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Die Sprachgrenzen in den Alpen

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A. Wäber.

Die Sprachgrenzen in den Alpen Von Wie die Alpen die grosse Wasserscheide zwischen den Gebieten der Nordsee, des Schwarzen und des Mittelmeeres bilden, so scheinen sie auf den ersten Blick auch, als die wichtigste Sprach- und Völkerscheide des westlichen Europa, Germanen, Romanen und Slaven scharf von einander zu trennen.

Auf ihrem nördlichen Abhänge haben sich Völker deutscher Zunge angesiedelt; auf dem westlichen Franzosen; den Südabfall bewohnen Italiener und Furlaner; in die östlichen Thäler sind Wenden oder Slovenen eingedrungen. Nur im Herzen des Alpengebietes, in den Quellthälern des Rheines und des Inn und in ein paar Thalschaften Tirols, haben sich, zwischen Deutschen und Italienern eingeklemmt, Ueberreste der einst weithin verbreiteten Rhäto-Romanen erhalten.

Verfolgen wir aber die vielfach gewundenen Linien der heutigen Sprachgrenzen bis zu ihren letzten Verschlingungen, so ergibt sich bald, dass die Uebereinstimmung zwischen Wasser- und Sprachscheiden nur eine scheinbare ist, dass die Kämme der Alpen die Yölker und Sprachgebiete weit weniger scharf von einander trennen, als die Stromgebiete, und dass die heutigen Sprachgrenzen, von den früheren zu schweigen, den natürlichen Grenzen ebensowenig durchweg folgen, wie den politischen.* ) Es sind nun ungefähr anderthalb Jahrtausende verflossen, seit die Wogen der Völkerwanderung an die-Alpen schlugen und hochaufbrandend da und dort ihre Kämme überflutheten. Die Wogen haben sich längst gelegt, aber die Spuren der Ueberfluthung finden wir noch an vielen Stellen der Alpen. Wohl sind unter dem Einflüsse italischer Kultur Germanen, Kelten und Slav'en zum Theil romanisirt worden; aber hart daneben finden wir noch bis in unsere Tage zäh an der altea Sprache und den alten Sitten hängende Thalschaften, ja sogar vereinzelte Dörfer, welche, obwohl von den-Sitzen der Stammesgenossen oft durch weite Landstriche, häufiger durch hohe unwegsame Gebirge geschieden, ihreStammeseigenthümlichkeiten fast rein erhalten haben. Erst der neuesten Zeit mit ihrer nivellirenden, allen Besonderheiten feindlichen Staatsidee war es beschieden, mit Hülfe der Kirche, der Schule und des Militärdienstes die Ausgleichung dieser Gegensätze wenn nicht durchzuführen, so doch anzubahnen. Aber selbst da, wo die alte Sprache verklungen ist, bewahrt oft noch die Volkssitte und Sage treu die Spuren der einstigen Volksgenossenschaft.

Dieses Uebergreifen der Völker und Sprachen sowohl über die natürlichen wie die politischen Grenzen, diese Sprachinseln und, sit venia verbo, Sprachhalbinseln sind es, welche die jetzigen Sprachgrenzen so verworren erscheinen lassen. Nicht, wie diese Grenzen historisch so geworden sind, sondern wie sie thatsächlich heute verlaufen, diess in grossen Zügen darzulegen, ist die Aufgabe dieser Zeilen. Die historische Seite der Frage wird nur in so weit berührt werden, als das Verständniss der heutigen Grenzen es erfordert.

Wer die Ureinwohner der Alpen gewesen sind, wissen wir nicht. Ein grosser Theil des Alpengebietes mag wohl noch zur Zeit der römischen Weltherrschaft gar nicht oder nur spärlich besiedelt gewesen sein. Die ersten geschichtlichen Ueberlieferungen weisen uns auf Umbrer, Ligurer, Taurisker, Illyrier u. s. w. zurück, die am südlichen Rande des Gebirges sassen und allmälig im Kampfe um 's Dasein auch in die inneren Thäler gedrängt wurden. Zwar können wir auch diese nur als eingewanderte, nicht aber als autochthone Alpenbewohner betrachten, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass schon vor ihnen die Thalgrunde unserer Gebirge theilweise besiedelt waren; aber was wir von vorhistorischen Alpenvölkern wissen oder vermuthen, beschränkt sich auf unsichere, schwache Spuren. Nur die zahlreichen, in allen Gegenden der Alpen heimischen Sagen von Zwergen, Trollen, Waldmenschen, wilden Leuten, die in den meisten Gegenden übereinstimmend als klein und hässlich geschildert werden, scheinen auf eine frühere, vielleicht den heutigen Lappen ähnliche, Bevölkerung hinzuweisen, welche, aus den zahmeren Gegenden durch siegreiche Einwanderer vertrieben, in den unwegsamen Wildnissen und Klüften des Hochgebirges « ine unwirthliche Zufluchtsstätte fand und dort wohl, wie etwa heutzutage die Indianer der Felsengebirge, nach und nach ausstarb. Geschichtliche Kunde von Alpenvölkern geben uns erst die römischen und römisch-; griechischen Historiker und Geographen und zwar genauere erst von der Zeit an, in welcher die Bewohner des Hochgebirges mit der weltbeherrschenden Tiber-stadt in kriegerische Berührung kamen.

