Das Höllloch im Muotatal | Club Alpino Svizzero CAS
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Das Höllloch im Muotatal

Hinweis: Questo articolo è disponibile in un'unica lingua. In passato, gli annuari non venivano tradotti.

Von Jos. Otter ( Sektion Uto ).

Photographien und Plan nach Aufnahmen von P. Egli ( Sektion Uto ).

Eng vereint mit Märchen und Sagen sind fast immer die von der Natur geschaffenen, für fast alle Menschenkinder so unheimlichen Höhlen. Wohl nur wenige derselben sind nicht in Lokalsagen gekennzeichnet als ehemalige Aufenthaltsorte von grimmen Drachen oder von irgend einem Zwergenvolke. Letztere, fast immer gutmütigen Charakters, unterstützten die Menschen bei ihren Arbeiten, bis es einem neugierigen oder boshaften „ Erdenwurm " gelang, die kleinen, fleißigen Wesen zu vertreiben, zur Mühe und Qual der Umwohner, die von dem Momente an alle Arbeit selbst verrichten mußten. Von den Höhlenbewohnern dieser Art erzählt heute nur noch die Sage, nichts zeugt mehr von ihrem stillen Wirken und Schaffen, nichts ist übrig geblieben als die unheimlichen, gruseligen Eingänge zu ihren ehemaligen Wohnstätten, die auch von der heutigen Menschheit noch ängstlich gemieden werden.

Wohl die meisten der heute bekannten Höhlen sind vor Jahrtausenden bewohnt gewesen, viele davon sind wichtige Fundstätten geworden für den Forscher, der darin wie in einem Buche lesen kann über die Entwicklung des Menschengeschlechtes, über die Entstehung und Bildung der heutigen Erdoberfläche.

Die Schweiz ist verhältnismäßig reich an kleineren und größeren Höhlen, speziell das durch den Zug Suworows geschichtlich bekannt gewordene Muotatal im Kanton Schwyz weist eine ganze Anzahl auf: Das längst bekannte, sagenberühmte „ Laui-Loch " im Ried, rechtes Ufer, das nach Tschudi bis auf 3 km. erforscht sein soll. ( In Wirklichkeit kommen die wenigsten Besucher über 250 Meter weit und nur ganz gute Kletterer bis zum „ Dom " 420 Meter, der ganz außerordentlich schwierig ist; das ganze Laui-Loch ist kaum 500 Meter weit bekannt.Die „ Überhöhle ", ebenfalls im Ried, linkes Ufer, hoch in senkrechter Wand, am 11. Januar 1903 zum erstenmal betreten von Peter Sutter ( Ried ), Egli und Otter ( Zürich ), noch unerforscht, eine kleine Höhle oberhalb des Lipplisbühl am Kinzigweg und die ebenfalls noch unerforschte Höhle am Drusberg.

Wohl die größte, die vor wenig Jahren fast unbekannte, schaurig schöne Höhle befindet sich beim Weiler Stalden, zwischen Starzlenbach und Pragelweg. Die „ Hölle " ist eine so schöne, tief unter die karren-zerrissene Bödmerenalp reichende Höhle, daß es sich wohl verlohnt, ihren endlosen Gängen zu folgen und die Schritt für Schritt sich zeigende Riesenarbeit der Natur zu bewundern. Nicht allein der Forscher wird befriedigt werden, auch der kühnste Alpentourist wird mit Vergnügen an den steilen Wänden herumturnen; 24 Stunden „ Hölle " sind eine Leistung, die sich würdig neben die schlimmste Bergtour stellen darf.

Die Geschichte der Erforschung des Höll-Loches reicht nicht weit zurück. Aus frühern Zeiten fehlen alle Nachrichten; aus naturwissenschaftlichem Interesse ging niemand hinein, noch viel weniger aus Freude an der auch bei künstlicher Beleuchtung so schönen Natur. Von Expeditionen zur Hebung allfällig vorhandener Schätze, wie sie vor Jahrhunderten im Geldloch im Ötscher offiziell angeordnet wurden, weiß im Muotatale auch niemand etwas. Die ersten Gefahren in der gewaltigen Höhle haben wohl Männer des Tales bestanden, doch ist über das Resultat einzelner Vorstöße wenig oder nichts bekannt geworden. Immerhin sind die Namen derjenigen bekannt, die Bahn gebrochen haben: Franz Betschard und Melchior Bürglei-, Melchior Sutter und Jos. Leonh. Betschard und dessen beide Söhne. Diese mutigen Männer sind wohl nach mehreren Versuchen bis über die „ Böse Wand " hinaus vorgedrungen, von ihnen ist wohl die jedem Kletterer so willkommene Eisenstange ungefähr in der Mitte der „ Bösen Wand " eingetrieben worden.

Da das Vordringen in der Höhle, wenn der Versuch zum erstenmal und ohne gut bekannten Führer gemacht wird, ein äußerst langsames ist, kamen die übertriebensten Anschauungen über die Ausdehnung der Gänge und Hallen zum Vorschein. So hat Herr Widmer-Osterwalder in Zürich, der sich jetzt der Höhle speziell angenommen hat, steif und fest behauptet, mindestens 20 km. weit vorgedrungen zu sein, auch hätte er solch riesige Hallen angetroffen, daß eine Rakete, ohne in ihrem Laufe die Decke zu berühren, wieder hinuntergefallen sei. In Wirklichkeit war Herr Widmer nicht einmal 1 km. weit gekommen, d.h. höchstens bis zur „ Bösen Wand ", und auf dieser ganzen Strecke gibt es keinen Hohlraum von auch nur 20 bis 30 Meter Höhe. Es geht daraus, wie aus spätem Höhlenberichten, deutlich hervor, welch'gewaltigen Eindruck die Höhle auf die Phantasie der Besucher zu machen im stände istGenaueres über das Höll-Loch und dessen Ausdehnung ergaben erst die Forschungen, die in den Wintern 1898—1902 von Herrn Sekundarlehrer Paul Egli in Zürich ( Uto ), sowie einigen andern höhlenfreundlichen Zürchern vorgenommen wurden.

Das Hauptverdienst der Erforschung gehört aber ganz unzweifelhaft dem Herrn Egli, er hat nebst ungefähr 50 Photographien auch einen genauen Plan der Höhle während seinen zahlreichen Expeditionen an Ort und Stelle aufgenommen und diese Arbeit nicht im „ Theoriesaal " ausgeführt. Dieser Plan hat auch den Vorteil, daß er in der Schweiz veröffentlicht worden ist. Der Schreiber dies ist durch Herrn Widmer-Osterwalder in Zürich auf die Höhle aufmerksam gemacht worden, der sie im Sommer 1899 zum erstenmal besucht hatte. Die Beschreibungen des Herrn Widmer waren, wie oben angedeutet, so phantasievoll, daß ein paar Unternehmungslustige ein wahres Höhlenfieber bekamen und kaum den Winter abwarten konnten. Ich erinnere mich nun noch genau der sechs langen Gesichter, als wir 1901 im „ Hirschen« in Muotatal die dort aufliegenden Photographien nebst einer Beschreibung der Höhle von P. Egli vorfanden und daraus ersehen mußten, wie verhältnismäßig gering noch die erreichten Distanzen im Höll-Loch waren: 1600 Meter waren als vorläufig erreichter Endpunkt angegeben! Etwas stark herabgestimmt in unsern Erwartungen krochen wir am 30. November 1901 hinein und — kamen in 24 Stunden auch nicht weiter als bis zur „ Bösen Wand "!

