Bericht über die Vermessungsarbeiten am Rhonegletscher im Jahre 1887 | Club Alpino Svizzero CAS
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Bericht über die Vermessungsarbeiten am Rhonegletscher im Jahre 1887

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Von Prof. Dr. L. Rütimeyer ( Section Basel ).

Bericht über die Vermessungsarbeiten am Rhonegletscher im Jahre 1887 Dem von Hrn. Ingenieur L. Held an das Eidgen, topographische Bureau eingereichten Bericht über die 14. Campagne der Rhonegletscher-Vermessung entnehmen wir zu Händen des Jahrbuchs des S.A.C. Folgendes:

Von dem G-letscher-Collegium des S.A.C. war die Aufgabe für das Jahr 1887 auf Weniges, und in Aussicht auf den mit Schluß des Jahres 1888 in Aussicht stehenden Ablauf des Vertrages zwischen dem Alpenclub und dem topographischen Bureau auf das Unerläßlichste beschränkt worden, nämlich auf Wiederholung der alljährlichen Controlmessungen sowohl im Eis- als im Firngebiet, sowie auf die Fortsetzung der Beobachtung der Sommer- und Jahresbewegung an den schon seit einigen Jahren in diesem Sinne gemessenen besondern Stellen des rothen und gelben Profils. Dazu wurde der Wunsch beigefügt, daß der von Hrn. Held vermutheten Specialbewegung der Eismasse in der sogenannten Moränenbucht am rechtseitigen Rand des Gletschers die nöthige Aufmerksamkeit geschenkt werden möchte.

In Folge verschiedener Verumständungen mußte an der Stelle früherer Mitarbeiter ein neuer Assistent gesucht werden, der sich fand in der Person des Hrn. A. Weber, Geometer in Utzenstorf. Am 17. August fanden sich sämmtliche Theilnehmer im Belvédère an der Furkastraße ein, das, obwohl als Hôtel geschlossen, von Hrn. Guglielminetti im Rhonegletscher-Hôtel freundlieh zur Verfügung gestellt worden war. Schon in der ersten Nacht trat rauhe Witterung ein. Bis zum 22. August fiel täglich Schnee; bis zum 29. August, der Regen brachte, war dagegen die Witterung günstig, so daß 69°/o der gesammten Arbeitszeit, die bis zum 31. August dauerte, im Freien verwendet werden konnten; ein in dieser Höhenlage günstiges Verhältniß. In Folge des frischen Schneefalles mußte die Arbeit, wie schon im vorhergegangenen Jahre, an der Gletscherzunge begonnen werden. Noch am 23. und 24. August war der Schnee dem Auffinden der Jahressteine im gelben und rothen Profil sehr hinderlich. Im Firn überdeckte er am 26. August noch Spalten von Meterweite und nöthigte zu großer Vorsicht. Das Firngebiet war seit 7 Jahren nie so gefährlich zu begehen wie dies Jahr. Im Uebrigen boten die Schneeverhältnisse des Jahres 1887 einen großen Contrast zu denjenigen von 1886. Ueberall, mit Ausnahme der schattigen Hänge, war S*-.der Winterschnee gänzlich weggeschmolzen. Die Firn-stangen in der Ebene des Großfirns, die am 27 August 1886 vollständig unter Schnee begraben lagen, waren am selben Tage des Jahres 1887 um einige Centimeter schneefrei. Demgemäß war auch die Zahl der Spalten im Firngebiet sehr groß.

Controlmessnngen.

Während das Nivellement von 1886 auf allen Beobachtungslinien, mit Ausnahme der grünen, eine Zunahme der Mächtigkeit des Eises ergeben hatte, zeigte sich für das Jahr 1887 auf allen Linien eine starke Abnahme. Es mag dies theils von relativ schwachem Schneefall im Winter herrühren, worauf mindestens die schwachen Lawinenreste schließen ließen, theils von der großen Zahl sonnenklarer Tage im Sommer.

