergewöhnliche Stimmung; die Stille wird lediglich durch das Knirschen der Steigeisen im harten Schnee gestört.

Aber plötzlich ändert sich die Umgebung. Vom Gipfel dès Dôme des Nants tritt der lange Grat, der sich vom Dôme de l' Arponi bis zur Pointe du Genépy zieht, ins Blickfeld - eine feine Schneide, unterbrochen von grossartigen und luftigen Wächten. Auf dieser Schneide streifen uns die ersten Sonnenstrahlen. Das herrliche Spiel der Farben auf dem Schnee und der feurige Widerschein in den Eiszapfen unter den Wächten versetzen uns in sprachloses Staunen, in einen wahren Freudenrausch. Einer von uns merkt erst nach einigen Minuten, dass er ein Steigeisen verloren hat. Noch selten haben wir so etwas Zauberhaftes er- 27 Letzte Seillänge am Grand Marchet 28 Grand-Marchet-Führe. Im Hintergrund der Cirque du Dard lebt. Die Verhältnisse sind geradezu ideal, technische Probleme gibt es kaum... alles trägt dazu bei, uns von der Wirklichkeit zu lösen und in eine überirdische Welt zu erheben.

Nach dem Dôme du Genépy geht 's mit Sicht vom Mont Blanc bis zur Barre des Ecrins an den steilen, aussichtsreichen Abstieg zur gleichnamigen Hütte. Es gibt einige Spalten zu überqueren, dann einen jähen Hang, wo die Steigeisen von Nutzen sind, zu überwinden, und schliesslich führt uns eine lange Moräne zur Hütte. Es ist noch früh am Morgen, und so haben wir Zeit zur Musse, bevor wir ins Tal und zum Basislager absteigen, wo uns die Annehmlichkeit einer Dusche erwartet.

22.August: Das Wetter hält sich gut. Gestern war der Schnee dran, heute wollen wir es am Fels versuchen. Ein kurzer Anmarsch bringt uns in die Mitte des Cirque du Dard. Sein Eingang ist von zwei majestätischen Pfeilern flankiert: dem Petit Arcellin und dem Grand Marchet.

Ersterer hat dem Kletterer einen herrlichen Westgrat anzubieten -er ist schwierig, 300 Meter hoch und schwungvoll elegant ansteigend. Vernünftig, nicht übermässig « präpariert », lädt er zu einer sauberen Kletterei ohne den fragwürdigen « Komfort » einer « vernagelten » Route ein. Die Tatsache, dass er oft begangen wird, hat ihm nicht einmal geschadet, was besonders in den letzten Seillängen offensichtlich wird. Der Kletterer muss sein Können noch unter Beweis stellen, aber um so grosser ist seine Genugtuung, wenn er den Gipfel erreicht.

Am Grand-Marchet-Ostpfeiler wird es noch ernster. Sein ebenfalls grossartiger Kalkstein bietet eine Folge von grossartigen Passagen. Hier ist es « dolomitisch-luftig »: Wenn sich am Gipfel ein Stein löst, schlägt er erst unten im Geröllfeld auf, und dazu kommt noch, dass die Schwierigkeiten im Verlauf des 300-Meter-Anstiegs ständig zunehmen. Für uns ist diese Kletterei ein wahres Fest. Wir werden um die zwei Stunden brauchen. Wie beim Petit Arcellin ist auch hier die Führe prima ausgerüstet, es gibt weder zu viel noch zu 29 Im Couloir des Italiens ( Grande Casse ) 30 Ausstieg aus dem Couloir des Italiens zum Gipfelgrat der Grande Casse Matériel d' escalade artificielle 32 Les gollots ( pitons à compression et à expansion ) 1: Burins et mèches de différents diamètres avec chasse- mèches.

2: Piton à compression et vis à compression ( simple vis que l'on peut meuler pour en faciliter l' entrée ).

3: Plaquettes ou « puces » fixes et amovibles ( les plus légères en alliage d' aluminium ).

4: Vis posée sur plaquette.

5 et 6: Tamponnoirs avec tête interchangeable pour les différents diamètres: M 6, M 8, M 10 avec chasse-gollots.

7: Gollots et coins pour l' expansion ( gamme Phillips autoforeurs, certainement les plus efficaces ).

8: Plaquettes fixes de différentes formes ( diamètre M 6 pour la progression ).

9: Plaquettes coudées à 90 degrés, pour les toits. 10: Grosses plaquettes prévues pour les relais, M 10.

11: Différentes vis à boucles ( M 10 ) pour les relais.