In zahlreiche Stämme getheilt sassen zur Zeit der Kömerherrschaft Kelten am West-, Nord- und Südabhang der Alpen; die meisten früheren Alpenvölker, Ligurer, Umbrer u. s. w., hatten sie sich botmässig gemacht und sich mit denselben verschmolzen, die " widerspänstigen Rhätier in das Hochgebirge gedrängt. Nur im Osten der Alpen behaupteten illyrische Völker, Breuner, Veneter u.a., ihre alten Sitze. Alle aber, Sieger wie Besiegte, mussten früher oder später dem Joche Rom's sich beugen und nahmen Sprache und Sitte der Herrscher an.

Als nun zur Zeit der Völkerwanderung germanische Stämme, von ihren östlichen Nachbarn sia vischen und finnischen Stammes gedrängt, sich wie ein mächtiger Strom nach West und Süd ergossen, da brach vor ihrem Anprall das morsche Römerreich zusammen und die Sieger setzten sich in dem eroberten Lande fest, hier die römisch-keltischen Bewohner verdrängend, dort sich mit ihnen vermischend. Alemannen und Sueven drangen vom Rhein und der Donau her trotz römischer Kriegs-gewandtheit und Befestigungskunst schon im 3. und 4. Jahrhundert bis zum Rande des Gebirges vor; aber erst als in der Schlacht von Zülpich ( 496 ) ihre Macht durch den Frankenkönig Chlodwig gebrochen worden, siedelten sie sich unter dem Schütze Theodorichs des Grossen zwischen Aare und Lech, Tosa und Etsch auch im Innern der Alpen, im alten Rhätien, an. Burgunder von zahmeren Sitten besetzten den Nordwestabfall von der Isère bis zur Aare, mischten sich mit Kelten und Romanen und empfingen von ihnen mit römischer Kultur zugleich römische Sitte und Sprache. Nur wenige derselben, in abgelegenen Gegenden angesiedelt, mögen sich der Romanisirung entzogen haben. Der Grenz-strich zwischen beiden Stämmen, das Land zwischen Aare und Saane, blieb lange Zeit wüst und öde, ein Uechtland. Aber auch in diesem siedelten sich in der Folge alemannische Einwanderer an. Wohl wurde die Grenze zwischen dem alemannischen Herzogthum und den burgundischen Ländern lange Zeit durch die Aare gebildet und rückte unter den Merovingern gar nach Osten bis zur Reuss und der Wasserscheide zwischen dieser und der Aare zurück, aber die politische Grenze war nicht die Volksgrenze. Erst jenseits der Saane und Sense zeigen sich in der Hochebene rein burgundische Dörfer; im Alpenlande, wo sich vielleicht beide Stämme gemischt haben, tritt allerdings schon im Aarethal, häufiger in den Thälern der Saane und Simme, das burgundische Haus neben dem alemannischen auf.

32 — Oestlich vom Lech endlich schlugen unter illyrischen Breunern und Noriern germanische Bajuvaren ihre Wohnsitze auf und vermischten sich mit den Unterworfenen.

Im Süden der Alpen h'atten die Ostgothen am Ende des 5. Jahrhunderts ein mächtiges Reich gegründet, das, durch Theodorich mit fester und doch milder Hand regiert, zu kurzer Blüthe gelangte, aber, von den schwächeren Nachfolgern des gewaltigen Dietrich von Bern gegen die vereinigten Anstürme der Lateiner und Byzantiner mit mehr Muth als Glück vertheidigt, schon 555 in sich zusammenbrach. So wichtig die Rolle der Ostgothen im 5. und 6. Jahrhundert am Südrande der Alpen war, so spärlich sind die Spuren, " die sie in der Bevölkerung der Alpen hinterlassen haben. Was von den ( rothen nach der Schlacht am Vesuv nicht fortzog, mag sich mit anderen Stämmen verschmolzen haben oder romanisirt worden sein. Nur im tirolischen Burggrafen-amte, im Ulten- und Sarenthai, im Passeyer, Schnals und im untern Vintschgau ( und wohl auch in den deutschen Gemeinden des Nonsberges ) ist nach F. Dahn das stattlich schöne Volk zugleich deutscher Zunge und gothischer Abstammung.

Den Ostgothen folgten die Langobarden, welche unter Albuiu 568 Oberitalien eroberten und ihr Reich mehr als zweihundert Jahre behaupteten. Auch diese haben germanische Sprache und Sitte nicht zu wahren gewusst, der Sieger nahm die Kultur des Besiegten an, und nur die paar deutschen Sprachinseln im ver-welschten Südtirol, die VII Communi in den Trientiner, die XIII Communi in den Lessinischen Alpen und vielleicht die deutsche Gemeinde Sauris in Friaul mögen von germanisch gebliebenen Langobarden sich herschreiben.