Weitere Expeditionen fanden statt am 3. Januar 1902, wobei wegen Wasseransammlung bei der „ Bösen Ecke " im Hauptgange nicht weiter als 130 Meter vorgedrungen werden konnte. Dafür wurde die tiefe Spalte südlich vom Kreuzweg ( 50 Meter ) von Egli und Hartmann etwas untersucht. Die beiden sind am Seil 30 Meter tief hinuntergelassen worden und haben dabei konstatiert, daß es dort unten noch weitere Gänge gebe, resp. daß ein zweites Stockwerk vorhanden sei. Am 15. Januar 1902 wurde in 27 Stunden von derselben Gesellschaft der „ Riesensaal " erreicht, 2000 Meter vom Eingang. Am 15. Februar erreichten Egli, Otter und Lüssi ( Zürich ) mit dem Träger Gwerder in 30 Stunden in verschiedenen Gängen 2100,2200, 2300 und 2560 Meter; total also 3160 Meter.

— Am 20. Februar 1902 sind Saxer, Widmer, Zimmermann und Wehrli ( Zürich ) ebenfalls weit in die Höhle eingedrungen, nach Angaben verschiedener Zeitungen 2500 bis 2750 Meter. Doch sind die Angaben über diese Höhlenfahrt so wenig klar, daß nicht bestimmt werden kann, wie weit und in welcher Richtung vom „ Riesensaal " aus eigentlich vorgedrungen worden ist. Bei dieser Expedition sollen Kristalle gefunden worden sein.

— Im August 1902 sind zwei kleinere Expeditionen ins Höll-Loch unternommen worden ( eine dritte, mit Musik und Tanz inszenierte Besichtigung, hatte mit der Erforschung nichts zu tun ). Am 17. August haben Saxer, Widmer, Gebrüder Linke und Betschard die am 3. Januar abgesuchte tiefe Spalte „ entdeckt " und einen untern Gang nach der einen Zeitung 800 Meter, nach der andern 300 Meter weit verfolgt. ( Das letztere wird wohl der Wirklichkeit näher kommen; Meßschnüre sind keine unten.Am 24. August haben Egli und Otter allein sämtliche Nebengänge bis zur „ Bösen Wand " festgelegt und sind sodann beim Kamin mit Ungeheuern Schwierigkeiten in einen fast genau 30 Meter tiefen, nahezu senkrechten Schacht abgestiegen, von wo aus die Verbindung mit der Spalte beim Kreuzweg hergestellt wurde. Diese letztere Spalte wurde sodann von den beiden zwar nicht auch noch einmal entdeckt, aber doch genügend angesehen. Am 13. Januar 1903 sind dann die vier Zürcher: Saxer, Wehrli, Linke und Widmer noch einmal in die zweite Etage abgestiegen, ohne aber wesentlich mehr konstatiert zu haben, als das am 17. und 24. August geschehen ist. Aus dem Bericht vom 13. Januar scheint sogar hervorzugehen, daß auch die 300 Meter vom 17. August noch übertrieben waren, denn Herr Widmer-Osterwalder hat am 5. Oktober im D.orfe Muotatal mündlich bestritten, daß eine Verbindung zwischen Kreuzweg und Kamin auf dem am 24. August festgelegten Wege vorhanden sei. Immerhin ist die Expedition des 13. Januar offenbar bis ziemlich nahe an den untern dritten Gang gelangt, d.h. die Herren vermuten, in beträchtliche Nähe des Bachbettes des sogenannten schleichenden Brunnens gekommen zu sein. Das sind die hauptsächlichsten Unternehmungen zur Erforschung der „ Hölle ".

Weitaus am günstigsten macht sich ein Besuch des Höll-Loches im Winter bei großer Kälte. Nicht nur ist eine Schlittenfahrt von Schwyz durch das tiefverschneite Muotatal ein Hochgenuß, auch die Verhältnisse in der Höhle sind in jeder Beziehung besser als zu irgend einer andern Jahreszeit. Boden und Wände der Höhle, die im Sommer furchtbar schmutzig und schlammig sind, sind im Winter meistens hübsch sauber und trocken, natürlich gibt es überall etwa feuchte Stellen, die redlich dafür sorgen, daß sich schier die Sonne schämt, den Wanderer wieder anzuscheinen, wenn er auf die Oberwelt zurückkehrt. Sehr vorteilhaft ist es, die Wanderung am Morgen zu beginnen; man ist dann noch frisch und kräftig, während bei einem Einstieg am Abend die Leistungsfähigkeit eine schon bedeutend beschränkte ist. Die Zugs- und Postverbindung erlaubt auch ganz gut, am Abend das Dorf zu erreichen, noch alle Vorbereitungen zu treffen und dann am Morgen frisch die Reise in die Unterwelt anzutreten. Brechen wir vom Dorfe Muotatal auf, so erreichen wir in ll » Stunde zu Fuß bequem den Weiler Stalden beim Aufstieg des Pragelweges; angenehmer, und die Kräfte bedeutend mehr schonend, ist bei Schnee eine Schlittenfahrt. Von Stalden aus können zwei Wege eingeschlagen werden, um den Eingang zu erreichen: bei wenig oder gar keinem Schnee direkt über den Starzlenbach einen kurzen, steilen Hang hinauf, bei viel Schnee dem Pragelweg nach bis etwas über den Eingang und dann zu diesem hinunter, was oft noch eine zwar kurze, aber mühsame Schneestampferei erfordert.

Der Weiler Stalden liegt 668 Meter über Meer, der Höhleneingang 740 Meter. Die Höhle beginnt am obern Ende der Höllbachschlucht Das Höll-Loch im Muotatal.

( siehe Topograph. Atlas, Blatt 399, Muotatal, Höllbach ) und zieht sich zirka 1600 Meter weit in der Richtung Ostnordost; bei 1400 Meter biegt der Hauptgang direkt nach Süden um bis zum „ Riesensaal " 2000 Meter, der ungefähr unter der mittelsten Weid liegt; vom „ Riesensaal " aus verzweigt sich die Höhle in fünf Arme nach allen Richtungen. Bis jetzt sind nur die Enden zweier Arme bestimmt: 2300 und 2560 Meter. Über dem „ Riesensaal " türmt sich der Berg noch etwa 400 Meter hoch auf.

Der gewöhnliche Eingang des Höll-Loches, dem nach Aussage der Umwohner bei starkem Regen oder Föhnwetter der Höllbach entströmt, liegt tief verborgen in einer Felsenschlucht. Wildromantisch ist dieser Eingang! Eine gewaltige Naturbrücke wölbt sich über die Schlucht, das meistens trockene Bett des Höllbaches tief unter sich lassend, dann geht 's unter einer zweiten, kleineren Naturbrücke durch, und nun leuchtet dem Wanderer das am 1. Dezember 1901 ans Tor der Unterwelt gemalte Wort „ Hölle " entgegen. Gewaltige Eiszapfen hängen vor dem Eingang, denselben beinahe verdeckend, das Tageslicht dringt schon nicht mehr so kräftig hinunter, etwas Düsteres birgt dieser verborgene Felsen- winkel.

Gerade vielverspre- Der Eingang.

chend ist die Einfahrt nicht, auf „ allen vieren ", oft mit dem Rucksack an der Felsendecke anstoßend, geht 's vorwärts. Der Felsboden ist leicht gewellt, als ob ein Windhauch über eine glatte Wasserfläche hingezogen und das Wasser nachher erstarrt wäre. Hände, Ellenbogen und Knie fangen an zu schmerzen, und wer zum erstenmal in die Höhle eindringt, dem verleidet die Geschichte, bevor er 30 Meter zurückgelegt hat. Doch nur Geduld, es kommt bald besser. Nach einigen Minuten wird der „ Kreuzweg " 50 Meter vom Eingang erreicht, und von dort an hört auch fast für die ganze Reise das „ Marschieren auf vier Beinen " auf.