12: Mèches de forage.

13: Gollots à expansion Tilca ( M 6 ). 14: Percuteur Tilca pour l' expansion.

15: Fixation au moyen d' anneaux d' ancrage ou vis avec plaquette ( M 6 ). 16: Moyens de serrage selon les vis: Clé à fourche et inbus.

33 Les coinceurs 1: Excentriques Chouinard ( 1 à 11un des modèles les plus répandus.

2: Accroche-ciel Chouinard; celui de droite ( le meilleur ) est doté de deux points d' appuis. 3: Modèle Tee Troll ( 2 à 3 ). 4: Hexagone Troll ( 2 à 8 ). 5: Coinceurs ronds moletés Peck, peu courants. 6: Hexagone Clog ( 00-0, puis 1 à 7 ). 7: Stoppers Chouinard ( 1 à 7 ) qui peuvent remplacer de petits pitons.

8: Modèle Titons Forrest ( 1 à 10 ). 9: Wedge Clog ( 1 trou: 2 à 6. Deux trous: 000-00-0, puis 1 à 4)-1 o: Coinceurs artisanaux: boulons - écrous - coinceurs en bois et en aluminium.

12: Coinceur Mammut, en plastique, moins fonctionnel et plus fragile.

13: Bicoins Simond ( 1 à g ).

14: Modèle tuyau ( Chock ) Chouinard ( suite à la gamme des excentriques ). 15: Un excellent coinceur ( un des premiers sur le marché ): la vis-roc.

31 L' abondant matériel utilisé pour l' escalade de la Reculée des Planches, près d' Artois ( Jura français ) wenig Haken. Die Ausgesetztheit, der prächtige Fels, die bestechende Logik des Routenverlaufs ( sehr direkt ) lassen uns bei der Rückkehr zu unseren Zelten fast bedauern, dass diese Besteigung nicht länger ist. Tatsächlich werden die beiden Pfeiler üblicherweise an einem Tag gemacht; aber das ist natürlich nichts für Siebenschläfer.

23.August: Wir steigen zur Félix-Faure-Hütte, der bedeutendsten Unterkunft in diesem Massiv, auf und bewundern unterwegs die aussergewöhnlich schöne Nordwand der Aiguille de la Vanoise, wo eine ganze Reihe bemerkenswerter Routen, von denen keine einzige als wirklich « leicht » zu bewerten ist, verlaufen, während man auf der Südseite des Berges im Zickzack durch Edelweiss und Grünflächen absteigen kann.

Am Nachmittag nehmen wir nach kurzem Anmarsch die Rigotti-Führe in Angriff. Allgemein « D.süp .» genannt, ähnelt sie der Tunnel-Route der Argentine. Gleicher Fels, ähnliche Ausstattung: Wir fühlen uns ganz daheim. Von hier aus können wir sogar vor Sonnenuntergang noch unser morgiges Ziel bestaunen, nämlich die Grande Casse, die Königin dieses Bergmassivs.

24.August: Nächtlicher Aufbruch von der Felix-Faure-Hütte. Bummel über die Moränen des Glacier de la Grande Casse. Gemächlicher Aufstieg zum gleichnamigen « Col ». Der erste Akzent des Tages wird dort oben gesetzt; da öffnet sich nämlich der Blick in die Nordwand. Und in was für eine Wand! Geheimnisvoll, neugierigen Blicken gegenüber zurückhaltend und nur wirklich Eingeweihten sich darbietend, scheint sie den Mantel der Nacht nur zögernd abstreifen zu wollen. Und schon zieht uns die « Italiener Route » in ihren Bann.

Heute wenden wir uns dem Nordsporn, auch « Petite Face Mord » genannt, zu. Es ist ein rund 700 Meter hoher Schnee- und Eishang, unter gigantischen Séracs einsetzend und sich dann in einem einzigen Schwung zum Gipfelgrat jäh aufbäumend. Seine mittlere Steilheit beträgt 50 Grad, doch bei den gegenwärtigen Bedingungen brechen unsere Schuhe im Schnee ein — eine zeitrau- bende Angelegenheit! Unsere Blicke aber schweifen immer wieder nach links hinüber - zu dem Couloir. Für uns ein grosses Fragezeichen. Morgen vielleicht? Für eine kleine Gruppe?

Nachdem wir den Grat erreicht haben, folgen wir ihm trotz negativem Ratschlag der Faulpelze bis auf 3852 Meter der Grande Casse. Dabei werfen wir einen begierigen Blick auf den Ausstieg der begehrten Wand.