Im Grossen und Ganzen ist also die jetzige deutsch sprechende Bevölkerung der Alpen alemannischen und baju vari sehen Stammes, allerdings nicht ohne Beimischung illyrischer und rhätischer Elemente. Wissen wir ja doch, dass z.B. die rhätische Sprachgrenze noch im Mittelalter weit draussen im jetzt germanisirten Lande verlief und das jetzt deutsche Prättigau noch im 16. Jahrhundert romanisch war. Ein sehr geringer Bruchtheil der deutschen Bevölkerung fällt auf Burgundionen, welche entweder an der Grenze der Alemannen ihre germanische Sprache gewahrt oder, nachdem sie dieselbe eine Zeit lang gegen römische Laute vertauscht, wieder erlangt haben, und auf die vereinzelten germanisch gebliebenen Langobarden und Gothen. Die Mehrzahl dieser drei Stämme müssen wir im französischen und italienischen Sprachgebiete suchen. Nur beiläufig sei hier der anmuthigen, aber historien durchaus unhaltbaren Sage vom schwedischen und friesischen Herkommen der Oberhasler, Urner, Schwyzer und Unterwaldner gedacht.

Die romanischen Völker der Alpen sind im Westen Franzosen, im Süden Italiener und Ladiner, im Südosten Furlaner. Jene sind der Abstammung nach Keltoromanen, mit Ligurern und Burgundionen amalgamirt. Ob die Alpendialecte, die im Waadtländer Oberlande und in den Greyerzerbergen, im Unterwallis, in Savoyen und Dauphiné und im Gebiet der Dora Baltea gesprochen werden, zur Langue d' oïl zu rechnen sind, oder zur Iianguè d' oc, wie Gatschet es annimmt und Berghaus es auf seiner Sprachkarte von Frankreich verzeichnet, das mögen die Sprachforscher unter sich ausmachen. Der Klangfarbe nach wäre man jedenfalls versucht, diese wohllautenden Dialecte mit ihren kräftigen Endungen der volltönenden Provençalischen Sprache zuzuweisen.

Die Italiener der Alpen sind im Grossen und Ganzen — auf die früher selbstständigen. Völkerschaften der Salasser, Lepontier u. s. w., die schon vor der Römerzeit keltisch geworden sind, brauchen wir hier nicht weiter Rücksicht zu nehmenKeltoromanen, gemischt mit romanisirten Langobarden und Illyriern. Der Ursprung der Rhätoromanen oder Ladiner Graubündens, Grödens und Ennebergs ist immer noch nicht vollständig aufgehellt. Manche Forscher schreiben ihnen keltische, andere tuskische Abstammung zu; ihre Sprache zerfällt in das Romansch der Rheinthäler und das Ladin des Inn- und Etschgebietes. Früher weit über das heutige Gebiet hinaus verbreitet, ist sie vom Deutschen und Italienischen auf wenige kleine Landschaften zusammengedrängt worden, die neben den Gebieten der Hauptsprachen als unbedeutende Sprachinseln erscheinen. Das vierte der dem romanischen Sprachstamme angehörenden Alpenvölker, die Furlaner oder Friauler, welche sich von der Wasserscheide zwischen Piave und Livenza nach Osten bis zum Isonzo ausdehnen, stammt von den keltischen Karnern ab. Ihre Sprache, dem Ladin ähnlich auf keltoromanischer Grundlage ruhend, verräth, wie jenes, den Einfluss des Deutschen, daneben aber auch den der slovenischen Sprache, welche in den südöstlichen Thälern der Alpen dem Deutschen die Herrschaft streitig macht. Die Slovenen, Wenden oder Winden, dem slavischen Sprachstamm angehörend, wanderten, von den Avaren aus den Ebenen Pannoniens vertrieben, am Ende des 6. Jahrhunderts in die Alpen ein und schoben sich allmälig von der Windischen Mark nach Norden bis zur Mur, nach Westen bis zum Isonzo vor. Mit diesen ist der Kreis der Alpenvölker geschlossen, denn weder Magyaren noch Saracenen haben, wenn sie auch im 9. und 10. Jahrhundert häufig die Alpenthäler durchstreiften und ihre Joche überschritten, bleibende Ansiedlungen zurückgelassen. Nur ein paar Namen des Alpengebietes, die Montagnes des Maures im französischen Departement Var, der Monte Moro zwischen dem Anzasca- und dem Saasthal und die arabischen Ortsnamen der letzteren zeugen heute noch von den Raubzügen der Saracenen.* ) Auch die Magyaren haben sich trotz ihrer vielen Züge durch das Alpenland nirgends bleibend nieder- gelassen, denn für die sagenhafte ungarische Abstammung der Bewohner des Eifischthales im Wallis gibt es ebenso wenig geschichtliche Anhaltspunkte, wie für die saracenische der Sinser im Unterengadin. Den Söhnen der weiten Puszta waren die Alpenthäler zum bleibenden Wohnsitz zu eng, wie denn auch heute noch die Magyaren selbst im eigenen Lande das Hochgebirge meiden und die Thäler der Tatra und der Karpathen deutschen und slavischen Ansiedlern überlassen.

Wir finden also im Alpengebiete nur die drei Hauptzweige des indogermanischen Sprachstammes, Deutsch, Romanisch und Slawisch. Die Grenzen zwischen diesen drei Sprachgebieten verlaufen nun, wie bereits angedeutet, oft in ganz eigenthümlicher Weise, weder den Wasserscheiden noch den Staatsgrenzen entsprechend. Durchgehen wir dieselben, der Krümmung des Alpenbogens folgend, von Westen nach Osten.