Es gibt noch einen zweiten Eingang, der etwa 10 Meter vom oben beschriebenen entfernt ist. Dieser Eingang ist nicht zu empfehlen, da er schwierig und ohne Seil zum Teil sogar gefährlich zu passieren ist; die beiden Eingänge stoßen etwa 30 Meter im Innern zusammen.

Im gewöhnlichen Eingange trifft man schon nach etwa 15 Meter die erste der weiter hinten stellenweise so zahlreichen „ Gletschermühlen ", Jos. Otter.

Kreuzweg. 50 Meter vom Eingang.

einen prächtigen Kessel von zirka 40 cm. Durchmesser bei etwa 1 Meter Tiefe. Die Mühle ist zum Teil mit Kies gefüllt, zum Teil mit klarem Wasser. Kurz vor dem „ Kreuzweg " finden sich auch kleine Ansätze zu Stalaktiten.

Der führerlose Wanderer merke sich, daß er vom Eingange bis zum Kreuzweg immer in gleicher Richtung und immer aufwärts zu gehen hat, er darf sich nicht durch die Größe des Ganges verleiten lassen, nach links abzubiegen, weil er sonst in eine mühsam zu passierende Sackgasse gerät ( einem kleinen Seelein entlang ) und schließlich bei einem Abstürze zum Stehen kommt, der in die „ Dolomitenhalle " führt.

Vom Kreuzweg aus, in welchen man über einen etwa mannshohen Felsabsatz eintritt, führen zwei Gänge: der eine nach Süden, er verliert sich nach kurzer Zeit in die ungeheure Spalte ( „ Teufelswand " ), die am 3. Januar 1902 zum erstenmal passiert wurde und die in das zweite Stockwerk führt. Der Hauptgang geht in der Richtung Nordost scharf in die Tiefe; gleich beginnt die erste, prächtige Kletterei hinunter in die „ Dolomitenhalle ". Ein steiler Felsabsturz, der aber die vorzüglichsten Griffe aufweist, bringt uns auf eine für den Abstieg sehr angenehme Kieshalde, und nach 130 Meter vom Eingang passieren wir die „ Böse Ecke " oder den „ Siphon ". Hier wendet sich der Gang stark ansteigend rechtwinklig nach Südost; diese Ecke wird bei starkem Regenwetter oder Schneeschmelze zuerst vom Wasser angefüllt, so daß der Rückweg, aber nur bei längerem Verweilen in der Höhle, hier unter Umständen verlegt wird. Das meiste Wasser, das sich hier sammelt, kommt wohl von einem nur bei Regenwetter fließenden Bächlein her, das im Innern der Höhle in der Nähe des oberen Einganges über eine steile Wand hinunterstürzt, in einem Trichter verschwindet, im gewöhnlichen Eingange etwa 20 Meter weit im Innern wieder zum Vorschein kommt und dort das oben erwähnte Seelein bildet. Der Abfluß des letzteren bricht dann schließlich aus der Nordwand der Dolomitenhalle und füllt die „ Böse Ecke " auf. Läuft nun dieses Bächlein nicht, und trifft man an der „ Bösen Ecke " kein Wasser, so darf die Exkursion im Winter ruhig auf 20 bis 30 Stunden und mehr ausgedehnt werden.

Merkwürdigerweise kann man nach der Witterung durchaus nicht sicher voraussehen, ob man bei der „ Bösen Ecke " Wasser antreffen werde oder nicht. So hat Egli bei seinen ersten Besuchen immer Wasser angetroffen, am 30. November 1901 und am 15. Januar 1902 war gar kein Wasser vorhanden, am 3. Januar 1902 war der Durchgang fast luftdicht abgeschlossen, und am 15. und 20. Februar 1902 war bei großer Kälte das Wasser bis ein Meter tief. Da die Temperatur des Wassers immer eine sehr niedrige ist ( im Winter wie im Sommer 0 — 4° ), so ist es sehr unangenehm und jedenfalls gesundheitsschädlich, hinduvchzuwaten. Ich würde immer vorziehen, besonders beim Hineingehen, das Wasser zu vermeiden durch Erklettern der allerdings sehr steilen und glatten Seitenwand. Am 15. Januar 1902 haben wir quer durch den Gang einen Damm gebaut und haben dann mit ausgezogenen Schuhen und mit Hülfe des Seiles die Wand erklettert, bei der Rückkehr nach 30 Stunden war das Wasser mit einer 3 bis 4 cm. dicken Eisdecke überzogen.

Von 130 bis 150 Meter hat der Gang eine Steigung von zirka 36°, dann geht 's leicht abwärts und wieder aufwärts, zuletzt steil über eine kurze glatte Wand in die erste große Halle, den „ Rittersaal ". Auch hier hat der führerlose Wanderer genau auf die von uns angebrachten Wegmarken zu achten, sonst läuft er unfehlbar denselben Weg, den wir am 30. November 1901 genommen, d.h. er geht geradeaus und kommt dann in eine ganz unangenehme Situation. Der Gang wird eng und immer niedriger, zuletzt ist er nur noch so hoch, daß man gerade ohne Rucksack auf dem Rücken noch durchkriechen kann. Wir waren damals gezwungen, eine Relaislinie zu bilden und einander die schweren Rucksäcke mühsam genug zuzuschieben. Die Spalte führt dann schließlich Jus. Otter.

auch in den „ Rittersaal ", der letztere kann aber besser erreicht werden, indem man rechts aufwärts über eine glatte Wand hinaufklettert. Der „ Rittersaal " ist 280 Meter vom Eingange entfernt und mag einen Durchmesser von zirka 15 und eine Höhe von zirka 10 Meter haben. Vom „ Rittersaal " abwärts führt ein gewaltiger Gang, der sich aber nach kurzer Zeit in die oben beschriebene Spalte verliert. Einen herrlichen Anblick Der Rittersaal. 280 Meter vom Eingang.

bieten der „ Rittersaal " und der abwärtsführende Gang bei bengalischer Beleuchtung. Kein Besucher der Höhle sollte vergessen, eine Anzahl Bengalflammen mitzunehmen, sie verschaffen manche Freude durch Beleuchtung der Gänge und Hallen, der Felswände und Schluchten, unvergeßlich werden die Eindrücke bleiben, die der Besucher erhält durch Beleuchtung des „ Kamines ", der „ Bösen Wand " und weiter hinten der „ Alligatorenschlucht ". Weiter! Vom „ Rittersaal " aus, um gewaltige Felsblöcke herum und über solche hinweg zuerst ein kurzes Stück ungefähr horizontal fort, dann steil abwärts und wir stehen, bei 350 Meter, vor einer hohen, 70 bis 80° geneigten Wand, die jedes Weiterdringen zu verhindern scheint. Hier hat es schwere Mühe gekostet, zum erstenmal durchzukommen! Rekognoszierungen nach allen Seiten, in alle Löcher und Spalten waren notwendig. Und doch ist der Durchgang schließlich nicht allzu schwierig: Einige vorzügliche Griffe bringen uns ein paar Meter in die Höhe und in einen Kamin hinein, der uns mit Umgehung der Wand auf die Höhe führt. Eine flotte KlettereiStark übertrieben worden ist die Schwierigkeit des Kamines durch die Expedition vom 20. Februar 1902 ( unter der „ bewährten Leitung " des Herrn Widmer-Osterwalder in Zürich ). In dem von dieser Expedition veröffentlichten Höhlenberichte ( „ N. Z.Z.” Nr. 137, 1902 ) steht geschrieben, daß „ ohne das Schlagen von Löchern ein Hinaufklettern unmöglich wäre ". Widmer, Saxer und Zimmermann hatten vorher den Kamin zum Teil schon zweimal in jeder Richtung passiert, ohne Löcher zu schlagen; warum denn dieses Höhlenlatein, das stark an Aufschneiderei grenzt?