Der Rückweg über den Glacier des Grands Couloirs bietet keinerlei Probleme, und es drängt sich uns der Gedanke auf, diese « Normalroute » müsse im Aufstieg ordentlich langweilig sein. Bald treten wir über die Schwelle der Hütte. Die Stunde der Entscheidung hat geschlagen. Viermal!

DieJO-ler sind müde.Verflixt nochmal! Vier Touren in vier Tagen! Wir vier aber, fasziniert von diesem « Couloir des Italiens », dem wir gestern mit den Blicken gefolgt sind, vergessen alle Müdigkeit. Die Bedingungen scheinen gut, obschon sich vom Nordsporn aus weder der Routenverlauf noch der Neigungswinkel mit Sicherheit bestimmen lassen. Und tatsächlich ist auch ein merklicher Unterschied zu spüren. Aber es wäre doch unvernünftig, diese Chance nicht zu ergreifen. Was, wir haben nur noch ein paar Brosamen Proviant? Was macht das schon aus; in der Hütte werden wir ja noch verpflegt. Los, hiergeblieben!

Abends bei Tisch machen wir unserer Hüttenwirtin Marie-Ange den Hof, und weil sie nichts für Faulpelze, aber um so mehr für Begeisterungs-fähige übrig hat, unterstützt sie unsern Plan, indem sie uns fünf statt nur vier Steaks auftischt, dazu einen Käseteller ( von dem fast nichts übrigbleibt ) und « Chocolat Suchard, made in France », wobei sie sogar ihre persönliche Reserve angreift - eine wesentliche Bereicherung unseres Menüs. Dazu wird am Morgen um zwei Uhr das Frühstück serviert und ein spezielles Picknick für uns bereit sein! Liebe Marie-Ange, hast du nicht gemerkt, dass der « Rote », den wir zu deinem Entsetzen hinter die Binde gegossen haben, unsern ganz speziellen Verführungszwecken dienteUnd wieder die gleiche Moräne, mühsamer als gestern. Und wieder der Glacier de la Grande Casse, langweiliger als gestern. Feuchte Wärme. Schwere Wolken am noch nächtlichen Himmel. So sieht 's aus, und die Zuversicht lässt nach. Es riecht nach Rückzug. Michel will bereits umkehren. Daniel hält sich noch zurück und schweigt, in der Hoffnung... Philippe äussert sich zwar... aber es ist von meiner Seite die trockene Bemerkung vonnöten: « Rücken wir mal bis zum Bergschrund vor! », um das Zünglein der Waage zum Ausschlag zu bringen. Tatsächlich sind die Verhältnisse am Hang ausgezeichnet; nur dürfen wir keine Zeit versäumen.

Es stimmt zwar schon nachdenklich, wenn man darüber etwa liest: Grosse Tour... vergleichbar mit der Triolet-Nordwand, aber noch etwas schwieriger, oder mit dem Gervasutti-Couloir durch den linken Ausstieg 1, oder wenn es etwa heisst: « Die Route durch das ,Couloir des Ita-liens'setzt grosse Meisterschaft im Eisgehen voraus... Es ist eine der schönsten Eisrouten der Alpen2. » Aber warum noch lange überlegen? Wir werden uns sputen. Gleich in einem Anlauf nimmt Michel den Bergschrund. Ich hinter ihm. Dahinter Philippe und Daniel. Es wird verkürzt angeseilt; den Rest werden wir vermutlich weiter oben brauchen, wenn die grossen Schwierigkeiten beginnen.

Einer geht hinter dem andern in regelmässigem Takt. Schneerinnen von einigen zehn Zentimetern Breite haben sich verhärtet und erleichtern den Halt der Steigeisen. Man muss nur ihren Verlauf erkennen und ihnen folgen. Dank dieser verkrusteten Schicht sind die Verhältnisse als ideal zu bezeichnen, und weil dazu einer dem andern voll vertrauen kann, steigen wir tatsächlich sehr flüssig auf.

Auch die letzte Befürchtung verfliegt mit den Wolken, welche die aufgehende Sonne vertreibt.

1 Raymond Roux: Courses dans le massif de la Vanoise; Imprimeries réunies de Chambéry 1975, pp. 34-35- 2 Charles Maly: Le Massif de la Vanoise; Denoël, Paris 1976.

Das Gewölk diente überhaupt nur dazu, die Stimmung in der Wand noch grossartiger zu gestalten.