I. Die französisch-italienische Sprachgrenze beginnt am ligurischen Meere zwischen Vintimiglia und St. Remo, folgt eine kurze Strecke der Roja und wendet sich dann nach Nordnordwesten zum Mont Ciapier und zur Stura, welche sie unweit Demonte erreicht; von hier an durchschneidet sie, nach Norden gerichtet, im Allgemeinen dem 5.° östlicher Länge von Paris folgend, die Thäler der Maira und Varaita, des Po, Pellice und elusone bis zum Mont Freydour nördlich von Pignerol, wo sie nach Nordwesten umbiegt und schief über das Thal der Dora Riparia den Mont Ambin westlich von Susa erreicht. Von hier an mit den natürlichen und politischen Grenzen auf kurze Zeit übereinstimmend zieht sie sich über den Mont Cenis zur Roche Melon, wendet sich bei dieser nach Norden zur Levanna und verläuft dem Hauptkamm der Grajischen Alpen folgend bis Pont St. Martin im Thal der Dora Baltea und zur Becca di Nona, von wo sie, der Grenzkette zwischen Val Gressoney und Val Andorna nach, nördlich zum Col de Torion ansteigt. Einst war die südliche Hälfte des Gressoneythales, wie dies die Ortsnamen beweisen, durchaus französisch, und bei dem Dorfe Issime begann das deutsche Sprachgebiet. Jetzt ist das Italienische in das Thal eingedrungen und statt Issime, das nach der Zählung von 1857 unter 1392 Einwohnern nur noch 357 Deutsche zählte, ist nun Gaby das unterste deutsche Dorf. Bei der italienischen Volkszählung von 1871 sind die Sprachverhältnisse leider nicht berücksichtigt worden.

Während seit 1860 die französisch-italienische Staatsgrenze mit Ausnahme eines kleinen Stückes in den Seealpen überall mit der Wasserscheide zusammenfällt, weist die Sprachgrenze die oberen Thalstufen des Pogebietes dem französischen Sprachgebiete zu; wie überall, ist selbstverständlich auch hier die Scheide zwischen beiden Sprachen nur da eine scharfe Linie, wo sie mit den natürlichen Grenzen zusammenfällt; ebenso versteht es sich von selbst, dass die herrschende Sprache des Staates allmälig die ausländische zurückdrängt. So liesse sich wohl nicht ohne Grund das früher französische Gebiet der italienischen Provinzen Cuneo und Porto Maurizio jetzt als zweisprachig bezeichnen. Zäher dagegen scheinen an der französischen Sprache die Waldenserthäler und, mit Ausnahme des südlichen Gressoney, der Bezirk Aosta der Provinz Turin festzuhalten.

Die deutsch-französische Sprachgrenze schliesst sich am Col de Torion östlich von Issime an die vorige an, zieht sich quer über das Thal zum Mont Flou, folgt der Kette des Grauhauptes, erreicht bei den Zwillingen den Hauptkamm der Walliseralpen und folgt diesem westlich- bis zur Dent d' Hérens, bei welcher sie sich nach Norden wendet, um über das Weisshorn, die Bella Tola und das Illhorn bei Pfyn ( lat. ad fines, Grenze zwischen Helvetien und Rhätien ) das Rhonethal zu erreichen. Das zu zwei Drittel deutsche Siders durch eine westliche Ausbuchtung umschliessend zieht sie sich von hier aus nördlich zum Wildstrubel, folgt dem Kamm der Berneralpen bis zum Oldenhorn, dann der bernisch-waadtländischen Grenze bis zur Dent de Ruth, wendet sich hier nach Nordwesten und verläuft, das obere Jaunthal rechts lassend, über Hohmatt und Schopfenfluh zur Berra und nach Freiburg, wo sie den unteren im Thal der Saane gelegenen Stadttheil dem deutschen, den oberen auf dem Plateau dem französischen Sprachgebiete zuweist. Sie überschreitet also sowohl die Wasserscheide zwischen Rhone und Po, wie diejenige zwischen Rhone und Rhein.