Die mittlere Abnahme des Eises in vertikalem Sinn betrug von August 1886 bis August 1887 im grünen Profil 4.752 m, im gelben Profil O.557 m, im rothen Profil 1.827 m, im untern Thäliprofil 2.116 m, im untern Großfirnprofil 1.831 m, im obern Thäliprofil 4.269 m, im obern Großfirnprofil 3.558 m. Seit 1881 auf 1882 hat sich in dem grünen Profil keine so starke mittlere Abnahme ergeben wie in dem abgelaufenen Jahre. Am stärksten ist die Einsenkung in der Richtung des Rhonelaufes, wo die Mächtigkeit des Gletschers nur noch etwa 50 m zu betragen scheint. Bei Andauer dieser Verhältnisse wird dies wieder zu einem schluchtartigen Einschnitt der Gletscherzunge führen, wie ein solcher 1881 bestand. Im rothen Profil ist der Eisstand auf einer Strecke von 180 m Länge am rechten Gletscherufer sogar tiefer als irgend ein seit 1874 gemessener. Im untern Thäliprofil ist der Firnstand von 1887 der tiefste der überhaupt bisher im Firngebiet beobachteten. Die Abnahme der Mächtigkeit von 1886 auf 1887 verhält sich im Allgemeinen auf der gesammten Oberfläche des Firngebiets sehr gleichförmig.

Steinreihen und Firnsignale.

Von der grünen Reihe, von welcher 1886 noch 8 Steine, wovon 6 auf Eis, beobachtet worden waren, sind 1887 nur noch 3 aufgefunden worden; die übrigen liegen unter Schutt. Die Vorwärtsbewegung in dieser Linie ist eine außerordentlich langsame. Eher als durch Vorwärtsbewegung zu stranden, könnten die noch vom Eis getragenen Steine dieser Linie durch Abschmelzung der Eiszunge auf das Trockene gesetzt werden. Eine sehr regelmäßige Ablenkung von ihrer normalen Bahn erleiden die Steine der grünen Reihe in Folge der Böschung des Eises am linken Gletscherrand gegen das steile Ufer hin, was ein Licht wirft auf die Bildung von Ufermoränen.

Die gelbe Reihe, im Jahre 1874 mit 52 Steinen oberhalb des Gletschersturzes angelegt, hat nun denselben überschritten und beginnt nunmehr unterhalb desselben sich wieder auf der Oberfläche zu zeigen, wobei die stärksten Vorläufer derselben, mit 78™ Jahresverschiebung, sich im nächsten Jahr wohl schon in der ursprünglichen Querlinie der grünen Steinreihe befinden werden. Es hat also diese Steinreihe die wichtigste Krise in der Bewegung des Gletschers durchgemacht und ist geeignet, über die Folgen des Sturzes für die Gesammtbewegung des Eisstroms die wichtigsten Aussagen zu geben. Von den ursprünglich 51 Steinen dieser Reihe konnten im verflossenen Sommer 35 eingemessen werden.

Auch die rothe oder die oberste der im Jahre 1874 gelegten Steinreihen nähert sich nun dem Gletschersturz. Ihre Spitze, mit Jahresverschiebungen bis zum Betrage von 108 m ( bei Stein Nr. 30, der schon im vorigen Jahr sich als der wackerste Läufer erwiesen hatte ), ist bereits in dem Anfang der spaltenreichen Partie über dem Eissturz angelangt, und einzelne Vorposten haben das ursprüngliche gelbe Profil bereits überschritten und folgen nun den Bahnen ihrer gelben Vorläufer. Unter gleich bleibenden Eisverhältnissen werden die ersten rothen Steine im Jahr 1901 im grünen Profil der Gletscherzunge anlangen und alsdann in 27 Jahren einen Weg von 3110 m zurückgelegt haben.

