Zur Monographie der Ringelspitze | Club Alpino Svizzero CAS
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Zur Monographie der Ringelspitze

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Es wird mit jedem Jahre schwieriger, für das große Gebäude unserer jetzigen alpinen Kenntnis etwas Neues von Wert zu bringen, wird doch das „ Ungemachte " immer seltener oder liegt zu fern ab, und man muß sich begnügen, hie und da etwas nachflicken zu können.

Was die Orographie der Ringelspitze mit ihren verschiedenen Aufstiegsrouten betrifft, so verweise ich auf die eingehende Abhandlung von Prof. Dr. W. Gröbli im XXIV. Bd. des Jahrbuchs S.A.G.. Die folgende kurze Notiz soll nur dazu dienen, die Südostseite der Ringelspitze und den Aufstieg vom Taminsergletscher ( beides auf der Siegfriedkarte, Bl. 402, ungenau erkenntlich ) in Wort und Bild etwas weiter auszuführen.

Ein Tag von seltener Schönheit blaute über den weißen Kalkfelsen des Calanda, die tief ins Tal von Vättis niedersahen, und als der Abend über die stillen Berge sank, fand er fünf späte Gäste bei den weißgetünchten Häusern der Großalp. Es waren die Herren Reber, Bachmann und Baumann ( Sektion Pilatus ) und meine Wenigkeit unter Führung von J. Sprecher von Vättis. Man war schon weggezogen, die Saison schien geschlossen da oben und mit ihr die festangligen Türen. Aber die unter einem Troge richtig gefundene Türfalle öffnete aller Schlösser Geheimnisse, nur auf einen Riegel paßte sie leider nicht, hinter dem Freund Reber mit aller Bestimmtheit den Käse zu riechen behauptete. In einer für unsere eingeschrumpften Magenschläuche entschieden zu bescheidenen Gamelle wurde noch tief in die Nacht hinein gepröbelt und es geschah, daß das Gebräu allemal dann den richtigen Goût hatte, wenn vor lauter „ Versuchen " nichts mehr vorhanden war.

Am Morgen des 16. September wanderten wir denn durch das hügelige Tälchen von Lavoi den immer noch fernen Moränenwällen des Taminsergletschers zu, als schon der erwachende Tag die hübschen Felsenerker der Ringelkette erleuchtete. Wir hatten unsere liebe Not mit dem Führer. Die Nachwehen zu starken Alkoholgcnusses von gestern machten sich bei ihm immer fühlbarer und gestatteten uns, trotzdem wir ohnehin zu spät aufgebrochen, nicht, rasch vorwärts zu kommen. In der Folge erklärte er uns, er gäbe seinerseits die Tour auf und würde am Fuße des Gletschers warten, bis wir zurückkämen. So wanderten wir allein fürbas und betraten ( ungefähr beim „ m " des Wortes „ Taminsergletscher " ( Bl. 402 Siegfriedatlas ) das apere Eis und angeseilt gings, hie und da etwas hackend, aufwärts. Wie aus der beigegebenen Autotypie ( die Photographie wurde beim Betreten des Gletschers aufgenommen ) genau ersichtlich ist, ziehen sich rechts und links vom Gipfel verschiedene Runsen zum Firne herab; diejenige rechts, noch etwas mit Schnee gefüllt, bot teilweise die Aufstiegslinie auf den sie oben begrenzenden sogenannten Glaserfirn und somit auf die Spitze selbst.