Die deutsch-italienische Scheidelinie zerfällt durch die in sie eingeschalteten Iadinischen Sprachinseln in drei Theile. Der westliche, welcher sich am Col de Torion an die französisch-italienische Sprachgrenze anschliesst, folgt der Wasserscheide zwischen dem Lysbach und dem Cervo bis zum Corno bianco, umschliesst am Ostabhang des Monte Rosa die deutschen Gemeinden Alagna im Sesiathale und Macugnaga im Val An- zasca, zieht sich vom Joderhorn am Monte Moro der Landesgrenze nach bis zum Ofenhorn, dann nach Südost um das obere Formazzathal und die deutsche Tessinergemeinde Gurin zum Sonnenhorn und Piz Biela und verläuft endlich, der Landesgrenze und den Kantonsgrenzen von Wallis, Uri und Tessin nach, östlich bis zum Piz Ravetsch. Sie überschreitet also an mehreren Stellen die Wasserscheiden zwischen Rhein, Rhone und Po und die politische Grenze zwischen der Schweiz und Italien, zählt aber nur eine eigentliche Sprachinsel, die von Rimella am Col de Rocchetta zwischen Anzasca und Mastallone; die übrigen deutschen Gemeinden jenseits der Wasserscheide, die drei Gemeinden des oberen Gressoney, Alagna und Rima im Thal der Sesia, Macugnaga im Val Anzasca, Simpeln und Gondo ( Rüden ) jenseits des Simplon, das Pomatt bis zum Engpass von Foppiano und endlich Bosco oder Gurin im Tessin sind nur Sprachhalbinseln, d.h. sie sind von ihren Sprachgenossen nicht durch fremdsprachiges Gebiet, wohl aber durch zum Theil vergletscherte und unwegsame Gebirgsgrate geschieden. Ueber die Herkunft der Deutschen am Monte Rosa sind viele Ansichten geäussert worden; die Einen schreiben ihnen gothischen, die Andern burgundischen, die Dritten gar sächsischen Ursprung zu. Sie sind aber nichts als eingewanderte Walliser alemannischen oder vielleicht alemannisch-burgundischen Blutes und zwar datirt ihre Einwanderung wohl erst vom 13. Jahrhundert her.* ) Ihre Sprache, welche allerdings dem Italienischen allmälig weicht, gleicht durchaus derjenigen unserer Oberländer, wie sich der Verfasser mehrmals in Pomatt, 1867 in Rimella und 1871 in dem einsamen Bergwirthshäuschen von Fière zu oberst im Val Challant zu überzeugen Gelegenheit hatte. Die Wirthin von Fière, aus Alagna gebürtig, sprach ein Deutsch, das, wenige italienische Ausdrücke abgerechnet, im Oberwallis wie im Oberhasli sich hätte hören lassen können, und der Tonfall, die Aussprache des U und das weiche, fast norddeutsch anklingende Ch hätten keiner Meiringerin Schande gemacht.

Die zweite Abtheilung beginnt am Stilfserjoch, folgt dem Hauptkamme der Ortleralpen bis zum Monte Cevedale und der Wasserscheide zwischen Etsch und Noce. Im Etschthale ist jetzt noch Salurn der südlichste Ort; aber das Italienische dringt ( nach L. Steub ), begünstigt durch die klimatischen Verhältnisse des versumpften Etschthales, welche den Italienern weniger schädlich sind als den Deutschen, wie ein Keil zwischen den deutschen Gemeinden fast bis nach Botzen hinauf, das übrigens, wie die meisten Ortschaften des Etschthales, längst eine italienische Colonie besitzt. Von Salurn an folgt die Grenze der Wasserscheide zwischen Etsch und Avisio bis zum Schiern. Zahlreiche Sprachinseln und Halbinseln beweisen hier die einstige weitere Verbreitung der Deutschen; so die'deutschen Gemeinden des Nonsberges ( Unsere liebe Frau im Walde, Proveis u. s. w. ), Altrei im Fleimserthal, Aichleit, Palü und Gereit ( Frassilongo ) im Fierozzothal südwestlich der Kreuzspitze, Lusarn und Lavarone u. s. w. am Astico, St. Sebastian in der Folgaria und jenseits der österreichischen Grenze die Sette und Tredeci Communi, in welchen freilich die deutsche Sprache, das Cimbro, so zu sagen ausgestorben ist und nur wie ein fernes Echo in Kinderreimen und Wiegenliedern wiederklingt.

Der östliche Theil endlich folgt vom Monte Cristallo bis zum Monte Antola der Wasserscheide zwischen der Rienz und Drau einerseits, der Piave andrerseits. Vom Monte Antola schiebt sich wie eine Halbinsel die deutsche Gemeinde Bladen oder Sappada, durch An- Siedlung deutscher Tiroler entstanden, im Quellgebiet der Piave zwischen Italienern und Furlanern nach Süden vor.

Auch das rhätoromanische Sprachgebiet gliedert sich in drei Theile; der westlichste ist das Bündner Oberland; im Norden wird es vom deutschen Lande durch die Kette der Glarneralpen vom Oberalppass bis zur Ringelspitze abgegrenzt, im Süden vom italienischen Gebiete durch die Wasserscheide zwischen Rhein und Tessin vom Piz Ravetsch bis zum Rheinwaldhorn; den Ostrand bildet das von der Ringelspitze zum Rhein hinabziehende Lavoitobel ( zwischen dem romanischen Trins und dem deutschen Tamins ) und die deutsche Sprachinsel, welcher das Rheinwald, das Savienthal, Vals und die Gegend von Versam und Vallendas angehören. Die Grenze derselben gegen das Bündner Oberland zieht sich vom Piz Scherboda im Lentathal nach Nordosten bis St. Martin im Vals der Wasserscheide zwischen Glenner und Valserrhein nach, steigt dann zur Signinakette auf und endigt, die Gruob am Nordabhang derselben quer durchschneidend, zwischen Kästris und Vallendas am Vorderrhein. Als Sprachinsel im romanischen Oberland ist die deutsche Gemeinde Obersaxen zu erwähnen. Ihre Einwohner sind wie die Davoser zu den freien Valsern zu rechnen, deren Ursprung aus dem Wallis hergeleitet wird. Dagegen sind die Deutschen der grossen Sprachinsel im Gebiet des Hinter-, Savier- und Valserrheines, sowie die Averser höchst wahrscheinlich Schwaben, im 12. und 13. Jahrhundert von den Hohenstauffen aus ihren Stammländern zum Schütze der Pässe in den Alpen verpflanzt. Vom Rheinwald aus, das zuerst colonisirt wurde, sind dann die deutschen Ansiedler über den Valser- und den Savierberg nordwärts vorgedrungen; die germanische Einwanderung fand also von oben nach unten, von den Passhöhen gegen die unteren. Thalstufen statt.