Gewaltige Wasserrinnen durchfurchen die obere Hälfte der Felswand, am Fuße des Kamines sind einige Gletschermühlen, oberhalb der Wand ein ganze Menge solcher dicht nebeneinander, nicht selten 1 bis 2 Meter im Durchmesser und 1 bis 2 Meter tief, die Wandungen zwischen den einzelnen Mühlen sind hier und da durchgerieben.

Etwa in halber Höhe des Kamines zweigt ein Gang nach halbrechts ab, der sich nach ganz kurzer Zeit noch mehr nach rechts wendet, um sich mit dem Hauptgange vor dem Kamine wieder zu vereinigen. Durch diesen Gang kann die schwierigste Kletterei im Kamin umgangen werden, doch würde ich immerhin den Kamin selbst vorziehen, denn er ist eine gar zu hübsche Kletterpartie. In dem Verbindungsgange, den Egli und Otter am 24. August 1902 festgelegt haben, öffnet sich im Boden plötzlich ein schwarzes, schauriges Tor, ein Abgrund, dessen Boden das helle Laternenlicht nicht zu erreichen vermag. Dieser zirka 30 Meter tiefe, fast senkrechte Schacht führt hinunter in die zweite Etage, wie die Teufelswand vom Kreuzweg aus.

Vom Kamin 350 Meter bis zur Kapelle 500 Meter passiert man einen prächtigen, ungefähr horizontalen Gang, 3 bis 5 Meter breit und 2 bis 3 Meter hoch. Der Boden ist gewellt und reichlich mit Mühlen versehen; die Decke ist hier etwas unheimlich. Gewaltige, von derselben fast losgelöste, scheinbar nur leicht an den Seitenwänden haltende Steinplatten hängen nur so in der Luft. Einige der Platten sind schon abgestürzt, aber ihre vom Wasser zerfressene Oberfläche beweist, daß sie schon Jahrhunderte am Boden liegen, Jahrhunderte noch mag es gehen, bis andere nachstürzen. Bei 500 Meter hört der schöne Gang plötzlich auf. Wir sind in der „ Kapelle ", die eine Höhe von 10 bis 15 Meter hat; in der Decke rechts oben gähnt ein Loch, in das hinauf wir am Jos. Otter.

30. November 1901 nach vielen vergeblichen Versuchen eine Rakete gejagt haben, die aber — dem glücklichen Schützen schließlich auch wieder auf den Kopf hinuntergefallen ist. Das sind wohl die einzigen Raketen, die hier verschossen worden sind, und um diese ist es schade, denn es ist gar nicht möglich, hier eine Rakete so steigen zu lassen, wie es in der „ N. Z.Z ." erwähnt worden ist. In der linken Ecke des Ganges, Im Labyrinth beim Doppelgang. Zirka 580 Meter vom Eingang.

sowie in der Stirnseite sind weitere Höhlungen vorhanden; ein schmaler, nicht leicht zu passierender Schrund führt hinauf in einen weiteren, prachtvollen Gang. Zwischen 500 und 600 Meter ungefähr bekommt der Besucher zum erstenmal so recht einen Begriff davon, wie sehr zerklüftet das ganze Gebirge sein muß. Schrunde, Spalten und Gänge führen nach allen Richtungen, die Expedition vom 24. August 1902 ( Egli und Otter ) hat aber ergeben, daß alle nach kurzer Zeit sich wieder mit dem Hauptgange vereinigen. Diese Nebengänge sind zum größten Teil niedrig und Das Höll-Loch im Muotalal.

unangenehm zu begehen. Gleich oberhalb der Kapelle liegt ein kleiner See zur Rechten still in einem Schrunde.

Die Partie nach der Kapelle, 500 bis 700 Meter, darf wohl als eine der schönsten der ganzen Höhle bezeichnet werden, wenigstens vom Eingang bis zur „ Bösen Wand ". Zirka 100 Meter weit ist der Gang ziemlich horizontal, etwa bei 580 Meter teilt er sich zu einem gewaltigen Doppelgange, dessen Decke an einer Stelle durch einen imposanten Felsenpfeiler getragen wird. Etwa von 620 Meter an haben wir nur noch einen hohen und breiten Gang, der sich steil in die Tiefe senkt. Über eine Sandhalde gleiten wir rasch hinunter. Eine Bengalflamme übergießt mit magischem Licht die herrlichen Felsenpartien, bewundernd und staunend blickt das Auge den scheinbar endlosen, gewaltigen Gang hinauf, traumverloren steht der Wanderer vor diesem Wunderwerke der Natur. Aber nicht nur dieser Hauptgang ist bewundernswert, gehen wir noch einmal zum großen Pfeiler zurück und wenden uns dort rechts in einem anderen Gange in die Tiefe: keine 10 Meter, und wir stehen vor der wahrscheinlich größten Mühle der an solchen so reichen Höhle, einer Mühle von geradezu kolossalen Di- Doppelgang. 600 Meter vom Eingang.

mensionen; sie hat einen Durchmesser in der Länge von 4 bis 5 und in der Breite von 3 bis 4 Meter bei einer Tiefe von zirka 3 Meter. Wie viele Jahrtausende mag es gegangen sein, bis dieser Riesenkessel so sauber und glatt in den harten Kalkfelsen eingefressen warDer Gang, in dem diese Riesenmühle liegt, glaubten wir, führe ganz abseits des Hauptganges ins Innere des Berges. Wir haben uns getäuscht, denn zu unserer großen Verblüffung haben wir am 24. August konstatiert, daß der Gang in die Sandhalde einmündet und daß letztere Stelle durch gewaltige Felsblöcke maskiert ist. Dieser Nebengang, im Winter trocken, war im Sommer schauderhaft schmutzig, Boden und Wände oft 5 bis 10 cm. dick mit Schlamm überzogen. Der Gang ist nur etwa 50 Meter lang.

Von 700 Meter steigt der Hauptgang mit einer Neigung bis zu 50 ° wieder an, der Felsboden ist zerfressen, tiefe Wasserrinnen sind überall eingegraben. Die oberste Partie ist, wenn auch nicht gefährlich, so doch eine etwas kitzliche Stelle: wir haben sie „ Zimmermannsangst " getauft, Jos. Otter.

weil am 30. November 1901 dieser Höhlenkame-rad hülflos wie ein kleines Kind, vom schweren Rucksack schier erdrückt, auf dem glatten Felsen hing, und wir Unmenschen lachend zuschauten, wie der Angstschweiß so allmählich zum Vorschein kam. Vorn ziehen, hinten schieben, droben ist erBald geht 's wieder steil abwärts in ein hübsches Felsental, 800 Meter vom Eingang, in unser Biwak vom 30. November 1901. Ein kleiner Halt ist hier immer Sandhalde. 700 Meter vom Eingang.

angezeigt, eine Stärkung ist notwendig, denn bald geht 's hinter die „ Böse Wand ". Einige prächtige Mühlen versehen den Wanderer mit kristallklarem Wasser, andere sind sehr willkommen als Waschbecken. Nach kurzem Halt einen kleinen Felsenhang hinauf und dann steil hinunter über einen Kletterfels mit Griffen, wie sie nicht besser gewünscht werden können. Noch einige Minuten teils über grobes Geröll und vor uns ragt hinauf in purpurner Finsternis die „ Böse Wand ", den Gang vollständig abschließend und keinen andern Weg lassend als direkt hinauf.