Wir steuerten dem Schneeschild, der den Eingang in das Couloir bildet, zu. Immer gewaltiger wuchsen die wilden Türme über uns empor und fast düster drohten die schwarzgrünen Verrucanoflühe über dem langgezogenen, für den Ringelberg so charakteristischen Dolomitband, welches ( nach Dr. A. Heim ) die allerdings stark reduzierten Juraschichten des Mittelschenkels jener Mulde bildet, deren südlichen Scheitel wir an den gewaltigen Wänden des Crap Matts beobachtet. Nach kurzer Rast auf dem obersten Firnbuckel sollte die Kletterei losgehen, aber bei besagtem Schneeschild, auf dem wir bequem aufwärts gekommen wären — noli me tangere — sperrte der Gletscher seinen großen Schlund so frech auf, daß wir für gut fanden, etwas mehr rechts zu landen, was nicht ohne etwelchen Schwung glücklich ausgeführt wurde. Über glatte und brüchige Eocänschiefer gewannen wir mühsam das horizontale Dolomithand, dem folgend wir leicht nach links in das Couloir zurückgingen. Von hier rückten wir muntrer hinan, aber einige krachende Steinsalven ließen uns die ersehnte Schneerinne wieder ausweichen, und über kleine Schneetfecken und brüchigen Fels arbeiteten wir uns endlich nach Überwindung der Gwächte auf die Höhe des Glaserfirns.

Überraschend war uns hier die Begegnung mit einem jungen Vättiser, der allein vom Kalfeusertale die Ringelspitze erklettert hatte und so gütig war, uns in den letzten Partieen des Gipfels den Weg zu weisen.

Wer je an der Ostkante des steilen Kegels, besonders den obersten Felsen herumgebummelt ist, wo man die Schuhnägel des Vordermanns über sich und zwischen den eigenen Beinen hinab auf den Taminsergletscher sieht, wird sich dessen stets mit einer gewissen Befriedigung erinnern.

Die steinmanngekrönte Spitze bot bei dem herrlichen Wetter eine wundervolle Fernsicht; was die Bündneralpen betrifft, ist sie derjenigen von Calanda und Vorab ziemlich ähnlich. Die Charakterzüge der Silvretta, die Pyramide des Linard, die ferne Bernina, das Dreigestirn von Aela, Tinzenhorn und Michel, der Gletschermantel des Aul und die Eishäupter der Adula bilden die zeichnenden Linien; den Westen beherrschen die Glarnerberge in ihrer heimischen Schönheit und nach Norden fliegt der trunkne Blick tief tief, hinab ins Thal, wo die Tamina braust und das die Grauen Hörner ernst bewachen.

Als die photographischen Arbeiten beendigt waren, stiegen wir um 2 Uhr, nach einer jener unvergeßlichen Stunden, die wir auf den Hochwarten unserer heimischen Berge verlebt, so oft uns wiederträumen, mit Vorsicht über die jähe Felsentreppe wieder hinab auf den Firn und standen nach 40 Minuten auf dem östlichen Gipfel der Ringelgruppe, dem sogenannten Vorderringel, dessen feingeschichtete, lauchgrüne Verrucanofelsen mäßig auf dem Schnee sich erheben.

Der Abstieg vom Glaserh'rn durch das Couloir ging leichter von statten, als wir erwartet hatten. Auf dem Dolomitband angelangt, gingen wir mehr links, beziehungsweise nordöstlich bis zu der Stelle, wo ziemlich genau unter der Spitze des Vorderringel ein scharfer Grat in den Taminsergletscher herabläuft ( auf dem Bilde sich nicht gut abhebend und scheinbar das östliche Verlaufen des Bandes bildend ), den wir zum Abstieg benutzten. Er bietet eine günstige Linie, um zu dem Dolomit zu gelangen; doch würde, wenn der Gletscher nicht zu stark ausgeabert, der Anstieg direkt vom erwähnten Schneeschild kürzer und bequemer sein.

Als wir wieder einmal den Taminsergletscher unter den Füßen hatten, trotteten wir, fröhlich ob der auch ohne Führer gelungenen Fahrt, der Moräne zu und neben dem Augstberg vorbei nach der Großalp hinaus. Es war 6 Uhr, drei Stunden, seit dem wir den Vorderringel verlassen.

— Durch den finstern Wald von Kunkels blinzelten bald die Lichter von Tamins und nach vielem Holpern und Stolpern über den Paßweg hinab zogen wir wohlgemut im Hotel Adler von Rsichenau ein.

H. Brun ( Sektion Uto ).

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