Das mittlere, grösste Sprachgebiet der Rhätoromanen umfasst das Domleschg und Schams, das Ferrerathal, das Oberhalbstein, das Thal der Albula, Engadin und Münsterthal. Die Westgrenze, von der oben erwähnten deutschen Sprachinsel gebildet, ist keine scharfe Linie, sind ja doch der bündnerische Kreis Schams zur Hälfte, Thusis zu zwei Dritteln, Domleschg zu einem Drittel deutsch, freilich erst in neuerer Zeit deutsch geworden. Die nördliche deutsch-rhätische Grenze folgt vom Rhein an der Grenze zwischen den bündnerischen Bezirken Heinzenberg und Plessur, setzt vom Scalottas in der Kette des Stätzerhornes quer über die Lenzerheide zum Lenzerhorn, überschreitet zwischen Alvaneu und Schmitten das Landwasser, zieht sich über die das Bergün östlich beherrschenden Berge zum Piz Kesch, und hält sich endlich bis zum Piz Vadret im Samnaun an die Wasserscheide zwischen Landwasser, Landquart und Trisanna einerseits, Inn andrerseits. Samnaun, die nordöstlichste Ecke des bündnerischen Inngebietes, war früher romanisch, hat aber, vom ladinischen Engadin scharf durch die Kette des Muttler und Piz Mondin geschieden, dagegen nach Südosten gegen das tirolische Finstermünz sich öffnend, im Anfang dieses Jahrhunderts die deutsche Sprache angenommen. Die südliche, italienisch-rhäti-sche Grenze geht von den Surettahörnern am Splügen östlich bis zur Mündung des Val di Lei, des einzigen Thales, das zugleich dem Rheingebiete und dem Königreich Italien angehört, folgt dann südlich der Kette zwischen Val di Lei und Madris, biegt an der Wasserscheide nach Nordost um und folgt derselben bis zum Querriegel des Maloja, wo sie auf die südliche Wasserscheide zwischen Inn und Po überspringt, welcher sie bis. zum Berninapass treu bleibt. Von diesem an zieht sie sich über die Wasserscheide zwischen Inn und Spöl, Rain und Adda bis zum Stelvio, wo sie an die deutsch-italienische Sprachgrenze anschliesst. Das Münsterthal bildet also eine ladinische Halbinsel zwischen deutschem und italienischem Gebiet; das Livignothal, .auf der Nordseite der Wasserscheide zwischen Inn und Adda gelegen, und die Gemeinde Bivio im Oberhalbstein, durch den jetzt -verödeten Pass über den Septimer wie durch einen Isthmus mit dem Bergell verbunden, sind Halbinseln der italienischen Sprache; dagegen ist das deutsche Avers zwischen Val di Lei, Ferrera, »Oberhalbstein und Bergell, also rings von ladinischem und italienischem Gebiete umgeben, eine eigentliche Sprachinsel. Von den Surettahörnern westlich bis zum Piz Scherboda grenzt die Wasserscheide zwischen Rhein- und Pogebiet die mehrfach berührte grosse deutsche Sprachinsel vom italienischen Gebiet ab.

Weit kleiner ist das östliche ladinische Gebiet im Bereich der Etsch; dasselbe umfasst nur die Thäler der Gader, das Enneberger- und Abteithal, und weiter westlich Gröden, alle drei im Brixenerkreise Tirols gelegen; das benachbarte Buchenstein, früher ebenfalls ladinisch, ist jetzt grösstentheils italienisch. Die deutsch- ladinische Sprachgrenze zieht sich hier von der Seisseralp nördlich bis St. Peter im Grödnerthal, dann östlich über die nördliche Kette desselben und die Wasserscheide zwischen Etsch und Gader und schliesst, das Enneberg im untern Theile quer durchsetzend, beim Seekofel an die italienisch^ladinische Grenze an, welche über Monte Tofana und Pordoi bis zur Seisseralp und zum Schiern verläuft. Im Enneberg- und Abteithaie wird das Ladin allmälig vom Italienischen, in Gröden, wie im Engadin, vom Deutschen verdrängt.

Die deutsch - furlanische Sprachgrenze folgt vom Monte Antola in den karnischen Alpen bis Pontafel der politischen Grenze zwischen Kärnthen und Friaul; eine deutsche Halbinsel jenseits der " Wasserscheide und der Landesgrenze ist die Gemeinde Timau an der Strasse über den Monte Croce oder Plekenpass, welcher das Gailthal mit dem friaulischen St. Pietro-thale verbindet, eine Sprachinsel die Gemeinde Sauris bei Ampezzo. Die italienisch-furlanische Sprachscheide wird von der Grenze der italienischen Provinzen Belluno, Treviso und Udine gebildet. Die furlanisch-slavische, eine seltsam gewundene, nicht schärf zu ziehende Linie, folgt vom Monte Canin nach Westen der Wasserscheide zwischen der Raccolana und Resia> umschliesst den Canale della Resia und zieht sich vom Monte Chiampon südöstlich über Cergneu und St Pietro gegen Görz, dessen Bevölkerung aus Deutschen, Italienern, Furlanern und Slovenen gemischt ist- Vom Monte Canin bis Pontafel bildet die Landesgrenze zugleich die Sprachscheide zwischen furlanischem und deutsch-slovenisch gemischtem Gebiet. Die Küste er- reicht das furlanische Gebiet nur zwischen der Mündung des Tagliamento und der österreichischen Grenze. Jenseits dieser ist der ganzen Küste nach bis Fiume die italienische Sprache die herrschende und die Städte haben meist gemischte italienische, slavische und deutsche Bevölkerung, während das Innere des Küstenlandes fast ganz dem slavischen Sprachgebiete angehört.

