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Zinalrothorn vom Triftjoch aus

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Von Hch. Dändliker ( Basel )

Mit 2 Bildern ( 3, 4 ) Eine der lohnendsten Touren im Zermatter Gebiet bietet das Zinalrothorn vom Triftjoch aus.

Am 16. August 1945 wagten wir — meine Klubkameraden Secondo Ferrari, Karli Buser und ich —, diese Tour zu unternehmen. Ich war etwas pessimistisch eingestellt, weil Karli Buser völlig untrainiert eben von Basel in Zermatt ankam.

Um die übersetzten Preise der Privathütten zu umgehen, beschlossen wir, direkt von Zermatt aus den Aufstieg zu unternehmen. Punkt Mitternacht verliessen wir unsere Gaststätte, dem Triftbache nach. Ungestüm brausten seine Wellen durch die Nacht und tobten, wie mit Lautsprecher verstärkt, an uns vorüber.

In knapp anderthalb Stunden erreichten wir das Hotel Trift, wo uns die Lichter der Frühaufsteher grossäugig entgegenglotzten und die notwendige Helle zu einem Picknick in der Nähe spendeten.

Wir gönnten uns jedoch keine allzulange Zeit zur Pause; und bald ging es auf dem steil ansteigenden, in der Dunkelheit kaum sichtbaren Pfad weiter. Über Steine stolpernd, an Bächen und Lawinenresten vorbei ging 's über die Moräne, welche zum Eseltschuggen führt. Zurückblickend aber schien es uns, als gäbe es heute in der Gipfelwelt Massenbesuch. Unzählige sich bewegende Laternen strebten ihren Zielen zu. Es war uns, als gingen wir oben im Nachtbogen über Sternenstrassen.

Still, aber sicher brannten unsere Lampen- und damit die schlechten Kriegsbatterien nieder. Nur das Trapp-trapp unserer Schritte, hie und da ein Pickelklirren, ein Jauchzen oder das Geräusch kollernder Steinewaren hörbar.

Um 4 Uhr 15 erreichten wir den Biwakplatz am Eseltschuggen, wo eine Partie nächtigte. Die Frage, ob sie hier biwakiert hätten, trug uns die lakonische Antwort ein: « Dr g'sehn's jo! » Kalt blies der Wind durch uns hindurch und brachte in seinem Sog Nebel. Diesen Wink verstanden wir zu gut, weshalb wir unsere Bekleidung ergänzten.

Nachdem wir uns angeseilt hatten, überquerten wir, leicht ansteigend, den Triftgletscher. Einige heimtückische Spalten, noch dazu im Nebel, veranlassten uns zu grösster Vorsicht. Da in den letzten Tagen allerhand Neuschnee gefallen war, entschlossen wir uns, das Couloir zum Triftjoch nicht zu begehen.

In direkter Fallinie zum Trifthorngipfel stiegen wir die Wand an. Ein brüchiger Bergschrund musste überschritten werden, und dann wurde unmittelbar links in südwestlicher Richtung abgeschwenkt, dem Joche zu. Der Neuschnee täuschte uns über das lockere Gestein und erschwerte unseren Aufstieg sehr. Um 7 Uhr standen wir auf dem Triftjoch. Das Wetter meinte es gut, die Nebel waren verschwunden. Die unbeschreibbare Aussicht dieser einzigartigen Berglandschaft nahm uns vollständig in ihren Bann. Steil und mächtig reckt sich die Nordwand des Obergabelhornes gegen den Himmel, eine der schönsten Ansichten, die man im Gebirge trifft. Nur schade, dass wir wegen des bissigen Windes nicht lange rasten konnten. Bald ging 's zum zweiten, schöneren Teil über.

Es zeigte sich aber, dass die Kletterei am Südgrat des Trifthornes, wo noch etliche Stellen vereist waren, viel Routine und Technik voraussetzt. Nicht zu vergessen, Karli war das erste Mal mit uns am Seil, und das Vertrauen, das wir ihm entgegenbrachten, musste erst noch gerechtfertigt werden. Dieser Umstand setzte der kostbar bemessenen Zeit merklich zu. Doch nach 2% Stunden teilweise recht exponierter Kletterarbeit betraten wir den ersten Gipfel. Mit schneebedecktem Haupt stand das Trifthorn, ohne den umliegenden Viertausendern an Schwierigkeit nachzustehen, steil und stolz abgeschlossen nach allen Seiten, mitten in dieser schönen Bergwelt. In gemeinsamer Übereinstimmung betrachteten wir von hier aus gesehen das Obergabelhorn als den schönsten Berg der Schweizer Alpen. Unsagbar schön die ganze Aussicht auf die Dent Blanche, den Grand Cornier und den Glacier Durand-Zinal. Auf der südöstlichen Seite reckten die Mischabel-und die Monte-Rosa-Gruppe ihre Häupter majestätisch aus der Tiefe des Nebelmeeres im Nikolaital herauf.

-T--, m?, Secondo und ich benutzten nun die längere Pause, um diesen Anblick festzuhalten und unser Photoarchiv zu vervollständigen, während Karli bereits vom Abstieg träumte, indem er meinte, mit dieser Tour wäre er für heute zufrieden.

Um 10 Uhr buckelten wir unsere Säcke. Karli war wieder zuversichtlicher geworden — vielleicht mehr als ich. Durch Neuschnee hindurch, manchmal auch einige Stufen schlagend, stiegen wir verhältnismässig rasch in die nördliche Scharte des Trifthornes ab. Dann wurde der Grat in Angriff genommen. Wir überkletterten in gesundem Fels den ersten Gendarmen.