Wenn man die bei Bengalbeleuchtung ins Riesenhafte sich ausdehnende Wand vor sich sieht, so überschleicht den Mutigsten doch ein leises Grauen, wohl begreift man, daß fast alle Expeditionen hier umgekehrt sind, ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, die Wand zu be- Das Höll-Loch im Muotatal.

zwingen. Bei Tageslicht wäre es wohl eine Kleinigkeit, hinaufzukommen, eine ganz andere Sorte von Kletterei aber ist es, wenn man immer nur eine Hand richtig gebrauchen kann, weil mit der andern die Laterne zu halten ist. Die Wand ist mehr als doppelt so hoch wie ein vierstöckiges Gebäude und hat eine durchschnittliche Neigung von zirka 57 °. Die oberste Partie, etwa 10 Meter, ist am wenigsten steil und kann leicht passiert werden, am schwierigsten ist der Anfang und der Teil oberhalb des Nagels. Letztere Stelle mag etwa 80 ° geneigt sein. Von zu oberst bis zu unterst durchfurcht die Wand eine oft 1 bis 2 Meter tiefe Wasserrinne, die aber leider nicht überall so breit ist, daß man sich darin hinaufarbeiten kann. In der obern Hälfte ist diese Wasserrinne drei-bis vierfach, die stehen gebliebenen Rippen erlauben, daß man sich rittlings darauf setzt, Ellenbogen, Knie und Füße links und rechts anstemmt und sich so langsam, aber sicher hinaufwindet. Nur darf wenigstens der erste, der hinaufklettert, keine Schuhe tragen, denn für den Nagelschuh gibt es wenig Halt, auch sein schweres Gepäck muß er unten lassen, denn leicht könnte ihm das zum Verderben werden. Einen Moment Rast am Fuße der Wand! Die Kletterschuhe werden Böse Wand. 950 Meter vom Eingang.

angezogen, die Seile von den Rucksäcken losgeschnallt, und dann beginnt der Aufstieg, bei dem am besten die ersten zwei sich unterstützen, während die andern unten warten. Die mitgeschleppte 5 Meter lange Leiter erleichtert den ersten sonst nicht gerade angenehmen Aufstieg, weiter gehen die zwei, die es unternommen haben, zuerst hinaufzuklettern, um die Kameraden mit Hülfe der Seile sicher nachfolgen zu lassen. Bald trägt der eine, bald der andere die hellleuchtende Acetylenlaterne, und in kurzer Zeit ist der erste sichere Haltepunkt beim Nagel erreicht. Das eine Seil wird befestigt, daran ein anderes nachgezogen und ersteres dann wieder über die Wand hinuntergelassen. Mittels dieses Seiles arbeiten sich leicht alle übrigen hinauf, teilweise mit zwei Rucksäcken beladen. Inzwischen sind die beiden ersten auf der Höhe der Wand angekommen, das Seil rollt hinunter, den auf halber Höhe angekommenen Kameraden zu helfen. Bald sind auch diese oben.

.'-.:( ;. Zum Überwinden der „ Bösen Wand " brauchen vier gute, mit dem „ Weg " vertraute Kletterer mindestens eine Stunde, Anfänger müssen zwei, drei und mehr Stunden rechnen, sowohl für den Aufstieg wie für den Abstieg. Das Seil muß unbedingt zur Anwendung kommen. Die Expedition vom 15. Januar 1902, sechs Mann, hat zum Überwinden der „ Bösen Wand " über drei Stunden gebraucht, diejenige vom 15. Februar ( vier Mann: Egli, Lussi, Otter, Gwerder ) eine Stunde und zehn Minuten und diejenige vom 20. Februar ( vier Mann: Saxer, Zimmermann, Wehrli und Widmer ) eine Stunde und vierzig Minuten. Am 15. Februar ist dem Träger Gwerder während der ganzen Kletterei die Pfeife nie ausgegangen.

Auf der Höhe der Wand angekommen, heißt es flink die Schuhe wieder angezogen, denn ein heftiger Luftzug zwingt, den Platz so rasch wie möglich zu verlassen. Noch rasch einen Blick auf die in der gähnenden Tiefe noch glimmenden Fackeln und dann fort. Vorbei geht 's an einem zwischen Boden und Decke eingeklemmten, riesenhaften, schwarzen Felsblocke, in einen der größten und schönsten Gänge der Höhle. Dieser sehr gut passierbare Gang erstreckt sich bei einer Breite von 7 bis 8 Meter und ebensolcher Höhe von der „ Bösen Wand " bis 1200 Meter. In einem tiefen Tälchen bei 1050 Meter machen wir gerne einen längern Halt, da wir hier für einige Hundert Meter das letzte Wasser finden, dann wandern wir fröhlich weiter. Bei 1100 Meter erleidet der große Gang einen jähen Unterbruch, ein senkrechter, glatter Felsabbruch von 6 Meter Höhe zieht sich quer durch den Gang, ungeheure Mühlen und tief eingefressene Wasserrinnen führen bis an den Rand. Hier leistet die Leiter vorzügliche Dienste, rasch sind wir unten im großen, prächtig gewölbten „ Keller ". Leicht ist jetzt die Wanderung bis 1200 Meter, bis zum Beginn der großartigsten Partie der „ Hölle ", der „ Alligatorenschlucht ".

Diese Schlucht steigt sehr steil an, ist jedoch verhältnismäßig leicht zu passieren, da an den Stellen, wo geklettert werden muß, ganz ordentliche Griffe vorhanden sind. Äußerst schwierig ist jedoch das obere Ende, hier ist ein Vorwärtskommen ohne eine zirka 5 Meter lange Leiter wohl unmöglich. Die Schlucht wird abgeschlossen durch eine 10 Meter hohe Felswand, die in ihrer untern Hälfte vollständig senkrecht, in der obern Hälfte immer noch gegen 80 ° geneigt ist. Bei dieser Wand haben ohne Leiter alle umkehren müssen, die verwegen die „ Böse Wand " überwunden hatten. Wenige Sterbliche mögen noch den Fuß jenseits der obern Wand der Alligatorenschlucht niedergesetzt haben! Immerhin ist 's schon eine gute Leistung, bis hierher vorgedrungen zu sein. Die Alligatorenschlucht ist auch wie gemacht zu einem würdigen Abschluß einer Höhlenwanderung; etwas Schöneres, Wildromantischeres als diese Schlucht bietet die ganze Höhle, soweit sie bekannt ist, nicht; speziell der Teil der Höhle hinter der Schlucht ist auf viele Hundert Meter so eintönig, Das Höll-Loch im Muotatal.

daß es einen gewöhnlichen Höhlenwanderer nicht zu gereuen braucht, wenn er hier umkehren muß. Einige Bengalflammen, die für diese Partie speziell zu reservieren sind, entschädigen vollauf für die gezwungene Umkehr.

Alligatorenschlucht. 1250 Meter vom Eingang.

Den richtigen Höhlenmenschen freilich schreckt nicht die hohe Wand:

es treibt und reißt ihn fort, rastlos fort in blindem Wagen, an des Berges finstern Ort!

Die Leiter reicht bis zu halber Höhe, bis zu einem etwa handbreiten Gesimse. Der erste hinauf, ohne Rucksack, aber mit Seil, dicht nachfolgend der zweite mit hellleuchtender Laterne. Die obere Hälfte der Wand weist einige Griffe auf, die jedoch vorsichtig auf ihre Solidität geprüft werden müssen. Langsam arbeitet sich der erste hinauf, mit Hülfe Jahrhnch de Schweizer Alpenclub. 38. Jahrg.19 Jos. Otter.

Partie vor dem Seelein. 1450 Meter vom Eingang.

des Seiles ist dann im Nu alles oben, 1260 Meter vom Eingang. Die Leiter kann hier zurückbleiben.