Die unsicherste Sprachgrenze ist diejenige zwischen Deutschen und Slovenen. Berghaus zieht dieselbe in seiner ethnographischen Karte von Oesterreich ( 1852 ) vom Monte Canin nordöstlich bis zur Vereinigung der Gail mit der Gailitz, dann der unteren Gail entlang zur Drau und nordöstlich bis St. Veit. Von hier aus lässt er sie östlich den Gurk überschreiten, von St. Andrä südöstlich quer durch das Lavantthal verlaufen, dann der Grenze von Steiermark und Kärnthen bis zum Dreieckberge folgen und endlich in südöstlicher und östlicher Richtung über den Possruck und St. Leonhard unweit Wernsee die Mur erreicheu.

Andrée dagegen zieht in der 1876 erschienenen Völkerkarte des deutschen'Reiches als Grenze des rein deutschen Gebietes eine Linie, welche sich bei Pontafel an die deutsch-furlanische Grenze anschliesst, von Mal-borghet nordnordöstlich bis Gross St. Hermagor streicht, dann der Wasserscheide zwischen Gail und Drau folgt bis Villach, über den Ossiachersee und die kleinen Seen von Moosburg das Zollfeld und über St. Michael und St. Sebastian Schmiddorf im Gurkthale erreicht. Von hier an steigt die Linie nordöstlich zum Schwag-kofel und zur kleinen Saualpe an, wendet sich dann nach Südosten, um über Pustritz bei Eis die Drau zu erreichen, verlässt diese unterhalb Lavamünd bei Unter-drauburg, um, wie hei Berghaus, nördlich zum Dreieckberge auf der Grenze von Steiermark und Kärnthen anzusteigen, von welchem aus sie östlich über den Possruck und die Windischen Bühel bis Kadkersburg Terläuft. Doch ist diese Linie keineswegs als die äusserste Grenze des Deutschthums anzusehen, denn auch südlich derselben finden sich zahlreiche deutsche Colonien im slavischen Gebiet, so die von Tarvis und Kaibl, diejenigen von Klagenfurt und Völkermarkt. Die Andree'sche Karte von 1876 zieht also die Grenze im Ganzen südlicher als die Berghaus'sche von 1852. Man könnte versucht sein, zu glauben, es habe in diesem Vierteljahrhundert das Deutschthum in diesen Gegenden bedeutend zugenommen; es ist dem aber nicht so. Wenn die Sprachgrenzen sich verschoben haben, so ist es gewiss nicht zu Ungunsten der slovenischen Sprache geschehen, welche, nach langem Schlafe zu neuem Leben erwacht, im Gegentheil sehr keck und angriffslustig die Deutschen zu slavisiren strebt. Es ist vielmehr der streitige'Boden zwischen Berghaus und Andrée auch in Wirklichkeit « debatable ground » zwischen beiden Sprachen, und deutsche und wendische Städte und Dörfer bilden ein seltsames Gewirr von'Sprachinseln und Halbinseln.* ) Wenn sich die SlavenSo eng verschlungen, dass es bei dem kleinen Maass-fitab der beigegebenen Karte gerathen schien, den Landstrich als deutsch-slovenisch gemischt zu bezeichnen. Als überwiegend deutsch sind in demselben zu bezeichnen ausser den oben erwähnten Colonien Tarvis, Klagenfurt u. s. w.die Umgegend von. Bärenthal, Gupf und Eherndorf; stark mit der slovenischen Gemeinde Leopoldskirchen westlich bis zur Brücke zwischen Pontafel und Ponteba vorschieben, an der Deutsche, Furlaner und Wenden zusammentreffen, so zeugen zahlreiche deutsche Sprachinseln auch im überwiegend wendischen Gebiet von der gegenseitigen Durchsetzung der beiden Stämme. Freilich ist in den Städten wie Marburg, Laibach, Görz etc. ein gutes Theil der deutschen Bevölkerung auf Rechnung der Garnisonen und der Be-amtenwelt zu setzen, aber in den alten deutschen Bauerncolonien Gottschee im Hornwald, Deutschruth am oberen Isonzo und Zarz im Gebiet der oberen Selzacher Zayer verrathen Sitte und Sprache des Volkes selbst noch den germanischen Ursprung. Von den Gottscheern, die heute noch trotz slavischer Tracht die deutsche Sprache ziemlich rein erhalten haben, wissen wir, dass sie aus Franken und Thüringen stammen und um die Mitte des 14. Jahrhunderts sich in der Windischen Mark angesiedelt haben. Heute wandern sie als Hausirer und Obsthändler durch alle deutschösterreichischen Länder, und dem beständigen Contact mit Leuten germanischen Blutes und deutscher Zunge ist es vielleicht zuzuschreiben, dass sie die angestammte Sprache bewahrt haben, während Deutschruth und Zarz, jenes 1218, dieses 1283 vom Pusterthal aus colonisirt, schon halb slavisch geworden sind.