Eine traumhafte Wolkenstimmung umhüllte die südöstliche Alpenkette und sandte uns hie und da durch abweichende Nebelfetzen einen Gruss herüber.

Und weiter ging 's über den zweiten Gendarmen, den dritten, vierten usf. 15 solcher Türme mussten wir bis zum Ober-Rothornjoch in mühsamer Kleinarbeit überwinden. Keiner gestattete eine Umgehung. Wehe dem, der es wagen würde; von lockerem und steilem, teilweise überhängendem Fels würde er empfangen 1 Gerne würde er wieder an die Gratarbeit zurückkehren. Wenn diese auch schwer und anstrengend ist, so ist der Fels doch wenigstens steinschlagsicher und zuverlässig. Als letzter Fels kam noch die Pt. Mountet an die Reihe, noch eine überhängende Abseilpartie, bei welcher Karli zwischen Seil und Fels seine Finger havarierte. Die Übersteigung der Gendarmen verlangte gute klettertechnische Kenntnisse. Kamine, Wände, Risse und Couloirs bieten, wie kaum woanders im Hochgebirge, Abwechslung in Hülle und Fülle. Meine Finger sahen auch danach aus, und bald hatte ich keine Haut mehr an den Spitzen.

Um 15 Uhr langten wir am Rothornjoch an. Unser untrainierter Begleiter wäre am liebsten von hier wieder abgestiegen; doch Secondo und ich vermissten in unserem Tourenregister immer noch das Zinakothorn, das Karli schon einmal bestiegen hatte. Also vorwärts — aber in einem Tempo, das leider nicht lange durchgehalten werden konnte. Steil wie zuvor war auch die Kletterei am Rbthorngrat, allerdings mit dem Unterschied, dass man hier rasch und sichtbar höher kam, während man an den vorangegangenen Bastionen ständig auf- und abstieg, ohne an Höhe merklich zu gewinnen. Als der langersehnte Gipfel erreicht wurde, war es bereits 18 Uhr 15. Leider hatte sich das mächtige Wèisshorn einen dichten Nebelmantel umgehängt. Schade —.

Die Zeit drängte, und in Kürze standen wir wieder im Abstiegscouloir der Normalroute. Die Müdigkeit kam langsam über uns und behinderte uns im raschen Absteigen. Doch war sie bald überwunden, denn für einen Moment wurde vom Horizont her die ganze Bergwelt in eine purpurne Zauber-landschaft verwandelt und liess uns vor Bewunderung sprachlos werden. Das überirdische Leuchten nahm dann noch an Intensität zu und spiegelte den ganzen Abendhimmel an den Viertausendern wieder. Noch einmal loderte das Feuer auf, als glühe die ganze Bergwelt. Jeder Gipfel hatte sein Wolken-fähnlein, eines röter als das andere.

Secondo war vorn, Karli in der Mitte, und ich befand mich in einer so verzwickten Lage, dass es mir unmöglich war, das Bild dieser herrlichen Abendstimmung im Farbenbilde festzuhalten. Selbst die Zermatter — wie man uns später bestätigte — hatten ihr Matterhorn noch nie in einem solchen Feuer gesehen; es musste wirklich etwas ganz Einmaliges gewesen sein. Nur wenige Minuten dauerte das bengalische Schauspiel, dann starb es zurück in Runsen und Täler, und über die Steine kroch langsam die Dämmerung. Die Landschaft wurde blass und unklar. Unsere Lage war wenig erfreulich, denn als wir den Hohlichtgletscher betraten, war es finstere Nacht.

Durch abrutschende Schneemassen verloren wir bald das Tracé und stiegen zu früh südwärts ab. Vergebens suchten wir einen Abstieg an senkrechten Flühen vorbei, wo sich der Hohlichtgletscher vom Rothorngletscher trennt. Das Resultat war: eine halbe Stunde zurück und das Tracé ausfindig machen. Wir fanden es!

Vorsichtig stiegen wir bis zum Couloir des Rothorngletschers, aufmerksam und mit intensiven Sicherungsmassnahmen, Schritt für Schritt gefühlsmässig tastend, bis zum Gletscher hinunter durch die Nacht, und dann ging 's im Eilschritt über den Rothorngletscher der Moräne zu. Im Schutthaufen der Moräne selbst war das Auffinden des Pfades ohne Licht ein Ding der Unmöglichkeit.

So stolperten wir dann über Geröll, Felsblöcke und Platten, bis wir zu guter Letzt beschlossen, zu biwakieren, um nicht noch einen Unfall heraufzubeschwören. Es war bereits 22 Uhr 30. Die Nebel trieben, und es war sehr kalt. Wir konnten deshalb nicht zur Ruhe kommen. Ris 3 Uhr rannten wir um ein und dieselben Rlöcke. Die Gebirgsnacht kennt kein Mitleid!

Im Morgengrauen fanden wir dann die Spur, und in gemütlichem Tempo ging 's nach Zermatt, wo uns bereits wieder Partien begegneten, im Aufstieg in die geliebten Berge.

Eine unvergessliche Tour, die die wenige Tage zuvor begangene Wanderung am Viereselsgrat, an der Dent Blanche und am Zmuttgrat des Matterhorns ohne Zweifel überragte.

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