Bei 1430 Meter geht der Hauptgang rechts aufwärts nach Süden, an einem langgestreckten kleinen See vorbei, ein Nebengang geht gradaus und abwärts. Diesen Nebengang hat am 15. März 1901 die Expedition Egli verfolgt, in der Meinung, es wäre der Hauptgang, da der Weg bei dem kleinen Seelein abgeschlossen schien. Der gradausgehende Nebengang wird bald niedrig und stellenweise schlüpfrig; er endigt bei 1600 Meter mit einer feuchten Nische, der „ Nordischen Kammer ", von welcher aus ein sehr enges Loch in der Nordwand ein Durchschlüpfen in einen Kamin gestattet. Die Wände desselben sind mit nassem Lehm bedeckt und so schlüpfrig, daß es äußerst schwierig ist, hinauf-, und noch schwieriger, wieder herunterzukommen. Der Gang verzweigt sich hier in unpassierbare Spalten. Der Rückweg in dieser Sackgasse ist der starken Neigung und der geringen Höhe des Ganges wegen äußerst mühsam, Hände und Füße finden fast keinen Halt.

Im Hauptgange treffen wir bald ein murmelndes Bächlein, das gegen uns herunterfließt, bald auch treffen wir den kleinen See, der wirklich Das Höll-Loch im Muotatdl.

nicht so schlimm aussieht. Es wundert mich, daß Egli sich hat zurückschrecken lassen, der Durchgang ist nicht allzu schwierig. Das Seelein füllt den ganzen Boden des Ganges aus, nur am linken Ufer ist ein kleiner Streifen Fels vom Wasser frei, auf welchem wir uns glücklich vorbeibalancieren. Ohne einige Schuhe voll Wasser geht 's freilich selten ab, denn dasselbe ist so klar, daß es fast unmöglich ist, zu erkennen, ob ein Stein frei liege oder nicht. Die erste schwierigste Stelle kann auch „ umkrochen " werden durch ein enges, schmutziges Loch, das am 15. Januar 1902 von mir zuerst gewählt, dann aber später jedesmal ängstlich gemieden wurde! Boden und Decke waren auch gar zu weich darin!

Nach Passieren des Seeleins geht 's dem Bächlein entlang in einem schönen Gange fast mühelos aufwärts bis 1600 Meter, wo der Quell aus der Stirnwand des Gan- ges bricht. Der Gang selbst geht in scharfem Winkel nach links ab, um bald in großem Bogen wieder nach rechts, nach Süden umzubiegen. Der Gang ist breit und hoch, nur selten ist in einer Vertiefung etwas Wasser vorhanden; immer leicht ansteigend erreichen wir bald die Tropfsteingrotte bei 1800 Meter. Bis hier- her haben wir, mit ge- Übergang über ein Seelein. 1500 Meter vom Eingang.

ringen Ausnahmen beim „ Kreuzweg ", keine Tropfsteinbildungen beobachtet, bei 1800 Meter aber treffen wir eine wunderhübsche Gruppe von „ Riesenspargeln ". In der Dicke von 6 bis 8 cm. und in Form und Farbe schier den Spargeln gleich, sind da einige Prachtsexemplare auf dem Felsen aufgesetzt. Rasch die Kamera bereit gestellt, ein Blitz, und leicht tragen wir die schweren Stücke nach Hause. Weiter! Erst geht 's leicht abwärts und dann in dem bei einer Biegung plötzlich bedeutend enger gewordenen Gang ziemlich steil aufwärts. Eine kleine Felsbarriere ist noch zu überklettern und dann stehen wir bei 2000 Meter im „ Riesensaal ". Dieser Saal hat eine ganz gewaltige Ausdehnung; der Boden ist ziemlich stark geneigt, die Decke durchschnittlich kaum 2 bis 3 Meter hoch, aber von einer Spannweite, wie sie die ganze Höhle bis hierher nirgends aufweist, wohl so zirka 30 bis 70 Meter.

Jos. Oit er.

Bis zum „ Riesensaal " ist die Expedition vom 15. Januar 1902 in zirka 18 Stunden vorgedrungen, am 15. Februar 1902 hat die Expedition Egli, Otter, Lussi und Gwerder für die gleiche Strecke nur 6 Stunden gebraucht.

Im „ Riesensaal " sind wir aber noch nicht an den Endpunkten der Höhle, wenn von solchen überhaupt gesprochen werden kann, das beweist ein ordentlich starker Luftzug. Am obern Ende des „ Riesensaales " gehen gleich drei Gänge auseinander; die zwei nach Südwest führenden werden bald so niedrig und schmutzig, daß kaum darin vorwärts zu kommen ist, diese Gänge sind noch nicht erforscht. Der dritte Gang geht südwärts in die Höhe. Derselbe ist ganz hübsch und trocken, wird aber bald stellenweise so niedrig, daß das Vordringen äußerst mühsam wird. Zuletzt kriechen wir ohne Rucksack nur noch auf dem Bauche vorwärts und landen schließlich in einer kleinen Nische, von der aus der Gang in einer so niedrigen Spalte seine Fortsetzung findet, daß kaum der Kopf hineinzubringen ist. In diesem Gange also bis hierher und nicht weiter! Der Wind heult und pfeift hier durch die Spalte, daß es nur so eine Art hat! Wir malen noch unsere Firmatafel hin und dann konzentrieren wir uns rückwärts zum „ Riesensaal ". In diesem Gange treffen wir überall prächtige Tropfsteinbildungen, teils 50 bis 80 cm. hohe auf dem Boden stehende, teils 20 bis 30 cm. lange von der Decke herunter hängende Zapfen, mit welch letztern unsere Köpfe hie und da ganz unerwünschte Bekanntschaft machen. Auch Blätter und Bänder, oft fast vollständig durchsichtig, zieren ziemlich zahlreich die Decke des Ganges.

Vom „ Riesensaal " aus geht der größte Gang nach Nordost, bei 2100 Meter teilt er sich wieder, der Gang nach rechts ist schmutzig und noch nicht erforscht. Schon bei der Höhlenfahrt vom 15. Januar 1902 haben wir bis zum „ Riesensaal " Spuren von der Anwesenheit von „ Höhlenbären "

gefunden, am 15. Februar 1902 haben wir sie beim Abwärtsschreiten ( Nordost ) wieder entdeckt. Der Felsboden ist feucht, vom „ Riesensaal " aus ziemlich stark abfallend und erheischt große Vorsicht. Etwa bei 2050 Meter, kurz nach der steilsten Stelle — der Gang ist hier sehr breit und hoch — finden wir einen Stein-Tropfsteine. 2150 Meter vom Eingang.mann, der von unsern Das Höll-Loch im Muolatal.

Vorgängern erbaut worden ist, doch gibt leider keine Karte über die Namen der Wanderer Auskunft. Immer sanft abwärts geht 's in dem schönen Gang, von 2100 Meter an folgen wir dem nach Nordost führenden Arme. Ein kleines Trümmerfeld wird überklettert, und dann betreten wir die regelmäßigste Partie der Höhle: einen Gang von 4 bis 5 Meter Breite und etwa 4 Meter Höhe, sauber und glatt wie von Menschenhand geschaffen. Der prächtige Gang erstreckt sich von 2150 bis 2300 Meter; ein wahres Vergnügen ist 's, darin ruhig und bequem weiterbummeln zu können wie auf einer Straße. Bei 2300 Meter verändert sich der Gang, er wird für kurze Zeit wieder wilder, ein angeschwemmter großer Sandhaufen zeigte am 15. Februar 1902 ganz deutliche Fußspuren, wir stießen auch hier auf einen zweiten Steinmann. Im Dorfe hat man uns erzählt, daß ein Ingenieur ( Villarsim Sommer 1901 wahrscheinlich am weitesten im Höll-Loch vorgedrungen sei und daß er etwa 100 Meter vor dem Ende seiner Fahrt einen Steinmann errichtet habe. Es kann nun das kein anderer sein, als der bei 2300 Meter, denn 100 Meter weiter ( die Fußspuren reichten im feuchten Sande etwa bis Tropfsteine. 2200 Meter vom Eingang.