Die Zahl der Alpenbewohner mag heute nach summarischer Schätzung circa 9 Mill, betragen; davon sind etwa 2,300,000 Franzosen in den Alpengegenden slovenisch durchsetzt ist dagegen das Gebiet von Bleiberg und Gutten stein.

33 von Frankreich, Italien und der Schweiz; 2,400,000 Italiener in Italien, der Schweiz, Südtirol und dem Littorale, 200,000 Furlaner im-Alpenlande von Friaul und im Littorale, 50,000 Ladiner in Graubünden, Gröden und Enneberg, 3,100,000 Deutsche in der Schweiz, Baiern, Oesterreich und den deutschen Sprachinseln Italiens, 950,000 Slovenen in Oesterreich und Friaul. Von je 10,000 Alpenbewohnern sprechen 2556 französisch, 2667 italienisch, 222 furlanisch, 55 rhäto- romanisch, 1056 slovenisch und 3444 deutsch.

Dies sind im Umrisse die Sprachverhältnisse der Alpen, wie sie heute liegen. Während in der Ebene die Völker sich leicht mischen und amalgamiren, bewahren sie im Hochgebirge oft Jahrhunderte lang ihre Stammeseigenthümlichkeiten. Im Flachlande genügen wenige einfache Linien, um die Grenzen zu bezeichnen; im verworrenen Netze der Alpen verschlingen sich auch die Sprachscheiden netzartig; wie sich in unsern Bergen die Gesteinsschichten verworfen und übereinander geschoben haben, so dass Erzlager und Gänge zersprengt, zu Stöcken und Nestern zerrissen wurden, so sind in den Alpen auch die Völker durcheinander geschoben und verworfen; einst mächtige Stämme wie die Ostgothen sind versunken und überdeckt, so dass wir kaum mehr ihre Spuren wahrnehmen, andere, wie die Rhätier, in einzelne Sprachinseln zerrissen worden.

In der Schweiz finden wir auf kleinem Gebiete vier der Hauptsprachen der Alpen vereinigt, das Französische, das Deutsche, das Italienische und das Romanische; wir sind in sprachlicher Hinsicht, wie der Abstammung nach, ein buntscheckiges Gebilde.

Von den die Alpen berührenden Staatsgebilden sind Deutschland und Frankreich die homogensten. Die verschiedenen Stämme haben sich so innig mit einander vermischt, dass sie kaum von einander zu unterscheiden sind, ähnlich wie etwa in einem feinkörnigen Sandstein die einzelnen Bestandtheile nur mit Hülfe der Loupe erkannt werden können. Italien lässt sich, wenigstens was seine alpinen Theile betrifft, mit einem Glimmerschiefer vergleichen, dessen Gestein von Strahlsteinen, Granaten und Cyaniten durchsetzt wird, Oesterreich mit seinen vielen locker verbundenen verschiedenartigen Völkern der Nagelfluh, und die Schweiz, in welcher die einzelnen in Sprache und Abstammung verschiedenen Stämme durch die selbstgewählte freie Staatsform und die gemeinsame Geschichte fest zusammengehalten werden, mit einem Gneiss, in dem das deutsche Element den Feldspath, das französische den Quarz, das italienische den Glimmer vertritt, während das rhätoromanische, dem Granat ähnlich, darin in einzelnen eingewachsenen Krystallen vorkommt.

Literatur.

Dr. A. Schott. Die Deutschen am Monte Rosa. Zürich 1840. Die deutschen Colonien in Piémont. Stuttgart 1842.

Dr. J. Fr. Burckhardt. Untersuchungen über die erste Bevölkerung des Alpengebirges etc.

- Archiv für schweizerische Geschichte. IV.

Zürich 1846.

Dr. Il. Berghaus. Sprachkarte von Frankreich. 2. Auflage. Gotha 1852.

Dr. H. Berghaus. Ethnographische Karte der österreichischen Monarchie. Gotha 1852.

Karl Frhr. v. Czörnig. Ethnographische Karte der österreichischen Monarchie. Wien 1855.

Die vergessene Sprachinsel Deutschruth. Zeit- schrift des d. und öst. A. V. VI. München 1875.

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Dr. A. Petermann. Die Be völkerungs Verhältnisse von Italien mit Karte. Petermann's geogr. Mittheilungen. Gotha 1869.

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Bern 1872. J. S. Gerster. Atlas der Heimatkunde der Schweiz.

Bern 1872. R. Andrée.Völkerkarte des deutschen Reiches etc.

Andrée und Peschel: Physical.statistischer Atlas des deutschen Reiches. Bielefeld und Leipzig 1876.

NB. Auf pag. 508, Zeilen 16-18, soll es heissen: setzt vom Stätzerhorn quer über die Passhöhe der Lenzerheide zum Lenzer-Rothhorn ( nicht: vom Scalottas zum Lenzerhorn ).

EL-

IV. * Kleinere Mittheilungen.

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