Nun möchte Daniel gerne eine Rast einschalten, denn seine Waden tun ihm weh... so weh... Er wird mit dem Versprechen eines späteren Haltes abgespiesen; aber wir steigen unbeirrt kontinuierlich weiter und nehmen uns knapp Zeit für ein paar Photos. Kein Standhalt, keine Schraube — unsere beiden Seilschaften scheinen mit einem Lift in die Höhe zu schweben. Es ist eine besondere Gunst, wenn man eine solche Route unter derart günstigen Voraussetzungen machen darf. Schon zeichnet sich die Gipfelwächte ab - und ein Kopf taucht auf: Es sind die von der Normalroute, und sie sind es auch, die uns wieder in die Wirklichkeit zurückrufen. Michel kommt unter der Gipfelwächte an. Eine Schraube, wirklich die einzige, für den Fall, dass... Dann ist er oben, und ich folge nach. Ein Händedruck- Herzklopfen... vor Freude!

Unter uns, kaum entweiht durch unsere Spuren, zieht das « Couloir des Italiens » in die Tiefe, das Couloir, welches dieser Nordwand Grosse, Schönheit und Stolz verleiht.

Dreieinhalb Stunden zuvor haben wir den Col de la Grande Casse verlassen. Wir gedenken noch der Erstbegeher aus dem Jahr 1933, der Seilschaft Binaghi/Bonacossa - und schon beginnt der Abstieg.

Um 10.30 Uhr begrüssen wir Marie-Ange, die es nicht fassen kann: Siebeneinhalb Stunden für die Italienerroute, hin und zurück! Die kleinen Schweizer haben Eindruck gemacht.

Wir verlassen Felix Faure und die Wirtin, nicht ohne uns für ein anderes Mal zu verabreden, denn es gibt da oben noch einige « Wunderrouten ».

Der Rückweg nach Pralognan vollzieht sich in einer Art Traumzustand, denn ein jeder von uns weilt in Gedanken noch irgendwo dort oben in der Nordwand...

26. August: Die ganze Gruppe ist wieder versammelt, und wir steigen zum Refuge Péclet-Polset weiter, wo uns ein Gewitter daran hindert, am Nachmittag einen Ausflug zu machen. Die Hütte ist auch hier heimelig, wie wir es gewohnt sind, und die Begrüssung durch den Hüttenwirt ebenso freundlich.

27. August: Schlechtes Wetter. Wir steigen wieder nach Pralognan ab, wo uns eine Aufhellung dazu veranlasst, sogleich zur Grand-Bec-Hütte aufzusteigen. Wir brauchen dazu eine knappe Stunde von den Wagen aus, angespornt von einer Art Wettbewerbsstimmung, die eine gewisse Ähnlichkeit mit einem alpinen Rad-Grand-Prix hat. Heute abend sind wir allein mit den Hüttenwirts-leuten.

28. August: Wir stehen auf, um den - noch in Wolken gehüllten — Grand Bec de Pralognan zu bewundern. Es hat während der ganzen Nacht geschneit, und eine Besteigung ist in Frage gestellt. Tatsächlich müssen wir wieder einmal einen Rückzieher machen.

Damit geht unser Aufenthalt zu Ende. Wir aber haben Bekanntschaft mit einem herrlichen Bergmassiv gemacht, das andern Alpengebieten in keiner Weise nachsteht, und was es - abgesehen von seiner Schönheit — vielen andern voraus hat, ist die Tatsache, dass es auf den Routen niemals ein Gedränge gibt. Im Gegenteil: wir waren fast immer die einzigen unterwegs; da gab es kein Warten vor den Engpässen wie vor den Kassen der Warenhäuser an einem Samstag! Hier hat der Berg noch seine ursprüngliche Bedeutung, man kann ihn noch wirklich kennenlernen und entdecken wie zur Zeit unserer Väter. Die Mehrzahl der Gipfel gehört zwar nicht zur « alpinen Aristokratie »; aber was für eine Vornehmheit und Grosse bieten sie dem Kletterer dar! Majestätisch, stolz und einsam stehen sie da! Und der Anmarsch auf guten Steigen vollzieht sich mühelos und schnell. Ja, man kann sogar von Pralognan aus an einem einzigen Tag eine Tour machen.

Diese Vorzüge, verbunden mit dem Komfort in den Hütten, mit der Freundlichkeit der Wirtsleute und einheimischen Alpinisten, dürften auch andere Bergsteiger dazu verlocken, hier in der Gegend neue Ziele zu suchen.

( aus dem Französischen übertragen von R. Vögeli )

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