2360 ) wird der Gang bedenklich, und ist es leicht begreiflich, wenn hier umgekehrt wird! Der Gang nimmt von 2350 Meter an geradezu riesenhafte Dimensionen an, er hat eine Breite von 10 bis 12 und eine Höhe von gegen 15 Meter. Wer diesen Gang nicht mit eigenen Augen gesehen hat, begreift nicht, welch überwältigenden Eindruck er hinterläßt; wie winzig klein kommen wir Zwerge uns darin vor! Langsam nur, bewundernd rücken wir vor bis etwas über 2400 Meter, wo uns die starke Neigung des Ganges Halt gebietet. Der Boden ist schon seit einiger Zeit fast spiegelglatt, nur hie und da von einer dünnen Schicht nassen Sandes bedeckt; unsere Laternen leuchten vereint in die schauerliche Tiefe, soweit wir sehen können, der gleiche ungeheure Gang mit einer Neigung von 45 bis 50°, der Boden wie poliert, so daß der Fuß absolut keinen Halt mehr findet. Aber hinunter müssen wir doch! Wir binden drei Seile von zusammen etwa 90 Meter Länge aneinander, befestigen das Ganze an einem Felszacken, und dann geht 's per Rutschbahn sanft und leicht in die unterste Unterwelt. Ein senkrechter Felsabbruch kann an der linken Seite des Ganges leicht passiert werden, das Seil reicht, bis der Fuß wieder sichern Halt findet. Leider bringt uns aber die Rutschpartie viel zu rasch an ein ganz unerwartetes Ende, ein ungeheurer Kieshaufen füllt den Gang allmählich an, der Boden nähert sich immer mehr der Decke, und bei 2560 Meter ist absoluter Schluß dieses größten Ganges, Decke und Boden berühren sich, in der Ecke ruht wohlverborgen ein klares, winziges Seelein. Auch hier haben wir am 15. Februar 1902 als erste unsere Firma hingemalt.

Turnen wir wieder in die Höhe und treten wir den Rückmarsch an. Bei 2400 Meter finden wir nachträglich die ersten lebenden Wesen: Hunderte von Regenwürmern; im August haben wir solche auch bei der Sandhalde 700 Meter gefunden. Am 15. Februar 1902 war der ganze große Gang bis zum „ Riesensaal " von einem leichten Nebel erfüllt, so daß leider einige Photographien mißlungen sind. Schade darum!

Für den Rückweg sind vom „ Riesensaal " aus mindestens 7 bis 8 Stunden in Aussicht zu nehmen, denn wer so weit vorgedrungen ist, wird ganz außerordentlich müde und abgespannt, es ist deshalb auch vermehrte Vorsicht geboten. Schwierig zu passieren, jedoch immer nur für den letzten, sind speziell die obere Wand der „ Alligatorenschlucht " und die „ Böse Wand ". Die Leiter ist bei ersterer wieder sehr bequem, und doch hält uns die Schlucht längere Zeit auf, denn wir beleuchten sie von oben und unten wohl ein Dutzend Mal mit grünen und roten Bengalflammen. Immer sind wir einig, daß es in der ganzen Höhle keine herrlichere Partie gibt, nur schwer können wir uns davon trennen! Der Keller bietet keine Schwierigkeit, die „ Böse Wand " ist und bleibt böse, sie hält uns ebenfalls sehr lange auf. Mann für Mann wird am Seil mit dem Gepäck auf dem Rücken sorgfältig hinuntergelassen; dem letzten helfen die Kletterschuhe und wieder das um einen dazu wie gemachten Felszahn doppelt gelegte Seil. Beim Nagel wird das Seil heruntergeholt, wieder umgelegt und bald landet auch der letzte auf sicherem Boden.

Der weitere Rückmarsch bietet keine größern Schwierigkeiten mehr, große Vorsicht erheischen nur noch die Abstiege bei der Kapelle und beim Kamin. Hier ist es unbedingt zu empfehlen, daß wenigstens der erste sich durch das Seil sichern läßt; mit Hülfe des zuerst Abge-stiegenen, der vor allem für richtige Beleuchtung zu sorgen hat, können die übrigen leicht nachfolgen. Von der Kapelle bis zum Kamin haben wir am 15. Februar 1902 einen allerdings unwillkommenen, unfreundlichen Gruß von der Oberwelt erhalten: Ein eisig kalter Wind schlug uns entgegen, sogar ganz feiner Schneestaub flog uns hier, 500 bis 350 Meter vom Eingang, ins Gesicht. Mühsamer, langsamer wird der Marsch, jede Steigung macht uns fast verdrießlich, ganz gehörig ärgern lassen wir uns aber von der für unsere müden Beine ganz perfiden Kieshalde nach der „ Bösen Ecke ", Dolomitenhalle — Kreuzweg — nach langer Nacht blinkt uns das Tageslicht entgegen und freudig begrüßen wir das tiefverschneite Tal!

Die über den „ Riesensaal " hinausgehenden Expeditionen sind wohl die längsten, die jemals in schweizerischen Höhlen unternommen worden sind. Sie haben die Wahrscheinlichkeit ergeben, daß das Höll-Loch in Spalten gegen die Bödmeren- und Silberenalp ausgeht. Immerhin gibt es noch eine ganze Anzahl Gänge und Spalten in der obern Etage, die der Erforschung wert sind, und es ist nicht vollständig ausgeschlossen, daß so ein neugieriger Erdenwurm einmal irgendwo ans Tageslicht kriecht.

Im August 1902 hat der bekannte französische Höhlenforscher, Herr Professor Martel, dem Höll-Loch einen Besuch abgestattet und soll dabei den Ausspruch getan haben, das Höll-Loch müsse drei Etagen besitzen, wovon die unterste das Bachbett des sogenannten „ Schleichenden Brunnens " sei. Diese Behauptung war verhältnismäßig leicht aufzustellen, denn bei seinem Besuche waren längst die „ Wanderungen im Höll-Loch " erschienen, laut welchen eine ähnliche Tatsache bereits am 3. Januar 1902 von sechs Zürchern praktisch nachgewiesen worden war! Herr Professor Martel, der übrigens nur bis zum Kamin, d.h. 350 Meter vorgedrungen ist, soll bei dem Anlaß auch gesagt haben, nach seinen „ Berechnungen " müssen in den untern Etagen Stalaktiten bis zu 30 und 40 Meter Höhe vorkommen. Eine solche „ Berechnung " erscheint mir nun von äußerst zweifelhaftem Wert, denn in der ganzen bis jetzt bekannten Höhle hat es verhältnismäßig wenig Tropfsteine, einigermaßen zahlreiche erst in der Gegend des „ Riesensaales ". Zudem weist die ganze bis jetzt bekannte Höhle keinen Raum auf von einer direkten Höhe von 30 Meter, den Schacht beim Kamin ausgenommen, es kann also mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß auch die untern Etagen keine Räume besitzen, die Platz bieten für solche Riesenstalaktiten. Der Schacht beim Kamin ist am Fuße zirka 680 Meter über Meer, d.h. nur noch etwa 40 Meter über dem „ Schleichenden Brunnen ".