Von den im Jahr 1883 im Firngebiet aufgestellten 16 Stangen konnten im Sommer 1887 zehn eingemessen werden. Abgesehen von einigen durch lokale Verhältnisse, wie nahe vorliegende und daher das Vorrücken der Stangen beschleunigende Eisabfälle, bedingten Unregelmäßigkeiten, erwies sich im Allgemeinen das Vorrücken der Firnlinien als etwas schwächer als im Vorjahre. Die stärkste Verschiebung beträgt 96 m im untern Großfirn. Im obern Großfirn erwies sich als Maximum 57 m. Weit geringer sind die Bewegungen in den beiden Thäliprofilen.

Debrige Beobachtungen.

Die seit 1885 im gelben und rothen Profil alljährlich neu gelegten Steine zur Beobachtung der Jahresbewegung an gleichen Gletscherstellen konnten im verflossenen Sommer in Folge des frischen Schneefalles nur theilweise eingemessen werden. Im Ganzen ergab sich daraus, daß die Bewegung an diesen Stellen für 1886/1887 etwas kleiner war als in den Jahresperioden 1885/1886 und 1883/1884, dagegen etwas stärker als für 1884/1885 und 1874/1875.

Die topographische Aufnahme der Gletscherzunge ergab für die Periode August 1886 bis August 1887 eine Bloslegung von 7125 Quadratmeter gegenüber von 865 Quadratmeter Zudeckung frühern Strand-bodens. In Folge der Einsenkung des Eises über dem Rinnsal der Rhone ist diese Partie stärker zerklüftet als früher.

Die Beobachtung der absoluten Abschmelzung von Eis und Firn, vorgenommen an den Abschmelzstangen und den Firnsignalen, ergibt für das grüne, gelbe und rothe Profil eher kleinere, für die Firnprofile bedeutend stärkere Abnahme, resp. schwächere Zunahme als im Jahre 1885,1886. Dem entspricht das durch Zeichnung des schneefreien Firnes gewonnene Bild von Ablation. In der Firnebene liegt die Grenze des weggeschmolzenen Winterschnee's um 2000 m weiter rückwärts als 1886. Damit hält Schritt die Zunahme der offenen Firnspalten, von deren starkem Wechsel einige wenige Zahlen ein deutliches Bild geben:

1884 1885 1886 1887 Unter- Unter- Ober- Ober- Tota Thäli.

Großfirn.

Thäli.

Großfirn.

2 9 1 14 26 12 21 6 29 68 1 4 0 3 8 12 16 4 20 52 Im Allgemeinen entsprechen auch die Arbeiten des Jahres 1887 trotz der Schwierigkeiten, welche ihnen aus dem frischen Schneefall erwuchsen, in Bezug auf Vollständigkeit den Wünschen des Programms und bieten in ihrer Zusammenstellung ein einheitliches Kesultat. Mit dem Eintritt der rothen Steinreihe in den Gletschersturz wird der obere Theil des Gletschers sich von den ihm im Jahre 1874 aufgelegten Farbensteinen befreit haben, und werden unterhalb des Eissturzes nahe an hundert Zeugen von den Details der Eiswanderungen, die noch bis auf den heutigen Tag in unserem Alpengebiet vor sich gehen, zu erzählen wissen.

Einige andere Beobachtungen bezogen sich auf die besondere Eisbewegung in der sog. Moränenbucht, über welche erst der nächste Bericht Auskunft ertheilen kann, und über die Oscillationen des Eisrandes der Gletscherzunge zu verschiedenen Jahreszeiten.

Die Jahresrechnung ergibt für das Pensum von 1887 eine Ausgabe von Fr. 2300 und einen Activsaldo von Fr. 898. 50, über welchen zu Händen der Rhonegletscher-Arbeiten die Disposition dem Eidgen, topographischen Bureau zusteht. An Aktenstücken ist das Inventar der Unternehmung vermehrt worden um den Jahresbericht von Hrn. Ingenieur Held für 1887 und um die Aufnahme der Gletscherzunge in 1: 5000 für den 20. August 1887. Dazu sind einige Publikationen als Geschenk eingelaufen. Der Stand der Photographien hat sich kaum verändert.

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