Wir wollen nun noch kurz die zweite Etage ansehen, soweit sie bekannt ist; vollständig erforscht ist sie noch lange nicht, denn die zwei vorhandenen Zugänge sind so schwierig und zeitraubend, daß vielleicht noch Jahre bis zu ihrer vollständigen Erforschung vergehen werden. Die dritte Etage, d.h. das vermutliche Bachbett des „ Schleichenden Brunnens ", ist bis zum 1. Februar 1903 noch nicht erreicht worden. Der leichtere Zugang zur zweiten Etage befindet sich beim Kreuzweg. Der von letzterem Punkte aus leicht ansteigende Gang wird immer enger, zuletzt hat man sich mit Mühe und Not zwischen den Felsen durchzuzwängen. Etwa 100 Meter vom Eingang hört der Gang auf, dafür öffnet sich im Boden eine kolossale Spalte, die mit einer Neigung von durchschnittlich GO° in die Tiefe geht. Die Spalte ist in ihrem oberen Teile eng, nur 50 bis 100 cm. weit, dann erweitert sie sich beträchtlich, wird aber auch steiler. Ab- und Aufstieg können nur mit Hülfe des Seiles ausgeführt werden, das 30 Meter weit hinunterreichen muß. Vom Endpunkte des Seiles aus gehen mehrere Gänge auseinander, der eine, scheinbar größte der zweiten Etage führt mit ungefährer Richtung auf den „ Schleichenden Brunnen " noch mehr in die Tiefe; der am längsten verfolgte Gang hält die allgemeine Richtung der obern Etage ein. Dieser Gang ist im allgemeinen sehr sauber, aber lange nicht von der Höhe und Breite des obern Hauptganges; die Möglichkeit, daß größere Hohlräume und schwierige Kletterpartien auch in der zweiten Etage vorhanden sind, ist immer noch offen, denn es hat noch niemand diese Gänge mehr als einige Hundert Meter weit begangen. Der riesige Schacht beim Kamin, der am 24. August von Egli und Otter zum erstenmal passiert wurde, mündet in den von der Spalte beim Kreuzweg herkommenden Gang. Der Abstieg durch diesen Schacht ist nicht sehr empfehlenswert und darf nur mit Hülfe starker Seile gewagt werden, zudem muß jemand oben bleiben, um den wieder Hinaufklimmenden zu helfen. Der Schacht ist ziemlich genau 30 Meter tief und nahezu senkrecht; Ab- und Aufstieg sind wohl nur möglich in der dem Eingang der Höhle zugekehrten Ecke. Da die untere Etage noch wenig bekannt ist, so beschränke ich mich auf diese kurze Notiz. Die noch in Aussicht genommenen Expeditionen werden mit dem bereits Bekannten es ermöglichen, daß ein genauer Plan mit Beschreibung im nächsten Jahrbuche erscheinen kann.

Die Erforschung dea Höll-Loches, die Begehung seiner langen Gänge erfordert viel Zeit und Geduld. Eine Forschungsreise mit dem schwer bepackten Rucksack auf dem Rücken verlangt ausdauernde, gesunde Leute, die sicher auf den Fülien sind und gut klettern können. Der Besuch des Höll-Loches ist nicht ungefährlich, und hat jede Expedition sich auf alle Eventualitäten gehörig vorzusehen. Der Gefahren bei einer Höhlenwanderung sind verschiedene: Einsturz eines Ganges, Verirren, Knochenbrüche oder Verstauchungen und die schlimmste: Rascher, nicht vorauszusehender Einbruch von Wasser und damit Verlegen des Rückweges.

Der Einsturz eines Teiles der Höhle erscheint mir von geringer Bedeutung, die Decke besteht überall aus hartem Fels, und es würden abstürzende Blöcke wohl immer wieder eine Lücke offen lassen, zum Durchschlüpfen, auch das Verirren erscheint mir jetzt fast unmöglich, sofern sich der Wanderer nach den von uns von 50 zu 50 Meter angemalten Distanzmarken und bei Verzweigungen nach den roten Pfeilen umsieht. Der gewöhnlich starke Luftzug, im Winter nach innen, im Sommer nach außen, dürfte schließlich als sicherer Wegweiser dienen. Ängstliche Gemüter mögen sich zu ihrer Beruhigung eines am Eingange anzubindenden Fadens bedienen. Weit schlimmer schon als Einsturz und Verirren wären eventuell vorkommende Unglücksfälle durch Absturz an einer der zahlreichen dazu „ geeigneten " Stellen. Der Transport eines Mannes mit gebrochenem Bein müßte außerordentlich schwierig sein. Es ist deshalb dringend anzuraten, auch bei scheinbar harmlosen Stellen größte Vorsicht walten zu lassen. Die weitaus größte Gefahr aber besteht in dem Eindringen von Wasser. Dieser Gefahr ist man zu jeder Jahreszeit ausgesetzt, man kann sie aber leicht vermeiden, wenn man bei regnerischer Witterung den Besuch unterläßt. Im Winter ist die Wassersgefahr naturgemäß bedeutend kleiner als im Sommer; bei großer Kälte kann eine Expedition unbedenklich auf 30 und mehr Stunden ausgedehnt werden. Ganz unverantwortlich aber ist es, bei Tauwetter, wie z.B. am 2. Januar 1903, die Höhle zu besuchen, d.h. einen vielstündigen Aufenthalt darin in Aussicht zu nehmen. Die Folge dieses Besuches war denn auch die, daß die Teilnehmer bei der „ Bösen Ecke " den Ausgang vom Wasser verschlossen fanden, zu ihrem Glücke nicht vollständig, so daß sie, immerhin erst nach vielen Stunden Hangens und Bangens, von der Bevölkerung des Muotatals herausgefischt werden konnten. Im Sommer sollte auch bei gutem Wetter keine Wanderung länger als 10 bis 15 Stunden ausgedehnt werden, denn noch sind die Geheimnisse der Höhle nicht alle bekannt, noch weiß kein Mensch, wie es im Innern aussieht, wenn der Höllbach läuft! Ich bin überzeugt, daß zeitweise der größte Teil des Höll-Loches überschwemmt wird, denn der Zustand der Höhle im Sommer, z.B. am 24. August, war ein derartiger, daß ein anderer Schluß gar nicht gezogen werden konnte. Der dicke Schlamm, den wir an verschiedenen Stellen gefunden haben, und der größere Strecken weit den ganzen, stark geneigten, zerrissenen Boden mehrere Centimeter hoch bedeckte, kann von nichts anderem herrühren, als von einer langsam ablaufenden großen Wassermasse. Die zahlreichen Spuren unseres ersten Biwaks im Winter 1901/1902 sind letzten Sommer verschwunden, ein im untern Viertel des tiefen Schachtes beim Kamin deponiertes, fest eingeklemmtes Büchlein ist mindestes 150 Meter weiter dem Eingang zu ( untere Etage ) gefunden worden. Die „ Alligatorenschlucht ", 1200 bis 1260 Meter vom Eingang, konnte seit dem 20. Februar 1902 nicht mehr passiert werden, weil bei Keller ( 1100 Meter ) und „ Alligatorenschlucht " angesammelte Wassermassen ein Vordringen verhinderten.

Ich bin nun allerdings der Ansicht, daß man nicht alle Jahre die gleich ungünstigen Verhältnisse antrifft, in trockenen Sommern mögen wohl alle diese Wasseransammlungen verschwinden; trotzdem aber glaube ich, davor warnen zu müssen, im Sommer eine Exkursion länger als 10 bis 15 Stunden auszudehnen, d.h. bis über die „ Alligatorenschlucht " hinaus vorzudringen. Es wird noch viele Jahre gehen, bis das Höll-Loch vollständig bekannt ist und bis man sich ganz ruhig seinem finstern Schöße anvertrauen darf. Immerhin verdient die prächtige Höhle, daß sie auch von Alpenclubisten während der „ gipfellosen " Winterszeit regen Besuch erhält; das in dieser Unterwelt notwendige Turnen und Klettern wird Kraft und Gewandtheit vor dem Einrosten schützen.

Ein Glückauf! den Wanderern im Höll-Loch!

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